Krankenversicherung - Basis-DRG; Behandlungsfall; Beurlaubung; Diagnostik; Entlassung aus dem Krankenhaus; Fallzusammenführung;
Krebserkrankung; medizinische Partition; operative Partition
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob zwei stationäre Krankenhausbehandlungen im Wege der Fallzusammenführung mit nur einer
Fallpauschale abzurechnen sind.
Die 1924 geborene und bei der Beklagten und Berufungsbeklagten (im Folgenden: Beklagte) versichert gewesene E. H. (im Folgenden:
Versicherte) war an einem Rektum-Karzinom erkrankt. Am 7. Dezember 2005 wurde durch den Facharzt für Allgemeinmedizin Dr.
W., am 23. Dezember 2005 durch die Fachärztin für Radiologie Dr. F. und am 20. Januar 2006 durch die Fachärztin für Innere
Medizin Dr. J. jeweils eine Krankenhausbehandlung zur Operation des Karzinoms verordnet. Die Fachärztin für Radiologie gab
in der Verordnung vom 23. Dezember 2005 als Diagnosen C20 (ICD-10: bösartige Neubildung des Rektums) und C87.7 (ICD-10: sekundäre
bösartige Neubildung) an.
Die Versicherte wurde im weiteren Verlauf bei der Klägerin und Berufungsklägerin (im Folgenden: Klägerin) zunächst vom 3.
Januar 2006 bis zum 19. Januar 2006 und dann vom 23. Januar bis 15. Februar 2006 stationär aufgenommen.
Mit der "Endabrechnung für stationäre Behandlung" (Aufnahmedatum 3. Januar 2006, Entlassungsdatum 19. Januar 2006) vom 13.
Februar 2006 berechnete die Klägerin für die während des stationären Krankenhausaufenthaltes vom 3. Januar 2006 bis zum 19.
Januar 2006 durchgeführte Strahlentherapie einen Betrag von 8.161,54 EUR (Diagnosis Related Groups [DRG] G27B - Strahlentherapie
bei Krankheiten und Störungen der Verdauung), zuzüglich diverser Zuschläge ergab sich ein Betrag von 8.390,13 EUR. Nach Abzug
geleisteter Zuzahlungen belief sich der Rechnungsendbetrag auf 8.220,13 EUR. Als Entlassungsdiagnose gab die Klägerin auf
der Rechnung C20 an.
In der weiteren "Endabrechnung für stationäre Behandlung" (Aufnahmedatum 23. Januar 2006, Entlassungsdatum 15. Februar 2006)
vom 13. März 2006 berechnete die Klägerin für die während dieses stationären Aufenthaltes durchgeführte komplexe Rektumresektion
(DRG G16Z - Komplexe Rektumresektion) einen Betrag von 10.843,15 EUR; der Gesamtbetrag der Rechnung belief sich auf 11.137,36
EUR. Als Entlassungsdiagnose gab die Klägerin wiederum C20 an.
Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) schätzte durch die Fachärztin für Innere Medizin Dr. S. in einer Stellungnahme
vom 5. April 2006 ein, dass eine Fallzusammenführung nach § 2 Abs. 2 der Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser
für das Jahr 2006 (Fallpauschalenvereinbarung 2006 - FPV 2006) möglich sei. Die Wiederaufnahme sei innerhalb von 30 Tagen
erfolgt, und es handele sich um die gleiche Hauptdiagnosegruppe (MDC).
Mit Schreiben vom 11. April 2006 wandte sich die Beklagte an die Klägerin und führte aus, im Ergebnis der Prüfung durch den
MDK sei festgestellt worden, dass bereits zum Zeitpunkt der Entlassung am 19. Januar 2006 die geplante Wiederaufnahme zur
chirurgischen Intervention am 23. Januar 2006 festgestanden habe. Medizinische Gründe für eine kurzzeitige Unterbrechung der
Behandlung bestünden nicht. Es sei deshalb von einem durchgängigen Behandlungsfall auszugehen und beide Aufenthalte seien
zusammenzufassen. Die erbrachten Leistungen für den Zeitraum vom 3. Januar 2006 bis 15. Februar 2006 würden in Höhe der DRG
G15Z (Strahlentherapie mit großem abdominellen Eingriff) vergütet.
