Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung; Verschlossenheit des Arbeitsmarktes, Benennung einer Verweisungstätigkeit bei der
Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen
Tatbestand:
Das Berufungsverfahren betrifft die Frage, ob dem Kläger eine Rente wegen Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch
(
SGB VI) zusteht.
Der Kläger ist 42 Jahre alt. Er leidet von Kindheit an an einer leichten Oligophrenie. Der Kläger besuchte zunächst eine Sonderschule
für Lernbehinderte und dann an einer Berufsschule für Lernbehinderte eine Klasse "Lehrgang zur Verbesserung der beruflichen
Eingliederung". Daran schloss sich in Form einer schulischen Ausbildung ein Berufsvorbereitungsjahr im Berufsfeld Holz an.
Der Kläger kann lesen und schreiben. Eine abgeschlossene Berufsausbildung besitzt er nicht.
Die berufliche Biografie des Klägers ist geprägt von einem häufigen Wechsel von Beschäftigungen, Leistungen zur Teilhabe am
Arbeitsleben und Zeiten der Arbeitslosigkeit. Unter anderem war er vom 17.12.1987 bis 16.12.1988 im Rahmen einer ABM-Maßnahme
als Betreuungshelfer beim Roten Kreuz tätig. Dabei absolvierte er eine Sanitätsausbildung, die er mit den Noten 3 (Theorie)
und 2 (Praxis) erfolgreich abschloss. Vom 23.01.1989 bis 19.01.1990 durchlief er beim Beruflichen Fortbildungszentrum der
Bayerischen Wirtschaft (bfz) A-Stadt ein berufspraktisches Jahr (Maßnahme im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit, Vollzeitunterricht,
ohne Prüfung). In den Jahren 1991 und 1992 kam es zu einem etwas längerfristigen Arbeitsverhältnis in der Warenannahme bei
der Firma P., A-Stadt; die Stelle verlor der Kläger, weil sein Chef ihm nicht vertraute. Es folgten kürzere Tätigkeiten in
einer Buchbinderei sowie erstmals als Raumpfleger. Von Mai 1995 bis Februar 1996 nahm der Kläger erneut an einer Maßnahme
des bfz teil, wobei er ein Praktikum an der Universitätsklinik A-Stadt machte; er arbeitete dort im Bereich zentrale Ver-
und Entsorgung, Hol- und Bringerdienste. Aufgrund von Rationalisierungsmaßnahmen wurde er vom Klinikum nicht in ein Beschäftigungsverhältnis
übernommen. Als Fahrzeugreiniger bei der Bundesbahn-Reinigungsgesellschaft arbeitete er vom 19.02.1996 bis 09.06.1997. Diesen
Arbeitsplatz verlor der Kläger, weil die Bahn ihn aufgrund seiner vorangegangenen Einweisung in eine psychiatrische Klinik
nicht für die Tätigkeit geeignet erachtete. Sodann folgte eine weitere Fortbildungsmaßnahme beim bfz A-Stadt. Eine kürzere
Tätigkeit bei einer Gebäudereinigungsfirma verlor er, weil er eine nicht genehmigte Zigarettenpause eingelegt hatte. Vom 06.06.
bis 05.12.2001 war er bei B. als Kassenkraft beschäftigt; diese Arbeit schildert der Kläger als übermäßig stressig. Im Rahmen
einer ABM-Maßnahme war er in den Jahren 2002 und 2003 als Gartenarbeiter tätig; dieser Arbeit fühlte er sich einigermaßen
gewachsen. Eine Beschäftigung als Raumpfleger vom 07.02. bis 31.05.2005 endete aufgrund der Herzerkrankung des Klägers durch
Arbeitgeberkündigung in der Probezeit. Seit 06.02.2009 steht der Kläger in einem bis 04.02.2010 befristeten Vollzeitarbeitsverhältnis
bei M ...
Der Kläger ist christlich engagiert. Er ist Mitglied einer freikirchlichen Pfingstgemeinde in A-Stadt. Vorwiegend nachmittags
geht er evangelisieren, d.h. er verkündet das Wort Gottes. Auch liest er christliche Bücher.
