Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob die Beigeladene zu 1. Nachtbereitschaftsdienste im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses
erbracht hat.
Die Klägerin betreibt Heime für Menschen mit geistiger Behinderung, Frühförder- und Beratungsstellen sowie ambulantes betreutes
Wohnen.
Die Beklagte führte in der Zeit vom 22. April bis zum 25. Juni 2009 eine Betriebsprüfung bei der Klägerin bezogen auf den
Prüfzeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Dezember 2008 durch und teilte der Klägerin mit Bescheid vom 30. Juni 2009 mit,
dass die Feststellung der Versicherungspflicht der Nachtbereitschaft der Beigeladenen zu 1. eine weitere Prüfung erfordere.
Ausweislich der vorgelegten Unterlagen habe die Beigeladene zu 1. im Zeitraum von "Juli" 2006 bis August 2007 für Nachtbereitschaften
monatliche Beträge zwischen 762,00 EUR und 1350,00 EUR erhalten. Nach entsprechender Aufforderung durch die Beklagte füllte
die Beigeladene zu 1. den formularmäßigen Fragebogen zur sozialversicherungsrechtlichen Feststellung unter dem 1. März 2010
aus und gab zur Tätigkeit im Zeitraum von Juni 2006 bis August 2007 an, als Tätigkeit die "Betreuung von behinderten Menschen"
für die Klägerin als Auftraggeber verrichtet zu haben. Während der Nacht sei sie Ansprechpartner in einer Wohnstätte für behinderte
Menschen für die Bewohner gewesen. Sie habe keinen Arbeitnehmer/Auszubildenden mit einem monatlichen Arbeitsentgelt von mehr
als 400,00 EUR im vorgenannten Zeitraum beschäftigt. Ihre Tätigkeit habe sie am Betriebssitz der Auftraggeberin verrichtet.
Regelmäßige Arbeits- oder Anwesenheitszeiten habe sie nicht einzuhalten gehabt. Ihr seien keine Weisungen hinsichtlich der
Ausführung (Art und Weise) ihrer Tätigkeit erteilt worden. Ihr Auftraggeber habe ihr Einsatzgebiet nicht ohne ihre Zustimmung
verändern können. Einzelne Aufträge habe sie jederzeit ablehnen können. Für die Tätigkeit habe sie ihr Auto als eigenes Kapital
einsetzen müssen. Preise seien von ihr vorgegeben und so akzeptiert worden. Die Beigeladene zu 1. hat zudem den zwischen ihr
und der Klägerin abgeschlossenen "Vertrag über eine freie Mitarbeit" vom 30. Mai 2006 vorgelegt:
"Vertrag über eine freie Mitarbeit
Zwischen
L. A. gGmbH
vertreten durch den Geschäftsführer
D. Allee ..., W.
- nachfolgend: Auftraggeberin -
und
S. J., K-weg ..., D.
- nachfolgend: freie Mitarbeiterin -
wird folgender Vertrag geschlossen:
§ 1
Vertragsgegenstand
(1) Die Auftraggeberin beauftragt die freie Mitarbeiterin, folgende Vertragstätigkeit auszuführen:
Betreuungsdienstleistungen innerhalb von der Auftraggeberin betriebenen vollstationären und ambulanten Pflege-, Förder- und
Betreuungseinrichtungen der Behindertenhilfe oder anderen vergleichbaren Einrichtungen (- nachfolgend: Betreuungseinrichtungen
-) gemäß Anlage, die Bestandteil dieses Vertrages ist.
(2) Die erteilten Aufträge führt die freie Mitarbeiterin in eigener Verantwortung aus. Dabei hat sie zugleich die Interessen
der Auftraggeberin zu berücksichtigen. Die freie Mitarbeiterin unterliegt keinem Weisungs- und Direktionsrecht seitens der
Auftraggeberin. Sie hat jedoch fachliche Vorgaben der Auftraggeberin soweit zu beachten, als dies die ordnungsgemäße Vertragsdurchführung
erfordert.