Nachdem die Beklagte zunächst (am 3. März und 19. Juni 2006) für beide Aufenthalte zusammen den von der Klägerin insgesamt
geforderten Betrag von 19.357,49 EUR bezahlt hatte, setzte sie die gezahlten Beträge in Sammelrechnungen vom 14. Juni 2006
und 19. Juni 2006 bis auf eine Restsumme von 129,26 EUR ab und zahlte dann am 1. November 2006 auf die beiden Rechnungen der
Klägerin den Betrag von 12.494,56 EUR für die beiden stationären Behandlungen; der Gesamtbetrag der auf die streitgegenständlichen
Rechnungen der Klägerin von der Beklagten gezahlten Beträge belief sich somit auf 12.623,82 EUR und blieb um 6.733,67 EUR
unter dem von der Klägerin geforderten Betrag von 19.357,49 EUR.
Am 29. März 2007 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Leipzig (SG) erhoben und mit der Klage den Differenzbetrag von 6.733,67 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz
seit dem 11. November 2006 gefordert.
Zur Begründung der Klage ist insbesondere ausgeführt worden, die Klägerin habe zu Recht für den ersten Behandlungsfall die
DRG G27B und für den zweiten Behandlungsfall die DRG G16Z berechnet. Eine Fallzusammenführung gemäß § 2 Abs. 2 FPV 2006 komme
schon deshalb nicht in Betracht, da es sich nicht um dieselbe Basis-DRG handele. Nach der genannten Vorschrift sei eine Zusammenfassung
der Falldaten zu einem Fall und eine Neueinstufung in eine Fallpauschale vorzunehmen, wenn ein Patient innerhalb von 30 Kalendertagen
ab dem Aufnahmedatum des ersten unter diese Vorschrift zur Zusammenfassung fallenden Krankenhausaufenthaltes wieder aufgenommen
werde und innerhalb der gleichen Hauptdiagnosegruppe (MDC) die zuvor abrechenbare Fallpauschale in die "medi-zinische Partition"
(M) oder die "andere Partition" (A) und die anschließende Fallpauschale in die "operative Partition" (O) einzugruppieren sei.
Vorliegend sei die gleiche Hauptdiagnosegruppe zu bejahen. Jedoch sei die erste DRG G27B in die "operative Partition" einzugruppieren
und nicht, wie es Voraussetzung für eine Fallzusammenführung nach dieser Vorschrift wäre, in die "medizinische Partition"
oder "andere Partition". Demgemäß lägen die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 FPV 2006 nicht vor und eine Fallzusammenführung
könne nicht erfolgen.
Die Beklagte hat hierzu vorgetragen, zwar sei die DRG G27B von der Wiederaufnahme ausgenommen, so dass eine Fallzusammenführung
nach § 2 Abs. 1 und 2 FVP 2006 grundsätzlich nicht möglich sei. Vorliegend sei eine Empfehlung des Bundesministeriums für
Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) vom 22. April 2005 an die Deutsche Krankenhausgesellschaft und die Spitzenverbände
der Kassen maßgeblich gewesen, in welcher u.a. ausgeführt worden sei, dass, wenn ein Patient die Krankenhausbehandlung kurzfristig
unterbreche, die stationäre Behandlung oder ein Behandlungsintervall nicht abgeschlossen sei, keine Entlassung, sondern eine
Beurlaubung vorliege mit der Folge, dass nur eine Fallpauschale für die Behandlung abgerechnet werden könne, wobei unerheblich
sei, ob eine Fallpauschale von der Wiederaufnahmeregelung ausgenommen sei. Bei den beiden streitgegenständlichen Aufenthalten
der Versicherten handele es sich um einen Behandlungsfall, der am 7. Dezember 2005 mit der diagnostischen Abklärung des Rektumkarzinoms
begonnen habe, ab dem 3. Januar 2006 mit der Radiotherapie fortgesetzt und ab dem 23. Januar mit der Resektion des Karzinoms
abgeschlossen worden sei. Ihrer Ansicht nach sei die Versicherte vom 19. Januar 2006 bis 22. Januar 2006 gemäß der Empfehlung
des BMGS beurlaubt gewesen, so dass die Klägerin nur eine DRG abrechnen können, obwohl eine der beiden DRGs von der Fallzusammenführung
ausgenommen sei.