Neben der Oligophrenie leidet der Kläger in erster Linie an internistischen Gesundheitsstörungen, vor allem an einer Herzerkrankung.
Diese äußert sich in Luftmangel bei Belastung und Wetterumschwung. Vor allem wegen der Herzerkrankung nahm der Kläger vom
02.06. bis 30.06.2005 eine stationäre medizinische Reha-Leistung in der Klinik K. (Fachklinik für Rehabilitation) in Anspruch.
Laut Entlassungsbericht vom 18.07.2005 sei der Kläger seinerzeit in der Lage gewesen, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten
sechs Stunden täglich und mehr zu verrichten. Bei der belastungsergometrischen Untersuchung habe eine Belastbarkeit bis 100
Watt über zwei Minuten bestanden.
Daneben sind zeitweise auch psychische Probleme aufgetreten. Von April 2004 bis November 2007 war der Kläger zweimal pro Monat
bei einem Psychologen in Behandlung; dieser teilte ihm jedoch dann mit, er bräuchte nicht mehr zu kommen. In ambulanter nervenärztlicher
Behandlung war der Kläger nicht. Jedoch befand er sich dreimal in stationärer psychiatrischer Behandlung, zuletzt vom 25.10.
bis 07.11.2001. Grund für die letzte Aufnahme war, dass sich der Kläger von seinen Kollegen bei seiner neuen Arbeitsstelle
bei B. gemobbt gefühlt hatte. Auf Anstoß der psychiatrischen Klinik war vorübergehend eine Betreuung für den Kläger eingerichtet
worden. Unmittelbarer Anlass dafür war der Umstand, dass der Kläger beträchtliche Schulden angehäuft hatte; daraus schloss
die Klinik, der Kläger sei mit finanziellen Angelegenheiten überfordert.
Zum ersten Mal hatte der Kläger 1995 ohne Erfolg eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit beantragt. Am 25.05.2005 stellte er erneut
einen Antrag auf eine Rente wegen Erwerbsminderung. Der Kläger wurde im Verwaltungsverfahren vom Internisten Dr. S. bei persönlicher
Untersuchung begutachtet. Der sah den Kläger in der Lage, leichte körperliche Arbeiten - mittelschwere unter drei Stunden
- in wechselnder Körperhaltung mindestens sechs Stunden am Tag zu verrichten. Mit Bescheid vom 22.11.2005 lehnte die Beklagte
den Rentenantrag ab, weil keine Erwerbsminderung vorläge. Mit Schreiben vom 08.12.2005 legte der Kläger Widerspruch ein. Nach
Einschaltung ihres sozialmedizinischen Dienstes wies die Beklagte den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 03.05.2006
mit gleicher Begründung wie im Ausgangsbescheid zurück.
Am 09.06.2006 erhob der Kläger beim Sozialgericht Würzburg Klage. Dieses veranlasste eine Terminsbegutachtung durch die Internistin,
Kardiologin und Sozialmedizinerin Dr. B. H. am 25.10.2007. Dr. H. schrieb, der Kläger könne ergometrisch weiterhin mit 100
Watt belastet werden, die Pumpleistung der linken Herzseite sei leichtgradig eingeschränkt. Der behandelnde Kardiologe Prof.
Dr. T. habe in seinem letzten Bericht vom September 2007 stabile kardiologische Verhältnisse beschrieben. Von Seiten der Psyche
hätten keine Auffälligkeiten bestanden. Der Kläger versorge sich selbst, Verhaltensstörungen hätten sich durch eine psychologische
Behandlung gebessert. Es bestehe eine mindestens sechsstündige tägliche Leistungsfähigkeit für überwiegend leichte Tätigkeiten
unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes. In der unmittelbar darauf folgenden mündlichen Verhandlung wies der
Kläger auf psychische Probleme hin. Aus diesem Grund holte das Sozialgericht ein nervenärztliches Gutachten von Dr. S. W.
