LSG Saarland, Urteil vom 26.04.2018 - 11 SO 8/17
Rückerstattung von nach dem SGB XII übernommenen Bestattungskosten
Zeitpunkt der Bekanntgabe eines Verwaltungsakts
Verschweigen von leistungsrelevanten Umständen
Erzielung einer einmaligen Einnahme
Annahme zerrütteter Verwandtschaftsverhältnisse
1. Entscheidend für die Anwendbarkeit des § 45 SGB X ist der Zeitpunkt der Bekanntgabe (§§ 37, 39 SGB X) des Verwaltungsakts (vgl BSG vom 1.6.2006 - B 7a AL 76/05 R = BSGE 96, 285 = SozR 4-4300 § 122 Nr 4, RdNr 13, vom 24.2.1987 - 11b RAr 53/86 = BSGE 61, 189 = SozR 1300 § 48 Nr 31 und vom 24.4.1997 - 13 RJ 23/96 = BSGE 80, 186 = SozR 3-7140 § 1 Nr 1).
2. Der Tatbestand des § 45 Abs 2 S 3 Nr 2 SGB X ist auch dann erfüllt, wenn der Betroffene Umstände verschwiegen hat, so dass "Angaben" auch dann "falsch gemacht" iS des
§ 45 Abs 2 S 3 Nr 2 SGB X sind, wenn ohne weitere Überlegungen klar sein musste, dass er den betreffenden Umstand hätte mitteilen müssen (vgl LSG Darmstadt
vom 17.1.2012 - L 2 R 524/10 = juris RdNr 48, Padé in: jurisPK-SGB X, § 45 SGB X RdNr 84 und Schütze in: von Wulffen/Schütze, SGB X, § 45 SGB X RdNr 49). Es genügt dabei, dass zwischen Antragstellung und Erlass des Bescheids eine Änderung eintritt, der Leistungsempfänger
diese Änderung nicht mitteilt und der Begünstigte eine Pflicht zur Mitteilung der betreffenden Tatsache zB nach § 60 SGB I hatte (vgl BSG vom 9.4.1987 - 5b RJ 36/86 = BSGE 61, 278 = SozR 1300 § 45 Nr 29, vom 1.6.2006 - B 7a AL 76/05 R aaO und vom 9.10.2012 - B 5 R 8/12 R = BSGE 112, 74 = SozR 4-1300 § 45 Nr 10 sowie Padé in: jurisPK-SGB X, § 45 SGB X RdNr 84).
3. Liegt in den Monaten, in denen die Rechnungen des Bestattungsunternehmens jeweils fällig werden, eine einmalige Einnahme
vor, so ist diese vollständig auf den Bedarf anzurechnen, ohne dass eine Aufteilung gemäß § 3 Abs 3 S 2 der Durchführungsverordnung zu § 82 SGB XII (DV § 82 SGB XII; juris: BSHG§76DV) zu erfolgen hat (vgl Greiser/Eicher in: jurisPK-SGB XII, § 74 RdNr 67, unter Verweis auf den Terminsbericht des BSG zum Termin vom 28.2.2013 - B 8 SO 19/11 R).
4. Für die Annahme zerrütteter Verwandtschaftsverhältnisse reicht es nicht aus, dass Ehepartner getrennt leben und wie bei
einem Scheidungsverfahren eine "Zerrüttung der Ehe" vorliegt.
Vorinstanzen: SG Saarbrücken 22.06.2017 S 25 SO 73/15
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 22.06.2017 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Entscheidungstext anzeigen:
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rückerstattung von nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) übernommenen Bestattungskosten für den „in der Zeit zwischen dem 26.07. und dem 21.08.2014“ (vgl. Sterbeurkunde) verstorbenen
M. A. (Verstorbener).
Die 1977 geborene Klägerin war die Ehefrau des Verstorbenen. Sie ist berufstätig und hat ein durchschnittliches monatliches
Erwerbseinkommen i.H.v. 1.553,56 EUR netto nebst 184,-- EUR Kindergeld und 180,-- EUR Unterhaltsvorschuss. Zusammen mit ihr
lebt ihre 2006 geborene Tochter M.S. A. Am 18.09.2014 schlug die Klägerin für sich und ihre minderjährige Tochter die Erbschaft
nach dem Verstorbenen aus. Dabei gab sie an, sie lebe getrennt, ein Scheidungsverfahren sei nicht anhängig. Auch die Mutter
des Verstorbenen, C. A., sowie der Sohn des Verstorbenen aus erster Ehe, Sv. A. (1989), schlugen die Erbschaft aus. Am 14.10.2014
wurde für die unbekannten Erben eine Nachlasspflegschaft durch das Amtsgericht A-Stadt - Nachlassgericht - angeordnet.
Am 09.09.2014 beantragte die Klägerin die Übernahme der Beerdigungskosten i.H.v. insgesamt 3.745,77 EUR (Rechnungen vom 02.09.
und 21.09.2014) und gab dazu an, der Verstorbene sei bei der Firma ... Fr. AG (Firma ...) beschäftigt gewesen. Sie reichte
Unterlagen über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie eine Bescheinigung der Firma ... vom 17.10.2014 zu den Akten.
