Berechnung der Zuweisungen für Krankenkassen aus dem Gesundheitsfonds in der gesetzlichen Krankenversicherung; Rechtmäßigkeit
des Verzichts auf die Annualisierung der Ausgaben unterjährig Verstorbener im Jahr 2012
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Zuweisungen an die klagende Krankenkasse (KK) aus dem Gesundheitsfonds für das
Jahr 2012.
Um Effizienz und Effektivität der Gesundheitsversorgung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu erhöhen, begründete
der Gesetzgeber für Versicherte KKn-Wahlrechte in Abkehr von dem zuvor geltenden Prinzip der festen Zuordnung Versicherter
zu den einzelnen KKn. Im Interesse der Chancengleichheit bei der Gewinnung von Versicherten und um möglichst dauerhaft Anreizen
zu einer Risikoselektion entgegenzuwirken, die sonst aus einer einkommensbezogenen Beitragsgestaltung ohne Anknüpfung an das
Risiko "Gesundheitszustand" entstehen, führte der Gesetzgeber 1994 einen Risikostrukturausgleich (RSA) ein. Er bewirkte, dass
die kassenindividuell kraft Satzung der Höhe nach festgelegten und erhobenen Beitragseinnahmen den KKn nur nach Maßgabe des
sich anschließenden RSA zur Verfügung standen. Der Gesetzgeber änderte dieses System mit Einführung des Gesundheitsfonds,
in den alle nach einem einheitlichen, gesetzlich festgelegten Beitragssatz taggenau bemessenen Beiträge fließen. Seit 2009
erhalten die KKn als Einnahmen aus diesem Gesundheitsfonds Zuweisungen zunächst vorläufig als Abschlagszahlungen aufgrund
monatlicher "Zuweisungsbescheide" und ergänzender "Korrekturbescheide" nach in "Grundlagenbescheiden" gesondert festgestellten
kassenindividuellen Werten und dann endgültig gemäß "Jahresausgleichsbescheiden". Sie stehen einer Korrektur lediglich in
Folgejahren anlässlich eines Jahresausgleichsbescheids offen. Die Höhe der Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds berücksichtigt
die jeweilige Risikostruktur der KK morbiditätsorientiert durch Zu- und Abschläge, um Anreize zur Risikoselektion zu verhindern.
Infolge dieses morbiditätsorientierten RSA stellen kranke Versicherte nicht zwangsläufig im versicherungsmathematischen Sinne
"schlechte Risiken" dar. Die beklagte Bundesrepublik Deutschland konkretisiert die gesetzlich und durch die Risikostruktur-Ausgleichsverordnung
(RSAV) bestimmten Vorgaben der Morbiditätsorientierung jährlich in "Festlegungen", handelnd durch das Bundesversicherungsamt
(BVA). Die Beklagte erläutert hierzu jeweils den Entwurf zu den Festlegungen für den RSA, die sie zu treffen hat (§ 31 Abs
4 S 1 RSAV), hört hierzu die Betroffenen an, entscheidet über die Festlegungen und veröffentlicht sie.
Die Beklagte ermittelt die dem RSA dienenden Zuschläge für alle Risikogruppen im Rahmen der Festlegungen durch Regressionsverfahren.
Mittels dieses statistischen Verfahrens wird der quantitative Zusammenhang zwischen einer oder mehreren unabhängigen Variablen
und einer abhängigen Variablen ermittelt. Die Ausgaben je Versicherten bilden die abhängige Variable, während die Zuordnungen
der Versicherten zu den Risikogruppen die unabhängigen Variablen darstellen. Die sich ergebenden Regressionskoeffizienten
sind als Anteile an den Ausgaben eines Versicherten zu verstehen, die der jeweiligen Risikogruppe zugerechnet werden können.
Sie werden als Jahreswerte ermittelt; da Zuweisungen taggenau (je Versichertentag) zugewiesen werden, werden die ermittelten
Regressionskoeffizienten durch 365 geteilt. Da im Regressionsverfahren jeder Versicherte unabhängig von der Dauer der Versicherung
gleichwertig berücksichtigt wird, also die Ausgaben für einen Versicherten, der nur einen Tag versichert war, ebenso in die
"Durchschnittsbildung" eingehen wie die Ausgaben für einen ganzjährig Versicherten, wird in der internationalen Gesundheitsökonomie
empfohlen, zur Vermeidung einer Unterschätzung der Ausgaben die Ausgaben von Versicherten mit unvollständigen Versichertenepisoden
vor Durchführung der Regression auf das Gesamtjahr hochzurechnen (annualisieren) und im Gegenzug bei der Durchführung des
Regressionsverfahrens mit dem Kehrwert des Hochrechnungsfaktors der Annualisierung zu gewichten.
Die Beklagte wandte in den Festlegungen vom 3.7.2008 für das Ausgleichsjahr 2009 dieses Verfahren grundsätzlich auf die Versicherten
an, nicht jedoch auf die im Ausgleichsjahr Verstorbenen. Sie annualisierte deren Ausgaben nicht, sodass diese auch nicht abgewichtet
in die Regression eingingen. Vielmehr erhielten diese Ausgaben das Gewicht 1, wurden also so behandelt, als seien sie im Gesamtjahr
angefallen. Auf diese Weise gehen die Ausgaben der im Ausgleichsjahr Verstorbenen nur zur Hälfte in die Berechnung der Zuschläge
für die jeweilige Risikogruppe ein, da solche Versicherte statistisch gesehen im Durchschnitt in der Jahresmitte verstorben
sind. Die Beklagte hob in den Festlegungen die Zuschläge aller Risikogruppen zum Ausgleich über einen Korrekturfaktor proportional
an.
