Anspruch auf Arbeitslosengeld II; Leistungen für Unterkunft und Heizung; Erforderlichkeit des Auszugs über 25-Jähriger aus
dem elterlichen Haushalt
Gründe:
I.
Die Beschwerdeführerin und Antragstellerin (im Folgenden: Antragstellerin) begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes
vom Antragsgegner und Beschwerdegegner (im Folgenden: Antragsgegner) die vorläufige Gewährung von monatlich entstehenden Kosten
der Unterkunft und Heizung (KdU) im Rahmen der Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) ab Januar 2014.
Die am ... 1983 geborene Antragstellerin ist ledig und ohne Erwerbseinkommen. Sie bezog vom Antragsgegner SGB II-Leistungen in Form der Regelleistungen in Höhe von 374,00 EUR monatlich im Zeitraum Januar bis Juni 2012. Am 27. April 2012
stellte sie beim Antragsgegner einen Antrag auf Leistungen nach einem Wohnungswechsel, da sie nicht mehr bei den Eltern wohnen
zu wolle. Dies lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 3. Mai 2012 ab, da der Umzug nicht erforderlich sei. Hiergegen richtete
sich der Widerspruch vom 8. Mai 2012, mit dem die Antragstellerin geltend machte: Sie sei mittlerweile 28 Jahre alt und wolle
ein altersgemäßes Privatleben führen. Bei den Eltern bewohne sie ein Zimmer und müsse Küche und Bad mit ihnen teilen. Mit
Widerspruchsbescheid vom 9. Mai 2012 wies der Antragsgegner den Widerspruch zurück.
Mit Vertrag vom 30. April 2012 hatte die Antragstellerin bei der J. Wohnbau GbR eine Zweiraumwohnung (48,3 m² Wohnfläche)
zum Mietpreis von 250 EUR zuzüglich monatlicher Vorauszahlung für anfallende Betriebskosten in Höhe von 98,00 EUR angemietet.
Zuvor wohnte sie bei ihren Eltern in der W.-R. Straße in R. Am 15. Mai 2012 zog sie bei ihren Eltern aus und bezog die neue
Wohnung. Am 24. Mai 2012 hatte die Antragstellerin beim SG Dessau-Roßlau (S 11 AS 1272/12 ER) einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt und die Gewährung von Kosten für Unterkunft und Heizung begehrt.
Das SG hatte diesen Antrag mit Beschluss vom 20. Juni 2012 abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Zwar habe die Antragstellerin
einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, es fehle jedoch an einem Anordnungsgrund. Es bestehe keine Notlage, da sie von
ihren Eltern ein Darlehen für die ersten dreieinhalb Monatsmieten erhalten habe und zudem über ein Vermögen von ca. 4.200,00
EUR verfüge. Die Hauptsacheverfahren sind beim SG Dessau-Roßlau unter den Aktenzeichen S 11 AS 1950/12, S 11 AS 2350/12 und S 11 AS 955/13 anhängig.
Am 24. Januar 2014 hat die Antragstellerin beim SG einen erneuten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt, die Zahlung von Kosten für Unterkunft und Heizung
in Höhe von monatlich 348,00 EUR ab Januar 2014 verlangt und zur Begründung ausgeführt: Zum Zeitpunkt des Auszuges sei sie
bereits 28 Jahre alt gewesen und habe daher die Altersgrenze von 25 Jahren nach § 22 Abs. 5 SGB II deutlich überschritten. Ein Verbleiben in dem elterlichen Haus könne schon wegen der grundrechtlichen Bedeutung des Rechtes
auf Selbstbestimmung sowie des Rechtes auf Freizügigkeit nicht verlangt werden. § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II sei nicht anzuwenden, da sie vor dem Umzug keinen Wohnraum zu den typischen Bedingungen des Wohnungsmarktes bewohnt habe.
Die Unterkunftskosten für die angemietete Wohnung seien angemessen. Es bestehe eine besondere Eilbedürftigkeit, da die Antragstellerin
seit Oktober 2013 nach Ende des Bundesfreiwilligendienstes über keinerlei Einkommen mehr verfüge. Aktuell bestehe die Gefahr
von nicht unerheblichen Mietschulden, die eine fristlose Kündigung zur Folge haben könnten. Bei Verwendung der Regelleistung
für die Miete verblieben ihr lediglich 43,00 EUR monatlich zum Leben.