Hierzu hat die Klägerin noch vorgetragen, für das Jahr 2005 habe die FPV keine Beurlaubungsregelung enthalten. In § 1 Abs.
7 Satz 2 FPV 2006 seien die Voraussetzung einer Beurlaubung nunmehr geregelt; diese lägen nicht vor, da die Versicherte nicht
auf eigene Initiative hin entlassen worden sei, sondern die Entscheidung zur kurzzeitigen Entlassung letztlich der Arzt getroffen
habe, da zu diesem Zeitpunkt die stationäre Behandlungsbedürftigkeit nicht gegeben gewesen sei.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 20. Februar 2009 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Erforderlichkeit
stationärer Krankenhausbehandlung sei gerichtlich voll überprüfbar. In erweiternder Auslegung des Gesetzeswortlautes des §
275 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) sei den Krankenkassen das Recht zuzubilligen, eine Krankenhausabrechnung auch rechnerisch bzw. sachlich zu überprüfen, selbst
wenn ihrem Wortlaut nach die Vorschrift lediglich die Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Leistungen beinhalte. Denn die
Abrechnungsüberprüfung werde vom Regelungsgehalt der Vorschrift mit umfasst, weil sie der dort geregelten Wirtschaftlichkeitsprüfung
notwendigerweise vorgeschaltet sei. Dieses Recht der Krankenkasse ergebe sich auch aus §
12 Abs.
1 Satz 2
SGB V, wobei diese Regelung auch die Bewilligung von Leistungen gegenüber Leistungserbringern umfasse. Die Krankenkasse müsse die
vereinbarten Entgelte nur zahlen, wenn die Versorgung im Krankenhaus erforderlich sei. Wenn sich die Entscheidung eines Krankenhausarztes
zur Versorgung des Patienten im Nachhinein als nicht vertretbar herausstelle, entfalle die Zahlungspflicht der Krankenkasse
für die stationäre Versorgung eines Versicherten. Zu beachten sei in diesem Zusammenhang, dass die Kostenübernahmeerklärung
der Krankenkasse keine konstitutive Bedeutung habe, sie stelle keine - auch keine konkludente - Leistungsbewilligung gegenüber
dem Versicherten dar. Vorliegend habe die gerichtliche Überprüfung ergeben, dass ein einheitlicher Behandlungsfall vorliege,
da der stationäre Aufenthalt in beiden Zeiträumen der Behandlung des Rektum-Karzinoms gedient habe. Dies gehe aus den der
Krankenhausbehandlung zugrunde liegenden Verordnungen hervor. Bereits bei der Erstaufnahme sei ersichtlich gewesen, dass die
Krebsbehandlung mit der Bestrahlung noch nicht abgeschlossen sei, vielmehr gehe aus der Erstverordnung von Prof. Dr. W. hervor,
dass der stationäre Aufenthalt wegen eines operativen Rektum-Karzinoms erfolgen solle. Es sei vorhersehbar gewesen, dass mit
der Bestrahlung während des ersten stationären Aufenthaltes die Behandlung noch nicht abgeschlossen sei, sondern diese der
Vorbereitung für den großen operativen Eingriff gedient habe. Daher sei eine Zusammenfassung der Falldaten in die DRG-G15Z
gerechtfertigt. Da die Klägerin nicht in der Lage gewesen sei, medizinische Gründe für die Unterbrechung der stationären Aufenthalte
zu benennen, handele es sich lediglich um eine Beurlaubung am Wochenende. Soweit DRGs von der Zusammenführung bei Wiederaufnahme
ausgenommen seien, könne dies nach Sinn und Zweck der Regelung nicht gelten, wenn die Krankenhausbehandlung kurzzeitig unterbrochen
werde oder ein Behandlungsintervall noch nicht abgeschlossen sei. Denn dann handele es sich um eine Beurlaubung und keine
Entlassung. Es entspreche dem Willen des Verordnungsgebers, insbesondere nach kurzzeitiger Unterbrechung radiologischer stationärer
Aufenthalte vor operativer Wiederaufnahme keine teuren Fallpauschalen abrechnen zu müssen.
