Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung von überzahlter Witwerrente umstritten.
Der am ... 1958 geborene Kläger ist ausgebildeter Elektriker. Ausweislich des aktenkundigen Anstellungsvertrages vom 1. August
1997 nahm er seinerzeit eine Tätigkeit als Elektromeister auf. Gleichzeitig begann er die Ausbildung zum Meister, die er nach
dem tödlichen Unfall seiner Ehefrau abbrach. Später arbeitete er als Elektroinstallateur und übt diese Tätigkeit weiterhin
im Rahmen eines Angestelltenverhältnisses aus.
Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA), deren Rechtsnachfolger die Beklagte ist, bewilligte dem Kläger mit Bescheid
vom 15. Juli 1999 ab dem 15. Februar 1999 kleine Witwerrente. Ab dem 1. Juni 1999 errechnete sie in der Anlage 7 zum vorgenannten
Bescheid wegen des Zusammentreffens von Rente und Leistungen aus der Unfallversicherung keinen Zahlbetrag mehr. Der Bescheid
wurde bestandskräftig.
In der Folgezeit unterrichtete die Tiefbau-Berufsgenossenschaft die BfA regelmäßig über die dem Kläger erteilten Bescheide
über die Höhe der Witwerrente, die jeweils mit anrechenbarem Einkommen zusammentraf. Dabei wurden zunächst der bisherige Jahresarbeitsverdienst
und auf dieser Grundlage der Jahresbetrag der Hinterbliebenenrente ermittelt. Von dem davon abgeleiteten Monatsbetrag der
Hinterbliebenenrente wurde der monatlich anrechenbare Betrag aufgrund des erzielten Arbeitsentgelts in Abzug gebracht und
sodann der monatliche Zahlbetrag über die Höhe der Witwerrente aufgeführt.
Mit Bescheid vom 19. September 2003 bewilligte die BfA dem Kläger wegen der Vollendung des 45. Lebensjahres große Witwerrente
und errechnete unter Berücksichtigung der gewährten Witwerrente aus der Unfallversicherung für die Monate Mai und Juni 2003
einen monatlichen Zahlbetrag i.H.v. jeweils 210,12 EUR und ab dem 1. Juli 2003 einen monatlichen Zahlbetrag i.H.v. 36,85 EUR.
Hiergegen legte der Kläger am 7. Oktober 2003 Widerspruch ein mit der Begründung, es sei für ihn nicht nachvollziehbar, welche
Leistungen aus der Unfallversicherung die Grundlage für die vorgenommene Berechnung seien und warf die Frage auf, ob es sich
dabei um die tatsächlich ausgezahlte Rente aus der Unfallversicherung handle. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 150 der
Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Dezember 2003 wies die Beklagte den Widerspruch
des Klägers als unbegründet zurück. Gemäß §
93 Abs.
1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung -
SGB VI) seien die zusammentreffenden Rentenbeträge vor der Einkommensanrechnung zusammenzurechnen und dem jeweiligen Grenzwert gegenüberzustellen.
Insoweit werde auf die Anlage 7 zum Bescheid vom 19. September 2003 verwiesen. Danach sei die Witwerrente zutreffend berechnet
worden. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
In der Folgezeit wurde der monatliche Zahlbetrag der Witwerrente regelmäßig auf der Grundlage der von der Berufsgenossenschaft
der Bauwirtschaft (im Weiteren: BG) übermittelten Bescheide über die Höhe der dem Kläger unter Anrechnung des erzielten Erwerbseinkommens
zustehenden Rente aus der Unfallversicherung angepasst und erreichte ab Juli 2014 einen monatlichen Zahlbetrag i.H.v. 41,24
EUR. Dem Änderungsbescheid der Beklagten vom 10. Juli 2014 über die Neuberechnung ab dem 1. Juli 2014 lag der Abhilfebescheid
der BG vom 1. Juli 2014 zugrunde, der auf den Widerspruch des Klägers gegen den Witwerrenten-Anpassungsbescheid vom 12. Juni
2014 erlassen worden war. In dem Widerspruch hatte der Kläger unter Übersendung der Lohnsteuerbescheinigung des damaligen
Arbeitgebers darauf hingewiesen, dass das zur Berechnung herangezogene Arbeitsentgelt zu hoch gewesen sei. Anstelle der zunächst
vorgenommenen Anrechnung i.H.v. 284,36 EUR auf die monatliche Hinterbliebenenrente i.H.v. 918,76 EUR wurden von der BG daraufhin
nur 217,72 EUR angerechnet, sodass sich der Auszahlungsbetrag der Witwerrente aus der Unfallversicherung von 634,40 EUR auf
701,04 EUR erhöhte. Diesen Betrag der monatlichen Hinterbliebenenrente i.H.v. 918,76 EUR legte die Beklagte sodann in der
Anlage 7 der Ermittlung des Grenzbetrages zugrunde. Dabei setzt sich die Summe der Rentenbeträge, auf die die Ermittlung des
Grenzbetrages abstellt, jeweils aus der Rente der Rentenversicherung und der Leistung aus der Unfallversicherung zusammen.
Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 269 bis 277 der Verwaltungsakte der Beklagten, Blatt 36 der Verwaltungsakte der BG und
Blatt 138 der Gerichtsakte Bezug genommen.
Unter dem 20. Juni 2017 teilte die BG dem Kläger mit, eine (Anpassungs-) Bescheiderteilung zum 1. Juli 2017 habe noch nicht
vorgenommen werden können, weil noch ein Einkommensvergleich vorzunehmen sei. Nachdem der Kläger am 1. September 2017 eine
- nicht aktenkundige - Entgeltabrechnung übersandt hatte, passte die BG mit Bescheid vom 22. September 2017 die Witwerrente
aus der Unfallversicherung zum 1. Juli 2017 an. Ausgehend von dem Monatsbetrag der Hinterbliebenenrente i.H.v. 1.033,59 EUR
errechnete sie unter Anrechnung von monatlich 207,16 EUR einen monatlichen Zahlbetrag von 826,43 EUR. Hiergegen legte der
Kläger am 10. Oktober 2017 bei der BG Widerspruch ein und fügte zur Begründung die Lohnabrechnungen für August und September
2017 "zur weiteren Bearbeitung" bei. In dem daraufhin erteilten Abhilfebescheid vom 1. November 2017 rechnete die BG ab dem
1. Juli 2017 anstatt 207,16 EUR monatlich (nur) 126,91 EUR monatlich an und ermittelte einen Zahlbetrag der Witwerrente aus
der Unfallversicherung i.H.v. 906,68 EUR.
Die Beklagte hatte bereits mit dem Änderungsbescheid vom 11. Juli 2017 die große Witwerrente ab dem 1. Juli 2017 unter Zugrundelegung
von Leistungen aus der Unfallversicherung i.H.v. 1.033,59 EUR neu berechnet und einen monatlichen Zahlbetrag i.H.v. 46,43
EUR errechnet.
Nach Eingang des Abhilfebescheides der BG vom 1. November 2017 berechnete die Beklagte mit dem Änderungsbescheid vom 28. November
2017 die Witwerrente ab dem 1. Juli 2017 neu. Als Leistung aus der Unfallversicherung berücksichtigte sie bei der Berechnung
der Summe der Rentenbeträge 906,68 EUR (anstatt 1.033,59 EUR) und errechnete einen monatlichen Zahlbetrag von 160,47 EUR sowie
einen Nachzahlungsbetrag i.H.v. 684,24 EUR. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
Nach der Übersendung des Anpassungsbescheides der BG vom 24. April 2018 zum 1. Juli 2018, wonach die monatliche Hinterbliebenenrente
nunmehr 1.068,42 EUR betrage (Eingang bei der Beklagten am 28. April 2018), nahm die Beklagte erneut eine Neuberechnung der
großen Witwerrente ab dem 1. Juli 2017 vor. Sie legte in ihrem Bescheid vom 6. Juni 2018 für die Zeit ab dem 1. Juli 2017
bei der Berechnung des Grenzbetrages als Leistungen aus der Unfallversicherung 1.033,59 EUR und ab dem 1. Juli 2018 1.068,42
EUR zugrunde und ermittelte einen monatlichen Zahlbetrag der Witwerrente ab dem 1. Juli 2017 i.H.v. 46,43 EUR und ab dem 1.
Juli 2018 i.H.v. 48,00 EUR sowie eine Überzahlung für den Zeitraum vom 1. Juli 2017 bis zum 30. Juni 2018 i.H.v. 1.368,48
EUR. Der überzahlte Betrag sei vom Kläger zu erstatten.
