Tatbestand:
Streitig ist die Rechtmäßigkeit der Amtsenthebung des Klägers als Vorstand der Beklagten.
Der 1969 geborene Kläger wurde mit Beschluss des Verwaltungsrates der Beklagten vom 12. April 2006 zum 1. September 2006 zum
Vorstand der Beklagten bestellt und durch Vorstandsvertrag vom 27. April 2006 angestellt.
Verwaltungsratsvorsitzender der Beklagten war zum damaligen Zeitpunkt der T.M ... Aus der von diesem gegründeten S. GmbH (S.
GmbH) war 1996 die Beklagte hervorgegangen. Die Beklagte hatte in der Folgezeit ein Tochterunternehmen, die L.-GmbH (L ...
GmbH), gegründet, deren Stammkapital in Höhe von 50.000 EUR zur Hälfte von der S. GmbH gehalten wurde und deren alleinvertretungsberechtigter
Geschäftsführer bis 2004 der T.M. war. Im Dezember 2002 mietete die Beklagte von der L ... GmbH ein noch zu erstellendes Gebäude,
zu dessen Erbauung die L ... GmbH danach ein unbebautes Grundstück von der H. erwarb. Die S. GmbH veräußerte im November 2004
ihren Geschäftsanteil an der L ... GmbH für 4.225.000 EUR an ein firmenfremdes Versicherungsunternehmen. Dieser Vorgang war
später u.a. Gegenstand eines aufsichtsrechtlichen Verfahrens vor dem Landessozialgericht Hamburg, in welchem die hiesige Beklagte
sich gegen eine Verfügung des Bundesversicherungsamtes gewendet hatte, mit welcher sie verpflichtet worden war, den T.M. kurzfristig
seines Amtes zu entheben (Urteil vom 29. November 2011, - L 1 KR 132/11 KL - juris). Das Verfahren endete vor dem LSG mit einer Aufhebung der Verfügung. Vor dem BSG schlossen die Beteiligten einen Vergleich, in welchem u.a. der T.M. erklärte, er lege sein Amt zum 30. September 2015 nieder
und scheide aus dem Verwaltungsrat aus.
Die Gesamtfläche des Gebäudes am L1 betrug 13.000 qm, welche nach Einzug der Beklagten im Jahr 2007 nur zu einem kleinen Teil
genutzt wurde. Ein Teil der geplanten Büroflächen befand sich im Rohzustand und stand leer. Eine Miete entrichtete die Beklagte
dafür gleichwohl.
Im Rahmen des Verwaltungsneubaus wurde in der Folge der Plan gefasst, als Teilfläche ein Gesundheitszentrum zu betreiben.
Zu diesem Zweck wurde ein weiteres Unternehmen, die L2 GmbH, gegründet. Zum Geschäftsführer wurde Herr G. im Mai 2007 durch
das Vorstandsmitglied P. der Beklagten bestellt. Zwischen der Beklagten und der L2 GmbH wurde für die Zeit ab 1. August 2007
ein Mietvertrag geschlossen, mit dem sich die L2 GmbH verpflichtete, für die Fläche des Gesundheitszentrums von ca. 4000 qm
einen Mietzins von 17,37 EUR zu zahlen. Mangels Einnahmen der L2 GmbH stundete die Beklagte dieser die Miete. Im Dezember
2007 wurde ein 1. Nachtrag zum Mietvertrag geschlossen, wonach die L ... GmbH bestimmte Rohbauflächen nicht ausbauen sollte
und die Beklagte der L. GmbH zum Ausgleich 520.000 EUR zzgl. Mehrwertsteuer zu zahlen habe. In einem weiteren Nachtrag des
Mietvertrages zwischen der LTD GmbH und der Beklagten vom 3. August 2009 wurde die Vertragslaufzeit verlängert und eine Zusatzmiete
vereinbart. Im Gegenzug verpflichtete sich die L2 GmbH zum Ausbau des Gesundheitszentrums. Der Kläger beauftragte vor diesem
Hintergrund eine Anwaltskanzlei mit der Erstellung eines Gutachtens zur Überprüfung des oben dargestellten Veräußerungsvorgangs
von Geschäftsanteilen. In einer ersten Einschätzung vom 3. März 2010 kam die beauftragte Kanzlei zu der Einschätzung, es sei
in diesem Zusammenhang zu erheblichen zivilrechtlichen, vergaberechtlichen und verwaltungsrechtlichen Pflichtverstößen seitens
der Organe der Beklagten gekommen. Man müsse davon ausgehen, dass das Handeln verschiedener ehemaliger Vorstandsmitglieder
und des Verwaltungsratsvorsitzenden T.M. strafrechtliche Relevanz besitze.