§ 2
Vertragsbeginn und Vertragsbeendigung
(1) Das Vertragsverhältnis beginnt am 1. Juni 2006 und endet am 31. Mai 2007.
(2) Eine Kündigung ist jederzeit mit einer Frist von vier Wochen zum Monatsende möglich. Die Kündigung muss schriftlich erfolgen.
§ 3
Keine Höchstpersönlichkeit
Die freie Mitarbeiterin ist nicht verpflichtet, jeden Auftrag höchstpersönlich auszuführen. Sie kann sich hierzu in Abstimmung
mit der Auftraggeberin auch der Hilfe von Erfüllungsgehilfen bedienen, soweit sie deren fachliche Qualifikation sichergestellt
hat und soweit der jeweilige Auftrag dies gestattet.
§ 4
Ablehnungsrecht der Auftragnehmerin
Die freie Mitarbeiter/in hat das Recht, einzelne Aufträge ohne Angabe von Gründen abzulehnen.
§ 5
Verhältnis der Auftragnehmerin zu Dritten
Die freie Mitarbeiterin hat das Recht, auch für dritte Auftraggeber tätig zu werden. Einer vorherigen Zustimmung der Auftraggeberin
bedarf es hierfür nicht.
§ 6
Tätigkeitsort
Tätigkeitsort ist jeweils die in der Anlage näher bestimmte Betreuungseinrichtung. Sofern nach der Eigenart der übernommenen
Tätigkeit erforderlich, erhält die freie Mitarbeiterin die Möglichkeit, die Einrichtungen der Betreuungseinrichtung in angemessenem
Umfang zu benutzen. Die Auftraggeberin ist der freien Mitarbeiterin während der vereinbarten Dienstzeiten insoweit weisungsbefugt,
wie dies zur sachgerechten Erfüllung dieses Vertrages notwendig ist.
§ 7
Vergütung
(1) Die freie Mitarbeiterin erhält für ihre nach § 1 des Vertrages erbrachte Tätigkeit ein Stundenhonorar in Höhe von 12,-
EUR. Dieser Betrag enthält die ggf. anfallende gesetzliche Mehrwertsteuer.
(2) Die freie Mitarbeiterin legt der Auftraggeberin nach Durchführung des einzelnen Auftrages innerhalb einer Frist von 4
Wochen, im Übrigen monatlich eine Rechnung. Die Rechnung wird zwei Wochen nach ihrem Eingang bei der Auftraggeberin ohne Abzug
zur Zahlung fällig. Nach sechs Wochen Zahlungsverzug ist der Auftragnehmer berechtigt, den offenen Rechnungsbetrag auf dem
Rechtsweg einzufordern, sowie die daraus entstehenden finanziellen Schäden in Rechnung zu stellen.
§ 8
Kosten und Aufwendungen der Auftragnehmerin
(1) Soweit die freie Mitarbeiterin die vereinbarten Tätigkeiten in den Räumen der Auftraggeberin erbringt, trägt letztere
auch die insoweit anfallenden Kosten.
(2) Die freie Mitarbeiterin versichert sich selbst. Die entstehenden Kosten kann sie der Auftraggeberin nicht in Rechnung
stellen.
§ 9
Geheimhaltung
(1) Die freie Mitarbeiterin wird alle ihr aus der Zusammenarbeit bekannt gewordenen Informationen vertraulich behandeln, soweit
es sich nicht um lediglich offenkundige Tatsachen oder Umstände handelt. Dies gilt auch nach Erbringung der Leistung.
(2) Die freie Mitarbeiterin verpflichtet sich, über ihr bekannt gewordene Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse sowie personenbezogene
Daten von Beschäftigten der Auftraggeberin selbst und den in ihrer Obhut befindlichen Personen auch über die Vertragslaufzeit
hinaus Stillschweigen zu bewahren.