Hiergegen legte der Kläger am 11. Juni 2018 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, ihm lägen mittlerweile drei Bescheide
zu der von der Beklagten berechneten Witwerrente mit Wirkung ab dem 1. Juli 2017 vor. Er habe dem "Bestand des Verwaltungsaktes
[ ] voll vertraut". Aus diesem Grund widerspreche er fristgerecht dem Bescheid vom 6. Juni 2018 "unter Bezug auf § 45 und § 47 SGB X".
Unter dem 21. Juni 2018 hörte die Beklagte den Kläger an und teilte ihm mit, die Witwerrente sei fehlerhaft berechnet worden,
weil die Leistung aus der Unfallversicherung für die Zeit vom 1. Juli 2017 bis zum 30. Juni 2018 in falscher Höhe auf die
Hinterbliebenenrente angerechnet worden sei. Es sei beabsichtigt, den Bescheid vom 28. November 2017 mit Wirkung ab dem 1.
Juli 2017 nach § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) zurückzunehmen und die Überzahlung für die Zeit vom 1. Juli 2017 bis zum 30. Juni 2018 i.H.v. 1.368,48 EUR nach § 50 Abs. 1 SGB X zurückzufordern. Die Voraussetzungen für die beabsichtigte Entscheidung seien nach Lage der Akten erfüllt, weil der Kläger
aufgrund der von ihr - der Beklagten - gegebenen Informationen die Fehlerhaftigkeit des Bescheides gekannt habe bzw. habe
erkennen müssen (Hinweis auf § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 SGB X). Die Rente aus der Unfallversicherung werde fortlaufend seit Beginn der Hinterbliebenenrente auf diese angerechnet. Der
Kläger habe jährlich Informationen darüber erhalten, in welcher Höhe die Unfallrente auf die Rente aus der Rentenversicherung
angerechnet werde. Mit dem Bescheid vom 11. Juli 2017 sei im Rahmen der Rentenanpassung die Rente aus der Unfallversicherung
zunächst ab dem 1. Juli 2017 mit dem richtigen Betrag auf die Hinterbliebenenrente angerechnet worden. Am 28. November 2017
sei dann ein weiterer Bescheid für die Zeit ab dem 1. Juli 2017 erstellt worden. Die dabei errechnete Nachzahlung i.H.v. 684,24
EUR habe sich allein aus der fehlerhaft berücksichtigten Unfallrente ergeben. Für die Zeit ab dem 1. Januar 2018 sei die Rente
laufend in falscher Höhe gezahlt worden. Der Zahlbetrag habe sich auf über das Dreifache des bisherigen Rentenbetrages erhöht.
Die Fehlerhaftigkeit dieses Bescheides habe der Kläger erkennen müssen.
Hierzu teilte der Kläger am 28. Juni 2018 mit, dem Vorwurf, grob fahrlässig gehandelt zu haben, widerspreche er. Bisher habe
er keine Gründe gehabt, an der fachlichen Kompetenz der Beklagten zu zweifeln. Aufgrund der "ständigen Rentenbeitragsänderungen"
habe er dem Handeln und den Berechnungen der Beklagten voll vertraut. Angesichts der Komplexität der Rentenberechnung könne
die Beklagte nicht davon ausgehen, dass er mit seinem Kenntnisstand aufgrund einfachster und naheliegender Überlegungen sicher
hätte erkennen können, dass der zuerkannte Anspruch nicht oder jedenfalls so nicht bestehe. Wegen der weiteren Einzelheiten
des Vorbringens des Klägers wird auf Blatt 395 der Verwaltungsakte Bezug genommen.
Daraufhin bot die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 12. September 2018 den Abschluss eines Vergleichs dergestalt an, dass
sie - die Beklagte - auf die Rückforderung i.H.v. 468,48 EUR verzichte und der Kläger bis zum 20. Oktober 2018 zwei Drittel
der Überzahlung (900,00 EUR) an die Beklagte überweise. Hierauf antwortete der Kläger am 2. Oktober 2018, er werde dem Vergleichsvorschlag
nicht zustimmen. Es sei überhaupt nichts geklärt bzw. erklärt. Er verweise auf sein bisheriges Schreiben.