ein. Dr. W. beschrieb im Gutachten vom 26.02.2008 eine ausgeglichene Stimmungslage ohne depressive Herabgesenktheit oder psychomotorische
Hemmung; Aufmerksamkeit und Auffassungsgabe seien unauffällig gewesen. Der Kläger habe problemlos seine Krankheitsgeschichte
und seine Biografie erzählen können. Es liege eine emotional instabile Persönlichkeit vom impulsiven Typ vor. Es bestünden
keine Hinweise für eine depressive Symptomatik. Die Schwingungsfähigkeit sei gegeben. Antriebsstörungen hätten gefehlt. Der
Kläger habe einen normalen Tagesablauf geschildert. Er selbst sei der Ansicht, seine Impulsivität hätte sich durch die Psychotherapie
gebessert. Die Haupteinschränkungen des Klägers lägen auf kardiologischem Gebiet. Er sei in der Lage, leichte Tätigkeiten
mit gewissen qualitativen Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten.
Das Sozialgericht wies die Klage mit Urteil vom 22.04.2008 ab, weil es keine Erwerbsminderung sah; es schloss sich insoweit
den Gutachten von Dr. H. und Dr. W. an.
Dagegen richtet sich die mit Schriftsatz vom 15.07.2008 eingelegte Berufung. Der Kläger bringt vor, bei der internistischen
Begutachtung sei nicht hinreichend berücksichtigt worden, dass er beispielsweise bei der häuslichen Arbeit nach kürzester
Zeit erschöpft sei. Das Sozialgericht habe es zu Unrecht unterlassen, eine Gesamtbewertung der verschiedenartigen Gesundheitsstörungen
vorzunehmen; additive und Wechselwirkungen seien unberücksichtigt geblieben. Die von ihm vorgenomme Zusammenschau der beiden
eingeholten Gutachten habe es ohne medizinischen Sachverstand nicht vornehmen dürfen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg von 22. April 2008 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 22.
November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Mai 2006 zu verurteilen, ihm eine Rente wegen voller Erwerbsminderung,
hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Von einer gesonderten Begründung hat die Beklagte abgesehen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines medizinischen Gutachtens des Internisten Dr. B. E ... Aus dessen Gutachten
vom 13.01.2009 ergibt sich, dass der Kläger ergometrisch jeweils zwei Minuten stufenweise mit 50/75/100 Watt und eine Dreiviertelminute
mit 125 Watt belastet worden ist; dann, so der Sachverständige, habe er wegen allgemeiner Erschöpfung und subjektiver Dyspnoe
abgebrochen. Das Blutdruckverhalten sei eher erniedrigt gewesen, die Ausbelastungsfrequenz sei nicht erreicht worden, es habe
gute periphere Sauerstoffsättigung bestanden. Dr. E. bezeichnet die Ergometrie als bis 125 Watt unauffällig. Per Echokardiografie
hat er einen leicht vergrößerten linken Ventrikel vorgefunden mit mäßig eingeschränkter systolischer Funktion und Hinweisen
für eine diastolische Dysfunktion. Es bestehe, so Dr. E., eine leichte Mitralinsuffizienz, die aber in Bezug auf die Blutströmung
nicht relevant sei. Trotz einer konsequenten, lege artis durchgeführten Herzinsuffizienztherapie sei weiterhin von einer Herzinsuffizienz
Stadium NYHA Grad II auszugehen. Die Ergometrie habe immerhin eindeutig ergeben, dass eine hinreichende Belastbarkeit für
leichte körperliche Tätigkeiten vorliege. Denn eine quantitative Leistungseinschränkung auch bei leichten körperlichen Tätigkeiten
würde voraussetzen, dass bereits bei 75 Watt Abbruchkriterien aufträten. Jedoch sei sozialmedizinisch der Ausschluss schwerer
und mittelschwerer Tätigkeiten zu fordern. Der Befund bezüglich des Herzens sei über die letzten zweieinhalb Jahre als stabil
anzusehen. Die Diagnose eines Hochdruckleidens lasse sich nicht sicher stellen. Die Refluxerkrankung verkörpere keinen schwerwiegenden
Befund, denn eine Dauertherapie sei nicht erforderlich. Sie erfordere nur, dass Tätigkeiten mit häufigem Bücken und häufigen
Zwangshaltungen unterblieben. Für eine entzündliche rheumatische Erkrankung bestünden keine Hinweise. Der Kläger sei unter
Berücksichtigung der genannten qualitativen Einschränkungen in der Lage, unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes
acht Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Der Senat hat weiter Beweis erhoben durch Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens von Dr. C ... Aus seinem Gutachten vom
19.01.2009 ergibt sich Folgendes: Der Kläger hat gegenüber Dr. C. von belastungsabhängiger Taubheit der rechten Hand berichtet.