Der Antragsgegner hält den Antrag für unbegründet und hat ausgeführt: Der Antragstellerin könne gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II nur der bisherige Bedarf für Unterkunft und Heizung anerkannt werden. Dieser betrage 0,00 EUR, da sie zuvor bei ihren Eltern
mietfrei gewohnt habe. Bereits mit Bescheid vom 3. Mai 2012 sei der Antrag der Antragstellerin auf Zusicherung zu einem Umzug
abgelehnt worden. Es seien keine Gründe genannt, die einen Umzug erforderlich machten. Allein der Wunsch, eine eigene Wohnung
zu bewohnen, begründe keine Erforderlichkeit des Umzuges.
Hierzu hat die Antragstellerin ausgeführt: Sie habe bei ihren Eltern nur in einem ca. 9 m² großen Zimmer gewohnt. Wie das
SG bereits in seinem Beschluss vom 20. Juni 2012 im Verfahren S 11 AS 1272/12 ER ausgeführt habe, finde § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II keine Anwendung, da sie vor dem Umzug keine eigene Wohnung zu typischen Bedingungen des Wohnungsmarktes bewohnt habe. Bislang
sei es nur deswegen nicht zur Kündigung des Mietverhältnisses gekommen, weil sie unter Aufbietung aller Möglichkeiten und
extremen persönlichen Entbehrungen im persönlichen Lebensbedarf ihren Mietzahlungsverpflichtungen nachgekommen sei. So habe
sie ihre Ernährung eingeschränkt und sei zeitweise auf Mahlzeiten bei den Eltern angewiesen. Dieser Zustand sei nicht länger
zumutbar und könne zu gesundheitlichen Schäden führen.
Das SG hat mit Beschluss vom 10. März 2014 den Antrag auf einstweilige Anordnung abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Die Antragstellerin
habe einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Wegen der laufenden Mietzahlungen bestehe aktuell nicht die Gefahr einer
Wohnungskündigung. Die behauptete Mangelernährung sei lebensfremd. Zudem verfüge die Antragstellerin seit August 2012 unverändert
über ein Sparbuch mit einem Guthaben von ca. 1.200,00 EUR. Das Vorliegen eines Anordnungsanspruches könne insoweit offen bleiben.
Die Antragstellerin hat gegen den ihr am 11. März 2014 zugestellten Beschluss am 10. April 2014 Beschwerde beim SG erhoben, ihr Begehren weiterverfolgt und geltend gemacht: Ihr extrem eingeschränktes Ernährungsverhalten dürfe der besonderen
Eilbedürftigkeit des Sachverhalts nicht entgegengehalten werden. Seit Mai 2012 verweigere der Antragsgegner die Zahlung von
Kosten der Unterkunft und Heizung. In einer Erklärung vom 23. März 2014 hat die Antragstellerin angegeben: Sie lebe von ihren
Ersparnissen, esse wenig und trinke vorwiegend Tee. Aktuell beginne sie, von ihren Ersparnissen auch Lebensmittel zu kaufen.
An den Wochenenden könne sie bei ihren Eltern essen und werde durch diese auch durch Sachspenden unterstützt. Der aktuelle
Kontostand auf dem Girokonto betrage 374,66 EUR, da die Antragstellerin am 9. April 2014 ein Stromabrechnungsguthaben in Höhe
von 140 EUR erhalten habe. Das Sparbuch weise ein Guthaben von 1.033,61 EUR auf. In einer nachgereichten eidesstattlichen
Versicherung vom 23. April 2014 hat sie ergänzend ausgeführt: Sie habe bis zum 14. Mai 2012 ein ca. 9 m² großes Zimmer im
Obergeschoss des Einfamilienhauses ihrer Eltern bewohnt. Das Zimmer habe auf einer Seite eine Dachschräge aufgewiesen, die
bereits ab einer Raumhöhe von 90 cm begonnen habe und den Raum noch kleiner mache. Das Zimmer habe nur Platz für ein Bett
sowie einen Kleiderschrank geboten. Aufgrund dieser räumlichen Enge habe sie sich nicht mit ihren Freunden im Zimmer treffen
können. Schreibangelegenheiten hätten daher am Küchentisch erledigt werden müssen. Aufgrund dieser beengten Wohnverhältnisse
habe auch es auch häufiger Streit mit den Eltern gegeben. Nach Einzug in die neue Mietwohnung habe sie begonnen zu kochen,
regelmäßig Besuch von Freunden bekommen und ein ungestörtes Sexualleben aufnehmen können.