Mit Bescheid vom 5. November 2018 berechnete die Beklagte die große Witwerrente ab dem 1. Juli 2017 neu und ermittelte einen
monatlichen Zahlbetrag ab dem 1. Dezember 2018 i.H.v. 48,00 EUR. Für die Zeit vom 1. Juli 2017 bis zum 30. November 2018 ergebe
sich eine Überzahlung i.H.v. 912,36 EUR, die vom Kläger zu erstatten sei.
Am 19. November 2018 hat der Kläger - unvertreten - beim Sozialgericht Halle Klage erhoben und zunächst nur die Aufhebung
des Bescheides vom 6. Juni 2018 verfolgt. Zur Begründung hat er den Sachverhalt geschildert und daran festgehalten, weder
vorsätzlich noch grob fahrlässig falsche oder unvollständige Angaben gemacht zu haben.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Januar 2019 hat die Beklagte den Widerspruch sodann zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie
ihr Vorbringen aus der Anhörung im Wesentlichen wiederholt. Die Abwägung der Gründe, die gegen und die für eine Bescheidrücknahme
sprächen, führe zu dem Ergebnis, dass die Gründe für eine Bescheidrücknahme überwögen. Allerdings erscheine es sachgerecht,
die Bescheidrücknahme für die Vergangenheit so zu begrenzen, als sich der überzahlte Betrag auf 912,36 EUR beschränke. Denn
an der Herstellung des rechtmäßigen Zustandes bestehe ein öffentliches Interesse. Dieses Interesse überwiege weit das Individualinteresse
des Klägers. Dessen Einwände seien in der Form gewürdigt worden, dass die entstandene Überzahlung auf den vorgenannten Betrag
begrenzt worden sei. Der Versichertengemeinschaft sei jedoch nicht zuzumuten, dass an den Kläger weitere Beträge ausgezahlt
würden, auf die materiell-rechtlich kein Anspruch bestehe.
Das Sozialgericht hat am 10. September 2019 einen Termin zur mündlichen Verhandlung durchgeführt. Dort hat der Kläger auf
Nachfragen folgendes ausgeführt:
Also für mich war immer Hauptaugenmerk die Höhe der Unfallversicherungsrente und insoweit habe ich auch immer versucht, das
nachzuvollziehen rechnerisch. Allerdings gestaltet sich auch dies schwierig, weil z.B. die Höhe des Jahresarbeitsverdienstes
auf Schätzwerten usw. beruht und die auch mir weiterhin nicht ganz nachvollziehbar sind und insoweit ich immer nur abschätze
von Jahr zu Jahr, ob die jeweilige Unfallrente etwa passend ist. Grundlage ist jedenfalls der Jahresbruttoverdienst, der dann
auch der Steuerberater mitteilt und ich versuche diese Rentenberechnung dann immer etwas nachzuvollziehen, was sich allerdings
auch insoweit schon schwierig gestaltet. Es war von Anfang an so, dass die Rente vom Rentenversicherungsträger nur so ein
Nebenläufer ist. Dem habe ich nicht diese Bedeutung beigemessen. Die Zahlung setzte dann ja auch erst im Jahr 2003 oder 2005
ein und es waren nur wenige Euro. Ich habe dann nur den Bescheid zur Kenntnis genommen und das dann auch auf dem Konto gesehen.
Von Beruf bin ich Elektriker. Ich habe zu DDR-Zeiten eine diesbezügliche Facharbeiterausbildung gemacht, einen Meisterbrief
habe ich nicht. Ich stehe immer noch in Lohn. Ich bin Angestellter. Als ich dann im November 2017 den Bescheid bekommen habe,
habe ich mir nicht groß Gedanken gemacht. Ich bin davon ausgegangen, dass sich bei der Unfallrente was geändert hat und insoweit
sich deshalb eine Neuberechnungsnotwendigkeit ergeben hat. Anhand der Kontoauszüge habe ich dann auch den Betrag zur Kenntnis
genommen."
