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LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 27.04.2017 - 8 SO 234/16
Anspruch auf Hilfe in sonstigen Lebenslagen nach dem SGB XII Übernahme der Kosten für die Verlängerung des Heimatpasses eines Arbeitslosengeld II-Beziehers Keine Berücksichtigung privilegierten Vermögens nach dem SGB II Voraussetzungen für die Verwertbarkeit von Forderungen Auswahlermessen des Sozialhilfeträgers über Beihilfe oder Darlehen
1. § 73 SGB XII ermöglicht die Übernahme von Kosten, die Ausländern wegen der Passbeschaffung oder -verlängerung entstehen. Dies gilt auch für die Zeit nach Inkrafttreten des Regelbedarfsermittlungsgesetzes (RBEG) zum 1.1.2011 (BGBl I 2011, 453).
2. Der Sozialhilfeträger muss eine Ermessensentscheidung nach § 73 SGB XII über die Art und Weise der Hilfegewährung (Darlehen oder Beihilfe) auch dann treffen, wenn ein Pass zwingend benötigt wird (Auswahlermessen).
3. Für die Übernahme von Kosten der Passbeschaffung oder -verlängerung gibt es keine Anspruchsgrundlage im SGB II.
4. Privilegiertes Vermögen eines Leistungsberechtigten nach dem SGB II in Gestalt eines Pkw (§ 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB II) ist auch im Rahmen des § 73 SGB XII nicht zu berücksichtigen.
5. Forderungen des Hilfebedürftigen, die wegen Mittellosigkeit des Schuldners in tatsächlicher Sicht nicht verwertbar sind (keine bereiten Mittel), sind nicht als Vermögen zu berücksichtigen.
1. Nach diesen gesetzlichen Vorgaben und den einschlägigen Gesetzesmaterialien sind die Kosten, die Ausländern wegen der Beschaffung oder Verlängerung ihres Heimatpasses entstehen können, nicht als relevante Verbrauchsausgaben bei der Ermittlung der Regelbedarfe nach § 27a Abs. 2 Satz 1 SGB XII berücksichtigt worden.
2. Abhängig vom Einzelfall können ganz unterschiedliche Kostenpositionen von dieser Bedarfslage umfasst sein; neben den Gebühren für die Ausstellung bzw. Verlängerung eines Passpapieres, die je nach Herkunftsstaat in unterschiedlicher Höhe anfallen, kommen typischerweise Kosten für die Übersetzung und/oder Beglaubigung von Dokumenten (z.B. Geburts- oder Heiratsurkunden, Abstammungsnachweise) und Fahrkosten zu einer Auslandsvertretung hinzu.
3. Im Ausnahmefall können auch Kosten zur Klärung der Identität des Ausländers anfallen (z.B. Kosten im Zusammenhang mit der Nachregistrierung des Betroffenen oder der Beschaffung von Identitätspapieren im Heimatstaat.
Normenkette:
AufenthG (2004) § 3 Abs. 1
,
RBEG § 5 Abs. 1
,
SGB XII § 19 Abs. 3
,
SGB XII § 27a Abs. 2 S. 1
,
SGB XII § 73 S. 1 und S. 2
,
SGB XII § 90 Abs. 1
,
SGB XII § 90 Abs. 3 S. 1
,
SGB II § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 2
,
SGB II § 12 Abs. 4 S. 1
,
SGB II § 21 Abs. 6 S. 1
,
SGB II § 24 Abs. 1 S. 1
Vorinstanzen: SG Lüneburg 20.05.2015 S 22 SO 174/14
Auf die Berufung der Klägerin werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Lüneburg vom 20. Mai 2015 und der Bescheid des Beklagten vom 1. Dezember 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. April 2015 aufgehoben.
Der Beklagte wird verurteilt, über den Antrag der Klägerin vom 28. November 2014 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das gesamte Verfahren zu erstatten.
Im Übrigen sind keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.

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