Die Antragstellerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,
den Antragsgegner unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 10. März 2014 zu verpflichten, ihr
für die Zeit ab Januar 2014 KdU in Höhe von 348,00 EUR vorläufig zu zahlen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er hält die vorinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Es bestehe bei der Antragstellerin keine konkrete Notlage, die zum
Verlust der Wohnung führen könne. Die zu übernehmenden Kosten für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II beschränkten sich auf die Höhe der vor dem Umzug zu übernehmenden Aufwendungen, d.h. auf 0,00 EUR. Diese Auffassung werde
durch das Urteil des Bundessozialgerichts vom 24 November 2011, B 14 AS 107/10 R, juris, bestätigt.
Am 9. Mai 2014 hat das SG eine nichtöffentliche Sitzung durchgeführt. Die Antragstellerin hat angegeben, sie habe vom 15. Oktober 2012 bis 30. August
2013 den Bundesfreiwilligendienst absolviert. Weitere Einnahmen habe sie nicht erzielt.
Hinsichtlich des Inhaltes der Bescheide, der überreichten Unterlagen und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf
die Gerichtsakte nebst Beiakte sowie auf den vorliegenden Verwaltungsvorgang des Antragsgegners Bezug genommen.
II.
Die nach §
173 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist statthaft nach §
172 Abs.
3 Nr.
1 SGG, denn der Beschwerdewert übersteigt den nach §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG maßgeblichen Berufungswert von 750,00 EUR. Die Antragstellerin begehrt monatliche KdU in Höhe von 348,00 EUR.
Die Beschwerde ist begründet. Der Antragsgegner war zur vorläufigen Zahlung der KdU in Höhe von 348,00 EUR ab Januar 2014
bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu verpflichten.
Das Gericht kann nach §
86b Abs.
2 SGG eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung
des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragsstellers erschwert oder wesentlich vereitelt wird. Einstweilige
Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn
eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung
ist gemäß §
86b Abs.
2 Satz 4
SGG i.V.m. §
920 Abs.
2 Zivilprozessordnung (
ZPO) stets die Glaubhaftmachung des Vorliegens sowohl eines Anordnungsgrunds (also die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung
wesentlicher Nachteile), als auch eines Anordnungsanspruchs (die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Hauptsache gegebenen
materiellen Leistungsanspruchs). Grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige
Entscheidung der Hauptsache nicht vorweg genommen werden.
Der Beweismaßstab im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erfordert im Gegensatz zu einem Hauptsacheverfahren für das
Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen nicht die volle richterliche Überzeugung. Dies erklärt sich mit dem Wesen dieses
Verfahrens, das wegen der Dringlichkeit der Entscheidung regelmäßig keine eingehenden, unter Umständen langwierigen Ermittlungen
zulässt. Deshalb kann im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur eine vorläufige Regelung längstens für die Dauer des Klageverfahrens
getroffen werden, die das Gericht in der Hauptsache nicht bindet.