Das Sozialgericht Halle hat auf die mündliche Verhandlung mit Urteil vom gleichen Tag die Klage, mit der der Kläger zuletzt
beantragt hat, den Bescheid der Beklagten 6. Juni 2018 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 5. November 2018 in der
Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 2019 insoweit aufzuheben, als darin eine Überzahlung vom 1. Juli 2017 bis
zum 30. November 2018 i.H.v. 912,36 EUR festgestellt worden ist, abgewiesen. Dem Kläger habe die Fehlerhaftigkeit des Bescheides
vom 28. November 2017 geradezu "in die Augen springen" müssen. Denn die im November 2017 bewilligte Witwerrente habe offensichtlich
außer Verhältnis zu den Vorjahresbezügen bzw. dem Rentenbezug ab Juli 2017 gestanden. Aus dem Verwaltungsverfahren bei der
Beklagten und bei der BG sei dem Kläger hinlänglich bekannt gewesen, dass die Witwerrente einkommensabhängig sei. Der Kläger
habe auch eingeräumt, den Zusammenhang zwischen dem Zahlbetrag der Rente vom Unfallversicherungsträger und der Höhe der Hinterbliebenenrente
vom Prinzip her erkannt zu haben. Im Änderungsbescheid von November 2017 bzw. auch auf dem Kontoauszug sei aber nun der Zahlbetrag
der Witwerrente um das Dreifache höher als in den übrigen Jahren und damit so offensichtlich höher, dass dies auch dem Kläger
hätte auffallen müssen. Zudem habe er im Jahr 2017 - im Unterschied zu den Vorjahren - zwei Bescheide über die Witwerrentenhöhe
von der Beklagten und den zweiten sogar in Erwartung einer Umsetzung bei geändertem Bezug der Leistung vom Unfallversicherungsträger
erhalten. In den Vorjahren habe er zunächst den Unfallrentenbescheid (meist im Frühsommer) erhalten und danach sei die Anpassung
bei der Hinterbliebenenrente erfolgt. So sei es zunächst auch im Jahr 2017 gewesen. Die Beklagte habe zunächst zum 1. Juli
2017 die Rentenhöhe neu mit 46,43 EUR gegenüber bisher 44,92 EUR berechnet. Da der Kläger aber Widerspruch gegen seinen Unfallrentenbescheid
eingereicht habe, mit dem Ziel, dass ein geringeres Einkommen anzurechnen sei, habe die Unfallversicherung ihre Leistungen
mit Bescheid vom 1. November 2017 neu berechnet und dem Widerspruch des Klägers stattgegeben. Aufgrund des Zusammentreffens
von Leistungen aus der Unfall- und Rentenversicherung habe der Kläger erwartet, eine marginal höhere Witwerrente von der Beklagten
bekommen zu müssen. Zwischen dem Abhilfebescheid im Widerspruchsverfahren bei der BG und dem Rentenbescheid habe noch nicht
einmal ein Monat gelegen. Dass die Rentenhöhe dann jedoch sich von 46,43 EUR auf 160,47 EUR erhöhte, hätte auch einem Versicherten
auffallen müssen, der nicht mit Rentenfragen im Detail vertraut gewesen sei, und dem Kläger sei auch nach seinem eigenen Vortrag
aufgefallen, dass es eine Änderung zu seinem Vorteil gegeben habe. Gleichzeitig habe er aber gewusst, dass sich in den maßgeblichen
tatsächlichen Verhältnissen, seinem Einkommen und der Leistung von der BG, nichts wesentlich geändert habe. Die Beklagte habe
ihr Ermessen ausgeübt, sachfremde Überlegungen nicht angestellt und den Überzahlungsbetrag aufgrund des Mitverschuldens reduziert.
Eine weitere Reduzierung sei der Kammer verwehrt, da es sich um die Ermessensentscheidung der Beklagten handele.
Gegen das ihm am 8. Oktober 2019 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16. Oktober 2019 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt
eingelegt. Die Entscheidungsgründe des Sozialgerichts bezüglich der groben Fahrlässigkeit bzw. des Vorsatzes, des Wissenmüssens,
seien nicht überzeugend. Der hier angezeigte subjektive Sorgfaltsmaßstab sei nicht in besonders schwerem Maße verletzt. Die
Höhe der Überzahlung sei nicht in ganz naheliegendem Sinne erkennbar gewesen. Er - der Kläger - sei ausgebildeter Handwerker.