Zur Begründung führte das BVA in den "Erläuterungen" zum Entwurf aus, hinsichtlich der Ausgaben von Versicherten mit unvollständigen
Versichertenepisoden seien verschiedene Varianten im Hinblick auf die Prognosegüte des Modells verglichen worden. Dabei sei
man zu dem Ergebnis gelangt, die Ausgaben der unterjährig Versicherten mit Ausnahme der Verstorbenen auf das Jahr hochzurechnen
und die Versicherten in der Regression durch ein Gewicht, das dem Kehrwert des Annualisierungsfaktors entspreche, zu gewichten.
Die Ausgaben Verstorbener würden nicht annualisiert, da es ansonsten zu einer Überschätzung der Ausgaben käme. In der Anhörung
habe keine der sich äußernden KKn und keiner ihrer Verbände diesem Vorgehen widersprochen.
In den Folgejahren hielt die Beklagte an dem Berechnungsverfahren fest, obwohl ein Teil der KKn die Annualisierung auch der
Ausgaben der Verstorbenen forderte und sich auch der mit einer Überprüfung der Wirkungen des RSA beauftragte Wissenschaftliche
Beirat in seinem Evaluationsbericht zum Jahresausgleich 2009 im RSA (Endfassung vom 22.6.2011, Veröffentlichung vom 26.9.2011)
für eine entsprechende Änderung des Verfahrens aussprach. Die Beklagte meinte hierzu, die Frage solle im größeren Kontext
der Weiterentwicklung des RSA diskutiert werden. Die Beklagte traf die Festlegungen ua für 2011 und später für 2012 in diesem
Sinne im dargelegten Verfahren (ua Anhörungsschreiben vom 30.7.2010, Festlegungen für das Ausgleichsjahr 2011 vom 30.9.2010,
Änderungsbekanntgabe vom 15.11.2010, Berichtigung vom 16.12.2010; ua Anhörung zu Morbiditätsgruppen, Zuordnungsalgorithmus,
Regressions- und Berechnungsverfahren für das Ausgleichsjahr 2012 mit veröffentlichtem Schreiben vom 5.8.2011; Änderungsbekanntgabe
vom 26.9.2012; Festlegungen nach § 31 Abs 4 RSAV für das Ausgleichsjahr 2012 nebst Berichtigung vom 30.9.2011; Berichtigung
der Anlage 1 zu den Festlegungen nach § 31 Abs 4 RSAV vom 30.9.2011 idF der Berichtigung vom 30.11.2011). Die Beklagte setzte
dementsprechend gegenüber der Klägerin - in beim LSG mit gesonderter Klage angegriffenen Entscheidungen - Zuweisungen für
2011 fest. Sie setzte für 2012 zunächst Abschlagszahlungsansprüche fest.
Das LSG hat die Klage gegen die Ablehnung höherer vorläufiger Zuweisungen für 2012 (Grundlagenbescheid III/2012 vom 28.9.2012,
Korrekturbescheid II/2012 vom 15.10.2012, Zuweisungsbescheid 10/2012 vom 28.8.2012, während des Verfahrens ergänzt durch Zuweisungsbescheid
11/2012 und Zuweisungsbescheid 12/2012 vom 30.11.2012, ersetzt durch Grundlagenbescheid IV/2012 vom 28.3.2013 und Korrekturbescheid
III/2012 vom 15.4.2013) nach Einvernahme eines Sachverständigen abgewiesen (Urteil vom 4.7.2013). Die Klägerin hat dagegen
Revision eingelegt. Die Beklagte hat danach über den Jahresausgleich 2012 endgültig entschieden (Bescheid vom 15.11.2013 über
die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds [RSA] im Jahresausgleich 2012 und den Ausgleichsbetrag für Zuweisungen 2012 [= Teil
1]: Zuweisungen für standardisierte Leistungsausgaben einschließlich Krankengeld: 5 872 409 718,48 Euro; Korrekturbetrag für
Zuweisungen 2011 [= Teil 2]: - gegen die Klägerin gerichtete Ausgleichsverpflichtung - 3 662 948,62 Euro; Gesamt-Ausgleichsverpflichtung
2012 [= Teil 3]: 16 143 228,63 Euro). Das LSG hat die Ablehnung höherer Zuweisungen für 2012 als mit der Klage angegriffen
gesehen und diese abgewiesen (Urteil vom 13.2.2014).
Die Klägerin rügt mit ihrer Revision die Verletzung der Rechtsgrundlagen des RSA (§