§ 10
Herausgabe von Unterlagen/Auskunftserteilung
Sämtliche Unterlagen und Materialien, die der freien Mitarbeiterin im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit übergeben werden, sind
nach Beendigung des Vertrages unverzüglich zurückzugeben. Der freien Mitarbeiterin steht hieran kein Zurückbehaltungsrecht
zu. Die freie Mitarbeiterin ist ferner verpflichtet, der Auftraggeberin über alle Einzelheiten der Auftragserfüllung auf Verlangen
unverzüglich Auskunft zu erteilen.
§ 11
Sorgfalt und Haftung des Auftragnehmers
(1) Die freie Mitarbeiterin verpflichtet sich, die ihr übertragenen Aufgaben sachgerecht und nach bestem Wissen und Gewissen
auszuführen.
(2) Die freie Mitarbeiterin haftet der Auftraggeberin gegenüber für von ihr schuldhaft verursachte Schäden.
(3) Die Auftraggeberin haftet der freien Mitarbeiterin für alle ihr aus der vertraglich vereinbarten Tätigkeit oder im Zusammenhang
damit entstehenden Schäden, die der freien Mitarbeiterin durch die Auftraggeberin selbst direkt oder indirekt durch die Betreuungseinrichtung,
ihrer Mitarbeiter oder den in ihrer Obhut befindlichen Personen, entstehen.
§ 12
Weitere Bestimmungen
Nebenabreden zu diesem Vertrag bestehen nicht. Änderungen und/oder Ergänzungen bedürfen der Schriftform. Dies gilt auch für
einen Verzicht auf das Schriftformerfordernis.
Sollten einzelne Bestimmungen dieses Vertrages unwirksam sein oder werden, dann wird dadurch die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen
nicht berührt.
§ 14
Anwendbares Recht
Auf dieses Vertragsverhältnis sowie auf Ansprüche, die aus diesem Vertragsverhältnis erwachsen, ist ausschließlich deutsches
Recht anzuwenden.
Wolfen, 30. Mai 2006 Dessau, 30. Mai 2006
Ort/Datum/Auftraggeberin/Unterschrift Ort/Datum/Freie Mitarbeiterin/Unterschrift
Anlage zum Vertrag über eine freie Mitarbeit zwischen S. J. und L. A. gGmbH vom 30. Mai 2006
Zu § 1 Abs. 1 und § 6:
Die Vertragstätigkeit besteht bis auf Weiteres in der Durchführung der Nachtbereitschaft in der Betreuungseinrichtung der
Auftraggeberin am Standort A. S ..., Z. nach Dienstplan mit einer Mindestdienstzeit von 60 Stunden pro Monat."
Unter dem 20. April 2010 hörte die Beklagte sowohl die Beigeladene zu 1. als auch die Klägerin dazu an, dass nach ihren Feststellungen
die Beigeladene zu 1. vom 1. Juni 2006 bis zum 31. August 2007 bei der Klägerin in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis
gestanden habe. Sie forderte für den Zeitraum vom 1. Juni 2006 bis zum 31. August 2007 Beiträge in Höhe von 6188,51 EUR nach.
Nach dem eingereichten Vertrag einschließlich der Anlage zum Vertrag sei die Beigeladene zu 1. als Nachtbereitschaft nach
Dienstplan mit einer Dienstzeit von mindestens 60 Stunden im Monat in einer Betreuungseinrichtung der Klägerin eingesetzt
worden. Damit liege Weisungsgebundenheit bezüglich Arbeitszeit, Arbeitsort und Art und Weise der Durchführung vor. Die Arbeitsleistung
werde in den Räumen der Klägerin erbracht; damit liege eine Eingliederung in den Betrieb vor. Ein unternehmerisches Risiko
habe in der zu beurteilenden Tätigkeit nicht vorgelegen. Insoweit habe die Beigeladene zu 1. in einem persönlichen und wirtschaftlichen
Abhängigkeitsverhältnis zur Klägerin gestanden.