Mithin könne keine Wissensgleichheit oder gar Wissensüberlegenheit gegenüber der professionell mit Rentenbescheiden befassten
Behörde angenommen werden. Es sei keineswegs so, dass die erhöhte Zahlung förmlich in die Augen gesprungen sei. Es habe nicht
den Sorgfaltsanforderungen entsprochen, die Beklagte auf mögliche Fehlerquellen hinzuweisen, die ihm - dem Kläger - selbst
nicht bekannt gewesen seien und auch nicht hätten bekannt sein müssen. Die Ermessensausübung sei fehlerhaft und die Überzahlung
für die Vergangenheit nicht einzufordern.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 10. September 2019 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 6. Juni 2018 in der
Gestalt des Änderungsbescheides vom 5. November 2018 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 2019 insoweit
aufzuheben, als darin eine Überzahlung ab dem 1. Juli 2017 bis zum 30. November 2018 i.H.v. 912,36 EUR festgesetzt worden
ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für rechtmäßig.
Im Berufungsverfahren sind die Verwaltungsakten der BG für den Zeitraum ab Februar 2011 beigezogen worden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte,
der Verwaltungsakten der Beklagten und der Auszüge aus den Verwaltungsakten der BG Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der
mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der
Beklagten vom 6. Juni 2018 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 5. November 2018 in der Fassung des Widerspruchsbescheides
vom 14. Januar 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§§
153 Abs.
1,
54 Abs.
2 S. 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG)).
Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid ist § 45 Abs. 1 und 2 S. 3 Nr. 3 SGB X. Gemäß § 45 Abs. 1 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen
der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden. § 45 Abs. 2 S. 1 SGB X bestimmt, dass ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen der werden darf, soweit der Begünstigte
auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer
Rücknahme schutzwürdig ist. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte u.a. nicht berufen, soweit er die Rechtswidrigkeit des
Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Dabei liegt grobe Fahrlässigkeit vor, wenn der Begünstigte
die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 SGB X).
Die Beklagte hat den Änderungsbescheid vom 28. November 2017 zu Recht auf der Grundlage von § 45 SGB X zurückgenommen. Denn der vorgenannte Bescheid ist rechtswidrig begünstigend. Die dem Kläger von der Beklagten bestandskräftig
zuerkannte Witwerrente stand ihm ab dem 1. Juli 2017 nicht in der Höhe zu, die die Beklagte errechnet hatte. Für den Zeitraum
ab dem 1. Juli 2017 - und damit für einen Bewilligungszeitraum vor Erlass des Bescheides vom 28. November 2017 - stand dem
Kläger Witwerrente nur i.H.v. 46,43 EUR und nicht i.H.v. 160,47 EUR zu. Dies ergibt sich aus §
93 Abs.
1 Nr.
2 und Abs.
3 SGB VI. Danach wird, soweit für denselben Zeitraum Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente (aus der Rentenversicherung) und eine
entsprechende Hinterbliebenenrente aus der Unfallversicherung besteht, die Rente insoweit nicht geleistet, als die Summe der
zusammentreffenden Rentenbeträge vor Einkommensanrechnung den jeweiligen Grenzbetrag übersteigt. Der Grenzbetrag beträgt 70
vom Hundert eines Zwölftels des Jahresarbeitsverdienstes, der der Berechnung der Rente aus der Unfallversicherung zugrunde
liegt, vervielfältigt mit dem jeweiligen Rentenartfaktor für persönliche Entgeltpunkte der allgemeinen Rentenversicherung.
Mindestgrenzbetrag ist der Monatsbetrag der Rente ohne die Beträge nach Abs. 2 Nr. 1. Hier hat die Beklagte im Bescheid vom
28. November 2017 bei der Berechnung der Summe der Rentenbeträge nicht die dem Kläger aus der Unfallversicherung zustehende
monatliche Witwerrente vor Anrechnung, d.h. 1.033,59 EUR, sondern den sich nach der Anrechnung des Einkommens ergebenden Zahlbetrag,
d.h. 906,68 EUR, berücksichtigt. Dadurch verringerte sich die Summe der Rentenbeträge und die Rente aus der Rentenversicherung
überstieg den Grenzbetrag um 178,59 EUR anstatt um 51,68 EUR.
Die Beklagte war berechtigt, den Rentenbescheid vom 28. November 2017 auch für die Vergangenheit zurückzunehmen. Denn die
Rücknahmevoraussetzungen gemäß § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 SGB X - insbesondere die subjektiven Voraussetzungen - waren erfüllt. Der Kläger hat zumindest grob fahrlässig die Rechtswidrigkeit
des Bescheides vom 28. November 2017 nicht erkannt.