Am 4. März 2010 fand die 31. Sitzung des Verwaltungsrates der Beklagten statt. Darin informierte der Kläger die Teilnehmer
über den Zwischenbericht der Anwaltskanzlei. Laut Protokoll befassten sich die Teilnehmer des Weiteren mit der Mietvertragserweiterung
und der Wahrnehmung der Gesellschafterrechte und der Finanzaufsicht der L2 GmbH durch den Kläger sowie dem Geschäftsführerdienstverhältnis
des Herrn G ... Nach Beantragung eines Mitglieds des Verwaltungsrats, die Sitzung nicht öffentlich fortzuführen, wurde die
Öffentlichkeit ausgeschlossen und einstimmig beschlossen, den Kläger mit sofortiger Wirkung von seinem Amt als Vorstand zu
entheben. Die sofortige Vollziehung des Beschlusses wurde angeordnet. Mit Schreiben vom 5. März 2010 wurde der Kläger hiervon
in Kenntnis gesetzt.
Gegen die Amtsenterhebung legte der Kläger am 23. März 2010 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 26. Oktober
2010 durch den Widerspruchsausschuss der Beklagten zurückgewiesen wurde. Zur Begründung heißt es im Wesentlichen, der Widerspruchsausschuss
sei für die Entscheidung zuständig. Die Amtsenthebung halte sich im Rahmen des dem Verwaltungsrat zustehenden Beurteilungsspielraums.
Der Kläger habe für die Beklagte wirtschaftliche Änderungen am Mietvertrag vorgenommen, ohne den Verwaltungsrat der Beklagten
ausreichend zu informieren. Auch habe er den Geschäftsführer der L2 GmbH, Herrn G., nicht ausreichend kontrolliert und es
unterlassen, ihn als sozialversicherungspflichtiges Mitglied anzumelden. Die Summe der Verfehlungen rechtfertige es, dem Kläger
das Vertrauen zu entziehen. Der Kläger hatte bereits zuvor im Juli 2010 wegen der Amtsenthebung Untätigkeitsklage erhoben,
welche er nach Erlass des Widerspruchsbescheides als Anfechtungsklage fortführte. Das Sozialgericht hat der Klage mit Urteil
vom 25. September 2014 stattgegeben und sich dabei im Wesentlichen auf die Gründe des LSG Hamburg im Beschlussverfahren L 1 KR 39/13 B ER gestützt, welches den Nachfolger des Klägers im Amt des Vorstandes betraf und welcher ebenfalls seines Amtes enthoben
worden war. In dieser Entscheidung war ausgeführt worden, dass der angegriffene Beschluss vom Verwaltungsrat unstreitig in
nicht-öffentlicher Sitzung gefasst worden sei. Gemäß §
63, §
33 SGB IV seien die Sitzungen des Verwaltungsrats aber zwingend öffentlich. Es liege auch kein Ausnahmefall vor, in dem die Öffentlichkeit
kraft Gesetzes ausgeschlossen sei. Insbesondere handele es sich bei der Enthebung vom Amt eines Vorstands nicht um eine "personelle
Angelegenheit". Wesentliche Organisationsakte fielen auch dann nicht unter diese Ausnahmevorschrift, wenn sie auf eine konkrete
Person bezogen seien. Das folge aus dem Sinn und Zweck des Öffentlichkeitsgebots. Durch die grundsätzliche Öffentlichkeit
der Sitzungen der Vertreterversammlung bzw. hier des Verwaltungsrats solle das Interesse der Versicherten an den Angelegenheiten
der Selbstverwaltung gestärkt werden. Das Öffentlichkeitsgebot stehe im Bereich der Selbstverwaltung zudem in enger Verbindung
zum Demokratieprinzip des
Grundgesetzes und diene der demokratischen Kontrolle und Willensbildung. Mit dieser herausragenden Bedeutung des Öffentlichkeitsgebots
wäre es nicht vereinbar, wenn gerade wesentliche Organisationsakte als "personelle Angelegenheit" unter Ausschluss der Öffentlichkeit
beraten und ggf. beschlossen würden. Dem hat sich das Sozialgericht angeschlossen. Darüber hinaus habe eine funktional nicht
zuständige Stelle über den Widerspruch des Klägers entschieden, weil in Selbstverwaltungsangelegenheiten nicht der Widerspruchsausschuss,
sondern der Selbstverwaltungsträger selbst zu entscheiden habe. Bereits deshalb sei der Widerspruchsbescheid rechtswidrig.