Darin heißt es:
„Wir bescheinigen, dass unser ehemaliger Mitarbeiter M. A., geboren 1964, verstorben 2014, kein Mitglied in der ...-Notgemeinschaft
war. Es wurde somit keine Auszahlung der Sterbekasse an Hinterbliebene geleistet“.
Nach Darlegung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Mutter und des Sohnes des Verstorbenen bewilligte der Beklagte
mit Bescheid vom 28.10.2014 - unter Anrechnung eines Eigenanteils von 278,47 EUR - die teilweise Übernahme der Bestattungskosten
gemäß § 74 SGB XII i.H.v. 3.467,30 EUR und ersuchte das Nachlassgericht um Überweisung des Nachlasses.
Am 28.10.2014 ging bei dem Beklagten ein Schreiben der Firma ... vom 24.10.2014 ein. Darin heißt es:
„Die ... AG hat keine Sterbekasse bzw. Bestattungsfonds, sondern eine Notgemeinschaft, in der Herr M. A. kein Mitglied war, also auch keine Beträge eingezahlt hat.
Nach tarifvertraglichen Regelungen wurde aber mit der Septemberabrechnung 2014 die betriebliche Sonderzahlung, in Höhe von
1.740,00 EUR brutto, ausgezahlt und die Auszahlung „Unterstützung im Sterbefall von 2 Monatsentgelten“, in Höhe von 6.326,80
EUR brutto wird über unsere Rentenstelle in F. erfolgen.“
Mit am 02.12.2014 erfolgter Anhörung wurde die Klägerin zur Vorlage von Kontoauszügen aufgefordert und im Wesentlichen ausgeführt,
im Hinblick auf die Auszahlung „Unterstützung im Sterbefall von zwei Monatsentgelten“ i.H.v. 6.326,80 EUR brutto sei beabsichtigt,
den Bescheid vom 28.10.2014 gemäß § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) aufzuheben und die übernommenen Bestattungskosten zurückzufordern. Auch habe die Klägerin von den ehemaligen Kollegen des
Verstorbenen einen gesammelten Geldbetrag in unbekannter Höhe erhalten.
Am 08.12.2014 legte die Klägerin Widerspruch gegen den ihr am 11.11.2014 zugegangen Bescheid vom 28.10.2014 ein. Dieser sei
fehlerhaft, da ein Eigenanteil i.H.v. 278,47 EUR angerechnet worden sei. Es sei nicht berücksichtigt worden, dass sich die
Eheleute getrennt hätten und das Näheverhältnis durch schwere Vertrauensbrüche zerrüttet gewesen sei. Auch sei der Eigenanteil
fehlerhaft errechnet. Es seien insbesondere höhere Werbungskosten (Fahrtkosten), der nicht pfändbare Betrag als Freibetrag
i.H.v. 1.430,-- EUR, und die vollständige Miete i.H.v. 482,59 EUR und nicht der geminderte Mietanteil (380,71 EUR) zu berücksichtigen.
Im Übrigen handele es bei dem Bruttobetrag i.H.v. 6.326,80 EUR „nicht um Sterbegeld, sondern um eine Lohnzahlung nach dem
Manteltarifvertrag“, die bei § 74 SGB XII nicht zu berücksichtigen sei. Ebenso seien die von Kollegen des Verstorbenen gesammelten Gelder nicht heranzuziehen (Schreiben
vom 12.12.2014).
Im Laufe des Verfahrens teilte die Firma ... - unter Vorlage einer Entgeltabrechnung vom 17.12.2014 für Oktober 2014 - dem
Beklagten mit, der Klägerin sei die „Unterstützung im Sterbefall“ mit einem Nettobetrag von 5.729,11 EUR auf deren Konto ausgezahlt
worden. Die Sonderzahlung i.H.v. 1.740,-- EUR brutto sei mit der Entgeltabrechnung September auf das Konto des Verstorbenen
erfolgt. Unter dem 13.01.2015 erklärte die Firma ..., dass die Klägerin Anfang Oktober die Mitteilung auf Zahlung des bestehenden
Anspruchs auf Unterstützung im Sterbefall von zwei Monatsentgelten erhalten habe. Dieser Betrag sei an die Klägerin ausgezahlt
worden und stelle keinen Nachlass dar.
Mit Bescheid vom 05.03.2015 hob der Beklagte daraufhin den Bewilligungsbescheid vom 28.10.2014 gemäß § 45 Abs. 1, 2 Nr. 2 SGB X auf und forderte 3.467,30 EUR gemäß § 50 Abs. 1 SGB X zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, mit Antragstellung habe sich die Klägerin verpflichtet, nachträglich
bekannt werdenden Nachlass unverzüglich anzuzeigen. Ende Oktober habe sie vom Arbeitgeber des Verstorbenen 5.729,11 EUR als
Unterstützung im Sterbefall erhalten. Dieser Betrag sei vorrangig für die Bestattungskosten einzusetzen. Laut Arbeitgeber
sei die Klägerin bereits vor dem Bescheid vom 28.10.2014 über den Anspruch in Kenntnis gesetzt worden. Sie hätte daher Gelegenheit
gehabt, über diese Leistung rechtzeitig vor Bescheiderteilung zu informieren. In diesem Zusammenhang werde auf den Nachrang
der Sozialhilfe (§ 2 SGB XII) verwiesen.