Am 6. Mai 2010 wandte die Klägerin ein, die Beigeladene zu 1. habe die Tätigkeit bei ihr als Selbstständige verrichtet, denn
diese habe für mindestens einen weiteren Auftraggeber die Betreuung von Kindern übernommen. Zum Nachweis hat sie die Fotokopie
einer Visitenkarte der Beigeladenen zu 1. als "Tagesmutti" vorgelegt; wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 33 der Verwaltungsakte
Bezug genommen. Die Beigeladene zu 1. habe ihre Tätigkeit ohne Weisungsgebundenheit verrichtet. Sie habe in den entsprechenden
Einsatzzeiten sich im Fall etwaiger Notsituationen eines Bewohners um dessen Belange kümmern müssen. Hierbei sei sie allein
auf sich und ihre vorhandenen Fachkenntnisse angewiesen gewesen. Weder die Leiterin noch ein Dritter sei anwesend gewesen,
um ihr Anweisungen zu erteilen. Sie habe einzelne Aufträge ohne die Angabe von Gründen ablehnen können. Dies könne ein abhängig
Beschäftigter nicht, da dieser bei der Ablehnung einer ihm zugewiesenen Aufgabe die fristlose Kündigung riskiere. Die Beigeladene
zu 1. habe die Erbringung ihrer Leistungen nicht persönlich geschuldet, sondern sei befugt gewesen, sich eines Erfüllungsgehilfen
zu bedienen. Sie habe Rechnungen gelegt, mit denen sie ihre tatsächlich geleisteten Stunden zum vereinbarten Stundensatz abgerechnet
habe. Die Beigeladene zu 1. sei jeweils zu unterschiedlichen Zeiten tätig gewesen. Sowohl die Verpflichtung, auf Abruf tätig
zu werden, als auch die notwendige Flexibilität, jeweils nach dem erforderlichen Stundenumfang zur Verfügung zu stehen, seien
Kennzeichen für eine selbstständige Tätigkeit. Das unternehmerische Risiko habe darin bestanden, dass sich die Beigeladene
zu 1. entsprechende Aufträge habe beschaffen müssen und hinsichtlich der eigenverantwortlichen Erfüllung ihrer Aufgaben in
einem potentiellen Haftungsverhältnis zur Klägerin gestanden habe. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird auf
Blatt 26, 27, 31 bis 33 der Verwaltungsakte Bezug genommen.
Mit Bescheid vom 9. November 2010 stellte die Beklagte fest, dass für die Beigeladene zu 1. vom 1. Juni 2006 bis zum 31. August
2007 ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis mit der Klägerin bestanden habe und forderte hierfür Beiträge
in Höhe von 7938,01 EUR nach; hierin seien Säumniszuschläge in Höhe von 1749,50 EUR enthalten. Die Beigeladene zu 1. sei mit
ihrer Beschäftigung in die Organisation und in die Struktur der Klägerin eingegliedert gewesen. Dem stehe nicht entgegen,
dass die Tätigkeit nicht im Einzelnen angewiesen worden sei. Es könne vielmehr erwartet werden, dass mit der Übertragung einer
Aufgabe der Betreffende entsprechend befähigt sei und ohne Anweisung im Einzelnen seine Aufgabe erfüllen könne. Hier habe
es sich um eine Art Rahmenvertrag gehandelt, so dass nicht die einzelnen Tage, sondern die Stundenzahl pro Monat vereinbart
worden sei. Die Möglichkeit, dass Einsätze jeweils vereinbart und auch abgelehnt werden könnten, stehe der Weisungsgebundenheit
hinsichtlich der Zeit nicht entgegen. Ein unternehmerisches Risiko habe nicht vorgelegen, da die Beigeladene für ihre Betreuung
regelmäßig eine feste Vergütung erhalten habe. Die Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 1. bestehe in Bezug auf die Rentenversicherung,
die Arbeitslosenversicherung sowie die Kranken- und Pflegeversicherung. Säumniszuschläge seien zu berechnen, da die Beiträge
bereits zum Zeitpunkt ihrer Entstehung fällig gewesen seien und eine unverschuldete Unkenntnis nicht zu erkennen sei. Wegen
der Einzelheiten und der Berechnung der Höhe der Beiträge wird auf Blatt 34 bis 39 der Verwaltungsakte Bezug genommen.