Wenn es kälter werde, bekomme er Gliederschmerzen am ganzen Körper. Er habe Probleme mit der Wirbelsäule vom Nacken bis zur
LWS mit Ausstrahlung zum Becken beidseits. Witterungs- und belastungsabhängig habe er Probleme mit dem rechten Knie, witterungsabhängig
leide er an Migräne. Die Beweglichkeit des Klägers beim Gehen und Stehen sowie beim An- und Ausziehen, so Dr. C. in der Befunddarstellung,
sei völlig ungestört gewesen. Im Rahmen der neurologischen Untersuchung sei keine typische radikuläre Symptomatik erkennbar
gewesen. Konzentration, Auffassung und Gedächtnisleistungen seien vor dem Hintergrund eines leicht unterdurchschnittlichen
intellektuellen Ausgangsniveaus zu sehen. Die Stimmung bei der Untersuchung sei weit gehend ausgeglichen gewesen. Der Kläger
sei im Affekt schwingungsfähig und auslenkbar; es bestünden keine Antriebsstörung, keine typischen Tagesschwankungen und auch
kein phasenhafter Verlauf in der Vorgeschichte. Diagnostiziert hat Dr. C. ein HWS- und LWS-Syndrom ohne funktionell bedeutsame
neurologische Ausfälle, ein Carpaltunnelsyndrom rechts sowie eine leichte Oligophrenie. Das Carpaltunnelsyndrom müsse zwar
operiert werden, es bedinge aber keine überdauernde Arbeits- oder Erwerbsunfähigkeit. Von Seiten der Wirbelsäule bestünden
weder Bewegungseinschränkungen noch neurologische Ausfälle. Die Minderbegabung sei nur leicht ausgeprägt; immerhin sei der
Kläger in der Lage gewesen, den Sonderschulabschluss zu machen, einen Führerschein zu erwerben und verschiedene berufliche
Fördermaßnahmen zu durchlaufen. Eine depressive Symptomatik sei nicht zu objektivieren gewesen. Nicht einmal eine emotional
instabile Persönlichkeit habe festgestellt werden können. Zusammenfassend - unter Einbeziehung des Gutachtens des Dr. E. -
hat Dr. C. festgestellt, der Kläger könne noch leichte Tätigkeiten in allen Körperhaltungen in geschlossenen Räumen und im
Freien erbringen. Ein gelegentlicher Haltungswechsel sei von internistischer Seite wünschenswert. Dauerhaft stehende und gehende
Tätigkeiten sollten vermieden werden. Arbeiten unter Zeitdruck im Akkord oder am Fließband seien nicht möglich, sehr wohl
aber Wechselschichtarbeiten. Heben und Tragen schwerer Lasten sowie häufiges Bücken und Zwangshaltungen sollten vermieden
werden. Die Gebrauchsfähigkeit der Hände sei trotz des behandlungsbedürftigen Carpaltunnelsyndroms nicht eingeschränkt. Arbeiten
an laufenden Maschinen, insbesondere auch an Büromaschinen und Bildschirmgeräten, seien unter Berücksichtigung des intellektuellen
Ausgangsniveaus möglich, auch Arbeiten mit Publikumsverkehr. Wegen der internistischen Erkrankung sollte der Kläger nicht
starken Temperaturschwankungen, Kälte, Nässe oder Hitze ausgesetzt sein. Bezüglich der Umstellungsfähigkeit auf einen anderen
Beruf sei das intellektuelle Ausgangsniveau des Klägers zu berücksichtigen; darüber hinaus bestünde aber keine Einschränkung.
Solche Arbeiten könnten noch acht Stunden täglich verrichtet werden.