Den gegen die Bescheide vom 28.10.2014 und 05.03.2015 erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom
26.05.2015 zurück. Der bestattungspflichtigen Ehefrau des Verstorbenen habe kein Anspruch auf Übernahme der Bestattungskosten
zugestanden, da sie im Oktober 2014 vom Arbeitgeber des Verstorbenen 5.729,11 EUR netto erhalten habe, was zur Tragung der
Kosten der Bestattung zu verwenden gewesen wäre. Sie habe es dabei zumindest grob fahrlässig unterlassen, den Beklagten zu
informieren.
In dem am 01.07.2015 eingeleiteten Klageverfahren vor dem Sozialgericht für das Saarland (SG) hat die Klägerin unter Wiederholung ihres bisherigen Vortrages im Wesentlichen ergänzend geltend gemacht, sie habe dem Beklagten
die Bescheinigung der Firma ... vom 17.10.2014 vorgelegt. Daraus ergebe sich, dass es sich bei den 5.729,11 EUR, die sie Ende
Oktober erhalten habe, nicht um eine Auszahlung der Sterbekasse gehandelt habe. Sie habe unverzüglich nach Erhalt des Geldes
Mitteilung hierüber gemacht, so dass der Beklagte keine Rückzahlung der Bestattungshilfe verlangen könne. Ungeachtet dessen
sei der erhaltene Betrag, bei dem es sich um eine Einmalzahlung in Form einer Lohnzahlung gehandelt habe, nicht „vorrangig“
für die Bestattungskosten einzusetzen.
Mit Urteil vom 22.06.2017 hat das SG die Klage abgewiesen und hierzu im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf die begehrte Übernahme
der Bestattungskosten nach § 74 SGB XII. Sie sei nach § 26 Abs. 1 Nr. 1 des Saarländischen Gesetzes über die Friedhof-, Bestattungs- und Leichenwesen (SBestattG) zur Bestattung verpflichtet gewesen.
Im Rahmen der Prüfung der Zumutbarkeit i.S.d. § 74 SGB XII seien insbesondere die wirtschaftlichen Verhältnisse von Bedeutung. Eine Bedürftigkeit bzw. Unzumutbarkeit müsse zum Zeitpunkt
der Fälligkeit der Forderung des Bestattungsunternehmers vorliegen und auch noch zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung gegeben
sein. Das Tatbestandsmerkmal der Unzumutbarkeit konkretisiere das Nachrangigkeitsprinzip der Sozialhilfe nach § 2 Abs. 1 SGB XII. Bei der von dem Arbeitgeber des Verstorbenen ausgezahlten „Unterstützung im Sterbefall“ in Höhe von 5.729,11 EUR habe es
sich um eine Geldleistung gehandelt, welche die Klägerin zumutbar zur Begleichung der anfallenden Bestattungskosten hätte
aufwenden können, da alle Einkünfte und alles Vermögen zu berücksichtigen sei, insbesondere solche Leistungen, die aus Anlass
eines Todesfalles erbracht würden. Auf einen besonderen Verwendungszweck der Leistung komme es im Rahmen der Zumutbarkeitsbetrachtung
nicht an. Der Beklagte habe auch keine fiktive Aufteilung der Unterstützungsleistung auf mehrere Monate vornehmen müssen.
Der Vortrag, das Näheverhältnis zwischen der Klägerin und dem Verstorbenen sei durch schwere Vertrauensbrüche zerrüttet gewesen,
sei hier nicht geeignet, eine Unzumutbarkeit der klägerseitigen Kostenübernahme zu begründen. Da die Klägerin keinen Anspruch
auf Übernahme der Bestattungskosten gehabt habe, habe sich die Prüfung des ursprünglich von der Beklagten angerechneten Einkommensüberhangs
erübrigt. Die ursprüngliche Bewilligungsentscheidung sei bei Erlass rechtswidrig gewesen. Die Klägerin könne sich nicht auf
Vertrauensschutz berufen, da ihr bekannt gewesen sei, dass Einkünfte, Vermögen und Nachlass im Rahmen eines Antrages auf Leistungen
nach § 74 SGB XII anzugeben seien. Hierauf sei sie im Antragsformular hingewiesen worden. Hätte der Beklagte von der unmittelbar anstehenden
Zahlung Kenntnis erlangt, hätte er der Klägerin die beantragten Leistungen nicht bewilligen müssen. Der Beklagte habe daher
den Bescheid vom 28.10.2014 gemäß § 45 SGB X zurücknehmen können. Das ihm hierbei eingeräumte Ermessen habe er ordnungsgemäß ausgeübt. Ermessensfehler seien nicht ersichtlich.
Die Höhe der geltend gemachten Erstattungsforderung sei zutreffend.