Ebenfalls unter dem 9. November 2010 stellte die Beklagte gegenüber der Beigeladenen zu 1. fest, dass diese für die Klägerin
als Betreuerin im Zeitraum von Juni 2006 bis August 2007 im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses gegen Arbeitsentgelt
gearbeitet habe.
Am 2. Dezember 2010 legte (nur) die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 9. November 2010 ein. Zur Begründung wiederholte
sie zum einen ihr Vorbringen aus dem Anhörungsverfahren. Zum anderen vertiefte sie ihr Vorbringen dahingehend, dass die Aufgabe
der Beigeladenen zu 1. sich auf Hilfeleistung in Notsituationen beschränkt habe. Die Beigeladene zu 1. sei dann "gehalten"
gewesen, die Leiterin des Wohnheims oder den Geschäftsführer telefonisch zu kontaktieren, um die Notsituation anzuzeigen.
Alle weiteren Schritte zur Abwendung der Notsituation hätten dann von dort in die Wege geleitet werden müssen. Soweit die
Notsituation in einer gesundheitlichen Beeinträchtigung eines Bewohners des Wohnheimes gelegen hätte, wäre die Beigeladene
zu 1. "gehalten gewesen", neben der Leiterin des Wohnheimes bzw. dem Geschäftsführer den zuständigen Rettungsdienst zu benachrichtigen.
Die Arbeit der Beigeladenen zu 1. habe sich in einer Kontrolltätigkeit erschöpft. Hierfür sei keine besondere Qualifikation
erforderlich gewesen; die Tätigkeit in der Nachtbereitschaft habe auch durch Hilfskräfte ausgeführt werden können. Tatsächlich
habe die Beigeladene zu 1. eine "unstetige" Tätigkeit, verteilt auf die verschiedensten Kalendertage, in der Regel mit einer
wöchentlichen Arbeitszeit von 5,5 Stunden, verrichtet. Die Einsatztätigkeit sei vorab monatlich zwischen der Beigeladenen
zu 1. und der Leiterin des Wohnheims verhandelt worden. Insoweit sei die Beigeladene zu 1. berechtigt gewesen, auf den Umfang
der Arbeitszeit und die Lage der Arbeitstage Einfluss zu nehmen. Die Beigeladene zu 1. habe das Risiko ihrer selbstständigen
Tätigkeit getragen, da sie nur für die tatsächlich erbrachten Stunden vergütet worden sei, bei Erkrankung keine Entgeltfortzahlung
erhalten habe und bei Schlechterfüllung der Zahlungsanspruch entfallen wäre. Die Beigeladene zu 1. habe zudem über eine eigene
Betriebsstätte verfügt. Im streitigen Zeitraum habe sie tagsüber als "Tagesmutti" Kinder betreut.