Schließlich sei die Amtsenthebung auch wegen der Notwendigkeit einer vorherigen Abmahnung rechtswidrig. Die Beklagte hat gegen
das am 21. Januar 2015 zugestellte Urteil des Sozialgerichts am 20. Februar 2015 Berufung eingelegt, mit welcher sie vorträgt,
die vom Sozialgericht angenommene Unzuständigkeit des Widerspruchsausschusses zum Erlass des Widerspruchsbescheides setze
eine Auslegungskonstruktion voraus, die mit Recht und Gesetz nicht vereinbar sei. Selbstverwaltungsangelegenheiten der Sozialversicherungsträger
gehörten gerade zum Kern der Sozialversicherung. Es sei auch absurd, dass nach der Vorstellung des SG ein Gremium seine eigene Entscheidung abschließend überprüfen solle. Auch die Übergehung der Vorschrift des §
63 Abs.
3 Satz 2
SGB IV, bei der Behandlung personeller Angelegenheiten in Verwaltungsratssitzungen die Öffentlichkeit auszuschließen, könne keinen
Bestand haben. Amtsenthebungen seien personelle Maßnahmen im Sinne dieser Vorschrift. Sinn sei der Schutz der Privatsphäre
des Betroffenen. Die gegenteilige Auffassung betreffe ausschließlich den Wahlvorgang von Geschäftsführern und Vorständen,
nicht aber deren Abberufung. Im Falle einer Amtsenthebung würden auch persönliche Daten, nämlich berufliche Unzulänglichkeiten,
Leistungsdefizite und Misstrauensumstände erörtert. Persönlichere und schutzwürdigere Daten als derartige Defizite seien kaum
denkbar. Für eine Abmahnung, die das Sozialgericht für geboten gehalten habe, gebe es keine Rechtsgrundlage. Eine solche könne
auch bei dem hier vor allem ausschlaggebenden Vertrauensverlust nicht in Betracht kommen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 25. September 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und ist ergänzend der Auffassung, die Amtsenthebung gehöre keineswegs
zu den Angelegenheiten der Sozialversicherung. Auch fehle dem Widerspruchsausschuss insoweit die nötige Kompetenz, da dieser
auf leistungs- und versicherungsrechtliche Fragen spezialisiert sei und nicht auf Fragen der Selbstverwaltung. Er sei auch
niemals mündlich oder schriftlich abgemahnt worden, was rechtsstaatlichen Prinzipien und der Treuepflicht des Verwaltungsrates
widerspreche. Allerdings seien ihm, nachdem er einen Untreueverdacht gegen T.M. geäußert habe, bereits Konsequenzen angedroht
worden. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte, der beigezogenen Verwaltungsakten
der Beklagten, die Akten des Landgerichts Hamburg 303 O 398/12 (1 U 299/15) sowie die Gerichtsakten zu den Verfahren L 1 KR 132/11 KL und L 1 KR 39/13 B ER Bezug genommen.
Der vom Kläger angefochtene Amtsenthebungsbeschluss vom 4. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Oktober
2010 ist - wie das Sozialgericht zu Recht und mit im Wesentlichen auch zutreffender Begründung ausgeführt hat - rechtswidrig
und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
Zweifelhaft ist bereits, ob das Vorverfahren von der funktional zuständigen Stelle durchgeführt wurde. Während ein Großteil
der Literatur die Auffassung vertritt, es handele sich bei der Amtsenthebung eines Vorstandes um eine Angelegenheit der Sozialversicherung,
mit der Folge, dass der Widerspruchsausschuss zuständig für die Durchführung des Vorverfahrens ist (so zB Palsherm in JurisPK-
SGB IV, §
59 Rn. 18 m.w.N.), hat das LSG Schleswig-Holstein mit beachtlichen Argumenten die Auffassung vertreten, es handele sich um eine
Selbstverwaltungsangelegenheit, die auch im Widerspruchsverfahren durch den Vorstand selbst zu entscheiden sei. Das LSG Schleswig-Holstein
führt im Urteil vom 12. September 1989 (L 1 KR 46/88 - Juris) insoweit aus: "Funktional dafür zuständig war hier allein der Vorstand der Beklagten, und nicht etwa deren Widerspruchsstelle,
die den "Widerspruchsbescheid" vom 30. Oktober 1985 erteilte, §
85 Abs
2 SGG weist insofern eine Lücke auf. Nach Nr
2 der Vorschrift erläßt den Widerspruchsbescheid in Angelegenheiten der Sozialversicherung zwar die von der Vertreterversammlung
bestimmte Stelle, wie hier die Widerspruchsstelle der Beklagten. Doch handelt es sich bei der vorliegenden Selbstverwaltungssache
um keine Angelegenheit der Sozialversicherung in diesem Sinne. Dies läßt zwar der - mit §
51 Abs
1 SGG gleiche - Gesetzeswortlaut noch nicht erkennen. Es erschließt sich jedoch aus dem Sinnzusammenhang von §
85 Abs
2 Nr
2 SGG mit den für die Abberufung des stellvertretenden Geschäftsführers eines Sozialversicherungsträgers maßgebenden Kompetenznormen.