Mit Beschluss vom 15.10.2008 hat der Senat dem Kläger Prozesskostenhilfe bewilligt und seinen Prozessbevollmächtigten beigeordnet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf die Akten des Sozialgerichts
und des Bayerischen Landessozialgerichts verwiesen. Diese waren alle Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch
auf eine Rente wegen Erwerbsminderung hat.
Die gesetzlich festgelegten Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung liegen nicht vor. Folgende
materiell-rechtliche Regelungen sind maßgebend:
Nach §
43 Abs.
1 Satz 1
SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie
teilweise erwerbsgemindert sind und die im Gesetz genannten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllen. Teilweise erwerbsgemindert
sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen
des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§
43 Abs.
1 Satz 2
SGB VI).
Gemäß §
43 Abs.
2 Satz 1
SGB VI haben bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Versicherte Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie neben
der Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen voll erwerbsgemindert sind. Das ist nach §
43 Abs.
2 Satz 2
SGB VI dann der Fall, wenn Versicherte wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen
Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich
erwerbstätig sein kann (§
43 Abs.
3 SGB VI).
Der Senat ist davon überzeugt, dass beim Kläger - trotz aller gesundheitlichen Beeinträchtigungen - im gesamten streitbefangenen
Zeitraum weder eine volle noch eine teilweise Erwerbsminderung gegeben ist oder war. Der Kläger ist vielmehr in der Lage,
unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes - wenn auch mit qualitativen Einschränkungen - noch mindestens sechs
Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Der Senat folgt insoweit den übereinstimmenden medizinischen Gutachten von Dr. H., Dr.
W., Dr. E. und Dr. C ... Die Gutachtenslage ist eindeutig, ihre Übereinstimmung frappierend. Betrachtet man alle vier Gutachten
in einer Zusammenschau, so sind überaus sorgfältig Befunde erhoben und bewertet worden. Keines der Gutachten lässt fachliche
oder methodologische Schwächen erkennen, die sich negativ auf die Überzeugungskraft auswirken könnten.
Das gesundheitliche Hauptproblem des Klägers liegt auf kardiologischem Gebiet. Eine erhebliche Herzinsuffizienz beim Kläger
wird sowohl von Dr. S. als auch von Dr. H. als auch von Dr. E. eingeräumt. Auf die berufliche Leistungsfähigkeit des Klägers
wirken sich die gesundheitlichen Störungen am Herzen insoweit aus, als bei anstrengenderen Verrichtungen Atemnot besteht.
Folgerichtig haben es alle drei internistischen Gutachter bei qualitativen Einschränkungen des Leistungsspektrums bewenden
lassen. Eine zustandsangepasste - das heißt insbesondere leichte - Tätigkeit kann der Kläger noch acht Stunden täglich ausführen.
Dr. E. hat diese Leistungseinschätzung plausibel aus dem Umstand abgeleitet, dass die Ergometrie immerhin bis 125 Watt unauffällig
war. Darin sieht der Gutachter zurecht einen aussagekräftigen Beleg dafür, dass zumindest leichte Arbeiten noch zeitlich uneingeschränkt
wahrgenommen werden können. Aus der Sicht des medizinischen Laien erscheint diese Leistungseinschätzung gut kompatibel mit
der subjektiven Beschwerdeschilderung des Klägers vor den drei Internisten, so dass sich ein stimmiges Gesamtbild ergibt.
Der Umstand, dass alle Gutachter zur gleichen Leistungseinschätzung gelangt sind, liefert bei gleich gebliebenen Befunden
ein erhebliches Indiz für die Richtigkeit der konvergierenden Ergebnisse; Dr. E. hat festgestellt, dass die Befunde bezüglich
des Herzens in den letzten zweieinhalb Jahren vor der Begutachtung stabil gewesen sind.