Unter den 20. Januar 2012 listete die Beklagte der Klägerin im Einzelnen auf, von welchen monatlichen Entgelten der Beigeladenen
zu 1. sie bei Bescheiderteilung ausgegangen sei. Zudem holte sie die Auskunft der Beigeladenen zu 2. vom 16. April 2012 ein,
wonach die Beigeladene zu 1. in der Zeit vom 1. August 2005 bis zum 31. Januar 2008 als hauptberuflich Selbstständige bei
ihr versichert gewesen sei. Aufgrund der ganztägigen Betreuung von Kindern an mehreren Wochentagen habe die wöchentliche Arbeitszeit
weit mehr als 20 Stunden betragen, so dass festzustellen sei, dass die Beigeladene zu 1. auch im hier maßgebenden Zeitraum
vom 1. Juni 2006 zum 31. August 2007 hauptberuflich selbstständig Erwerbstätige in der Kranken- und Pflegeversicherung gewesen
sei. Denn die Tätigkeit bei der Klägerin sei nur im Umfang von 5,5 bis 6,5 Stunden und zudem häufig am Wochenende erbracht
worden. Daraufhin reduzierte die Klägerin mit den Teilabhilfebescheiden vom 21. Mai und vom 22. Juni 2012 ihre Forderung um
die Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung und die daraus resultierenden Säumniszuschläge auf eine Gesamtnachforderung
in Höhe von 4761,03 EUR, wobei darin nunmehr noch Säumniszuschläge in Höhe von 1053,50 EUR enthalten seien. Im Übrigen wies
die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 30. August 2012 als unbegründet zurück. Zur Begründung
wies sie ergänzend darauf hin, dass die Klägerin selbst in der Widerspruchsbegründung angegeben habe, die Beigeladene zu 1.
habe Kontrolltätigkeiten verrichten müssen, wobei ihr vorgegeben worden sei, im Fall einer Notsituation die Leiterin der Betreuungseinrichtung
oder den Geschäftsführer zu kontaktieren sowie bei Bedarf den Rettungsdienst anzufordern. Bei der Beigeladenen zu 1. habe
eine persönliche Abhängigkeit vorgelegen, da sie hinsichtlich der Art und Weise, des Ortes und der Zeit keinen eigenen Spielraum
gehabt und ein unternehmerisches Risiko in Bezug auf die zu beurteilende Tätigkeit nicht vorgelegen habe. Sie habe - wie ein
üblicher abhängiger Arbeitnehmer - als eigenes Kapital lediglich den eigenen PKW benötigt, um zur Arbeit fahren zu können.
Mit der am 27. September 2012 beim Sozialgericht Dessau-Roßlau erhobenen Klage hat die Klägerin die Aufhebung des sie zur
Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen verpflichtenden Bescheides mit den Gründen aus dem Verwaltungsverfahren weiterverfolgt.
Das Sozialgericht hat am 23. Juli 2015 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, in dem es auf das Urteil des Landessozialgerichts
(LSG) Baden-Württemberg vom 19. Oktober 2012 (L 4 R 761/11) sowie auf den der Nichtzulassungsbeschwerde nicht stattgebenden Beschluss des Bundessozialgerichts ((BSG) - B 12 R 49/12 B -, juris) hingewiesen hat. Die Klägerin hat hierzu die Auffassung vertreten, dass der dem vorgenannten LSG-Urteil zugrundeliegende
Sachverhalt wesentlich anders sei. Sie erbringe keine Pflegeleistungen im medizinischen Sinne. Sie sei deshalb nicht verpflichtet,
ihre Bewohner "rund um die Uhr" zu betreuen. Das Vorhalten einer Nachtwache erfolge von ihr freiwillig. Die Beigeladene zu
1. sei schließlich nicht zur persönlichen Leistungserbringung verpflichtet gewesen.
Mit Einverständnis der Beteiligten hat das Sozialgericht Dessau-Roßlau am 19. November 2015 durch Urteil ohne mündliche Verhandlung
die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Die Beigeladene zu 1. sei bei der Klägerin im Zeitraum von
Juni 2006 bis August 2007 abhängig beschäftigt gewesen. Zur Begründung hat das Gericht auf die Begründung der angegriffenen
