Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Kostenübernahme für ein Paar orthopädische Schuhe und Ersatzfußbettung.
Die 1963 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gegen Krankheit versichert. Am 29.05.2015 wurde ihr von der Praxisklinik
O., B-Stadt, ein Paar orthopädische Schuheinlagen für vorhandene orthopädische Schuhe verordnet.
Mit Schreiben vom 24.06.2015 übersandte die Klägerin der Beklagten einen Kostenvoranschlag des Sanitätshauses B., B-Stadt,
über insgesamt 239,54 EUR.
Ebenfalls am 29.05.2015 wurde der Klägerin von der Praxisklinik O. ein Paar orthopädische Hausschuhe nach Maß verordnet. Auch
hierfür übersandte die Klägerin einen Kostenvoranschlag des Sanitätshauses B. über insgesamt 1.286,06 EUR.
Mit Bescheiden vom 07.07.2015 lehnte die Beklagte jeweils die Kostenübernahme ab. Der beauftragte Leistungserbringer habe
für die beantragte Versorgung keine Abgabeberechtigung. Man bitte die Klägerin, sich an einen zugelassenen Leistungserbringer
zu wenden.
Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 14.07.2015 Widerspruch. Sie beabsichtige nicht, ihren Leistungserbringer zu
wechseln. Wenn sie bereits seit vierzig Jahren Kundin sei, habe sie wohl ein berechtigtes Interesse, bei ihrem Leistungsträger
zu bleiben. Sie sehe keinen Anlass, bei hervorragender Arbeit über Generationen, zu wechseln.
Mit Schreiben vom 20.07.2015 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass man die Kosten für die Hilfsmittel übernehmen werde.
Sie könne alle Leistungserbringer in Anspruch nehmen, die mit der Beklagten einen Vertrag geschlossen hätten. Die Firma B.,
Orthopädietechnik, in B-Stadt sei kein Vertragspartner der AOK Bayern.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24.09.2015 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Die Versicherten erhielten
die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung als Sach- und Dienstleistungen. Über die Erbringung von Sach- und Dienstleistungen
schlössen die Krankenkassen nach den Vorschriften des 4. Kapitels des
Fünften Buches Sozialgesetzbuch (
SGB V) Verträge mit den Leistungserbringern.
Hilfsmittel dürften an Versicherte nur auf der Grundlage von Verträgen nach §
127 Abs.
1,
2 und
3 SGB V abgegeben werden. Vertragspartner der Krankenkassen könnten nur Leistungserbringer sein, die die Voraussetzungen für eine
ausreichende, zweckmäßige und funktionsgerechte Herstellung, Abgabe und Anpassung der Hilfsmittel erfüllen würden (§
126 Abs.
1 SGB V).
Die AOK Bayern habe mit der Landesinnung Bayern für Orthopädie-Schuhtechnik in München bereits seit 01.05.2013 einen Vertrag
geschlossen, der eine ausreichende, zweckmäßige, qualitativ hochwertige und wirtschaftliche Versorgung mit Hilfsmitteln der
Produktgruppe 31 "Schuhe" durch Meisterbetriebe des Orthopädie-Schuhmacherhandwerks gewährleiste. Dieser Vertrag sei von der
von der Klägerin aufgesuchten Firma B. nicht unterschrieben worden. Damit bestehe für die Firma B. keine Berechtigung, für
Versicherte der AOK Bayern Leistungen zu erbringen und diese abzurechnen.
Dass die Firma B. bereits mehrmals orthopädische Schuhe für die Klägerin gefertigt habe und ein Vertrauensverhältnis bestehe,
sei nicht geeignet, eine Kostenübernahme durch die Beklagte zu rechtfertigen. Hilfsmittel dürften nur auf Grundlage von Verträgen
abgegeben werden. Dieser Tatbestand treffe auf die Firma B. seit dem 01.05.2013 nicht mehr zu. Eine Weitergeltung des bis
zum 30.04.2013 geltenden Rahmenvertrages sei nicht mehr möglich. Es sei daher auch nicht zulässig, Aufträge von Versicherten
anzunehmen, die die notwendigen Hilfsmittel durch Vorlage einer ärztlichen Verordnung als Sachleistung beanspruchen wollten.