Gegen das ihr am 28. April 2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 25. Mai 2009 Berufung eingelegt und zur Begründung
im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 FPV 2006 seien nicht erfüllt; eine Fallzusammenführung sei
deshalb ausgeschlossen. Über die Hilfskonstruktion Beurlaubung könne es nicht zu einer Fallzusammenführung kommen. Insoweit
gelte, dass ein Patient zu entlassen und nicht zu beurlauben sei, wenn keine stationäre Behandlungsnotwendigkeit mehr bestehe.
Vorliegend sei der erste Eingriff, der mit der DRG G27B beschrieben werde, abgeschlossen gewesen. Eine Beurlaubung komme schon
deshalb nicht in Betracht, da die Entlassung nicht auf Initiative der Versicherten hin erfolgt sei, sondern auf Entscheidung
des Arztes, der zu diesem Zeitpunkt die stationäre Behandlungsbedürftigkeit nicht gesehen habe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 20. Februar 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere
6.733,67 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11. November 2006 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Ihrer Ansicht nach verkenne die Klägerin insgesamt, dass die Zahlungsverpflichtung der Beklagten mit dem Anspruch der Versicherten
auf Krankenhausbehandlung korrespondiere. Ein Versicherter habe so lange (zusammenhängend) Anspruch auf eine stationäre Behandlung,
als er wegen seiner Erkrankung der besonderen Mittel des Krankenhauses bedurft habe. Korrespondierend hiermit habe die Abrechnung
des Krankenhauses zu erfolgen. Nach dieser Maßgabe handele es sich vorliegend um einen einheitlichen Behandlungsfall, der
nicht zur Optimierung der Vergütung künstlich aufgespalten werden könne. Denn die Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit der
Versicherten und damit deren Anspruch auf Krankenhausbehandlung sei nicht entfallen gewesen, sondern nur aus nicht medizinischen
Gründen zeitlich unterbrochen. Deshalb fehle es vorliegend für die Anwendung der FPV 2006 bereits an einer Entlassung und
(Wieder)-Aufnahme im Rechtssinne. Bereits bei der Erstaufnahme sei ersichtlich gewesen, dass die Krebsbehandlung mit der Bestrahlung
noch nicht abgeschlossen sein konnte, sondern ein stationärer Aufenthalt wegen eines operativen Rektum-Karzinoms erfolgen
solle. Es habe von vornherein festgestanden, dass mit der Bestrahlung während des ersten stationären Aufenthaltes die Behandlung
nicht abgeschlossen gewesen sei, sondern damit lediglich der operative Eingriff vorbereitet worden sei. Damit liege ein einheitlicher
Behandlungsfall vor. Nach der Verordnung und Diagnose eines Rektumkarzinoms seien die Bestrahlung und die Operation zu einer
einheitlichen DRG im Wege der Fallzusammenführung vorzunehmen. § 2 FPV 2006 sei dann nicht anzuwenden, wenn der Patient die
Krankenhausbehandlung kurzzeitig unterbreche und die stationäre Behandlung oder ein Behandlungsintervall noch nicht abgeschlossen
seien. Denn dann handele es sich um keine Entlassung, sondern um eine Beurlaubung, für die nur eine Fallpauschale für die
Behandlung in Ansatz zu bringen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und den Verwaltungsvorgang
der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist statthaft (§§
143,
144 Sozialgerichtsgesetz -
SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§
151 SGG) erhoben worden. Sie ist auch begründet.
Die vor dem SG erhobene Klage war zum einen nach §
54 Abs.
5 SGG zulässig, da es sich bei der auf Zahlung der Behandlungskosten eines Versicherten gerichteten Klage eines Krankenhausträgers
gegen eine Krankenkasse um einen sogenannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis handelt, in dem eine Regelung durch
Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt (z.B. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 28. November 2013 - B 3 KR 33/12 R - juris Rn. 9 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Der Klägerin stehen zudem sowohl der geltend gemachte Vergütungsanspruch
als auch der Zinsanspruch zu. Ihr ist aus der Behandlung der Versicherten ein Vergütungsanspruch gegen die Beklagte entstanden,
der im Umfang von 6.733,67 EUR noch nicht erfüllt ist. Eine Zusammenführung der beiden stationären Behandlungen der Versicherten
zu einem "Behandlungsfall" scheidet aus.