Verwaltungsakte und der Widerspruchsentscheidung gemäß §
136 Abs.
3 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) Bezug genommen und sich der Entscheidung des LSG Baden-Württemberg vom 19. Oktober 2012 (L 4 R 761/11, juris) angeschlossen. Im Übrigen könne es nicht darauf ankommen, in welcher Rechtsform nach welchen gesetzlichen Vorschriften
die Klägerin organisiert sei. Streitentscheidend sei allein die (statusrechtliche) Beziehung zwischen der Klägerin und der
Beigeladenen zu 1. Diese sei in den Betrieb der Klägerin eingebunden gewesen. Der Ort der Ausführung der Tätigkeit sei zwangsläufig
das Wohnheim Zerbst gewesen, die Art der Ausführung habe sich aus dem Vertrag vom 30. Mai 2006 ergeben. Der zeitliche Umfang
von mindestens 60 Stunden monatlich habe einer Teilzeitbeschäftigung entsprochen, die ebenfalls in die Dienstpläne eingearbeitet
und abgestimmt habe werden müssen und bei der regelmäßig auf Wünsche der Mitarbeiter Rücksicht genommen werde. Soweit der
Vertrag vom 30. Mai 2006 vorgesehen habe, dass die Beigeladene zu 1. die Arbeit nicht höchstpersönlich auszuführen habe, sehe
die Kammer dies vorrangig als Mittel, um einen Vertrag über eine freie Mitarbeit abschließen zu können. Tatsächlich habe die
Klägerin ihr Gewerbe allein ohne weitere Mitarbeiter ausgeübt, so dass die Möglichkeit, eine dritte Person mit der erforderlichen
fachlichen Qualifikation unter Abstimmung mit der Klägerin zu beauftragen, theoretischer Natur sei.
Gegen das ihr am 14. März 2016 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 14. April 2016 Berufung beim LSG Sachsen-Anhalt eingelegt.
Zur Begründung hat sie ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Die Beigeladene zu 1. habe ihre Arbeitszeit frei
wählen können. Erst nachdem diese ihre Einsatzzeiten bei ihr - der Klägerin - benannt habe, sei sie in ihren Dienstplan aufgenommen
worden. Danach habe sie ihren Dienstplan so gestaltet, dass die durch die Beigeladene zu 1. nicht abgedeckten Zeiten der Nachtbereitschaft
durch ihre anderen Arbeitnehmer hätten abgedeckt werden können.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 19. November 2015 und den Bescheid der Beklagten vom 9. November 2010 in der
Fassung der Teilabhilfebescheide vom 21. Mai und 22. Juni 2012 und des Widerspruchsbescheids vom 30. August 2012 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Das Ausüben einer selbstständigen Tätigkeit als Tagesmutter führe nicht automatisch
zu einer selbstständigen Tätigkeit der Nachtbereitschaft im Wohnheim der Klägerin. Vielmehr seien die einzelnen Beschäftigungsverhältnisse
jeweils getrennt voneinander zu beurteilen (Hinweis auf Urteil des BSG vom 4. November 2009 - B 12 R 7/08 R -, juris). Die Beigeladene zu 1. habe die fachlichen Vorgaben der Klägerin zu berücksichtigen gehabt. Dafür, dass die Beigeladene
zu 1. tatsächlich in den Betriebsablauf der Klägerin integriert worden sei, spreche ihre Einbeziehung in die Gestaltung des
Dienstplanes und der Umstand, dass die Beigeladene zu 1. die gleichen Tätigkeiten wie die festangestellten beschäftigten Arbeitnehmer
während der Nachtbereitschaft verrichtet und an deren Stelle eingesetzt worden sei.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte der Beklagten, die sämtlich
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Bei der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. für die Klägerin überwiegen die Merkmale für eine abhängige Beschäftigung. Der Ort
und die Art und Weise der Beschäftigung unterlagen der Weisung der Klägerin. Die Beigeladene zu 1. hatte im Fall eines während