Grobe Fahrlässigkeit ist nach der Legaldefinition des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X nur gegeben, wenn der Kläger als Begünstigter die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Die erforderliche
Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, wer schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und daher
nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 8. Februar 2001 - B 11 AL 21/00 R -, juris RdNr. 23 ff. m.w.N.); dabei ist das Maß der Fahrlässigkeit insbesondere nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit,
dem Einsichtsvermögen des Beteiligten sowie den besonderen Umständen des Falles zu beurteilen (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff).
Bezugspunkt für das grobfahrlässige Nichtwissen ist schon nach dem Wortlaut des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes, also das Ergebnis der Tatsachenfeststellung und Rechtsanwendung durch die Behörde.
Eine Obliegenheit, Bewilligungsbescheide zu lesen und zur Kenntnis zu nehmen, besteht, auch wenn sie nicht ausdrücklich gesetzlich
geregelt ist (BSG, a.a.O. RdNr. 25).
Der Senat ist davon überzeugt, dass der Kläger den Bescheid vom 28. November 2017 gelesen und zumindest grob fahrlässig nicht
erkannt hat, dass ihm die bewilligte Rente nicht in der im Verfügungssatz ausgewiesenen Höhe zusteht.
Diese Überzeugung des Senats ergibt sich für den Senat aus den Gesamtumständen des Einzelfalls, insbesondere unter Einbeziehung
des beruflichen Werdegangs des Klägers, des Ablaufs der Verwaltungsverfahren bei der Beklagten und der BG sowie seinen Einlassungen
im Termin zur mündlichen Verhandlung sowohl beim Sozialgericht als auch beim Senat und dem eigenen Eindruck von dem Kläger.
Danach ist der Kläger ausgebildeter Elektroinstallateur und hat zeitweise die Aufgaben eines Elektromeisters wahrgenommen
sowie die Ausbildung zum Meister begonnen, hinsichtlich derer er einzelne Teilprüfungen auch abgelegt, sie (nur) im Zusammenhang
mit dem Tod der Frau nicht abgeschlossen hat. Er steht nach wie vor in einem Vollzeitarbeitsverhältnis als Elektroinstallateur.
An einem unbeeinträchtigten Denkvermögen sowie an einer uneingeschränkten Urteils- und Kritikfähigkeit besteht damit kein
Zweifel. Der Kläger hat die Verwaltungsverfahren gegenüber der BG und der Beklagten zu jedem Zeitpunkt aktiv betrieben, insbesondere
die Verwaltungsentscheidungen der BG jeweils einer Überprüfung unterzogen und sich auch die Entscheidungen der Beklagten erläutern
lassen. Er war zu jeder Zeit in der Lage, sachgerecht vorzutragen und sein Anliegen gegenüber der Beklagten und der BG deutlich
zu machen und ggfs. durchzusetzen. Dass er insoweit teilweise von seiner Lebenspartnerin unterstützt worden ist, ändert daran
nichts.
Auf den Vorhalt im Verhandlungstermin beim Sozialgericht, wonach dem Kläger hätte auffallen müssen, dass sich ab Juli 2017
der Auszahlungsbetrag der Witwerrente gegenüber dem gesamten vorhergehenden Bezugszeitraum der bewilligten Rente mehr als
verdreifacht hatte, hat der Kläger keine plausible Erklärung anführen können. Insbesondere das Argument, die Hinterbliebenenrente
aus der Rentenversicherung sei "nur so ein Nebenläufer" gewesen, überzeugt nicht. Denn die im Bescheid vom 28. November 2017
ausgeworfene Nachzahlung i.H.v. 684,24 EUR und der laufende Zahlbetrag von 160,47 EUR stellen angesichts der Einkommenssituation
des Klägers keinen zu vernachlässigenden Betrag dar. Der Nachzahlungsbetrag entsprach in etwa dem Auszahlungsbetrag der Witwerrente
aus der Unfallversicherung, deren Höhe der Kläger auch nach seinen eigenen Angaben stets versucht hat, vollständig nachzuvollziehen.
Auch hat der Kläger gegenüber der BG regelmäßig nachgehalten, ob diese seine tatsächlichen Einkünfte zugrunde gelegt hat und
auch insoweit für weitaus geringere Beträge, als im aufgehobenen Bescheid ausgeworfen worden sind, Widerspruchsverfahren geführt.
Der monatliche Rentenzahlbetrag hatte sich im Verhältnis zu dem zuvor bewilligten Auszahlungsbetrag mehr als verdreifacht.