Ein Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft gemacht, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen überwiegend wahrscheinlich
sind. Dies erfordert, dass mehr für als gegen die Richtigkeit der Angaben spricht (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10. Aufl. §
86b Rn. 16b). Dabei müssen die Gerichte die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend prüfen (vgl. Bundesverfassungsgericht
([BVerfG], NJW 2003, 1236; BVerfG, NVwZ 2004, 95, 96), wenn das einstweilige Rechtsschutzverfahren, wie hier, vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt
und eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung eines Beteiligten droht. Entschließen sich die Gerichte zu
einer Entscheidung auf dieser Grundlage, so dürfen sie die Anforderungen an die Glaubhaftmachung durch den Antragsteller eines
Eilverfahrens nicht überspannen. Die Anforderungen haben sich vielmehr am Rechtsschutzziel zu orientieren, das der Antragsteller
mit seinen Begehren verfolgt (BVerfG, NVwZ 2004, 95, 96). Dies gilt insbesondere, wenn der Amtsermittlungsgrundsatz gilt. Außerdem müssen die Gerichte Fragen des Grundrechtsschutzes
einbeziehen (BVerfG, NVwZ 2005, 927, 928).
Auf dieser Grundlage ist von einem Anordnungsanspruch der Antragstellerin auszugehen (im Folgenden 1.). Die Anforderungen
an einen Anordnungsgrund sind ebenfalls erfüllt (Im Folgenden 2.).
1. Nach Auffassung des Senats hat die Antragstellerin Anspruch auf vorläufige KdU-Leistungen nach § 22 Abs.1 Satz 1 SGB II. Zwar soll § 22 Abs. 4 SGB II die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die Leistungserbringung bisher örtlich zuständigen
kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft vor Abschluss eines Vertrages über eine neue
Unterkunft einholen. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn der Umzug erforderlich ist und die Aufwendungen
für die neue Unterkunft angemessen sind. Nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II wird nur der bisherige Bedarf für Unterkunft und Heizung anerkannt, wenn sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die angemessenen
Aufwendungen für Unterkunft und Heizung erhöhen. Das Erfordernis, die vorherige Zusicherung des kommunalen Trägers gemäß §
22 Abs. 4 Satz 1 SGB II einzuholen, ist dabei lediglich eine Obliegenheit des Leistungsempfängers, stellt also keine Anspruchsvoraussetzung dar (BSG, Urteil vom 30. August 2010, B 4 AS 10/10 R; Urteil vom 7. November 2006, B 7b AS 10/06 R, beide zitiert nach juris). § 22 Abs. 4 Satz 1 SGB II kommt nach der Rechtsprechung des BSG nur die Funktion zu, vor einem Umzug zu klären, ob die höheren Kosten der Unterkunft und Heizung übernommen werden (BSG, Urteil vom 30. August 2010, aaO.). Die Regelung dient dem Schutz der Hilfebedürftigen vor den weitreichenden Konsequenzen
des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II, die in der nur gekürzten Übernahme der tatsächlichen angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung ohne Übergangsfrist
bestehen (BSG, Urteil vom 30. August 2010, aaO.). Zur Erteilung der Zusicherung im Sinne des § 22 Abs. 4 Satz 1 SGB II ist der kommunale Träger nach Satz 2 der Vorschrift lediglich verpflichtet, wenn die Kosten der neuen Unterkunft ihrerseits
angemessen sind und der Umzug erforderlich ist. Umgekehrt bedeutet dies, dass auch nur bei Vorliegen beider Voraussetzungen
ein Anspruch auf Erteilung der Zusicherung besteht. Ein Umzug ist dann erforderlich, wenn ein plausibler, nachvollziehbarer
und verständlicher Grund vorliegt, von dem sich auch ein Nichtleistungsempfänger leiten lassen würde (vgl. Sächsisches LSG,
Beschluss vom 23. Januar 2014, L 7 AS 1826/13 B, juris).
Im vorliegenden Fall hat der Senat keinen Zweifel daran, dass der von der Antragstellerin vorgenommene Umzug zumindest ab
Januar 2014 erforderlich war und daher ab diesem Zeitpunkt KdU-Leistungen zu erbringen sind. Zu diesem Zeitpunkt war die Antragstellerin
bereits 30 Jahre alt und hatte die in § 22 Abs. 5 Satz 1 SGB vorgegebene Altersgrenze von 25 Lebensjahren bereits weit überschritten.