Rechtsgrundlage für die Vergütungsansprüche der Klägerin gegen die Beklagte für im Jahr 2006 erbrachte stationäre Krankenhausleistungen
ist §
109 Abs.
4 Satz 3
SGB V in der vom 30. April 2002 bis 31. Dezember 2006 geltenden Fassung i.V.m § 7 Satz 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) in der vom 21. Dezember 2004 bis 24. März 2009 geltenden Fassung und § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KHEntgG in der vom
22. Juli 2003 bis zum 30. Juli 2008 geltenden Fassung sowie § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) in der vom 21. Dezember 2004 bis 7. November 2011 geltenden Fassung i.V.m der Anlage 1 Teil a) des Fallpauschalen-Katalogs
der G-DRG-Version 2006 sowie dem am 1. Januar 2006 in Kraft getretenen, zwischen der Krankenhausgesellschaft Sachsen e.V.,
zu deren Mitgliedern die Klägerin gehört, und der Beklagten geschlossenen Vereinbarung zu den allgemeinen Bedingungen der
Krankenhausbehandlung nach §
112 Abs.
2 Satz 1 Nr.
1 und
2 SGB V (Vereinbarung nach §
112 Abs.
2 Satz 1 Nr.
1 und
2 SGB V). Für die Frage der Fallzusammenführung sind grundsätzlich die in der FPV 2006 enthaltenen Regelungen maßgeblich.
Rechtsgrundlage für die von einer Krankenkasse erklärte Aufrechnung mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch zur
Erfüllung von Vergütungsansprüchen der Krankenhäuser ist §
69 Abs.
1 Satz 3
SGB V i.V.m §§
387 ff.
Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB). Auch außerhalb der besonderen Regelungen der §§
51,
52 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB I) über die Aufrechnung gegen Sozialleistungsansprüche besteht im Sozialrecht allgemein die Möglichkeit, einer öffentlich-rechtlichen
Forderung im Wege der Aufrechnung, auf welche die §§
387 ff.
BGB entsprechend anzuwenden sind, entgegenzutreten. Voraussetzung dieses einseitigen Rechtsgeschäfts, mit dem die wechselseitige
Tilgung zweier Forderungen bewirkt wird, ist gemäß §
387 BGB, dass sich zum Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung gegenseitige, gleichartige und fällige bzw. erfüllbare Forderungen gegenüberstehen,
wobei die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung uneingeschränkt wirksam und fällig sein muss, die Hauptforderung dagegen
lediglich erfüllbar zu sein braucht. Außerdem darf entsprechend §
390 BGB die Gegenforderung nicht einredebehaftet sein (vgl. zu alledem z.B. BSG, Urteil vom 28. November 2013, a.a.O, juris Rn. 13 m.w.N.).
Vorliegend sind diese Aufrechnungsvoraussetzungen nicht erfüllt, weil der zur Aufrechnung gestellte Erstattungsanspruch der
Beklagten nicht bestand. Eine Fallzusammenführung kommt nach Ansicht des Senates weder in unmittelbarer noch in entsprechender
Anwendung des § 2 Abs. 1 bis 3 FPV 2006 in Betracht. Auch aus § 1 Abs. 7 FPV 2006 lässt sich die von der Beklagten gewünschte
Rechtsfolge nicht herleiten. Deshalb durfte die Klägerin die zwei stationären Behandlungen des Versicherten getrennt mit Einzelvergütungen
von 8.220,13 EUR und 11.137,36 EUR, also mit einer Gesamtvergütung in Höhe von 19.357,49 EUR, abrechnen.
Dabei sind das SG und die Beklagte richtigerweise davon ausgegangen, dass das Krankenhaus auch bei der Vergütung der Krankenhausbehandlung
durch Fallpauschalen einen Vergütungsanspruch gegen eine Krankenkasse nur für eine "erforderliche" Krankenhausbehandlung hat.