Denn nach §§
36 Abs
2 S 1 Hs 2, 59 Abs
2 und
4 SGB IV kann nur der Vorstand den stellvertretenden Geschäftsführer seines Amtes entbinden, wenngleich mit Zustimmung des Vorsitzenden
der Vertreterversammlung oder der Vertreterversammlung selbst. Die überragende Bedeutung des Vorstandes bei der Abberufung
des stellvertretenden Geschäftsführers würde verlagert, wenn zur Entscheidung über den Widerspruch die hier paritätisch mit
je einem Arbeitgeber- und einem versicherten Mitglied der Vertreterversammlung besetzte Widerspruchsstelle der Beklagten zur
Entscheidung berufen wäre. Eine solche Verlagerung von Entscheidungskompetenz geht über das auch den veröffentlichten Gesetzesmaterialien
zu §
85 Abs
2 Nr
2 SGG zu entnehmende Ziel hinaus, die Selbstverwaltung zu stärken (BT-Drucks I/4357 S 27 zu §§
31 bis 34 des Regierungsentwurfs), nicht aber umzustrukturieren. Damit enthält §
85 Abs
2 SGG eine Lücke in bezug auf die Zuständigkeit für Widerspruchsentscheidungen in Selbstverwaltungsangelegenheiten. Daß nämlich
insofern die Aufsichtsbehörde (§
85 Abs
2 Nr
1 SGG) zur Entscheidung berufen sein sollte, kommt sinngemäß wie systematisch erst recht nicht in Betracht (teleologische Reduktion
des §
85 Abs
2 SGG). Die damit aufgedeckte Regelungslücke läßt sich nur entsprechend §
73 Abs
1 Nr
3 VwGO auffüllen. Denn eine Lösungsalternative gibt es nicht (im Ergebnis ebenso: Meyer-Ladewig a a O § 85 Rn 3; Brackmann, Handbuch
der Sozialversicherung, S 234 b IV; Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, §
85 SGG Anm 3 c). Entsprechend §
73 Abs
1 Nr
3 VwGO erläßt den Widerspruchsbescheid in Selbstverwaltungsangelegenheiten die Selbstverwaltungsbehörde, soweit nicht durch Gesetz
anderes bestimmt wird. §
73 Abs
2 VwGO läßt Vorschriften unberührt, nach denen im Vorverfahren Ausschüsse oder Beiräte an die Stelle einer Behörde treten. Eine
solche Möglichkeit eröffnet hier zwar §
36 a Abs
1 Nr
1 SGB IV. Doch müßte ein Widerspruchsausschuß in Abberufungssachen dann der Bedeutung der Angelegenheit für den Leistungsträger insgesamt
entsprechend zusammengesetzt sein und dem besonderen Gewicht des Vorstandes gemäß §
59 Abs
2 SGB IV Rechnung tragen. Dies war hier nicht der Fall. So bewendet es mit der Zuständigkeit der Selbstverwaltungsbehörde "Vorstand",
selbst über den Widerspruch zu entscheiden." Letztendlich kann aber dahinstehen, welcher Auffassung zu folgen ist. Denn vorliegend
wurde für den Verwaltungsrat dem Bevollmächtigten des Klägers bereits mit Schreiben vom 24. März 2010 mitgeteilt, dass man
dem Widerspruch des Klägers nicht abzuhelfen gedenke. Dieses Schreiben lässt keine Zweifel daran aufkommen, dass der Verwaltungsrat
seine Entscheidung für endgültig hielt und daran festhalten wollte. Insoweit hat, auch wenn man der Auffassung des LSG Schleswig-Holstein
folgt, der Vorstand der Beklagten selbst über den Widerspruch entschieden. Der angefochtene Beschluss der Beklagten ist indes
bereits aus anderen Gründen nichtig, wenigstens jedoch formell rechtswidrig. Er wurde nämlich vom Verwaltungsrat der Beklagten
unstreitig in nicht-öffentlicher Sitzung beschlossen. Der Senat hat in anderer Besetzung im vergleichbaren Fall des gleichfalls
seines Amtes enthobenen Nachfolgers des Klägers im Amt des Vorstandes der Beklagten im dortigen Verfahren um einstweiligen
Rechtsschutz bereits ausgeführt (Beschluss vom 4. Juli 2014 - L 1 KR 39/13 B ER, juris): "Gemäß § 63 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 i.V.m. §