der Nachtwache aufgetretenen Notfalls die Leiterin des Wohnheimes bzw. den Geschäftsführer zu informieren und ggfs. den Rettungsdienst
zu verständigen. Ausweislich der Anlage zum Vertrag vom 30. Mai 2006 war sie verpflichtet, monatlich eine Mindestdienstzeit
von 60 Stunden zu leisten und die jeweiligen Dienstzeiten vor Beginn des Monats mit der Heimleitung abzusprechen. Für die
geleisteten Nachtwachen erhielt sie ein gleichbleibendes - vertraglich festgelegtes - Entgelt von 12,00 EUR pro Stunde, unabhängig
davon, ob während der Nachtwachen Besonderheiten aufgetreten waren. Die von der Beklagten zugrunde gelegten monatlichen Verdienste,
deren Höhe von der Klägerin - auch nach entsprechender Auflistung mit Schreiben vom 20. Januar 2012 - nicht beanstandet worden
sind, zeigen, dass die vorgegebene Mindestarbeitszeit auch in jedem Monat eingehalten worden ist. Das geringste Monatsentgelt
betrug 762,00 EUR, was bei einem Stundenlohn von 12,00 EUR einer Stundenanzahl von 63,5 entspricht. Insoweit ist die Beigeladene
zu 1. zu keiner Zeit von den Vorgaben im Vertrag abgewichen. Sie hat auch zu keinem Zeitpunkt von der vertraglich vereinbarten
Möglichkeit, eine dritte Person an ihrer Stelle einzusetzen, Gebrauch gemacht. Die vertragliche Option, die Nachtwache nicht
höchstpersönlich auszuführen, was als - einziges - Indiz für eine selbstständige Tätigkeit gewertet werden könnte, ist vertraglich
jedoch soweit eingeschränkt gewesen, dass sie die übrigen Merkmale einer abhängigen Beschäftigung nicht aufwiegen kann. Denn
die Möglichkeit der Erbringung durch einen Erfüllungsgehilfen kam nur in Betracht, wenn die Auftraggeberin dem zustimmte,
die fachliche Qualifikation des Erfüllungsgehilfen sichergestellt war und der jeweilige Auftrag dies gestattete. Das benannte
Erfordernis der "fachlichen" Qualifikation zeigt, dass es allein darum ging, mit der Möglichkeit der Einschaltung eines Erfüllungsgehilfen
eine abhängige Beschäftigung zu umgehen. Denn die Beigeladene zu 1. hat keine "fachlich" qualifizierte Tätigkeit verrichtet,
sondern eine einfache Kontrolltätigkeit, die keinerlei fachlicher Einarbeitung bedurfte, sondern ohne Qualifikation verrichtet
werden konnte und zudem engen Arbeitsanweisungen für konkret zu treffende Maßnahmen unterlag. Sie hatte keinen Zugriff auf
die die Bewohner betreffenden Unterlagen oder Medikamente und keinerlei Kompetenzen außerhalb der Kontrolltätigkeit und Mitteilungspflichten
für besondere Vorkommnisse. Die Beigeladene zu 1. musste lediglich "persönliche" Qualifikationen, wie Zuverlässigkeit und
Verantwortungsbewusstsein, aufweisen. Sie hätte im Verhinderungsfall "ihre Freundin" an ihrer Stelle zur Verrichtung der Nachtwache
eingesetzt und dieser ohne Abzüge den vereinbarten Stundenlohn von 12,00 EUR weitergereicht.
Auf welcher Rechtsgrundlage die Klägerin das Wohnheim betreibt und ob sie verpflichtet ist, Nachtwachen vorzuhalten, ist für
die statusrechtliche Beurteilung der Beigeladenen zu 1. nicht maßgeblich.
Auch der Umstand, dass die Beigeladene zu 1. im hier maßgebenden Zeitraum als Tagesmutter selbstständig tätig gewesen ist,
führt nicht zum Ausschluss der Versicherungspflicht als abhängig Beschäftigte im Verhältnis zur Klägerin.
Schließlich sind die von der Beigeladenen zu 1. nicht abgedeckten Nachtwachen nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin durchweg
von abhängig beschäftigten Arbeitnehmern erbracht worden.
Die Höhe der erhobenen Beiträge ist nicht zu beanstanden. Einwände sind insbesondere von der Klägerin nicht geltend gemacht
worden.