Die Vergütung stellt die Gegenleistung für die Erfüllung der Pflicht zugelassener Krankenhäuser dar, die Krankenhausbehandlung
(§
39 SGB V) der Versicherten im Rahmen des jeweiligen Versorgungsvertrags (§
109 SGB V) zu leisten. Die Leistung des Krankenhauses dient der Erfüllung des Sachleistungsanspruchs des Versicherten (§
2 Abs.
2 Satz 1
SGB V) gegen die Krankenkasse. Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht dabei unmittelbar mit der Inanspruchnahme
der Leistung durch den Versicherten, wenn die Versorgung wie hier in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und
im Sinne von §
39 Abs.
1 Satz 2
SGB V erforderlich ist (BSG, Urteil vom 28. November 2013, a.a.O., Rn. 14 m.w.N.). Vorliegend ist lediglich streitig, ob die beiden Krankenhausaufenthalte
zusammengeführt werden können; unstreitig ist, dass beide Aufenthalte und ihre jeweilige Dauer erforderlich waren.
Die Klägerin hat in richtiger Anwendung des für die Höhe ihres Vergütungsanspruches maßgeblichen Fallpauschalenkatalogs für
die erste stationäre Behandlung der Versicherten die DRG G27B (Strahlentherapie bei Krankheiten und Störungen der Verdauung)
und für die zweite stationäre Behandlung die DRG G61Z (Komplexe Rektumresektion) in Ansatz gebracht. Entgegen der Ansicht
der Beklagten können die beiden Krankenhausaufenthalte nicht unter Ansatz der DRG G15Z (Strahlentherapie mit großem abdominellem
Eingriff) zu einem Fall zusammengeführt werden.
Nach § 1 Satz 1 FPV 2006 werden Fallpauschalen jeweils von dem die Leistung erbringenden Krankenhaus nach dem am Tag der Aufnahme
geltenden Fallpauschalen-Katalog und den dazu gehörenden Abrechnungsregeln abgerechnet. Hieraus folgt, dass nach der FPV 2006
für jeden stationären Behandlungsaufenthalt grundsätzlich eine Fallpauschale abzurechnen ist. Abweichend hierzu bestimmt §
2 FPV 2006, in welchen Fällen bei einer Wiederaufnahme in dasselbe Krankenhaus zwei an sich eigenständige Fallpauschalen zu
einem Fall zusammenzufassen und eine Neueinstufung in eine Fallpauschale vorzunehmen ist.
Eine Zusammenfassung der Falldaten und eine Neueinstufung in eine Fallpauschale in unmittelbarer Anwendung des § 2 FPV 2006
kommt nicht in Betracht.
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 FPV 2006 hat das Krankenhaus eine Zusammenfassung der Falldaten zu einem Fall und eine Neueinstufung
in eine Fallpauschale vorzunehmen, wenn
1. ein Patient oder eine Patientin innerhalb der oberen Grenzverweildauer, bemessen nach der Zahl der Kalendertage ab dem
Aufnahmedatum des ersten unter diese Vorschrift fallenden Krankenhausaufenthalts, wieder aufgenommen wird und
2. für die Wiederaufnahme eine Einstufung in dieselbe Basis-DRG vorgenommen wird.
Nach dieser Regelung scheidet eine Zusammenfassung der Falldaten und eine Neueinstufung schon deshalb aus, weil anlässlich
der Wiederaufnahme der Versicherten am 23. Januar 2006 keine Einstufung in dieselbe Basis-DRG vorgenommen wurde. Der Fallpauschale
für die Erstaufnahme lag die Basis-DRG G27 zugrunde, während für die Wiederaufnahme der Versicherten die Basis-DRG G16 maßgeblich
war.
Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 FPV 2006 ist eine Zusammenfassung der Falldaten zu einem Fall und eine Neueinstufung in eine Fallpauschale
auch dann vorzunehmen, wenn
1. ein Patient oder eine Patientin innerhalb von 30 Kalendertagen ab dem Aufnahmedatum des ersten unter diese Vorschrift zur
Zusammenfassung fallenden Krankenhausaufenthalts wieder aufgenommen wird und
2. innerhalb der gleichen Hauptdiagnosegruppe (MDC) die zuvor abrechenbare Fallpauschale in die "medizinische Partition" oder
die "andere Partition" und die anschließende Fallpauschale in die "operative Partition" einzugruppieren ist.
