Angemessene Höhe anwaltlicher Vergütung
Berücksichtigung von Parallelverfahren bei der Bemessung der Gebührenhöhe
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der anwaltlichen Vergütung. Der Beschwerdeführer war der Klägerin in dem Klageverfahren
S 10 AS 531/11 vor dem Sozialgericht Itzehoe im Wege der Prozesskostenhilfe als Prozessbevollmächtigter beigeordnet worden. Die Klage war
zunächst am 23. April 2011 ohne Begründung erhoben worden. Nach gerichtlichem Hinweis auf §
102 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) wies der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 15. März 2012 darauf hin, dass die Fiktion dieser Vorschrift nicht greife.
Mit weiterem Schriftsatz vom 30. April 2012 begründete er die Klage auf sieben Seiten im Hinblick auf zu geringe Leistungen
für den Leistungszeitraum Januar bis April 2006. Mit Schriftsatz vom 10. Mai 2014 teilte er dann dem Gericht mit, dass eine
Einigung mit der Beklagten in einer Besprechung vom 9. Mai 2014 dahingehend erfolgt sei, dass der Rechtsstreit übereinstimmend
für erledigt erklärt werde und die Beklagte der Klägerin die Kosten zweier Widerspruchsverfahren zu erstatten habe.
In seiner Kostenrechnung vom 13. Mai 2014 beantragte der Beschwerdeführer die Festsetzung von 571,22 EUR für das Klageverfahren,
und zwar:
Verfahrensgebühr Nr. 3013 VV-RVG
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170,00 EUR
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Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG
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100,00 EUR
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Einigungsgebühr Nr. 1006 VV-RVG
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190,00 EUR
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Post- und Telekommunikationsentgelt der Nr. 7002 VV-RVG
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20,00 EUR
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Umsatzsteuer Nr. 7008 VV-RVG
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91,20 EUR
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Endbetrag
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571,22 EUR.
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Mit Feststellungsbeschluss vom 19. Juni 2014 hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle den beantragten Betrag reduziert auf:
Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG
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170,00 EUR
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Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG
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20,00 EUR
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Einigungsgebühr Nr. 1006 VV-RVG
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30,00 EUR
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Auslagenpauschale Nr. 7702 VV-RVG
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20,00 EUR
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Mehrwertsteuer Nr. 7008 VV-RVG
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45,60 EUR
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Gesamtbetrag
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285,60 EUR.
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Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Kürzung ergebe sich daraus, dass die Besprechung der Beteiligten am 9. Mai 2014 für
insgesamt zehn Streitverfahren geführt worden sei, was entsprechend dem Aufwand jeweils mit der Mindestgebühr zu berücksichtigen
sei.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Erinnerung des Beschwerdeführers ohne Begründung. Der Kostenprüfungsbeamte bei dem
Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht hat die Zurückweisung der Erinnerung beantragt, da die Festsetzung nicht zu beanstanden
sei. Die Urkundsbeamtin habe die entstandene Termins- und Einigungsgebühr unter Berücksichtigung von zehn gleichgelagerten
Einzelfällen jeweils in Höhe der Mindestgebühr festgesetzt. Grundlage der Gebühren sei allein ein Telefongespräch zwischen
dem Beschwerdeführer und dem Beklagten gewesen.
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 4. Dezember 2014 die Erinnerung zurückgewiesen, da nach grober Überprüfung die Festsetzung
insgesamt und insbesondere die Mindestgebühr bei der Termins- und der Einigungsgebühr in Anbetracht der in einem Telefonat
erledigten zehn Verfahren angemessen sei.
Gegen den dem Beschwerdeführer am 11. Dezember 2014 zugestellten Beschluss richtet sich seine am Montag, dem 12. Januar 2015
beim Sozialgericht Itzehoe eingegangene Beschwerde, in der er eine Beschwerdebegründung und Anträge angekündigt hat. Eine
solche liegt trotz Aufforderung nicht vor.
II.
Der Senat entscheidet gemäß § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG durch den Einzelrichter.
Die Beschwerde ist zulässig. Nach § 1 Abs. 3 RVG in der Fassung ab 1. August 2013 gehen die Vorschriften dieses Gesetzes über die Erinnerung und Beschwerde den Regelungen
der für das zugrundeliegende Verfahren geltenden Verfahrensvorschriften vor. Aufgrund dieser Ergänzung des § 1 RVG findet die bisherige Rechtsprechung des Senats, nach der wegen des abschließenden Normengefüges der §§
172 ff.