Auch Privatliquidationen seien in diesen Fällen unzulässig.
Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 28.10.2015 erhob die Klägerin hiergegen Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG).
Zwar könnten gemäß §
33 Abs.
6 S. 1
SGB V die Versicherten alle Leistungserbringer in Anspruch nehmen, die Vertragspartner der Kasse seien und die nach § 127 Abs.
1 über die Versorgung mit der Krankenkasse einen Vertrag geschlossen hätten. Dies sei jedoch nicht zwingend, da §
33 Abs.
6 S. 3
SGB V vorsehe, dass abweichend von dieser Bestimmung der Versicherte ausnahmsweise einen anderen Leistungserbringer wählen könne,
wenn ein berechtigtes Interesse daran bestehe. Dies sei im vorliegenden Fall gegeben. Die Klägerin sei bei der Firma B. seit
über 40 Jahren Kundin. Die Firma B. habe bereits mehrere orthopädische Hilfsmittel für die Klägerin gefertigt. Sämtliche Leisten
u.a. seien bei der Firma B. noch vorhanden. Es möge sein, dass die Firma B. derzeit noch kein Vertragsverhältnis mit der Beklagten
habe. Hier seien jedoch Verhandlungen im Raum.
Darüber hinaus habe die Beklagte gegenüber der Firma B. mit Schreiben vom 27.02.2015 bestätigt, dass auf Grund der vorgelegten
Präqualifikationsurkunde die Firma B. als Leistungserbringer von Hilfsmitteln zur ordnungsgemäßen und fachgerechten Ausübung
ihres Berufes befähigt und räumlich sowie sachlich angemessen ausgestattet sei.
Mit Urteil vom 28.01.2016 hat das SG die Beklagte unter Abänderung des Bescheides der Beklagten vom 07.07.2015 in Form des Widerspruchsbescheides vom 24.09.2015
verpflichtet, die Kosten für ein Paar orthopädische Hausschuhe sowie ein Paar Ersatzfußbettungen in Höhe von insgesamt 1.526,60
EUR zu übernehmen, die auf Wunsch der Klägerin von der Firma B. Orthopädie-Schuhtechnik, B-Straße, B-Stadt zu fertigen seien.
Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen ausgeführt:
" ... Die Klägerin hat Anspruch auf Versorgung mit den ihr verordneten orthopädischen Hilfsmitteln durch den Leistungserbringer
ihrer Wahl.
Die Versicherten können gem. §
33 Abs.
6 S. 1
SGB V alle Leistungserbringer in Anspruch nehmen, die Vertragspartner ihrer Krankenkasse sind. Hat die Krankenkasse Verträge nach
§ 127 Abs. 1 über die Versorgung mit bestimmten Hilfsmitteln geschlossen, erfolgt gem. S. 2 die Versorgung durch einen Vertragspartner,
der den Versicherten von der Krankenkasse zu benennen ist. Abweichend von Satz 2 können Versicherte gem. §
33 Abs.
6 S. 3
SGB V ausnahmsweise einen anderen Leistungserbringer wählen, wenn ein berechtigtes Interesse besteht; dadurch entstehende Mehrkosten
haben sie selbst zu tragen.
Unstreitig ist die von der Klägerin präferierte Firma "B. Orthopädie-Schuhtechnik" in B-Stadt kein Vertragspartner der Beklagten.
Seitens der Beteiligten wurde auf Nachfrage der Vorsitzenden in der mündlichen Verhandlung verneint, dass - trotz der vorliegenden
Präqualifizierung - mittlerweile ein Beitritt zum Vertrag über die Versorgung mit Hilfsmitteln der Produktgruppen 08 "Einlagen"
und 31 "Schuhe" durch Meisterbetriebe des Orthopädietechnikerhandwerks mit der Landesinnung Bayern für Orthopädietechnik und
der Beklagten vom 01.05.2013 stattgefunden hat.