33 Abs.
3 Satz 2
SGB IV sind die Sitzungen des Verwaltungsrats aber zwingend öffentlich. Es liegt auch keiner der Ausnahmefälle des § 63 Abs. 2 Satz
2 Halbsatz 2 i.V.m. §
33 Abs.
3 Satz 2
SGB IV vor, in dem die Öffentlichkeit kraft Gesetz ausgeschlossen ist. Insbesondere handelte es sich bei der Enthebung des Antragstellers
vom Amt des Vorstands nicht um eine "personelle Angelegenheit". Obgleich davon grundsätzlich solche Angelegenheiten umfasst
sind, die individuell bestimmte Personen betreffen, vor allem Mitglieder der Selbstverwaltungsorgane (vgl. etwa Krause in
GK-
SGB IV, §
63 Rn. 21; Rische/Brandenburg in Wannagat, Sozialgesetzbuch -
SGB IV, §
63 Rn. 16), fallen darunter nicht die wesentlichen Organisationsakte, seien sie auch auf eine konkrete Person bezogen. Das folgt
aus dem Sinn und Zweck des Öffentlichkeitsgebots. Durch die grundsätzliche Öffentlichkeit der Sitzungen der Vertreterversammlung
bzw. hier des Verwaltungsrats soll das Interesse der Versicherten an den Angelegenheiten der Selbstverwaltung gestärkt werden
(vgl. die Gesetzesbegründung zum 7. Gesetz zur Änderung der Selbstverwaltungs-gesetzes in BT-Drucks. V/1674, S. 17f.). Das
Öffentlichkeitsgebot steht im hier betroffenen Bereich der Selbstverwaltung zudem in enger Verbindung zum Demokratieprinzip
des
Grundgesetzes und dient der demokratischen Kontrolle und Willensbildung (vgl. BSG 14.10.1992 - 14a/6 RKa 31/91 - Juris, m.w.N.; Becher/Plate, Selbstverwaltungsrecht der Sozialversicherung, E § 63 Nr. 3.2, S. 7, m.w.N. aus dem Kommunalrecht).
Öffentlichkeit i.S.d. §
63 Abs.
3 Satz 2
SGB IV meint deswegen nicht bloß eine Beteiligtenöffentlichkeit, sondern die allgemeine Öffentlichkeit, so dass die Sitzungen hinreichend
bekannt gemacht werden müssen und jedermann im Rahmen des zur Verfügung stehenden Platzangebots Zutritt haben muss (vgl. BSG 14.10.1992 - 14a/6 RKa 31/91 - Juris; Rechtsauskünfte: Öffentlichkeit der Sitzungen der Vertreterversammlung und ihrer Ausschüsse, WzS 1980, 119). Mit dieser herausragenden Bedeutung des Öffentlichkeitsgebots wäre es nicht vereinbar, wenn gerade wesentliche Organisationsakte
als "personelle Angelegenheit" unter Ausschluss der Öffentlichkeit beraten und ggf. beschlossen würden. Zu diesen wesentlichen
Organisationsakten zählt nicht nur die Wahl des Geschäftsführers und des hauptamtlichen Vorstands (vgl. Becher/Plate, Selbstverwaltungsrecht
der Sozialversicherung, E §
63 Nr. 3.2, S. 7; I. Palsherm in Schlegel/Voelzke, Juris-PK
SGB IV, §
63 Rn. 29), sondern auch die Amtsenthebung, die letztlich der actus contrarius zur Wahl des Vorstands ist. Das entspricht im
Übrigen der gerade zur streitbefangenen Amtsenthebung geäußerten Rechtsauffassung des Bundesversicherungsamts (vgl. Schriftsatz
vom 17. August 2012 im Verfahren L 1 KR 128/11 KL). Die Befugnis, den Vorstand seines Amts zu entheben, steht allein dem Verwaltungsrat zu, abgesehen von den hier nicht
interessierenden aufsichtsrechtlichen Möglichkeiten nach §
35a Abs.