266 Abs
1 S 2, §
268 Abs
1 S 1 Nr
3 SGB V iVm §
31 RSAV) und der Beweiswürdigung (§
128 SGG).
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 13. Februar 2014 aufzuheben, den Bescheid vom 15. November 2013
zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, höhere Zuweisungen für die Jahre 2011 und 2012 unter Beachtung der Rechtsauffassung
des Gerichts festzusetzen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
II
1. Die zulässige Revision der klagenden KK ist nicht begründet. Die Klage ist allerdings zulässig.
a) Die Entscheidung der beklagten Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das BVA über den Jahresausgleich 2012 (Bescheid
vom 15.11.2013 auf der Grundlage der Festlegungen 2012) galt als beim LSG angefochten (vgl §
171 SGG und hierzu sinngemäß BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 §
35 Nr 4, RdNr 19). Sie ersetzte die Entscheidung über vorläufige Zuweisungen für 2012 (Grundlagenbescheid III/2012 vom 28.9.2012,
Korrekturbescheid II/2012 vom 15.10.2012, Zuweisungsbescheid 10/2012 vom 28.8.2012, während des Verfahrens ergänzt durch Zuweisungsbescheid
11/2012 und Zuweisungsbescheid 12/2012 vom 30.11.2012, ersetzt durch Grundlagenbescheid IV/2012 vom 28.3.2013 und Korrekturbescheid
III/2012 vom 15.4.2013) vollständig (vgl entsprechend zur früheren Rechtslage BSG SozR 4-2500 § 266 Nr 2 RdNr 7 ff; BSG Urteil vom 24.1.2003 - B 12 KR 19/02 R - Juris RdNr 14 ff; s auch BSG Urteil vom selben Tage - B 1 KR 5/14 R - RdNr 10 ff, für BSGE und SozR vorgesehen). Der anderweitig - noch beim LSG - anhängige weitere Rechtsstreit über den Jahresausgleich
2011 steht der Zulässigkeit der hier betroffenen Klage nicht entgegen. Die Korrektur für 2011 als Teil des Jahresausgleichs
2012 ist ein vom Jahresausgleich 2011 zu unterscheidender, anderer Streitgegenstand (vgl entsprechend bereits zur früheren
Rechtslage BSGE 90, 231 = SozR 4-2500 § 266 Nr 1, RdNr 32).
b) Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ohne Vorverfahren zulässig (vgl BSG Urteil vom selben Tage - B 1 KR 5/14 R - RdNr 9, für BSGE und SozR vorgesehen). Gegenstand der Klage ist das Begehren, die Ablehnung höherer Zuweisungen für 2012
(Teilregelung im Jahresausgleichsbescheid 2012 vom 15.11.2013) aufzuheben und höhere Zuweisungen für die Jahre 2011 und 2012
unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu festzusetzen. Die Klägerin greift nur einen abtrennbaren Teil der Ablehnung
höherer Zuweisungen an, nämlich die Ablehnung eines höheren Zahlbetrags wegen vermeintlich gebotener Annualisierung der Ausgaben
von Versicherten mit unvollständigen Versichertenepisoden in der Zuweisung für 2012 und der Korrektur für 2011 (vgl zu den
Verfügungssätzen des Jahresausgleichsbescheids und zu ihrer Teilbarkeit BSG Urteil vom selben Tage - B 1 KR 5/14 R - RdNr 18 ff, für BSGE und SozR vorgesehen).
c) Der erkennende Senat hat die Rechtmäßigkeit der dem Jahresausgleich 2012 zugrundeliegenden Festlegungen - und nicht nur
ihre Wirksamkeit - zu überprüfen, obwohl die Beklagte hierin ihre Entscheidung, wie mit den Ausgaben von Versicherten mit
unvollständigen Versichertenepisoden zu verfahren ist, vor Erlass des angegriffenen Jahresausgleichsbescheids traf. Die Entscheidung
über den Jahresausgleich erfolgt nämlich in einem mehrstufigen Verfahren, bei dem den KKn gerichtlicher Rechtsschutz erst
auf der letzten Stufe gewährt wird: Klagen der KKn sind lediglich gegen die Höhe der Zuweisungen im RSA einschließlich der
hierauf entfallenden Nebenkosten eröffnet. Sie haben keine aufschiebende Wirkung. Die vorangegangenen Festlegungen sind -
obwohl nach ihrer Rechtsqualität ebenso wie die Grundlagenbescheide Allgemeinverfügungen (§ 31 S 2 SGB X; s näher unten, II.2 b cc und 2. d aa) - im Rahmen der Klagen von KKn gegen die Höhe der Zuweisungen im RSA inzidenter mit
zu überprüfen.
Die Konzentration des gerichtlichen Rechtsschutzes auf Klagen gegen die Höhe der Zuweisungen im RSA folgt aus der sinngemäßen
Auslegung des in §
266 Abs
6 S 7
SGB V angelegten Regelungssystems. Nach §
266 Abs
6 S 7
SGB V haben Klagen gegen die Höhe der Zuweisungen im RSA einschließlich der hierauf entfallenden Nebenkosten keine aufschiebende
Wirkung. Die Norm trifft in der Sache damit zwei Regelungen: 1. Den KKn stehen nur Klagen gegen die Höhe der Zuweisungen im
RSA offen. 2. Diese Klagen haben keine aufschiebende Wirkung.
Der aufgezeigte Regelungsgehalt erschließt sich vor allem vor dem Hintergrund der Funktion der Zuweisungen: Sie bilden die
wesentliche Finanz- und damit auch Handlungsgrundlage der KKn. Der im Gesetz vorgesehene Zahlungsfluss darf nicht durch die
gerichtliche Kontrolle verhindert werden. In diesem Sinne wirkt der zwingend vorgesehene Korrekturmechanismus: Unterlaufen
bei der Mittelzuweisung im Jahresausgleichsbescheid Fehler - und sei es erst auf der letzten Stufe der Rechtsanwendung oder
etwa schon bei den Festlegungen, sind diese erst in einem späteren Ausgleichsverfahren zu berücksichtigen, sei es im Folgejahr
oder noch später. In diesem Sinne bestimmt §
266 Abs
6 S 3
SGB V: Werden nach Abschluss der Ermittlung der Werte sachliche oder rechnerische Fehler in den Berechnungsgrundlagen festgestellt,
hat das BVA diese bei der nächsten Ermittlung der Höhe der Zuweisungen nach den dafür geltenden Vorschriften zu berücksichtigen
(vgl auch Begründung des Entwurfs eines GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes [GKV-WSG] BT-Drucks 16/3100 S 168, zu Art 1 Nr 178
[§ 266] Buchst g). Rückwirkende Korrekturen sind ausgeschlossen (vgl entsprechend zur Fehlerkorrektur bei strukturierten Behandlungsprogrammen
BSGE 108, 251 = SozR 4-2500 § 137g Nr 1, RdNr 18 mwN).