Unter dem 20.07.2017 hat die Klägerin einen Antrag auf Berichtigung des Tatbestandes hinsichtlich des ihr am 05.07.2017 zugestellten
Urteils gestellt, der mit Beschluss des SG vom 23.01.2018 zurückgewiesen wurde.
Am 18.07.2017 hat die Klägerin Berufung eingelegt. Sie trägt unter Verweis auf ihr erstinstanzliches Vorbringen im Wesentlichen
ergänzend vor, Anfang Oktober 2014 habe der frühere Arbeitgeber des Verstorbenen unter Übersendung eines Lohnbeleges mitgeteilt,
dass sie eine Zahlung i.H.v. „5.763,80 EUR netto“ erhalte. Dieser Betrag (gemeint wohl: 5.729,11 EUR) sei ihr Ende Oktober
2014 auf ihr Konto überwiesen worden. Durch Mitteilung der Nachlasspflegerin habe der Beklagte Kenntnis von der Auszahlung
erlangt. Bei diesem Betrag handele es sich um einen Lohnbestandteil des Verstorbenen, den sie aus Anlass des Todesfalles erhalten
habe und eine Sonderzahlung i.S.d. § 82 SGB XII darstelle. Da sie das Erbe ausgeschlagen habe, sei das Erlangte kein Nachlass, so dass eine Verpflichtung zur Übernahme der
Bestattungskosten aus dem Nachlass entfalle. Daher sei darauf abzustellen, ob ihr die Übernahme der Bestattungskosten im Rahmen
der Zumutbarkeit aufzuerlegen waren, was aufgrund der Zerrüttung des Näheverhältnisses zwischen ihr und dem Verstorbenen zu
verneinen sei. Jedenfalls müsse die von der Firma ... erhaltene Zahlung auf 12 Monate verteilt werden.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts für das Saarland vom 22.06.2017 sowie Abänderung des Bescheides
vom 28.10.2014 und Aufhebung des Bescheides vom 05.03.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.05.2015 zu verurteilen,
die vollständigen Kosten für die Bestattung des verstorbenen Michael A. in Höhe von insgesamt 3.745,77 EUR zu übernehmen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten
und der Gerichtsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist statthaft. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig.
Die Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung wird auf die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil gemäß § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz ( SGG) verwiesen. Ergänzend ist anzufügen, dass der Aufhebungsbescheid vom 05.03.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
26.05.2015 rechtmäßig ergangen ist und den ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 28.10.2014 zu Recht von Anfang an aufgehoben
hat, denn der Klägerin stand ein Anspruch auf Übernahme der Bestattungskosten gemäß § 74 SGB XII nicht zu. Rechtsgrundlage für die Aufhebung des Bewilligungsbescheids ist dabei § 45 SGB X (vgl. nur BSG, SozR 1300 § 45 Nr. 29; SozR 3-1300 § 48 Nr. 33; SozR 3-2600 § 93 Nr. 3; BSG, Urteil vom 11.04.2002 - B 3 P 8/01 R; Steinwedel, in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 45 Rn. 12; von Wulffen/Schütze, SGB X, § 45 Rn. 31, jeweils m.w.N.). Die Klägerin hatte bereits vor Erlass des Bewilligungsbescheides vom 28.10.2014 neben ihrem sonstigen
Einkommen und Vermögen, das in der Anlage zu dem Bescheid vom 28.10.2014 zutreffend dargestellt ist, noch einen weiteren Betrag
i.H.v. 5.729,11 EUR zur Verfügung, der als Einkommen i.S.d. § 82 SGB XII hätte berücksichtigt werden und den die Klägerin für die Tragung der Bestattungskosten hätte verwenden müssen. Letztlich
wäre - entgegen dem Bewilligungsbescheid vom 28.10.20114 - kein Betrag verblieben, der an die Klägerin auszuzahlen gewesen
wäre. Mit Aufhebungsbescheid vom 05.03.2015 hat der Beklagte dies zutreffend berücksichtigt, den fehlerhaften Bewilligungsbescheid
vom 28.10.2014 von Anfang an gem. § 45 Abs. 1, 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X aufgehoben und nach § 50 Abs. 1 SGB X Erstattung der der übernommenen Beerdigungskosten i.H.v. 3.467,30 EUR verlangt. Die Voraussetzungen der §§ 45, 50 SGB X lagen dabei auch vor.
Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein begünstigender Verwaltungsakt, soweit er rechtswidrig ist - auch nachdem er unanfechtbar geworden ist - nur unter
den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen
werden. Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X darf ein solcher Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes
vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen
ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Versicherte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen
hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (vgl. § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X). Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte
vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X). Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat
(§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3, 2. Halbsatz SGB X). Dies ist dann der Fall, wenn er bereits einfache, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet,
was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (BSG, Urteil vom 8. Februar 2001, SozR 3-1300 § 45 SGB X Nr. 45 S. 152 ff.; BSGE 62, 32, 35; 42, 184, 187). Bei der Beurteilung der groben Fahrlässigkeit ist nicht von einem objektiven, sondern von einem subjektiven
Fahrlässigkeitsmaßstab auszugehen (BSG, Urteil vom 9. Februar 2006 - B 7a AL 58/05 R, m.w.N.). Die Behörde muss den Verwaltungsakt innerhalb eines Jahres seit Kenntnis
der Tatsachen, die die Zurücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes rechtfertigen, zurücknehmen (§ 45 Abs. 4 S. 2 SGB X).