Dass der ausgeworfene monatliche Rentenbetrag fehlerhaft sein musste, war somit für den Kläger offensichtlich. Denn im Laufe
des Rentenbezugs der großen Witwerrente hatte sich der monatliche Zahlbetrag von 36,85 EUR im Juli 2003 auf 45,76 EUR ab Juli
2016 erhöht und war zuletzt mit dem ersten Bescheid (vom 11. Juli 2017) über den Bezugszeitraum ab dem 1. Juli 2017 auf 46,43
EUR angehoben worden. Damit hatte für den Kläger jedenfalls Anlass bestanden, die Höhe des monatlichen Zahlbetrages zu überprüfen.
Denn die Beteiligten sind im Sozialrechtsverhältnis verpflichtet, "sich gegenseitig vor vermeidbarem, das Versicherungsverhältnis
betreffenden Schaden zu bewahren" (vgl. BSG, a.a.O., RdNr. 25 m.w.N.). Der Senat hält insoweit die Angaben des Klägers im Verhandlungstermin beim Senat nicht für glaubhaft,
dass er den Nachzahlungsbetrag und den monatlichen Zahlbetrag der Rente aus der Rentenversicherung nur zur Kenntnis genommen
und darauf vertraut habe, dass dies so richtig sei, und dass er auch einen wesentlich geringeren Rentenbetrag ohne Weiteres
akzeptiert hätte. Denn die Abläufe beider Verwaltungsverfahren zeigen, dass der Kläger regelmäßig die ihm erteilten Bescheide
überprüft und, wenn er sich dadurch benachteiligt gesehen hat, eine Abänderung zu seinen Gunsten verfolgt hat.
Der Grund für die fehlerhafte Höhe war für den Kläger zudem aufgrund der Erläuterungen im Bescheid in der Anlage 7 leicht
feststellbar. Denn ihm war aus den vorangegangenen Änderungsbescheiden und der in diesem Zusammenhang von ihm mit der Beklagten
geführten Kommunikation bekannt, dass sich der Grenzbetrag anhand der Summe der Beträge der Witwerrente aus der Renten- und
Unfallversicherung errechnete. Die Beklagte hatte ihm bereits anlässlich seines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 19. September
2003 erläutert, dass die Rentenbeträge der Hinterbliebenenrenten aus der Rentenversicherung einerseits und der Unfallversicherung
andererseits zusammenzurechnen und dem jeweiligen Grenzwert gegenüberzustellen seien sowie auf die Anlage 7 des Rentenbescheides
verwiesen. Unmittelbar vor Erlass des Bescheides vom 28. November 2017 hatte der Kläger gegenüber der BG die Neuberechnung
des ihm zustehenden monatlichen Zahlbetrages aus der Unfallversicherung durchgesetzt. Insoweit war offensichtlich, dass die
Beklagte bei der Neuberechnung im Bescheid vom 28. November 2017 als Reaktion auf den Abhilfebescheid der BG vom 1. November
2017 fehlerhaft den vom Kläger erstrittenen Zahlbetrag der Witwerrente aus der Unfallversicherung anstatt des Monatsbetrages
der Hinterbliebenenrente zugrunde gelegt hatte.
Die Errechnung der Summe der Rentenbeträge ist in der Anlage 7 jeweils an der gleichen Stelle übersichtlich dargestellt und
die Richtigkeit der eingetragenen Beträge ohne weiteres nachzuvollziehen.
Die Beklagte hat den Kläger nach Erlass des ersten Änderungsbescheides vom 6. Juni 2018 unter dem 21. Juni 2018 angehört und
seine Einwände im Bescheid vom 5. November 2018 sowie im Widerspruchsbescheid vom 14. Januar 2019 berücksichtigt sowie in
ihre Ermessensausübung eingestellt. Die Ermessensbetätigung hat dazu geführt, dass sie dem Kläger ca. ein Drittel des überzahlten
Betrages erlassen hat.
Zudem hat die Beklagte die Jahresfrist gemäß § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X gewahrt.
Der Kläger ist demzufolge gemäß § 50 Abs. 1 S. 1 SGB X verpflichtet, die überzahlten Leistungen i.H.v. 912,36 EUR zu erstatten.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von
einer Entscheidung der in §
160 Abs.
2 Nr.
2 SGG genannten Gerichte abweicht.