Ob mit Einführung dieser Altersgrenze der Gesetzgeber nur negativ geregelt hat, dass unter 25-jährige besondere Gründe für
den Auszug aus dem elterlichen Haus benötigen, oder ob er zugleich klargestellt hat, dass ab Erreichen dieser Altersgrenze
keine zusätzlichen Gründe für einen Auszug aus der elterlichen Wohnung mehr vorliegen müssen (so mit guten Gründen LSG Mecklenburg-Vorpommern,
Beschluss vom 22. Juli 2008, L 10 B 203/08, juris) kann der Senat hier offenlassen. Denn im vorliegenden Fall war der Umzug wegen des Alters der Antragstellerin und
den tatsächlichen Wohnverhältnissen im Elternhaus jedenfalls ab Januar 2014 erforderlich im Sinne von § 22 Abs. 5 Nr. 1 und Nr. 3 SGB II. Die Antragstellerin musste im Elternhaus in einem 9 m² großen Zimmer mit Schrägdach unter eingeschränkten Bedingungen wohnen.
Nach ihrer vorgelegten eidesstattlichen Versicherung befanden sich in diesem Zimmer nur ein größeres Bett und ein Kleiderschrank.
Das Zimmer hatte daher lediglich die Funktion einer Schlafkammer. Diese räumliche Enge führte u.a. dazu, dass die Antragstellerin
ihren Schriftverkehr in der Küche des Elternhauses erledigen musste. Auch war der Empfang von Besuchen schwierig und das Verhältnis
zu den Eltern wegen der räumlichen Enge angespannt. Diese Wohnsituation war der 30-jährigen Antragstellerin nicht länger zuzumuten.
Die KdU (Grundmiete von 250,00 EUR sowie Betriebskostenvorauszahlungen in Höhe von 98,00 EUR) erscheinen nach vorläufiger
Bewertung angemessen. Der Antragsgegner hat die Angemessenheit der KdU im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II nicht in Abrede gestellt.
Das vom Antragsgegner angeführte Urteil des BSG vom 24. November 2011, B 14 AS 107/10 R, juris, führt zu keiner anderen Bewertung des Sachverhalts. Der Antragsgegner setzt damit unvergleichbare Sachverhalte
in Beziehung, die gravierende Unterschiede aufweisen. In dem vom BSG entschiedenen Fall bewohnte der Leistungsbezieher im Jahr 2005 zunächst eine 45 qm große Zweiraumwohnung (Bruttomiete: 401,00
EUR). Am 20. November 2006 mietete er eine 54 qm große Zweiraumwohnung an (Bruttomiete: 663,00 EUR). Allein die damit verbundene
Steigerung der Mietkosten von fast 70 % begründete offenkundige Zweifel an der Erforderlichkeit des Umzuges. Im vorliegenden
Fall hat die Antragstellerin eine kleine Dachkammer bei den Eltern bewohnt und damit Wohnverhältnisse vorgefunden, die keinesfalls
einem Wohnraum unter typischen Bedingungen des normalen Wohnungsmarktes entsprochen haben (vgl. bereits zutreffend SG Dessau-Roßlau,
Beschluss vom 22. Juni 2012, S 11 AS 1272/12 ER). Der Auszug aus dem Elternhaus unter den dort existierenden Bedingungen ist mit einem Wohnungswechsel zwischen zwei üblichen
Wohnungen des Wohnungsmarktes unvergleichbar. Die Ausführungen des BSG können daher nicht auf den vorliegenden Sachverhalt übertragen werden.
2. Auch ein Anordnungsgrund liegt vor. Es ist der Antragstellerin nicht zuzumuten, zunächst eine Kündigung Ihres Vermieters
wegen fehlender Mietzahlungen abzuwarten, bevor ein einstweiliges Anordnungsverfahren erfolgreich sein kann. Nachdem die Antragstellerin
bereits ihre Ersparnisse, die dem Schonvermögen zuzuordnen sind, weitgehend aufgebraucht hat, würde ein weiteres Zuwarten
die finanzielle Lage der Antragstellerin existenzgefährdend verschlechtern. Denn aktuell bestreitet die Antragstellerin die
Mietzahlungen aus dem Regelbedarf, was zu einer unzumutbaren Einschränkung des persönlichen Lebensbedarfs führt.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§
177 SGG).