Noch weniger lassen die nervenärztliche Befunde die Annahme eines unter sechsstündigen Leistungsvermögens zu. Beim Kläger
besteht ein HWS- und LWS-Syndrom ohne funktionell bedeutsame Ausfälle. Bewegungseinschränkungen der Wirbelsäule hat der Sachverständige
Dr. C. nicht feststellen können. Das diagnostizierte Carpaltunnelsyndrom rechts bedarf der Behandlung, begründet aber keine
rentenrechtlich relevante Erwerbsminderung. Bezeichnender Weise sieht Dr. C. trotz des Carpaltunnelsyndroms die Gebrauchsfähigkeit
der Hände nicht eingeschränkt. Auch die psychischen Befunde lassen nicht den Schluss zu, das Leistungsvermögen des Klägers
sei in zeitlicher Hinsicht eingeschränkt. Eine relevante Depression liegt eindeutig nicht vor; Stimmung, Antrieb, Mnestik,
Erinnerungsvermögen und Konzentration sind ungestört, die Schwingungsfähigkeit ist voll erhalten. Dr. C. hat - anders noch
als Dr. W. - nicht einmal eine emotional instabile Persönlichkeit feststellen können. Der Kläger führt ein strukturiertes
und aktives Leben. So bemüht er sich trotz zahlreicher Misserfolge immer wieder - und auch erfolgreich - um Arbeit. Zudem
scheint er kommunikativ zu sein; darauf deuten seine zahlreichen Kontakte - "evangelisieren" erzeugt solche zwangsläufig -
im christlichen Bereich hin. Der Kläger war und ist nicht in ambulanter nervenärztlicher Behandlung. Eine psychotherapeutische
Behandlung wurde bereits 2007 beendet, wobei gerade der Therapeut keine Notwendigkeit für weitere Sitzungen sah. In der mündlichen
Verhandlung hat der Kläger einen aus Sicht des Senats psychisch stabilen und sehr gut orientierten Eindruck hinterlassen,
wodurch sich die Einschätzung der Sachverständigen verifizieren lässt. Die an ihn in diesem Rahmen gestellten, zum Teil weit
in die Vergangenheit zurückreichenden Fragen hat er stets prompt verstanden und ohne Zögern sachlich, detailliert, informativ
und recht eloquent beantwortet. Als er vom Vertreter der Beklagten gefragt wurde, ob er nicht besser in einer Werkstatt für
Behinderte zurecht käme, hat der Kläger durch seine entschiedene, aber doch wohl begründete Ablehnung demonstriert, dass er
durchaus weiß, was er will, und dass er diese Ziele auch mit Energie - und auch mit Realitätssinn - zu verfolgen gewillt ist.
Die intellektuelle Ausstattung des Klägers genügt ohne Zweifel, um auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Fuß fassen zu können.
Er kann lesen und schreiben, führt seinen Haushalt, regelt seine Geschäfte, geht eifrig mit einem Computer um, liest christliche
Bücher und spricht offenbar mit anderen Menschen über Gott und den Glauben. Seine Alltagskompetenz ist beachtlich. Die von
ihm absolvierte Sanitäterausbildung hat er mit einem guten Ergebnis bewältigt. Zudem hat der Kläger in den nervenärztlichen
Begutachtungssituationen durchaus einen guten Eindruck hinterlassen: Er konnte seine Krankheitsgeschichte darstellen, zufriedenstellend
rechnen, Sprichwörter erklären etc ... Von daher haben Dr. W. und Dr. C. keinerlei Bedenken geäußert, der Kläger könnte möglicherweise
intellektuell nicht geeignet sein. Die positive Einschätzung der Nervenärzte wird wiederum durch den Eindruck des Senats in
der mündlichen Verhandlung bestätigt. Dort hat sich der Kläger als angenehm differenzierte und introspektionsfähige Persönlichkeit
gezeigt.
Für die Erwerbsfähigkeit relevante orthopädische oder andere gesundheitliche Probleme bestehen nicht. Nicht zuletzt indiziert
der Umstand, dass der Kläger momentan in einem Vollzeitarbeitsverhältnis bei M. steht, bis zu einem gewissen Grad seine zeitlich
uneingeschränkte Leistungsfähigkeit. Daran vermag nichts zu ändern, dass er sich dabei mitunter an den Grenzen seiner Belastbarkeit
sieht.
Dem Kläger ist der Arbeitsmarkt auch nicht unter dem Aspekt einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder
einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung verschlossen.