d) Im Revisionsverfahren fortwirkende Umstände, die einer Sachentscheidung des Senats entgegenstehen könnten, liegen nicht
vor. Es bedarf insbesondere keiner Beiladung anderer KKn nach §
75 Abs
2 SGG (vgl BSG Urteil vom selben Tage - B 1 KR 5/14 R - RdNr 23, für BSGE und SozR vorgesehen).
2. Die Klage ist unbegründet. Die Beklagte lehnte es rechtmäßig ab, der Klägerin für 2012 mehr als zuerkannt zuzuweisen. Entgegen
der Auffassung der Klägerin legte die Beklagte rechtmäßig fest, wie die Ausgaben von Versicherten mit unvollständigen Versichertenepisoden
vor Durchführung der Regression auf das Gesamtjahr hochzurechnen sind. Die Beklagte sah rechtmäßig davon ab, die Ausgaben
Verstorbener bis zum Abschluss des Rechnungsjahres 2012 zu annualisieren. Es ist nicht Aufgabe des erkennenden Senats, darüber
hinaus - gleichsam ungefragt - beim Jahresausgleichsbescheid 2012 auf Fehlersuche hinsichtlich von der Klägerin nicht angegriffener
Mängel zu gehen. Die Beklagte durfte - wie erfolgt - aufgrund wirksamer Rechtsgrundlage (dazu a und b) die erforderlichen
Festlegungen in einer formell rechtmäßigen (dazu c) Allgemeinverfügung treffen. Ihre Festlegung zur Berücksichtigung der Ausgaben
Verstorbener beim RSA 2012 war auch inhaltlich rechtmäßig (dazu d).
a) Rechtsgrundlage der Festlegung der Berücksichtigung der Ausgaben Verstorbener beim RSA 2012 ist § 31 Abs 4 RSAV iVm § 29
und § 31 Abs 1 RSAV. Danach legt das BVA auf der Grundlage der Empfehlung nach § 31 Abs 2 Nr 2 und 3 RSAV die nach Abs 1 S
2 zu berücksichtigenden Krankheiten, die auf Grundlage dieser Krankheiten zugrunde zu legenden Morbiditätsgruppen, den Algorithmus
für die Zuordnung der Versicherten zu den Morbiditätsgruppen, das Regressionsverfahren zur Ermittlung der Gewichtungsfaktoren
und das Berechnungsverfahren zur Ermittlung der Risikozuschläge für das folgende Ausgleichsjahr nach Anhörung der Spitzenverbände
der KKn bis zum 30. September fest und gibt diese in geeigneter Weise bekannt. Für die Ermittlung der Risikozuschläge für
die in § 29 S 1 Nr 1 RSAV genannten Risikomerkmale sind nur die nach Satz 1 festgelegten Morbiditätsgruppen zu berücksichtigen.
Abs 1 S 1 gilt entsprechend. Morbiditätsgruppen für Erwerbsminderungsrentner werden für Versicherte gebildet, die während
des überwiegenden Teils des dem Ausgleichsjahr vorangegangenen Jahres eine Rente wegen Erwerbsminderung erhalten haben. Bei
der Bildung von Altersgruppen kann das BVA im Einvernehmen mit dem Spitzenverband Bund der KKn von § 2 Abs 3 S 1 RSAV abweichende
Altersabstände bestimmen. Das BVA kann nach Anhörung des Spitzenverbandes Bund der KKn die Festlegungen nach Satz 1 unterjährig
anpassen, wenn die allgemein gültige Kodierung der Diagnosen oder die Arzneimittelklassifikation aktualisiert wird. Die Anpassungen
nach Satz 6 sind in geeigneter Weise bekannt zu geben. Die Datenmeldungen nach § 30 Abs 1 RSAV für Versicherte im Sinne des
Abs 5 S 1 bleiben beim Regressionsverfahren zur Ermittlung der Gewichtungsfaktoren und dem Berechnungsverfahren zur Ermittlung
der Risikozuschläge nach Satz 1 unberücksichtigt. Im Einvernehmen mit dem Spitzenverband Bund der KKn kann das BVA die Mitgliedergruppen
nach § 29 Nr 4 RSAV abweichend abgrenzen. Für die Ermittlung der Zuweisungen zur Deckung der standardisierten Leistungsausgaben
der KKn für den Bereich der Schutzimpfungen nach der Verordnung über die Leistungspflicht der GKV bei Schutzimpfungen gegen
die neue Influenza A(H1N1) vom 19.8.2009 (BAnz 2009 Nr 124, S 2889) ist § 37 Abs 4 RSAV entsprechend anzuwenden.