SGG die Beschwerde an das Landessozialgericht gegen die Entscheidung des Sozialgerichts ausgeschlossen ist, keine Anwendung mehr.
Da die Ergänzung des § 1 RVG um den Abs. 3 mit Wirkung ab 1. August 2013 gilt, findet diese Neuregelung auch auf den vorliegenden Fall Anwendung, da der Beschluss des
Sozialgerichts auf den 4. Dezember 2014 datiert.
Die Übergangsregelung des § 60 Abs. 1 RVG führt zu keinem anderen Ergebnis. Danach ist die Vergütung nach bisherigem Recht zu berechnen, wenn der unbedingte Auftrag
zur Erledigung derselben Angelegenheit im Sinne des § 15 vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung erteilt oder der Rechtsanwalt
vor diesem Zeitpunkt bestellt oder beigeordnet worden ist. Diese Regelung findet jedoch allein auf die Gebührenregelungen
Anwendung, nicht auf sonstige Regelungen. Dies verdeutlicht der Wortlaut der Vorschrift, der nur von der "Berechnung der Vergütung"
spricht. Verfahrensvorschriften, wie etwa § 1 Abs. 3 RVG, werden daher von dieser Übergangsregelung nicht erfasst. Für sie gilt, dass nach den allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen
Prozessrechts die verfahrensrechtlichen Gesetzesänderungen auf anhängige Festsetzungsverfahren anzuwenden sind. Der Wert des
Beschwerdegegenstandes übersteigt auch 200,00 EUR.
Die Beschwerde ist jedoch nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Der Beschwerdeführer kann nur in einem
geringeren Umfang eine höhere als die festgesetzte Kostenerstattung verlangen.
Auch im Beschwerdeverfahren legt der Beschwerdeführer, wie bereits vorher im Erinnerungsverfahren, keine Begründung vor. Daher
kann der Senat, ebenso wie das Sozialgericht, nur grob eine Überprüfung der Kostenfestsetzung vornehmen. Diese grobe Überprüfung
führt dazu, dass der Kostenansatz durch den Beschwerdeführer unbillig und damit zu korrigieren ist.
Die Verfahrensgebühr der hier anzuwendenden Nr. 3103 VV-RVG in der damaligen Fassung ist in sozialgerichtlichen Streitigkeiten eine Rahmengebühr und betrug 20,00 bis 320,00 EUR. Die
Mittelgebühr betrug daher 170,00 EUR. Die Verfahrensgebühr deckt das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information
ab. Setzt man die Kriterien des § 14 RVG ins Verhältnis zur Rahmengebühr, dann ist die Mittelgebühr immer nur dann angebracht, wenn der zeitliche Aufwand und die
Intensität der Arbeit für den Rechtsanwalt einen durchschnittlichen Aufwand erfordert haben und die übrigen Kriterien des
§ 14 entweder für sich oder zusammen dem Durchschnitt entsprechen. Das ist hier nicht der Fall.
Das normale sozialgerichtliche Verfahren läuft so ab, dass der Kläger durch seinen Anwalt eine Klageschrift einreicht und
sich dann ein Schriftwechsel zwischen den Beteiligten entwickelt. Sehr häufig erfolgen in sozialgerichtlichen Verfahren gerichtliche
Ermittlungen, zu denen die Beteiligten Stellung beziehen können. Solche Ermittlungen sind hier nicht durchgeführt worden.
Allerdings kann auch Gegenstand des Schriftwechsels eine rechtliche Erörterung der Streitsache sein. Die Klagebegründung umfasste
insgesamt sechs Seiten, wovon sich der überwiegende Teil auf die Durchführung des Verfahrens bezog und die Wiedergabe eines
Urteils des Bundessozialgerichts enthielt. Dem vorangegangen war ein etwas über zweiseitiger Schriftsatz, der im Wesentlichen
die Wiedergabe der Gesetzesbegründung des §
102 SGG zum Inhalt hatte. Ein Schriftwechsel zur Sache fand nicht mehr statt. Es erfolgte lediglich noch die Mitteilung über den
Vergleichsabschluss. Danach sind der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit nach Auffassung des Senats mit
knapp unterdurchschnittlich zu bewerten. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin liegen klar unter dem Durchschnitt.