7 Satz 3
SGB IV. Mit Übertragung dieser Befugnis ist seine Aufsichts- und Kontrollfunktion gegenüber dem Vorstand gestärkt worden, der in
sich die Funktionen und damit die Macht vereinigt, die bei anderen Sozialversicherungsträgern auf zwei Gremien, nämlich Vorstand
und Geschäftsführer, aufgeteilt sind (vgl. die Gesetzesbegründung zum Gesundheits-Strukturgesetz in BT-Drucks. 12/3608, S.
128). Indem der Verwaltungsrat der Antragsgegnerin mit dem angegriffenen Amtsenthebungsbeschluss von dieser Befugnis Gebrauch
machte, nahm er daher eine sicherlich selten anstehende, gleichwohl überragend wichtige Selbstverwaltungsaufgabe wahr. Vorliegend
war auch nicht ausnahmsweise gleichwohl ein Ausschluss der Öffentlichkeit geboten, weil im Zuge der Beratung und Beschlussfassung
über die Amtsenthebung persönliche Daten des Antragstellers offenbart worden wären, an deren Geheimhaltung er ein schutzwürdiges
Interesse gehabt hätte. Vorwürfe, die bei der Beratung über eine "unehrenhafte" Absetzung typischerweise im Raum stehen und
erörtert werden, namentlich der Vorwurf der groben Amtspflichtverletzung, der Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung
und der Umstand des Vertrauensentzugs durch den Verwaltungsrat würden insoweit allerdings nicht ausreichen. Es müssten besondere
Umstände hinzutreten, deren öffentliche Beratung das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Antragstellers selbst eingedenk der
überragenden Bedeutung des Öffentlichkeitsgebots verletzt hätte. Als Beispiel werden im Schrifttum "gesundheitliche Gegebenheiten"
genannt (vgl. Becher/Plate, Selbstverwaltungsrecht der Sozialversicherung, E § 63 Nr. 3.2, S. 7). Zu vergleichbaren Besonderheiten
im vorliegenden Fall ist von der Antragsgegnerin nichts vorgetragen worden und diese sind dem Senat mit dem Erkenntnisstand
im Eilverfahren auch sonst nicht ersichtlich. Schließlich machte der Verwaltungsrat der Antragsgegnerin auch nicht von der
Möglichkeit des § 63 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 i.V.m. §
33 Abs.
3 Satz 2
SGB IV Gebrauch, den Ausschluss des Öffentlichkeit speziell für die Beratung und ggf. Beschlussfassung über die Amtsenthebung des
Antragstellers zu beschließen. Ungeachtet der Frage, ob er dazu überhaupt berechtigt gewesen wäre, nachdem wie ausgeführt
die Öffentlichkeit kraft Gesetz gerade nicht ausgeschlossen war, fehlte es jedenfalls an einem wirksamen Beschluss nach §
63 Abs.
3 Satz 3 Halbsatz 1
SGB IV. Hierfür hätte zunächst ein Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit zu diesem konkreten Beratungspunkt gestellt werden,
die Öffentlichkeit für die Dauer der Beratung und Beschlussfassung über diesen Antrag ausgeschlossen und sodann nach Wiederherstellung
der Öffentlichkeit der Beschluss über den Ausschluss der Öffentlichkeit bekannt gegeben werden müssen (vgl. zum Ablauf nur
Gurgel in Blei/Gitter u.a., Gesamtkommentar Sozialversicherung Bd. 2, §
63 SGB IV Rn. 5). Ausweislich des Protokolls der Sitzung vom 14./15. Mai 2012 hielt der Verwaltungsrat der Antragsgegnerin dieses Prozedere
nicht ein, sondern beschloss aus der öffentlichen Sitzung heraus lediglich pauschal den Ausschluss der Öffentlichkeit. Der
Senat lässt dahin stehen, ob der demnach vorliegende Verstoß gegen § 63 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 i.V.m. §