Der Bescheid vom 28.10.2014, mit dem die Bestattungskosten des Verstorbenen überwiegend übernommen wurden, war ein begünstigender
Verwaltungsakt, der von Anfang an rechtswidrig war. Die Klägerin hatte bei „Erlass“ des Bescheides kein Anspruch aus der hier
allein maßgeblichen Regelung des § 74 SGB XII auf Übernahme der Beerdigungskosten. „Erlassen“ ist ein Verwaltungsakt i.S.d. § 31 SGB X dabei in dem Zeitpunkt, in dem er dem Adressaten bekanntgegeben wird, da er erst dann Wirksamkeit erlangt (BSG vom 16.12.2008 - B 4 AS 48/07 R - juris Rn. 15; Pattar in: jurisPK-SGB X, § 37 Rn. 62; Schneider-Danwitz in: jurisPK-SGB X, § 39 Rn. 26, 34). Entscheidend für die Anwendbarkeit des § 45 SGB X ist dementsprechend nicht der Zeitpunkt der Erstellung, sondern der Zeitpunkt der Bekanntgabe (§§ 37, 39 SGB X) des Verwaltungsakts (BSG, Urteil vom 01.06.2006 - B 7a AL 76/05 R - juris Rn. 13; BSGE 61, 189; BSG, Urteil vom 24.04.1997 - 13 RJ 23/96; Pattar in: jurisPK-SGB X, § 37 Rn. 64; zur Abgrenzung § 45 SGB X zu § 48 SGB X, vgl. BSG, SozR 1300 § 45 Nr. 29; SozR 3-1300 § 48 Nr. 33; BSG, Urteil vom 11.04.2002 - B 3 P 8/01 R).
Der Bescheid vom 28.10.2014 wurde ausweislich der Ausführungen der Klägerin in ihren Widerspruchsschreiben vom 08.12.2014
am 11.11.2014 zugestellt, so dass er erst zu diesem Zustellungszeitpunkt bekannt gegeben und damit wirksam geworden ist. Kenntnis
von der konkret bevorstehenden Zahlung von 5.729,11 EUR hatte die Klägerin nach ihren eignen Angaben bereits „Anfang Oktober“
2014 (vgl. Schriftsatz vom 25.07.2017). Die Auszahlung erfolgte „Ende Oktober“ 2014 auf ihr Konto (vgl. Schriftsatz vom 29.06.2015).
Damit wusste sie noch vor Zustellung und damit vor Wirksamwerden des Bescheides vom 28.10.2014, dass aufgrund des Zuflusses
von 5.729,11 EUR ihre im Antrag vom 09.09.2014 auf Übernahme der Bestattungskosten gemachten Angaben über ihre Einkommens-
und Vermögensverhältnisse nicht mehr zutreffend waren, was sie dem Beklagten hätte mitteilen müssen (hierzu im Einzelnen noch
später).
Die Klägerin kann sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen. Nach § 45 Abs. 1, 2 Satz 1 und 2 SGB X darf der Verwaltungsakt dann nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut
hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist
in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat,
die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Dass die Klägerin das Geld verbraucht hat
(§ 45 Abs. 2 S. 2 SGB X), wurde weder vorgetragen, noch sind dafür Anhaltspunkte ersichtlich. Auch ansonsten liegen keine Umstände vor, die einen
Vertrauensschutz begründen könnten. Die Klägerin könnte sich hierauf auch nicht berufen, da zur Überzeugung des Senats feststeht,
dass vorliegend die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB X gegeben sind, da der ursprüngliche Bewilligungsbescheid vom 28.10.2014 auf Angaben beruht, die die Klägerin als Begünstigte
zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Dabei ist der Tatbestand des
§ 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB X auch dann erfüllt, wenn der Betroffene - wie hier die Klägerin - Umstände verschwiegen hat, so dass „Angaben“ auch dann „falsch
gemacht“ i.S.d. § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB X sind, wenn ohne weitere Überlegungen klar sein musste, dass er den betreffenden Umstand hätte mitteilen müssen (LSG Hessen,
Urteil vom 17.01.2012 - L 2 R 524/10 - juris Rn. 48; Padé in: jurisPK-SGB X, § 45 SGB X Rn. 84; Schütze in: von Wulffen/Schütze, SGB X, § 45 SGB X Rn. 49). Zwar ist, sofern eine Leistung auf Antrag gewährt wird, auf den Antrag abzustellen. Es genügt allerdings auch, dass
zwischen Antragstellung und Erlass des Bescheids eine Änderung eintritt und der Leistungsempfänger entgegen einer entsprechenden
Pflicht diese Änderung nicht mitteilt (BSG v. 01.06.2006 - B 7a AL 76/05 R) und der Begünstigte eine Pflicht zur Mitteilung der betreffenden Tatsache z.B. nach § 60 Erstes Buch Sozialgesetzbuch ( SGB I) hatte (BSG, Urteil vom 09.04.1987 - 5b RJ 36/86; BSG, Urteil vom 01.06.2006 - B 7a AL 76/05 R; BSG, Urteil vom 09.10.2012 - B 5 R 8/12 R; Padé in: jurisPK-SGB X, § 45 SGB X Rn. 84).