b) Die Regelungen des § 31 Abs 4 S 1 RSAV iVm § 29 und § 31 Abs 1 RSAV sind wirksam, denn sie sind rechtmäßig. Sie beruhen
auf einer rechtmäßigen Ermächtigungsgrundlage (dazu aa) und sind formell (dazu bb) sowie materiell rechtmäßig (dazu cc). Der
Verordnungsgeber durfte insbesondere dem BVA die Befugnis erteilen, in Form sachbezogener Allgemeinverfügungen (§ 31 S 2 SGB X) auf einer ersten Stufe des Verwaltungsverfahrens nach pflichtgemäßem Ermessen (dazu unten 2. d aa) Festlegungen (§ 31 Abs
4 S 1 RSAV) zu treffen.
aa) Rechtsgrundlage für den Erlass der hier maßgeblichen Fassung der RSAV ist die sich aus dem GKV-WSG ergebende, mWv 1.1.2009 in Kraft getretene Fassung der Regelung des §
268 SGB V. Nach Abs
2 S 1 regelt das Bundesministerium für Gesundheit bis zum 31.12.2009 durch Rechtsverordnung nach §
266 Abs
7 SGB V mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere zur Umsetzung der Vorgaben nach Abs 1. In der Verordnung ist auch zu bestimmen,
ob einzelne oder mehrere der bis zum 31.12.2008 geltenden Kriterien zur Bestimmung der Versichertengruppen neben den in Abs
1 S 1 genannten Vorgaben weitergelten; §
266 Abs
7 Nr
3 gilt. Nach §
268 Abs
1 SGB V (idF durch Art 1 Nr 180 Buchst a GKV-WSG, BGBl I 378 mwV 1.1.2009) sind die Versichertengruppen nach §
266 Abs
1 S 2 und 3
SGB V und die Gewichtungsfaktoren nach §
266 Abs
2 S 2
SGB V vom 1.1.2009 an abweichend von §
266 SGB V nach Klassifikationsmerkmalen zu bilden (Morbiditätsgruppen), die zugleich 1. die Morbidität der Versicherten auf der Grundlage
von Diagnosen, Diagnosegruppen, Indikationen, Indikationengruppen, medizinischen Leistungen oder Kombinationen dieser Merkmale
unmittelbar berücksichtigen, 2. an der Höhe der durchschnittlichen krankheitsspezifischen Leistungsausgaben der zugeordneten
Versicherten orientiert sind, 3. Anreize zu Risikoselektion verringern, 4. keine Anreize zu medizinisch nicht gerechtfertigten
Leistungsausweitungen setzen und 5. 50 bis 80 insbesondere kostenintensive chronische Krankheiten und Krankheiten mit schwerwiegendem
Verlauf der Auswahl der Morbiditätsgruppen zugrunde legen. Im Übrigen gilt §
266 SGB V.
Die Regelung des §
268 Abs
2 S 1
SGB V iVm §
268 Abs
1 SGB V genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen (Art
80 Abs
1 S 2
GG; vgl im Übrigen BSG Urteil vom selben Tage - B 1 KR 5/14 R - RdNr 43 ff, für BSGE und SozR vorgesehen). Die Verordnungsermächtigung bestimmt nämlich Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung
hinreichend genau. Das BVerfG bejahte dies bereits für die weniger präzise gefasste, früher geltende Gesamtregelung (§
268 Abs
1 und
2 SGB V aF = idF durch Art 1 Nr
4 RSA-ReformG vom 10.12.2001, BGBl I 3465, vgl BVerfGE 113, 167, 268 ff = SozR 4-2500 § 266 Nr 8 RdNr 232 ff). Sie unterschied sich von der hier maßgeblichen Fassung dadurch, dass der Verordnungsgeber
eine Frist spätestens bis zum 30.6.2004 - und nicht erst bis zum 31.12.2009 hatte, um das nach Morbiditätsgruppen gebildete
Versichertenklassifikationsmodell zu erlassen (vgl §
268 Abs
2 S 1
SGB V aF gegenüber der Fassung durch Art 1 Nr
16 VÄndG vom 22.12.2006, BGBl I 3439, mWv 1.1.2007). Zudem lauteten die Anforderungen an die Bildung von Versichertengruppen
und Gewichtungsfaktoren nach Klassifikationsmerkmalen, dass sie ua "Qualität und Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung
fördern und (...) praktikabel und kontrollierbar sind". Demgegenüber fordert die neuere Regelung, dass die Rechtsverordnung
"keine Anreize zu medizinisch nicht gerechtfertigten Leistungsausweitungen setzen und (...) 50 bis 80 insbesondere kostenintensive
chronische Krankheiten und Krankheiten mit schwerwiegendem Verlauf der Auswahl der Morbiditätsgruppen zugrunde legen" muss
(vgl §
268 Abs
1 S 1 Nr
4 und
5 SGB V aF gegenüber §
268 Abs
1 S 1 Nr
4 und
5 SGB V idF durch Art 1 Nr 180 GKV-WSG). Die neuere, präzisere Regelung rechtfertigt keine andere verfassungsrechtliche Bewertung (vgl auch Huber, Unger, Die Weiterentwicklung
des Risikostrukturausgleichs in der gesetzlichen Krankenversicherung durch das GKV-WSG, 2011, RdNr 34 ff).
bb) Die Regelungen der RSAV, die das BVA ermächtigen, die Festlegungen zu treffen (§ 31 Abs 4 S 1 iVm § 29 S 1 und § 31 Abs 1 und 2 RSAV idF durch Art 38 Nr 6 GKV-WSG vom 26.3.2007, BGBl I 378), kamen formell ordnungsgemäß zustande. Der parlamentarische Gesetzgeber durfte sie ändern. Er
verletzte hierbei nicht das Zitiergebot (Art
80 Abs
1 S 3
GG).