33 Abs.
3 Satz 2
SGB IV sogar zur Nichtigkeit des Amtsenthebungsbeschlusses vom 15. Mai 2012 führt (so Becher/Plate, Selbstverwaltungsrecht der Sozialversicherung,
E §
63 Nr. 3.2, S. 7; I. Palsherm in Schlegel/Voelzke, Juris-PK
SGB IV, §
63 Rn. 28). Er macht ihn jedenfalls formell rechtswidrig. Die Verletzung des Öffentlichkeitsgebots zählt nicht zu den nach §
41 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) heilbaren Verfahrensfehlern und ebenso wenig ist i.S.d. § 42 Satz 1 SGB X offensichtlich, dass der fehlerhafte Ausschluss der Öffentlichkeit die Entscheidung des Verwaltungsrats der Antragsgegnerin
in der Sache nicht beeinflusst hat. Da eine öffentliche Beschlussfassung bezogen auf den Amtsenthebungsbeschluss vom 15. Mai
2012 schließlich nicht nachgeholt werden könnte, sondern der Verwaltungsrat der Antragsgegnerin gegebenenfalls - in öffentlicher
Sitzung - einen neuerlichen Beschluss fassen müsste, gebietet schon dieser Verfahrensfehler die Anordnung der aufschiebenden
Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers." Der Senat schließt sich auch in seiner jetzigen Besetzung den obigen Ausführungen
nach eigener Prüfung an. Insbesondere hätte vorliegend - unabhängig davon, ob das Verfahren der Beschlussfassung ordnungsgemäß
durchgeführt wurde - die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen werden dürfen, weil keine besonderen Umstände vorgelegen haben
bzw. von der Beklagten geltend gemacht werden, deren öffentliche Beratung das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers
selbst eingedenk der überragenden Bedeutung des Öffentlichkeitsgebots verletzt hätten oder die ein ähnlich schweres Gewicht
gehabt hätten. Die Wahl eines hauptamtlichen Vorstandes - und damit auch dessen Abberufung, denn in beiden Fällen ist der
Vorstand als Organ des Versicherungsträgers betroffen - sind öffentlich, da sie eben keine personellen Angelegenheiten, sondern
Akte des Verfassungslebens des Versicherungsträgers sind. Die dienstrechtliche Stellung des Vorstandes ist durch die Amtsenthebung
zunächst nicht betroffen (Becher/Plate, Selbstverwaltungsrecht der Sozialversicherung, E § 35a Nr. 7.1, S. 19). Betroffen
ist allein die Organstellung. Nur soweit besondere sachliche Gründe dies gebieten, ist daher der Ausschluss der Öffentlichkeit
für einzelne Beratungspunkte zulässig. Er ist nicht in das Belieben des Versicherungsträgers gestellt (Becher/Plate, Selbstverwaltungsrecht
der Sozialversicherung, E § 63 Nr. 3.3, S. 9). Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil nicht zu verkennen ist, dass die
gesetzliche Regelung des §
35a Abs.
7 Satz 2
SGB IV trotz an sich begrüßenswerter Zielsetzung eine Missbrauchsgefahr birgt, der mit der durch das Öffentlichkeitsgebot gewährleisteten
Transparenz wirksam begegnet werden kann. Nach der Gesetzesbegründung sollen die zusätzlichen Amtsbeendigungsgründe des §
35a Abs.
7 Satz 2
SGB IV die Aufsichts- und Kontrollfunktion des Verwaltungsrates gegenüber dem Vorstand stärken. Der Vertrauensentzug darf und soll
aber keine Handhabe zur Entlassung unbequemer Mitglieder des Vorstandes sein. Wann ein Vertrauensentzug objektivierbar gerechtfertigt
ist, lässt sich nicht formelhaft bestimmen. Er wird regelmäßig begründet sein, wenn vorwerfbare Fehlverhaltensweisen des Mitgliedes
des Vorstandes von erheblichem Gewicht vorliegen, die als solche gegen die Rechtsordnung verstoßen, also etwa Verstöße gegen
die Amtspflichten, vertragsbrüchiges oder deliktisches Verhalten. Vertrauensentzug durch den Verwaltungsrat ist eine einseitige
Maßnahme, die nur dann rechtmäßig sein kann, wenn etwaiges Vertrauen des Mitglieds des Vorstandes auf Fortbestand seines Amtes
nicht schützenswert ist. Wenn ein Mitglied des Vorstandes seines Amtes enthoben oder von seinem Amt entbunden wird, weil ihm
das Vertrauen durch den Verwaltungsrat entzogen worden ist, muss daher feststellbar sein, worin der Vertrauensentzug begründet
ist. Der Gesetzgeber selbst hat in § 35 Abs. 7 Satz 2, 2. Halbsatz klargestellt, dass ein Vertrauenszug "aus offenbar unsachlichen
Gründen" keine Amtsbeendigung rechtfertigt. Damit steht fest, dass es dem Verwaltungsrat verwehrt ist, den Vertrauensentzug
auf Gründe zu stützen, die mit der Ausübung des Vorstandsamtes nichts zu tun haben, wie etwa politische Differenzen zwischen
dem Vorstand und Mitgliedern des Verwaltungsrates. Dass offenbar unsachliche Gründe einen Vertrauensentzug nicht rechtfertigen
können, beschreibt zunächst eine rechtsstaatliche Selbstverständlichkeit und folgt zwanglos daraus, dass der Vertrauensschutz
des Mitglieds des Vorstandes diesen vor einer offenbar unsachlich begründeten Entlassung bewahrt (Erfmeyer/Dudda, KrV 2009,
197f.). Dass der Verwaltungsrat bei dieser Entscheidung einer Kontrolle durch die Öffentlichkeit unterliegt, gewährleistet
ein faires Verfahren, ein materiell-rechtlich vertretbares Ergebnis und eine gewisse Rechtssicherheit. Aus alledem folgt,
dass das Öffentlichkeitsgebot insbesondere auch bei einer Amtsenthebung nach §
35a Abs.