Eine solche Mitteilungspflicht bestand hier für die Klägerin. So wurde sie bereits im Antrag vom 09.09.2014 auf Übernahme
der Bestattungskosten ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie „als Antragsteller von Sozialleistungen nach § 60 SGB I die Verpflichtung habe, alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind“ und dass gemäß § 66 SGB I auf Grund unrichtiger bzw. unvollständiger Angaben die Sozialhilfe ganz oder teilweise versagt oder entzogen werden könne
und dass zu Unrecht bezogene Leistungen zurückzuzahlen seien. Zudem hat die Klägerin erklärt, dass sie nur das im Antrag aufgeführte
Einkommen und Vermögen besitze. Auch wurde sie während des laufenden Verwaltungsverfahrens um Mitteilung gebeten, ob sie von
dem ehemaligen Arbeitgeber des Verstorbenen, der Firma ..., Zuwendungen, insbesondere aus der Sterbegeldkasse, zu beanspruchen
oder erhalten hat. In ihrem Schriftsatz vom 29.06.2015 (auf Seite 5) hat die Klägerin zwar geltend macht, sie habe dem Beklagten
„unverzüglich nach Erhalt des Geldes Mitteilung“ gemacht und eine Bescheinigung der Firma ... vom 17.10.2014 vorgelegt. Jedoch
ergibt sich aus dieser Bescheinigung nicht, dass sie Geld zu erwarten hatte oder gar 5.729,11 EUR erhalten hat, sondern lediglich,
dass der Verstorbene kein Mitglied in der ...-Notgemeinschaft gewesen war und somit gerade keine Auszahlung der Sterbekasse
an Hinterbliebene geleistet wurde. Aus der Verwaltungsakte ist dabei ersichtlich, dass die Klägerin mit Vorlage dieser Bescheinigung
dem Beklagten gegenüber vielmehr nachweisen wollte, dass sie von der Firma ... keinerlei Zahlung „aus der Sterbegeldkasse“
zu erwarten oder erhalten hatte (vgl. E-Mail der Klägerin vom 19.10.2014). Die avisierte Auszahlung „Unterstützung im Sterbefall
von 2 Monatsentgelten“, i.H.v. 6.326,80 EUR brutto hat sie dabei nicht erwähnt und, wie sich aus den Verwaltungsakten ergibt,
dem Beklagten auch später keinerlei Mitteilung über den Erhalt des Nettobetrages von 5.729,11 EUR gemacht. Den „Lohnzettel“
vom 01.09.2014, den sie als Anlage der Klageschrift beigefügt hat, hat nach den vorliegenden Verwaltungsakten nicht die Klägerin,
sondern die Firma ... mit ihrer E-Mail vom 17.12.2014 vorgelegt. Der Beklagte hat erst durch Hinweis der Nachlassverwalterin
weitere Ermittlungen aufgenommen, um zu erfahren, wann und in welche Höhe Zahlungen geleistet wurden. Hierbei ging er, wie
sich aus dessen Schreiben vom 28.10.2014 an das Nachlassgericht ergibt, davon aus, dass ein gezahlter oder zu zahlender Betrag
der Fa. ... an den Nachlass und nicht an die Klägerin persönlich geleistet wird. Aus einem beim Beklagten am 28.10.2014 eingegangenen
Schreiben der Firma ... vom 24.10.2014 ergab sich dabei, dass eine Auszahlung i.H.v. 6.326,80 EUR brutto erfolgen werde, wobei
sich erst nach Rücksprache am 29.10.2014 ergab, dass diese auf das Konto der Klägerin erfolgen sollte (vgl. Vermerk vom 29.10.2014).