Grundsätzlich ist die Firma B. daher nicht berechtigt, Versorgungen zulasten der Beklagten durchzuführen.
Nach Ansicht der Kammer besteht im vorliegenden Ausnahmefall jedoch ein berechtigtes Interesse der Klägerin, dennoch von der
Firma B. Orthopädie-Schuhtechnik versorgt zu werden.
Die Klägerin ist bereits seit 40 Jahren Kundin der Firma, welche bis zum Jahr 2013 auch die Leistungen mit der Beklagten abrechnen
konnte. Bei der Firma befinden sich des Weiteren die zur Anfertigung der verordneten Hilfsmittel notwendigen Leisten, so dass
die Versorgung der Klägerin nicht nur schneller erfolgen kann, sondern für die Beklagte auch mit geringeren Kosten verbunden
ist.
Darüber hinaus ist auch die fachliche Eignung i.S.d. §
126 Abs.
1 S.2
SGB V der Firma nachgewiesen, da die Firma B. Orthopädie-Schuhtechnik präqualifiziert ist.
Die Krankenkassen sind nämlich per Gesetz verpflichtet sicherzustellen, dass die zur Versorgung mit Hilfsmitteln herangezogenen
Sanitätshäuser, Apotheken, Hörgeräteakustiker o. ä. zu einer ausreichenden, zweckmäßigen und funktionsgerechten Herstellung,
Abgabe und Anpassung der Hilfsmittel in der Lage sind (§
126 Abs.
1 Satz 2
SGB V). Nur solche Leistungserbringer können überhaupt Vertragspartner der Krankenkassen sein. Um aber den Aufwand der jeweiligen
Überprüfung des Leistungserbringers sowohl für die Krankenkassen als auch für die Leistungserbringer zu vermeiden, wurde durch
das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG) die Möglichkeit
geschaffen, unabhängige zentrale Stellen mit der Eignungsprüfung von Leistungserbringern im Bereich der medizinischen Hilfsmittel
zu beauftragen. Dies sind die Präqualifizierungsstellen. Die Krankenkassen haben dann von der Eignung eines Leistungserbringers
in der Hilfsmittelversorgung auszugehen, wenn eine Bestätigung einer Präqualifizierungsstelle vorliegt (§
126 Abs.
1a SGB V). Dies ist vorliegend der Fall.
Die Kammer geht vorliegend folglich davon aus, dass es der Klägerin nicht zuzumuten ist, für die hier streitgegenständliche
Versorgung einen anderen Leistungserbringer mit erheblichem Mehraufwand für sie aufzusuchen, wenn zu erwarten ist, dass die
Firma B. aufgrund ihrer fachlichen Eignung wieder zukünftig Versorgungen zulasten der Beklagten durchführen kann ..."
Gegen das der Beklagten am 08.02.2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 07.03.2016 beim Bayerischen Landessozialgericht
(LSG) eingegangenen Schreiben Berufung eingelegt. Im Wesentlichen hat sie vorgetragen, nach §
33 Abs.
6 Satz 1
SGB V könne die Klägerin nur Leistungserbringer in Anspruch nehmen, die Vertragspartner der Beklagten seien. Dies sei bei der Firma
B. nicht der Fall. §
33 Abs.
6 Satz 3
SGB V sei nicht anzuwenden. Das Recht, einen anderen Leistungserbringer zu wählen, bestehe nicht in den Fällen, in denen ein Vertrag
nach §
127 Abs.
2 SGB V mit einer Beitrittsoption nach §
127 Abs.
2a SGB V mit einer Vielzahl von geeigneten Vertragspartnern abgeschlossen worden sei. Vielmehr sei der Wortlaut von §