Der parlamentarische Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen zur Änderung einer Rechtsverordnung in einem parlamentarischen
Gesetzgebungsverfahren berechtigt, wenn bei der Änderung komplexer Regelungsgefüge, in denen förmliches Gesetzesrecht und
auf ihm beruhendes Verordnungsrecht ineinander verschränkt sind, auch das Verordnungsrecht anzupassen ist. Ändert das Parlament
wegen des sachlichen Zusammenhangs eines Reformvorhabens bestehende Rechtsverordnungen oder fügt es in diese neue Regelungen
ein, so ist das dadurch entstandene Normengebilde aus Gründen der Normenklarheit insgesamt als Rechtsverordnung zu qualifizieren
(vgl BVerfGE 114, 196, 234 ff = SozR 4-2500 § 266 Nr 9 RdNr 93 ff). Der Gesetzgeber des GKV-WSG musste in diesem Sinne bei Einführung des Gesundheitsfonds zur Finanzierung der KKn das komplexe, ineinander verschränkte
Regelungsgefüge des Gesetzesrechts des
SGB V und der RSAV ändern und hierbei auch das Recht der RSAV anpassen.
Der parlamentarische Gesetzgeber verletzte bei seinen Änderungen der RSAV nicht das verfassungsrechtliche Zitiergebot (Art
80 Abs
1 S 3
GG). Danach ist in der Verordnung die Rechtsgrundlage anzugeben. Die Regelung statuiert ein rechtsstaatliches Formerfordernis.
Die hierzu ermächtigte Exekutive muss sich selbst durch Angabe der von ihr in Anspruch genommenen Ermächtigungsgrundlage des
ihr aufgegebenen Normsetzungsprogramms vergewissern und hat sich auf dieses zu beschränken. Das Erfordernis soll zugleich
die Prüfung erleichtern, ob sich der Verordnungsgeber beim Erlass der Verordnung im Rahmen der ihm erteilten Ermächtigung
gehalten hat (vgl BVerfGE 101, 1, 42). Das Zitiergebot gilt indes nach seinem Sinn und Zweck nicht, wenn der parlamentarische Gesetzgeber selbst eine Rechtsverordnung
erlässt oder ändert. Der parlamentarische Gesetzgeber kennt nämlich die von ihm geschaffenen Ermächtigungsgrundlagen. Das
BVerfG beanstandet die dem entsprechende ständige Praxis des Parlamentsgesetzgebers (vgl Seiler, ZG 16, 2001, 50, 60) nicht (vgl BVerfGE 114, 196, 239 f = SozR 4-2500 § 266 Nr 9 RdNr 109, 113, zur Änderung der
Bundespflegesatzverordnung durch Art 4 Gesetz zur Sicherung der Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der gesetzlichen Rentenversicherung
[Beitragssatzsicherungsgesetz - BSSichG] vom 23.12.2002, BGBl I 4637; im Ergebnis zustimmend BFHE 235, 452 = Juris RdNr 30 - 35; ebenso Huber, Unger, Die Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs in der gesetzlichen Krankenversicherung
durch das GKV-WSG, 2011, RdNr 49 ff, 56; aA Sondervotum in BVerfGE 114, 196, 250, unter 3.b aE, insoweit in SozR 4-2500 § 266 Nr 9 nicht abgedruckt).
cc) Der Gesetzgeber des GKV-WSG beachtete als Verordnungsgeber die von ihm selbst gesetzten und von ihm zu beachtenden Grenzen der gesetzlichen Verordnungsermächtigung
(§
266 Abs
7, §
268 Abs
2 S 1
SGB V). Der Verordnungsgeber durfte das BVA ermächtigen, in Form einer sachbezogenen Allgemeinverfügung (§ 31 S 2 SGB X) nach pflichtgemäßem Ermessen (vgl unten 2. d aa) auf einer ersten Stufe des Verwaltungsverfahrens Festlegungen (§ 31 Abs
4 S 1 RSAV) zu treffen. Sie betreffen die nach § 31 Abs 1 S 2 RSAV zu berücksichtigenden Krankheiten einschließlich der ihnen
zugeordneten DxGruppen und ICD-10-Kodierungen, die Morbiditätsgruppen und ihre Hierarchisierung, den Algorithmus für die Zuordnung
der Versicherten zu den Morbiditätsgruppen, das Regressionsverfahren zur Ermittlung der Gewichtungsfaktoren und das Berechnungsverfahren
zur Ermittlung der Risikozuschläge (§ 31 Abs 4 S 1 RSAV). Es ist dem Gesetzgeber durch das
Grundgesetz nicht verwehrt, für den Vollzug hinreichend bestimmter gesetzlicher Vorschriften die Form einer Allgemeinverfügung vorzusehen,
wenn er die Maßstäbe und das Verfahren der Entscheidungsfindung mit einer dem Sachbereich angemessenen Genauigkeit regelt
(vgl zB BVerfGE 106, 275, 307 f = SozR 3-2500 § 35 Nr 2 S 24; BVerwGE 70, 77, 82; BGH NVwZ 2009, 195 RdNr 11).