Schließlich hat die Firma ... dem Beklagten mit E-Mail vom 13.01.2015 mitgeteilt, dass dieser Betrag an die Klägerin ausgezahlt
wurde und „keinen Nachlass“ darstelle. In der Folge hat der Beklagte den Netto-Auszahlungsbetrag ermittelt, was zum Aufhebungs-
und Rückforderungsbescheid vom 05.03.2015 geführt hat. Insgesamt musste die Klägerin dabei ohne weiteres erkennen, dass der
Anspruch auf Übernahme der Bestattungskosten von ihrem Einkommen oder Vermögen abhängen kann, so dass sie, als sie bereits
„Anfang Oktober“ 2014 von der bevorstehenden Auszahlung an sie Kenntnis erlangte, dies und auch den Erhalt der 5.729,11 EUR
„Ende Oktober 2014“ der Beklagten unverzüglich hätte mitteilen müssen. Der Klägerin hätte unter Berücksichtigung ihrer individuellen
Einsichts- und Urteilsfähigkeit (vgl. Hierzu Schütze in: von Wulffen/Schütze, SGB X, § 45, Rn. 56 ff., m.w.N.) anhand der gegebenen Umstände und den ganz naheliegenden Überlegungen auch einleuchten und sich aufdrängen
müssen, dass sie diese Angaben unverzüglich, spätestens nach Erhalt des Geldes, hätte machen müssen. Indem sie das nicht getan
hat, hat sie die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt und zumindest grob fahrlässig in wesentlicher
Beziehung unrichtig oder unvollständig unrichtige Angaben i.S.d. § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2, 1. und 2. HS SGB X gemacht. Anhaltspunkte dafür, dass bei der Klägerin subjektiv „bösgläubiges Verhalten“ auszuschließen ist, ergeben sich weder
nach der Aktenlage, noch aus dem persönlichen Eindruck von der Klägerin. Der Senat ist nach persönlicher Anhörung in der mündlichen
Verhandlung vom 26.04.2018 vielmehr davon überzeugt, dass die Klägerin aufgrund ihrer intellektuellen Fähigkeiten in der Lage
gewesen ist, die entsprechenden Hinweise auf Angabe der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse im Antrag auf Leistungsgewährung,
die eindeutig und leicht verständlich waren, zu verstehen, danach zu handeln und dementsprechend alle - auch nach Antragstellung
und vor Erlass des Bewilligungsbescheides erhaltenen - Geldzuflüsse anzugeben. Dass sich der Klägerin dabei der Einsatz des
von der Fa. ... erhaltenen Betrages für die Beerdigungskosten aufgedrängt hatte, ergibt sich auch aus ihren Ausführungen in
der mündlichen Verhandlung vom 26.04.2018. So hat sie bei der Fa. ..., nicht aber beim Beklagten, dem sie von dem erhaltenen
Betrag keine Mitteilung gemacht hat, sogar nachgefragt, ob sie das Geld für die Beerdigung einsetzen müsse. Dass es ihr dabei
- wie sie ausführte - „nicht in den Sinn“ kam, gerade bei dem Beklagten nachzufragen, ist wenig plausibel und für den Senat
weder nachvollziehbar noch glaubhaft. Vielmehr hätte sich ihr aufgrund ganz naheliegender Überlegungen einleuchten und sich
aufdrängen müssen, dass sie den Beklagten unverzüglich, spätestens nach Erhalt des Geldes, hätte hiervon unterrichten müssen.
Indem sie das nicht getan hat, hat sie die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt und durch dieses Unterlassen
zumindest grob fahrlässig i.S.d. § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2, 1. und 2. HS SGB X gehandelt.
Die fehlenden Angaben der Klägerin waren für den Erlass des Bewilligungsbescheides vom 28.10.2014 auch ursächlich, da der
Bescheid vom 28.10.2014 bei Berücksichtigung des Betrages von 5.729,11 EUR - wie das SG und auch der Beklagte im Widerspruchsbescheid ausgeführt haben - nicht so erlassen worden wäre (vgl. hierzu Padé in: jurisPK-SGB X, § 45 SGB X Rn. 85). Wie bereits das SG zu Recht ausgeführt hat, kommt im Rahmen der Prüfung der Zumutbarkeit i.S.d. § 74 SGB XII zunächst den wirtschaftlichen Verhältnissen des Verpflichteten entscheidende Bedeutung zu (vgl. auch BSG, Urteil vom 29.09.2009 - B 8 SO 23/08 R - juris Rn. 17; Greiser/Eicher in: jurisPK-SGB XII, § 74 Rn. 61, m.w.N.). Zwar war die Klägerin nach den Ausführungen in dem Bescheid vom 28.10.2014 - bis auf einen geringen Eigenanteil
- nicht in der Lage, die Bestattungskosten zu tragen. Diese Ausführungen wurden aber ohne Berücksichtigung der 5.729,11 EUR
getroffen, die die Klägerin noch vor Erlass des Bescheides vom 28.10.2014 erhalten, jedoch dem Beklagten nicht mitgeteilt
hat. Dieser Betrag hätte auch - entgegen der Ansicht der Klägerin - unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des § 74 SGB XII für die Beerdigungskosten verwendet werden müssen (vgl. hierzu BSG v. 25.08.2011 - B 8 SO 20/10 R; Greiser/Eicher in: jurisPK-SGB XII, § 74 Rn. 63).