In diesen Fällen besteht ausnahmsweise eine Benennungspflicht, weil der Arbeitsmarkt möglicherweise für diese überdurchschnittlich
leistungsgeminderten Versicherten schlechthin keine Arbeitsstelle bereit hält oder nicht davon ausgegangen werden kann, dass
es für diese Versicherten eine ausreichende Anzahl von Arbeitsplätzen gibt oder ernste Zweifel daran aufkommen, ob der Versicherte
in einem Betrieb einsetzbar ist (BSGE 80, 24 ; Bundessozialgericht, Urteil vom 10.12.2003 - B 5 RJ 64/02 R). Darunter fallen jedoch nicht die "üblichen" Leistungseinschränkungen wie z.B. der Ausschluss von Tätigkeiten, die überwiegendes
Stehen oder Sitzen erfordern, im Akkord oder Schichtdienst verrichtet werden oder besondere Anforderungen an das Seh-, Hör-
und Konzentrationsvermögen stellen (Bundessozialgericht, Urteil vom 10.12.2003 - B 5 RJ 64/02 R).
Hier kommt von vornherein nur eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen in Betracht. Denn "schwere spezifische
Leistungsbehinderung" meint die Fälle, in denen bereits eine schwer wiegende Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten
versperrt (BSGE 81, 15 ; Bundessozialgericht, Urteil vom 10.12.2003 - B 5 RJ 64/02 R). Das Merkmal "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" trägt dagegen dem Umstand Rechnung, dass auch eine Mehrzahl
von Einschränkungen, die jeweils nur einzelne Verrichtungen oder Arbeitsbedingungen betreffen, zusammengenommen das noch mögliche
Arbeitsfeld in erheblichem Umfang zusätzlich einengen können. Letztlich kann auch eine Summierung "gewöhnlicher" Leistungseinschränkungen
zu einer Benennungspflicht führen (BSGE 81, 15 ; Bundessozialgericht, Urteil vom 10.12.2003 - B 5 RJ 64/02 R).
Im vorliegenden Fall ist eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen zu verneinen. Man ist geneigt, in diese Richtung
Überlegungen anzustellen, weil der Kläger eine auffällige Berufsbiografie aufweist, die sich nicht zuletzt in einem außergewöhnlich
umfangreichen Versicherungsverlauf niederschlägt. Das Arbeitsleben des Klägers ist geprägt von zahlreichen kurzen bis sehr
kurzen Beschäftigungen. Ihm wurden häufig von Arbeitgebern nur sehr kurzfristige Aushilfsbeschäftigungen angeboten bzw. wurde
ihm relativ häufig gekündigt. Ein Grund dafür mag sein, dass Arbeitgeber ihn mitunter als zu langsam einstuften. Außerdem
bestehen deutlich Hinweise dafür, dass der Kläger in der Vergangenheit Probleme auch im Umgang mit Kollegen hatte; in der
mündlichen Verhandlung hat er solche auch eingeräumt. Die Erwägung liegt nicht fern, dass hierfür die Gesamtheit der körperlichen
und mentalen Gesundheitsstörungen gepaart mit einer nicht unproblematischen Primärpersönlichkeit verantwortlich sein könnte.
Diese Faktoren vermögen indes auch in ihrem Zusammenwirken nicht, den Kläger als auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt schlechthin
nicht einsetzbar erscheinen zu lassen. Zusammengefasst kann der Kläger nur solche Arbeiten vollschichtig verrichten, die körperlich
leicht und intellektuell anspruchslos sind und ihn nicht unter zeitlichen Druck setzen. Ein derartiges Leistungsprofil kann
noch nicht dem Bereich "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" zugerechnet werden.