7 SGB IV keine Marginalie ist, sondern dass damit dem demokratischen Informationsbedürfnis, dem Gebot der Transparenz der Entscheidungen
von Selbstverwaltungsorganen und der Kontrollfunktion der Öffentlichkeit und der Beitragszahler Genüge getan wird. Dies gilt
insbesondere auch hinsichtlich der Frage, ob und welche Verstöße gegen die Amtspflichten als Organ der Krankenkasse vorgelegen
haben, ob die Gründe, auf die der Vertrauensentzug gestützt wird, tragfähig sind oder ob sie offenbar unsachlich sind und
welche Art der Geschäftsführung für die Zukunft zu erwarten ist. Die Gründe für einen zulässigen Ausschluss der Öffentlichkeit
müssen daher den Gründen vergleichbar sein, die für den Ausschluss der Öffentlichkeit bei der Behandlung personeller Angelegenheiten,
von Grundstücksgeschäften und strafrechtlich geschützter Tatsachen maßgebend sind. Hierbei ist ein strenger Maßstab anzulegen.
Die vertrauliche Beratung hat dabei vor allem das Ziel, eine Schädigung des Versicherungsträgers oder der betroffenen Personen
zu verhindern. Derartige Gründe sind nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich. Die Frage der ordnungsgemäßen Aufgabenwahrnehmung
des Vorstandes und die Einschätzung, ob dieser in der Lage sei, zukünftig dem Wohl der Beklagten dienende Verwaltungsentscheidungen
zu treffen, betrafen das Kerngeschäft des Klägers in seiner Organfunktion und stellten damit keine personelle Angelegenheit
dar. Besondere persönlichen Umstände des Klägers waren - über die genannte Frage hinaus, die aber eben gerade seine Organstellung
betrafen - nicht berührt. Es handelte sich auch nicht um ein Grundstücksgeschäft. Zwar sind Grundstücksgeschäfte in diesem
Sinne auch Vermietungen und Verpachtungen. Hintergrund ist, dass in diesem regelmäßig mit hohen Ausgaben verbundenen Bereich
durch frühzeitige öffentliche Kenntnis der Auffassung des Versicherungsträgers keine unangemessenen Verhandlungsnachteile
entstehen sollen, beispielsweise weil ein Kaufentschluss an sich feststeht, man im Verhandlungswege aber noch gerne den Kaufpreis
reduzieren würde (vgl. Palsherm in Juris-PK
SGB IV, §
63 Rn. 30). Vorliegend war ein Mietgeschäft jedoch nur mittelbar mitbetroffen. Verhandlungsnachteile für die Beklagte waren
dabei nicht zu befürchten, da das mitbetroffene Mietgeschäft bereits in der Vergangenheit lag. Der Amtsenthebungsbeschluss
der Beklagten vom 4. März 2010 ist mithin nichtig (ebenso Becher/Plate, Selbstverwaltungsrecht der Sozialversicherung, E §
63 Nr. 3.2, S. 7; I. Palsherm in Schlegel/Voelzke, Juris-PK
SGB IV, §
63 Rn. 28), wenigstens jedoch formell rechtswidrig. Die Verletzung des Öffentlichkeitsgebots zählt nicht zu den nach § 41 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) heilbaren Verfahrensfehlern und ebenso wenig ist i.S.d. § 42 Satz 1 SGB X offensichtlich, dass der fehlerhafte Ausschluss der Öffentlichkeit die Entscheidung des Verwaltungsrats der Antragsgegnerin
in der Sache nicht beeinflusst hat. Auf die Frage der materiellen Rechtmäßigkeit des Amtsenthebungsbeschlusses, also darauf,
ob überhaupt Gründe für eine Amtsenthebung vorgelegen haben, kommt es daher nicht mehr an.
Gründe für eine Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.