Soweit die Klägerin geltend gemacht hat, dass der Betrag von 5.729,11 EUR zumindest auf mehrere Monate hätte verteilt werden
müssen, so dass eine (volle) Anrechnung nicht erfolgt wäre, wird diesem Vortrag unter Berücksichtigung der Rechtsansicht des
BSG nicht gefolgt. Das BSG hat insoweit in der mündlichen Verhandlung vom 28.02.2013 in der Streitsache B 8 SO 19/11 R Ausführungen zur Berücksichtigung
einmaliger Einnahmen gemacht. Danach gilt die Regelung in § 3 Abs. 3 Satz 2 der Durchführungsverordnung zu § 82 SGB XII (DV § 82 SGB XII), wonach Einnahmen grundsätzlich auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen sind, nicht im Rahmen der Beurteilung der Zumutbarkeit
der Tragung der Bestattungskosten nach § 74 SGB XII. Liegt in den Monaten, in denen die Rechnungen des Bestattungsunternehmens jeweils fällig werden, eine einmalige Einnahme
vor, so ist diese - wie hier - vollständig auf den Bedarf anzurechnen, ohne dass eine Aufteilung zu erfolgen hat (vgl. Greiser/Eicher
in: jurisPK-SGB XII, § 74 Rn. 67, unter Verweis auf den Terminsbericht zum Termin vom 28.02.2013 - B 8 SO 19/11 R).
Neben den wirtschaftlichen Voraussetzungen können bei § 74 SGB XII auch weitere Gesichtspunkte im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung bedeutend sein (vgl. BSG, Urteil vom 29.09.2009 - B 8 SO 23/08 R - juris Rn. 16; Greiser/Eicher in: jurisPK-SGB XII, § 74 Rn. 78, m.w.N.). So können zwar zerrüttete Verwandtschaftsverhältnisse höhere Anforderungen an die Zumutbarkeit i.S.d. §
74 SGB XII begründen (vgl. BSG, Urteil vom 29.9.2009 - B 8 SO 23/08 R; LSG Hamburg, Urteil vom 20.11.2014 - L 4 SO 22/12 - juris Rn. 27; Greiser/Eicher
in: jurisPK-SGB XII, § 74 Rn. 79, m.w.N.). Jedoch kommt eine Unzumutbarkeit allein aufgrund der näheren Umstände der persönlichen Beziehung zwischen
Pflichtigem und Verstorbenem, d.h. unabhängig von den finanziellen Verhältnissen des Pflichtigen, nur dann in Betracht, wenn
diese Umstände so schwer wiegen, dass die rechtliche Nähebeziehung dahinter vollständig zurücktritt. Dafür reicht es nicht
aus, dass - wie hier - Ehepartner getrennt leben und wie bei einem Scheidungsverfahren, welches hier nach den Angaben der
Klägerin noch nicht anhängig war, eine „Zerrüttung der Ehe“ vorliegt. Ansonsten wäre einem getrennt lebender Ehegatten generell
eine Tragung der Bestattungskosten des verstorbenen Ehepartners nicht zumutbar i.S.d. § 74 SGB XII. Eine Unzumutbarkeit der Kostentragung setzt daher voraus, dass weitere gravierende Umstände hinzutreten. Eine derartige
Konstellation ist in der Rechtsprechung, der der erkennende Senat folgt, z.B. für den Fall angenommen worden, dass eine Frau
von ihrem Ehemann vor dessen Tod in so brutaler Weise misshandelt worden war, dass sie lebensgefährliche Verletzungen erlitt
(OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 10.1.2005 - 12 A 11605/04 zu § 15 BSHG); ebenso im Falle sexuellen Missbrauchs des Verpflichteten durch den Verstorbenen (vgl. hierzu LSG Hamburg, Urteil vom 20.11.2014
- L 4 SO 22/12 - juris Rn. 27; Greiser/Eicher in: jurisPK-SGB XII, § 74 Rn. 79, m.w.N.). Ein solches oder ähnliches schweres vorwerfbares Fehlverhalten des Verstorbenen gegenüber der Klägerin ist
jedoch weder vorgetragen noch ersichtlich.
Der Aufhebungsbescheid vom 05.03.2015 ist innerhalb der Jahresfrist des § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X und auch nicht ermessensfehlerhaft ergangen. Anhaltspunkte dafür, dass das in § 45 Abs. 1 SGB X eingeräumte Ermessen nicht in rechtsfehlerfreier Weise ausgeübt wurde, sind nicht ersichtlich. Ein grober Verwaltungsfehler
der Beklagten, auf dem die Überzahlung beruht (vgl. von Wulffen, SGB X, § 45 Rn. 90 f, m.w.N.), ist nicht erkennbar. Da die Kläger die Bestattungskosten vollständig mit dem vom ehemaligen Arbeitgeber
des Verstorbenen Ende Oktober 2014 erhaltenen Betrages von 5.729,11 EUR hätte decken können und auch sonst keine Umstände
ersichtlich sind, die zu einer Unzumutbarkeit der Tragung der Bestattungskosten des Verstorbenen i.S.d. § 74 SGB XII führen, war der ursprünglich Bewilligungsbescheid vom 28.10.2014 rechtswidrig. Die Voraussetzungen der §§ 45 Abs. 1, 2; 50 SGB X zur Aufhebung dieses Bescheides und zur Geltendmachung der Erstattung der gewährten Bestattungskosten lagen vor, so dass
es – wie bereits das SG ausgeführt – nicht mehr darauf ankam, ob der berücksichtigte Eigenanteil der Klägerin fehlerhaft berechnet war.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen fehlen (§ 160 Abs. 2 SGG).
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