Die Festlegungen sind in diesem Sinne als zulässige sachbezogene Allgemeinverfügungen zu qualifizieren. Allgemeinverfügung
ist ein Verwaltungsakt, der ua die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit
betrifft (§ 31 S 2 SGB X). Auch Sachgesamtheiten wie eine (unselbstständige) Anstalt (ein Bestand von sächlichen und persönlichen Mitteln, welche
in der Hand eines Trägers öffentlicher Verwaltung einem besonderen öffentlichen Zweck dauernd zu dienen bestimmt sind, vgl
O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, 3. Aufl 1924, Bd 2, S 268) oder ein verwaltetes Sondervermögen können hierbei "eine
Sache" sein (hM: vgl U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl 2014, § 35 RdNr 316 mwN). Das BVA regelt mit den Festlegungen das Nähere aus dem Normprogramm des § 31 Abs 4 S 1 RSAV für die Zuweisungen
an die KKn aus dem Gesundheitsfonds (§
271 SGB V) als einem öffentlich-rechtlich organisierten Zweckvermögen ohne eigene Rechtspersönlichkeit.
Gleiches gilt - hierauf weist der erkennende Senat nur ergänzend hin - für die Befugnis des BVA, Grundlagenbescheide zu erlassen
(vgl § 39 Abs 2 S 1 RSAV; vgl zur früheren Regelung von Grundlagenbescheiden nach §
266 Abs
6 SGB V iVm § 17 RSAV bereits Littmann in Hauck/Noftz, SGB X, Stand 12/2013, K § 31 RdNr 66; Waschull in LPK-SGB X, 3. Aufl 2011, § 31 RdNr 74). Der Verordnungsgeber - insoweit der Gesetzgeber des GKV-OrgWG (Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen
in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 15.12.2008, BGBl I 2426) - durfte das BVA dementsprechend ermächtigen, in Form
einer sachbezogenen Allgemeinverfügung (§ 31 S 2 SGB X) auf einer zweiten Stufe des Verwaltungsverfahrens Grundlagenbescheide zu erlassen.
c) Die in Gestalt des BVA zuständige Beklagte beachtete das für die Festlegungen vorgesehene Verfahren. Sie informierte zeitgerecht
über die beabsichtigten Änderungen, erläuterte ihren Hintergrund, nahm die eingegangenen Stellungnahmen zur Kenntnis, bezog
sie in ihren Entscheidungsprozess ein, entschied über die Festlegungen und veröffentlichte am 30.9.2011 die Entscheidung im
Rahmen des Üblichen auf ihrer Homepage.
d) Die Beklagte behielt inhaltlich rechtmäßig auch noch für das Jahr 2012 das Berechnungsverfahren für die Berücksichtigung
der Ausgaben unterjährig verstorbener Versicherter bei, das sie seit 2009 verwendete. Sie entschied fehlerfrei nach pflichtgemäßem
Ermessen.
aa) Die Festlegung des Regressionsverfahrens zur Ermittlung der Gewichtungsfaktoren und des Berechnungsverfahrens zur Ermittlung
der Risikozuschläge für das folgende Ausgleichsjahr ist eine Ermessensentscheidung. Die Festlegungen erfolgen nämlich nicht
in der Weise, dass das Ergebnis strikt eindeutig vorgegeben ist. Vielmehr bedarf es ihrer jährlich neu, weil sie dem schrittweise
erfolgenden Erkenntnisfortschritt Rechnung tragen und hierbei die gesetzlichen Ziele besser erreichen sollen, ohne dass kurzfristig
ein dauerhaftes Optimum zu erwarten ist. Dies beruht ua darauf, dass sich die Qualität der Datengrundlagen nur sukzessive
verbessert und die verwendeten statistischen Verfahren die Realität bloß vergröbernd abzubilden vermögen. Der Gesetzgeber
hat gerade aufgrund des Fehlens fertig ausgestalteter, wissenschaftlich fundierter, unmittelbar auf die GKV übertragbarer
Klassifizierungs- und Verfahrensmodelle die Notwendigkeit gesehen, das BVA mit dieser Normkonkretisierung zu betrauen (vgl
Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD eines GKV-WSG, BT-Drucks 16/3100 S 205, zu § 31 Abs 4 RSAV). Zu Recht weist das LSG darauf hin, dass der RSA für die Sachgerechtigkeit der Krankheitsauswahl, der Bildung der Morbiditätsgruppen
und des Berechnungsverfahrens auf wissenschaftlichen Sachverstand, empirische Forschung und Statistik angewiesen ist (vgl
Schmehl in Sodan, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, 2. Aufl 2014, § 39 RdNr 72). Deren Erkenntnisse führen regelmäßig
im hier betroffenen Anwendungsbereich zu einer Bandbreite vertretbarer Ergebnisse. Das Klassifikationsmodell des BVA hat in
diesem Sinne auf Klassifikationsmodellen aufzubauen, deren Einsatzfähigkeit in der GKV wissenschaftlich untersucht und bestätigt
worden ist (vgl § 29 S 1 Nr 1 RSAV in den seit 1.1.2009 geltenden Fassungen). Das BVA berücksichtigt zudem die Empfehlungen
seines Wissenschaftlichen Beirats (vgl zum Beirat § 31 Abs 2 S 1 RSAV).
bb) Bei einem Streit über solche Ermessensentscheidungen hat das Gericht zu prüfen, ob das BVA die gesetzlichen Grenzen seines
Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise oder sonst erkennbar
fehlerhaft Gebrauch gemacht hat, und ob dadurch die Klägerin in ihren Rechten verletzt worden ist (vgl §
54 Abs
2 SGG). Daran fehlt es.
cc) Das BVA hielt sich zunächst im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben, als es in den Festlegungen ab dem Ausgleichsjahr 2009
die Ausgaben unterjährig verstorbener Versicherter nicht annualisierte. Es beachtete, dass - entsprechend der Einschätzung
des vom LSG gehörten Sachverständigen - es bei statistischen Berechnungsmethoden - wie hier - häufig nach den statistischen
Kennziffern Zielkonflikte geben kann, die aufgelöst werden müssen. Hierzu ließ es acht Modellvarianten mit den Daten aus dem
Jahr 2005 durchrechnen. Da es das Modell mit dem besten Wert für das statistische Bestimmtheitsmaß R² (keine Annualisierung,
aber Ganzjahreszuweisung) aus rechtlichen Gründen verwarf, wählte es von den verbliebenen Modellen die Variante ohne Annualisierung,
da hier der Wert R² - wenn auch nur vergleichsweise geringfügig - am besten war. Zudem wies es bei der Anhörung zu den Festlegungen
hierauf hin, ohne Widerspruch zu ernten.