Die Bedeutung der Angelegenheit für die Klägerin liegt ebenfalls unter dem Durchschnitt. In einer Vielzahl sozialgerichtlicher
Verfahren geht es um Existenzsicherungsleistungen. So ist ein Großteil der Verfahren auf Lohnersatzleistungen wie Renten,
Krankengeld oder Arbeitslosengeld gerichtet. Gerade solche Existenzsicherungsleistungen stellen den Regelfall sozialgerichtlicher
Verfahren dar (vgl. Beschluss des Senats vom 17. Januar 2014 - L 5 SF 8/13 E). Dabei handelt es sich sehr häufig bis regelmäßig um fortlaufende Leistungen. Dies gilt auch für den Bereich des SGB XII und des SGB II. In diesem Zusammenhang ist hier zu berücksichtigen, dass sich der Streitgegenstand auf einen abgeschlossenen, mehrere Jahre
(fünf Jahre vor Klageerhebung) zurückliegenden Zeitraum bezog. Liegen damit sämtliche Kriterien unterdurchschnittlich, ist
die Verfahrensgebühr hier mit 2/3 der Mittelgebühr (114,00 EUR) angemessen.
Die Reduzierung des Ansatzes der Termins- und Erledigungsgebühr begründet die Urkundsbeamtin bzw. der Kostenprüfungsbeamte
im Wesentlichen damit, dass insgesamt 10 gleichgelagerte Einzelfälle Gegenstand waren. Dies wird vom Beschwerdeführer nicht
bestritten. Der Senat hat bereits in seinem Beschluss u. a. vom 15. Januar 2014 (L 5 SF 12/13) die Berücksichtigung der Durchführung mehrerer Verfahren und es damit einhergehenden Synergie-Effekts als gebührenmindernd
angesehen. In diesem Zusammenhang hat er ausgeführt, dass maßgebend für den Umfang der anwaltlichen Tätigkeit als wesentlicher
Bestimmungsfaktor der Gebühr der zeitliche Aufwand, den der Rechtsanwalt tatsächlich in der Sache betrieben hat und den er
davon objektiv auch für die Sache verwenden musste, ist. Deshalb unterliegt es keinem Zweifel, das Parallelverfahren, noch
zudem mit, wie hier, den gleichen Beteiligten, grundsätzlich Arbeitserleichterungen beinhalten. Dies ist bei der Bemessung
der billigen Gebühr des Rechtsanwalts zu berücksichtigen. Allerdings ist den dem Senat vorliegenden Verfahren L 5 SF 20/15 B E und L 5 SF 21/15 B E zu entnehmen, dass hier andere Streitgegenstände vorlagen und entsprechend unterschiedlich vorgetragen wurde, so dass
der Synergie-Effekt nur gering wirkt. Gleichwohl ist der Ansatz der Mittelgebühr bei der Einigungsgebühr durch den Beschwerdeführer
vor dem Hintergrund unbillig, dass Schwierigkeit und Umfang sowie die Bedeutung der Sache und die Vermögensverhältnisse der
Klägerin unterdurchschnittlich sind. Der Senat sieht keinen Anlass, hinsichtlich der Bemessung dieser Gebühr von der Bemessung
der Verfahrensgebühr abzuweichen und kommt daher ebenfalls zu einer Reduzierung der Einigungsgebühr auf 2/3 der Mittelgebühr
(127,00 EUR).
Die Festsetzung der Terminsgebühr auf die Mindestgebühr sieht der Senat ebenso wie die Urkundsbeamtin und der Kostenprüfungsbeamte
in Anbetracht der in einer Telefonat erledigten zehn Verfahren als angemessen an. Die Gebührenhöhe der Nr. 3106 VV-RVG bestimmt sich nämlich danach, in welcher Höhe voraussichtlich eine Terminsgebühr entstanden wäre (Hartmann, Kostengesetze,
Nr. 3106 VV-RVG Rz. 2). Damit berechnen sich die zu erstattenden Kosten wie folgt:
Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG
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114,00 EUR
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Einigungsgebühr Nr. 1006 VV-RVG
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127,00 EUR
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Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG
|
20,00 EUR
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Auslagenpauschale Nr. 7002 VV-RVG
|
20,00 EUR
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Umsatzsteuer
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53,39 EUR
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Gesamtsumme
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334,39 EUR.
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Dieser Beschluss ist nach § 56 Abs. 2 Satz 2 RVG gebührenfrei.
Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 3 RVG).
Die Entscheidung ist unanfechtbar (§
177 SGG).