Dr. C. erwähnt in seinem Gutachten ausdrücklich, das intellektuelle Ausgangsniveau sei nur leicht unterdurchschnittlich. Das
verkörpert keine ungewöhnliche, sondern vielmehr eine gängige Einschränkung. Der Kläger befindet sich innerhalb der normalen
Bandbreite dessen, was in der Bevölkerung an intellektueller Ausstattung anzutreffen ist. Auch ansonsten erscheint das Arbeitsplatzspektrum
nicht von vornherein so eingeengt, dass es gerechtfertigt wäre, die Vermutung, dass der allgemeine Arbeitsmarkt leistungsentsprechende
Arbeitsplätze schlechthin bereithält, aufzuheben. Aus dem Gutachten des Dr. C. ergibt sich weiter, dass außer den genannten
Einschränkungen eine vergleichsweise breite Verwendbarkeit besteht. So können leichte Arbeiten im Gehen, Stehen und Sitzen
erbracht werden; nur ein gelegentlicher Haltungswechsel erscheint von internistischer Seite wünschenswert. Der Kläger kann
auch im Freien arbeiten, wobei er aber keinen starken Temperaturschwankungen und nicht Kälte, Nässe oder Hitze ausgesetzt
sein sollte. Immerhin sind Arbeiten in Wechselschicht möglich. Die Gebrauchsfähigkeit der Hände ist trotz des Carpaltunnelsyndroms
nicht eingeschränkt. Die Wegefähigkeit liegt vor. Zusätzlicher Arbeitspausen bedarf es nicht. Nicht gestört sind Gleichgewichtssinn,
Verantwortungsbewusstsein, Gewissenhaftigkeit, Ausdauer, nervliche Belastbarkeit und Stresstoleranz, Merkfähigkeit, Auffassungsgabe,
Konzentrations- und Reaktionsvermögen, praktische Anstelligkeit und Findigkeit, Selbstständigkeit des Denkens und Handelns.
Bei der Umstellungsfähigkeit auf einen anderen Beruf gibt es abgesehen von den leichten intellektuellen Defiziten keine Einschränkungen.
Die Verhaltensauffälligkeiten, die beim Kläger früher bestanden - er wurde als erethisch bezeichnet -, haben sich nicht zuletzt
durch die Psychotherapie gebessert. Das hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung bestätigt.
Dieses Ergebnis wird gestützt durch umfangreiche Rechtsprechung von Landessozialgerichten, die bei Minderbegabung, auch in
Kombination mit anderen Gesundheitsstörungen, die Frage einer außerordentlichen Leistungseinschränkung verneint oder überhaupt
nicht problematisiert hat (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10.07.2008 - L 27 RJ 172/04; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19.04.2005 - L 18 RJ 25/02; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 28.06.2001 - L 1 RA 247/99; Landessozialgericht Bayern, Urteile vom 22.09.2004 - L 20 RJ 8/02, vom 12.06.2002 - L 16 RJ 289/99, vom 13.06.2001 - L 19 RJ 624/99, vom 17.09.2003 - L 20 RJ 718/00 und vom 16.03.2004 - L 6 RJ 370/03; offen gelassen: Landessozialgericht Sachsen, Urteil vom 13.02.2001 - L 5 RJ 234/99).
Auch die Selbsteinschätzung des Klägers spricht gegen die Annahme einer außerordentlichen Leistungseinschränkung: Im Rahmen
einer Begutachtung durch die Beklagte am 23.10.1995 meinte er, mit der gegenwärtigen Arbeit (Praktikum in einem Krankenhaus)
komme er gut zurecht, Probleme gebe es mit bestimmten Kollegen. Er selbst wolle einen zustandsangepassten Arbeitsplatz mit
Berücksichtigung seiner Neigung zu Lumbalgien, keine erneute berufliche Reha-Maßnahme, vor allem keine Eingliederung in eine
Werkstatt für Behinderte. Schließlich fällt ins Gewicht, dass der Kläger in seinem Vortrag in den gerichtlichen Verfahren
auf das aufgrund der Minderbegabung eingeschränkte Berufsspektrum überhaupt nicht eingegangen ist. So hat sich der Kläger
in der Berufungsbegründung vorwiegend damit beschäftigt, die internistischen Einschränkungen und die psychiatrischen Auffälligkeiten
seien nicht hinreichend in Zusammenschau gewürdigt worden. Dagegen wird die Oligophrenie offenbar nicht als Problem gesehen.
Auch in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger unmissverständlich erklärt, eine Arbeit in einer Werkstatt für Behinderte
komme für ihn nicht in Betracht.
Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit scheidet schon wegen des Lebensalters des Klägers aus.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und berücksichtigt, dass der Kläger auch vor dem Bayerischen Landessozialgericht ohne Erfolg geblieben ist.
Die Revision wurde nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 SGG nicht vorliegen.