33 Abs.
6 Satz 3
SGB V ausschließlich auf die Versorgungen beschränkt, bei denen Krankenkassen Verträge im Wege der Ausschreibung nach §
127 Abs.
1 SGB V geschlossen hätten. Denn nur dort sei nach §
33 Abs.
6 Satz 2
SGB V der Versicherte auf einen bestimmten Vertragspartner festgelegt. Nur von dieser Festlegung auf einen bestimmten Vertragspartner
mache §
33 Abs.
6 Satz 3
SGB V eine Ausnahme. Eine weitergehende Anwendung von §
33 Abs.
6 Satz 3
SGB V auf Verträge nach §
127 Abs.
2 SGB V sei nicht gesetzeskonform (unter Berufung auf LSG Hamburg vom 18.06.2014, L 1 KR 83/13). In Fällen der Beitrittsverträge nach §
127 Abs.
2 und Abs.
2a SGB V habe der Versicherte bereits die Wahl zwischen mehreren Leistungserbringern. Damit sei den Interessen der Versicherten nach
einer Wahlmöglichkeit Genüge getan. Gründe dafür, dass eine Wahl zwischen verschiedenen Leistungserbringern unzumutbar sei
und deshalb die Versorgung außerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung notwendig wäre, seien nicht ersichtlich.
Aus Wirtschaftlichkeitserwägungen, die zwischen gleichermaßen geeigneten und vertraglich mit der Beklagten verbundenen Leistungserbringern
eine Rolle spielen können, komme es nicht an, da die Leistungserbringung durch den gewählten Orthopädieschuhtechniker bereits
ausgeschlossen sei. Nachdem der Bevollmächtigte der Klägerin darauf hingewiesen hat, die Klägerin benötige dringend orthopädische
Schuhe, hat die Beklagte mit der Klägerin Kontakt aufgenommen. Im Ergebnis habe die Klägerin bekundet, dass sie nicht bereit
sei, zu einem Leistungserbringer zu gehen, der mit der Beklagten einen Versorgungsvertrag abgeschlossen habe. Sie bestehe
auf der Versorgung bei dem von ihr gewählten Leistungserbringer, der allerdings keinen Versorgungsvertrag zu den allgemein
üblichen Bedingungen abschließen wolle. In der Region B-Stadt seien sieben Schuhmachermeister durch Beitritt zu einem Vertrag
nach §
127 Abs.
2 SGB V Vertragspartner der Beklagten geworden. Sie seien in gleicher Weise qualifiziert wie der von der Klägerin bevorzugte Orthopädieschuhtechniker.
Im Hinblick auf §
198 SGG hat die Beklagte mit Ausführungsbescheiden vom 23.01.2017 aufgrund des Urteils des SG vom 28.01.2016 die Kosten des beantragten Hilfsmittels in Höhe von 1.286,06 EUR (orthopädische Hausschuhe) und eines Paars
Ersatzfußbettungen in Höhe von 239,54 EUR übernommen. Die Bescheide enthielten jeweils den Hinweis darauf, dass die Kosten
des Hilfsmittels aufgrund des Ausführungsbescheides unter dem Vorbehalt bezahlt würden, dass bei einer anderslautenden Entscheidung
durch das LSG die Kosten in voller Höhe zurückgefordert würden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 28.01.2016 aufzuheben und die Klage gegen die Bescheide der Beklagten vom 07.07.2015
in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.09.2015 abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 28.01.2016 zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz
Bezug genommen.
Die Berufung der Beklagten ist begründet, denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Versorgung mit orthopädischen Schuhen
und Ersatzfußbettungen durch die Firma B ...
Umgekehrt heißt dies aber auch, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Versorgung mit den orthopädischen Hilfsmitteln gerade
durch die Firma B. hat, da diese nicht Vertragspartner der Krankenkasse ist.
Eine grundsätzliche Bedeutung ist nicht ersichtlich.