Eine Zusammenfassung der Falldaten nach dieser Vorschrift kommt somit schon deshalb nicht in Betracht, da die Fallpauschale,
in welche der erste stationäre Aufenthalt der Versicherten eingeordnet wurde, in die operative Partition einzugruppieren ist.
Hinzu kommt, dass nach § 2 Abs. 2 Satz 2 FPV 2006 eine Zusammenfassung und Neueinstufung nach Satz 1 nicht vorgenommen wird,
wenn einer der Krankenhausaufenthalte mit einer Fallpauschale abgerechnet werden kann, die bei Versorgung in einer Hauptabteilung
in Spalte 13 des Fallpauschalenkatalogs gekennzeichnet sind und dass die vorliegend relevante DRG G27B dementsprechend gekennzeichnet
ist. Mit dieser Regelung sollte verhindert werden, dass (u.a.) Behandlungsabläufe, die aus medizinischen Gründen oder mit
Rücksicht auf den Patienten mehrere Krankenhausaufenthalte rechtfertigen, zu einem Fall zusammengeführt werden (vgl. Referentenentwurf
zur Verordnung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2004, S. 7; ebenso Thüringer Landessozialgericht [LSG],
Urteil vom 31. Januar 2012 - L 6 KR 497/07 - Rn. 23). Von nur einem "Behandlungsfall" mit der Folge einer Zusammenführung auch mehrerer Krankenhausaufenthalte entgegen
§ 2 FPV kann in Fallkonstellationen wie der vorliegenden jedenfalls nicht ausgegangen werden (zur Maßgeblichkeit der FPV zur
Bestimmung des Behandlungsbegriffs siehe auch Thüringer LSG, Urteil vom 28. August 2012 - L 6 KR 295/11 - Rn. 26).
Eine Fallzusammenführung kann auch nicht auf § 2 Abs. 3 Satz 1 FPV 2006 gestützt werden. Hiernach hat das Krankenhaus eine
Zusammenfassung der Falldaten zu einem Fall und eine Neueinstufung in eine Fallpauschale vorzunehmen, wenn Patienten oder
Patientinnen, für die eine Fallpauschale abrechenbar ist, wegen einer Komplikation im Zusammenhang mit der durchgeführten
Leistung innerhalb der oberen Grenzverweildauer, bemessen nach der Zahl der Kalendertage ab dem Aufnahmedatum des ersten unter
diese Vorschrift zur Zusammenfassung fallenden Aufenthalts, wieder aufgenommen werden. Diese Vorschrift ist schon deshalb
nicht anwendbar, weil die Versicherte nicht wegen einer Komplikation wieder aufgenommen wurde (vgl. hierzu im Einzelnen BSG, Urteil vom 18. Juli 2013 - B 3 KR 6/12 R - juris Rn. 16 ff). Die Versicherte wurde ersichtlich nicht wegen einer negativen Folge der anlässlich des ersten Krankenhausaufenthaltes
durchgeführten Strahlentherapie wieder aufgenommen, sondern sollte zunächst mittels Strahlentherapie und sodann operativ behandelt
werden.
Damit kommt eine Fallzusammenführung in Anwendung des § 2 Abs. 1 bis 3 FPV 2006 nicht in Betracht.
Auch die Qualifizierung der Entlassung der Versicherten am 19. Januar 2006 und ihre erneute Aufnahme am 23. Januar 2006 als
Beurlaubung sind nicht möglich. Zwar wäre entsprechend dem Vorbringen der Beklagten gemäß § 1 Abs. 7 Satz 5 FPV 2006 die anschließend
fortgesetzte Behandlung dann schon nicht als Wiederaufnahme zu werten. Jedoch war die Versicherte nicht beurlaubt worden;
die in § 9 Abs. 1 und
2 der Vereinbarung zu §
112 Abs.
2 Nr.
1 und
2 SGB V für eine Beurlaubung vereinbarten Voraussetzungen - grundsätzlich ist hiernach eine Beurlaubung mit einer Krankenhausbehandlung
nicht vereinbar; sie darf nur ausnahmeweise mit Zustimmung des verantwortlichen Arztes und nur zur Erledigung unaufschiebbarer
persönlicher Angelegenheiten oder zur Stabilisierung des Behandlungserfolges gewährt werden - sind nicht erfüllt.