Die kontroversen Stellungnahmen in der Folgezeit zwangen das BVA nicht dazu, von dem bisher gewählten Verfahren Abstand zu
nehmen. Sie beleuchten vielmehr eindrucksvoll die oben erwähnten Zielkonflikte bei der Wahl unterschiedlicher statistischer
Methoden. So führte das vom AOK-Bundesverband für die Festlegungen für 2010 vorgeschlagene Verfahren nach Modellberechnungen
dazu, dass sich die Vorhersagegenauigkeit für die Gruppe der Verstorbenen auf 33 % erhöhte, die Überdeckungen für Überlebende
aber von 103 % auf 106 % anstiegen. Die vom BVA vorgeschlagene Variante, bei der unter Beibehaltung der übrigen Parameter
auf der Ebene der Zuweisungen keine Umrechnung auf Versichertentage erfolgen sollte, erreichte empirisch eine Vorhersagegenauigkeit
im Hinblick auf Verstorbene von 62 % und auf Überlebende von 103 %. Der Wissenschaftliche Beirat empfahl diesen Vorschlag
aber nicht, da er zu einer erhöhten Zuweisung an alle übrigen Versicherten führe. Er sah es als vorzugswürdig an, bei der
bestehenden Regelung hinsichtlich Annualisierung und Verwendung der entsprechenden Regressionsgewichtung zu bleiben, dafür
aber die Zuweisung an Verstorbene unabhängig vom Todeszeitpunkt in voller Höhe zu leisten. Nachdem einige KKn und der GKV-Spitzenverband
weitere Bedenken gegen eine Änderung äußerten und das BVA beschloss, die Bedenken ausführlicher zu prüfen und eine entsprechende
Anpassung zurückzustellen, änderte der Wissenschaftliche Beirat ohne neue Erkenntnisse seine gegebene Empfehlung und schlug
nun als etabliertes Standardverfahren vor, bei den Verstorbenen - wie bei den lebenden Versicherten auch - die unterjährigen
Versicherungszeiten im RSA zu berücksichtigen. Entgegen der Auffassung der Klägerin ging es bei alledem nicht um die Vermeidung
von "Rechenfehlern", sondern um verschiedene Wege, auf begrenzter Datengrundlage näherungsweise Realität abzubilden.
Bei dieser Ausgangslage war es gut vertretbar und zweckgerecht, dass das BVA der neuen Empfehlung des Wissenschaftlichen Beirats
nicht folgte, sondern von der Annualisierung der Ausgaben für unterjährig verstorbene Versicherte zunächst absah, um die vorgetragenen
Argumente intensiv zu prüfen. Eine fundiertere Erkenntnisbasis bot erst der am 26.9.2011 veröffentlichte Evaluationsbericht
des Wissenschaftlichen Beirats zum Jahresausgleich 2009 vom 22.6.2011, wie auch die Beteiligten nicht in Zweifel ziehen. Das
BVA konnte den Evaluationsbericht für den Jahresausgleich 2012 - ungeachtet seines überzeugenden, ab dem Folgejahr nach dem
gesetzlich vorgegebenen Korrekturmodus (vgl oben, II. 1. c) zu beachtenden Sachgehalts - indes nicht mehr zugrunde legen,
ohne die Vorgaben des § 31 Abs 4 S 1 RSAV zu verletzen: Eine rechtzeitige Anhörung des GKV-Spitzenverbandes und eine hierauf
gestützte Entscheidung über die Festlegungen bis zum 30.9.2011 war bei dieser Ausgangslage ausgeschlossen.
Der ordnungsgemäßen Anhörung kommt bei der Ermessensentscheidung über die Festlegungen besondere Bedeutung zu: Regelmäßig
geht die Auswahl zB statistischer Ansätze nämlich mit Vor- und Nachteilen für unterschiedliche Gruppen von KKn einher. Die
Ausgestaltung der Festlegungen als "lernendes System" mildert zugleich die Folgen einer Verschiebung von Änderungen ab, da
sie im Folgejahr Berücksichtigung finden können. Für die rechtliche Bewertung der Anhörung ist der Zeitpunkt der vom Auftraggeber
des Evaluationsberichts verantworteten Veröffentlichung maßgeblich. Dies entspricht wissenschaftlichem Standard, zumal es
nicht im Rechtssinne um Entdeckungen, sondern um statistische Bewertungen geht. Schließlich bedarf es keiner Vertiefung, dass
der in § 31 Abs 4 S 1 RSAV benannte Zeitpunkt der Entscheidung über die Festlegungen der letzte zulässige ist, um ein zeitgerechtes
Funktionieren des RSA zu gewährleisten.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus §
197a Abs
1 S 1 Teils 3
SGG iVm §
154 Abs
2 VwGO, diejenige über den Streitwert aus §
197a Abs
1 S 1 Teils 1
SGG iVm §
63 Abs
2 S 1, § 52 Abs 1 und 4 sowie § 47 Abs 1 S 1 und Abs 2 S 1 GKG.