Eine Verpflichtung der Klägerin, die Falldaten aus den beiden Klinikaufenthalten der Versicherten zu einem "Behandlungsfall"
zusammenzufassen, lässt sich nach Ansicht des Senates des Weiteren weder § 8 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 KHEntgG noch § 17b Abs. 1 Satz 3 KHG noch einer anderen gesetzlichen Vorschrift entnehmen (so ebenfalls Landessozialgericht Hamburg, Urteil vom 4. Juli 2013 -
L 1 KR 21/11 -, juris Rn. 32). Auch die Vereinbarung zu §
112 Abs.
2 Nr.
1 und
2 SGB V enthält keine unmittelbar einschlägigen Regeln zur Fallzusammenführung.
Auch eine entsprechende Anwendung des § 2 Abs. 1 bis 3 FPV 2006 kommt nach Ansicht des Senates nicht in Betracht. Vergütungsregelungen
sind grundsätzlich streng nach ihrem Wortlaut auszulegen, um Fehlinterpretationen und Missverständnisse zu vermeiden; nur
so sind sie für die routinemäßige Anwendung im Massengeschäft der Abrechnung der zahlreichen Behandlungsfälle handhabbar.
Da das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiterzuentwickelndes (§ 17b Abs. 2 Satz 1 KHG) und damit "lernendes" System angelegt ist, ist es bei zutage tretenden Unrichtigkeiten, Unbilligkeiten oder Fehlsteuerungen
in erster Linie Aufgabe der Vertragsparteien, solche Mängel mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (z.B. BSG, Urteil vom 28. November 2013 - B 3 KR 33/12 R - juris Rn. 18). Vorliegend spricht gegen eine entsprechende Anwendung des § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 FPV 2006
zudem, dass in § 2 Abs. 1 Satz 2 FPV 2006 und § 2 Abs. 2 Satz 2 FPV 2006 (i.V.m. der Spalte 13 des Fallpauschalenkataloges)
explizit geregelt wurde, dass - z.B. - ein Krankenhausaufenthalt zur Durchführung einer Strahlentherapie bei Krankheiten und
Störungen der Verdauungsorgane nicht zusammen mit einem weiteren Krankenhausaufenthalt abgerechnet werden. Auch insoweit ist
darauf zu verweisen, dass es beispielsweise bei der Behandlung von Krebspatienten Behandlungsabläufe gibt, die aus medizinischen
Gründen oder mit Rücksicht auf die Patienten zu mehreren Krankenhausaufenthalten führen (Referentenentwurf zur Verordnung
zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2004. S. 7). Im Referentenentwurf wird hierzu weiter ausgeführt, auch
die Krankenkassen hätten im Hinblick auf eine Verkürzung von Verweildauern darauf gedrängt, dass Patienten in Behandlungspausen
entlassen würden. Zudem habe die Entwicklung neuer Behandlungsschemata dazu geführt, dass früher lang dauernde Krankenhausaufenthalte
durch mehrere kürzere Aufenthalte ersetzt würden.
Dies sei grundsätzlich im Sinne der Patienten und auch der zahlungspflichtigen Krankenkassen. Hieraus ergibt sich jedenfalls
hinsichtlich der Behandlung von Krebspatienten, dass mehrere Krankenhausaufenthalte nach dem Willen des Verordnungsgebers
gerade nicht zusammengeführt werden sollten (vgl. insoweit auch Thüringer LSG, Urteil vom 31. Januar 2012, a.a.O.). Eine entsprechende
Anwendung des § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 FPV 2006 bei einer Fallgestaltung wie der vorliegenden ist damit nicht
vereinbar.
Da über die hier streitige Frage der Fallzusammenführung hinaus Fehler bei der von der Klägerin vorgenommenen Rechnungslegung
von der Beklagten nicht geltend gemacht worden und auch nicht ersichtlich sind, verbleibt es nach alledem bei der von der
Klägerin vorgenommenen Rechnungslegung.
Der Zinsanspruch beruht auf §
13 Abs.
3 der Vereinbarung nach §
112 Abs.
2 Nr.
1 und
2 SGB V.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§
160 Abs.
2 SGG).
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §
197a Abs.
1 Satz 1
SGG i.V.m § 63 Abs. 2, § 52 Abs. 3 und § 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz.