Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Kostenübernahme für die Behandlung des Sohnes der Kläger (im Folgenden: Versicherter) mit
onkolytischen Viren in Ungarn und Deutschland streitig.
Der 1989 geborene Versicherte war bei der Beklagten familienversichert. Er war an einem ausgedehnten Astrozytom WHO Grad III
erkrankt und wurde seit dem 15. November 2002 im Universitätsklinikum J. Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, im Oktober
2003 im St. G. Krankenhaus B. und vom 26. bis 29. Februar 2004 im Krankenhaus B. B. R. Klinik St. H. behandelt. Dort verstarb
er am 29. Februar 2004.
Am 12. Mai 2003 beantragten die behandelnden Ärzte des Universitätsklinikums J. Klinik für Kinder- und Jugendmedizin für den
Versicherten unter Übersendung eines Berichtes vom 8. Mai 2003, einem Anschreiben des U. C. R. Institute (im Folgenden: UCRI)
A./USA vom 7. Mai 2003 und weiteren undatierten Berichten die Kostenübernahme für eine Therapie mit den onkolytischen Viren
MTH-68/H, einem Stamm des Newcastle disease Virus (NDV). Im Fax vom 7. Mai 2003 hatte das UCRI den Klägern mitgeteilt, gegenwärtig
gebe es in Ungarn keine klinischen Tests. Patienten müssten sich in einem Hotel (zwei Wochen) aufhalten, wohin sich der Arzt
Dr. St. B. täglich zur Behandlung begebe. Die Medikation werde intravenös verabreicht und/oder durch Inhalationen unter Verwendung
eines Nebulizers. Beide Methoden würden während des Aufenthaltes in B. bekannt gemacht. Dort werde auch die Dosis und die
anzuwendende Stärke bestimmt. Die Teilnahmekosten beliefen sich auf 5.000 $. Eine medikamentöse Folgebehandlung werde separat
abgerechnet und koste ungefähr 800 $ monatlich. Für Laboruntersuchungen und für andere notwendige Tests werde der Patient
im Krankenhaus oder im Labor sein. In weiteren Berichten wird beschrieben, dass es sich bei MTH-68/H um einen abgeschwächten,
nicht pathogenen, hoch verarbeiteten und gereinigten Virusimpfstoff (Vakzine) handle, der einen immunbiologischen Ansatz für
die Behandlung von Krebs ermögliche. Obwohl der genaue Mechanismus des Vorganges der onkolytischen Auswirkung (das Absterben
von Krebszellen) weiter untersucht werde, sei bereits deutlich geworden, dass die Virustherapie eine Apoptosie (die Selbstzerstörung
von Zellen) der Tumorzellen bewirke, als auch eine immunstimulierende Wirkung habe. Die Therapie mit MTH-68/H werde denjenigen
Patienten angeboten, die alle anderen Arten von Krebstherapien ausgeschöpft haben. Nach dem Bericht des Universitätsklinikums
J. vom 8. Mai 2003 steht nach dem primären multimodalen Therapieansatz - Tumorresektion, Bestrahlung und systemische Chemotherapie
-, bei einem Progress unter laufender Therapie keine kurative Therapie zur Verfügung. Der Wert der aktuellen Therapie, die
Gabe von Valproinsäure und CCNU (=Chlorethyl-Cyclohexyl-Nitroso-Urea), die eine Ausreifung der embryonalen Tumorzellen bewirken
solle, werde derzeit überprüft, sei jedoch als Palliativmaßnahme zu werten. Das Bemühen des Vaters des Versicherten, einen
experimentellen Therapieansatz mit kurativem Ziel zu finden, solle unterstützt werden. Die Kläger begaben sich mit dem Versicherten
nach Ungarn, wo ab dem 14. Mai 2003 die Therapie mit dem Tumorimpfstoff MTH-68/H erfolgte. Weitere Unterlagen legten die Kläger
hierzu nicht vor.
Die Beklagte holte ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Thüringen e.V. vom 26. Mai 2003
ein, wonach aufgrund des ungesicherten therapeutischen Erfolges der beantragten Methode die Wirtschaftlichkeit dieser Behandlungsform
nicht belegt werden kann. Es sei nicht vorhersehbar, ob durch den Einsatz dieser experimentellen Therapiemethode die Lebensqualität
des Versicherten verbessert werden könne. Die Durchführung könnte im Rahmen einer Studie erfolgen, was jedoch keine Leistungspflicht
der Krankenkasse auslöse. Mit Bescheid vom 10. Juni 2003 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme ab und führte aus, eine Abrechnung
nach dem ungarischen Sozialversicherungsrecht sei nicht möglich, weil die Bezahlung auf das Konto des UCRI in die USA erfolgen
solle. Eine Kostenübernahme nach deutschem Recht sei ebenfalls ausgeschlossen. Im Widerspruchsverfahren beantragten die Kläger,
die Kosten für die Weiterbehandlung in Deutschland in Höhe von 3.596,88 EUR zu erstatten. Der Zustand des Versicherten habe
sich nach der Behandlung in B. erheblich verbessert. Die Therapie werde bereits im Inland ohne Schwester und ohne Klinik fortgesetzt.
Über einen Hickman-Katheter werde täglich MTH-68/H verabreicht. Seitdem habe sich der Zustand des Versicherten täglich verbessert.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. April 2004 wies die Beklagte den Antrag auf Übernahme der Kosten für die Behandlung mit onkolytischen
Viren durch Dr. St. B. sowie die hierzu gehörende medikamentöse Weiterbehandlung in der Bundesrepublik Deutschland über das
UCRI zurück. Der Anspruch auf Leistungen habe für die Dauer des Aufenthalts in Ungarn nach §
18 des
Fünften Buches Sozialgesetzbuch (
SGB V) geruht. Bei der durchgeführten Behandlung habe es sich nicht um eine Untersuchungs- und Behandlungsmethode gehandelt, über
deren Wirksamkeit und Zweckmäßigkeit in der medizinischen Wissenschaft Konsens bestehe. Eine Kostenerstattung komme nicht
in Betracht, wenn die im Ausland angewandte Methode in den einschlägigen Fachkreisen (noch) nicht allgemein anerkannt sei.
Aus den gleichen Gründen sei die Behandlung mit MTH-68/H auch im Inland nicht erstattungsfähig. Im Klageverfahren haben die
Kläger vorgetragen, die Therapie habe das Stadium der Forschung längst überschritten. Es habe sich um einen zulässigen Off-Label-Use
gehandelt. Eine Verordnung über das Arzneimittel sei weder durch Dr. B. in Ungarn noch durch Prof. Dr. W. ausgestellt worden.
Sie hätten sich die erforderlichen Arzneimittelmengen in Ungarn selbst besorgt. Nach dem Schreiben des leitenden Arztes der
Abteilung pädiatrische Hämatologie und Onkologie des Krankenhauses B. B., Klinik Sankt H. der Universität R. Prof. Dr. W.
war der Tumor schon einen Monat nach Beendigung der Bestrahlung progredient. In Folge habe man sich zu einer sehr milden Chemotherapie
und einer experimentellen Therapie mit Valproinsäure entschlossen. Eine Verbesserung habe sich jedoch erst nach Beginn der
Therapie mit NDV im Mai 2003 ergeben. Die Kläger haben mehrere Bescheinigungen über Zahlungen an das UCRI eingereicht: 4.
September 2003 über 12.354 $, 15. September 2003 über 3.818 EUR, 18. Januar 2005 über 3.818 EUR. Die Beklagte hat an ihrer
Ansicht festgehalten, dass es sich um eine experimentelle Therapiemethode handle. Selbst wenn den Klägern tatsächlich Kosten
entstanden seien, könnten sie nicht erstattet werden, weil es sich um Kosten Dritter bzw. von Lieferanten handle, die keine
Leistungserbringer im Sinne des
Fünften Buches Sozialgesetzbuch (
SGB V) seien. Die Behandlung in Ungarn habe zudem bereits vor dem ablehnenden Bescheid vom 10. Juni 2003 begonnen.
Das Sozialgericht (SG) hat eine Auskunft des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 10. Dezember 2007 eingeholt. Danach war die Anwendung valproinsäurehaltiger
Arzneimittel (in Kombination mit onkolytischen viralen Vakzinen) zur Behandlung pädiatrischer höhergradiger Gliome bisher
nicht Gegenstand einer Beauftragung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss bzw. einer Bewertung durch die Expertengruppe Off-Label.
In dem am 24. Februar 2010 beim SG eingegangenen Gutachten hat Prof. Dr. Ch. ausgeführt, aufgrund der geringen Fallzahl der bisher mit MTH-68/H therapierten
Kinder mit höhergradigen Gliomen, dem Fehlen von Kontrollgruppen und der zum Teil überlappenden Therapien sei es schwierig,
die Effektivität der MTH-68/H Therapie zu beurteilen. Nach der ergänzenden Stellungnahme vom 8. März 2011 hat vor 2003 keine
prospektive, kontrollierte Studie zur Kombinationstherapie von MTH-68/H mit Valproat bei pädiatrischen höhergradigen Gliomen
vorgelegen, die eine Aussicht auf kurative oder palliative Wirkung einer Kombinationstherapie begründen konnte. Nach 2003
(in 2006) werde über eine Kombinationstherapie von MTH-68/H und Valproat berichtet, die mit einem palliativen Behandlungserfolg
durchgeführt wurde. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat unter dem 24. Oktober 2011 mitgeteilt,
zur Kombinationstherapie bei pädiatrischen höhergradigen Gliomen mit onkolytischen viralen Vakzinen des Typs MTH-68/H und
oral verabreichter Valproinsäure bzw. einer Zulassung dieser beiden Bestandteile in einem Arzneimittel lägen keinerlei Erkenntnisse
vor. Zurzeit seien, soweit bekannt, keine Tumorimpfstoffe durch das Paul-Ehrlich-Institut zugelassen.
Mit Urteil vom 14. Dezember 2011, zugestellt am 28. Dezember 2011, hat das SG die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 10. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. April 2004
verurteilt, die anlässlich der Behandlung des Versicherten durch Dr. St. B. in Ungarn entstandenen Kosten der Behandlung mit
onkolytischen Viren des Typus MTH-68/H und oral verabreichter Valproinsäure zu erstatten und im Übrigen die Klage abgewiesen.
Die Kombinationstherapie habe dem Versicherten von der Beklagten ausnahmsweise als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung
gewährt werden müssen, obwohl die auch im Rahmen des §
13 Abs.
3 SGB V erforderliche Arzneimittelzulassung nicht vorgelegen habe. Die einschlägigen Regelungen des Leistungsrechts der gesetzlichen
Krankenversicherung zur Arzneimittelversorgung bedürften in Fällen der vorliegenden Art aufgrund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts
vom 6. Dezember 2005 (Az.: 1 BvR 347/98, nach juris) einer weitergehenden verfassungskonformen Auslegung. Die Einfuhr der Medikamente nach der Behandlung in Ungarn
sei arzneimittelrechtlich nicht zulässig gewesen; im Übrigen sei die Behandlung auch nicht mehr durch einen Facharzt durchgeführt
worden.
Hiergegen hat die Beklagte am 20. Januar 2012 und die Kläger am 31. Januar 2012 Berufung eingelegt. Die Beklagte verweist
auf ihr Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren. Die Voraussetzungen, die das Bundesverfassungsgericht für die Anwendung
einer unkonventionellen Behandlungsmethode aufgestellt habe, lägen nicht vor. Schließlich dürften mit einer Auslandsbehandlung
auch keine gesetzlichen Gebote oder Verbote wie z.B. im Arzneimittelrecht umgangen werden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 14. Dezember 2011 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen sowie die Berufung
der Kläger zurückzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen und das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 14. Dezember 2011 dahingehend abzuändern,
dass die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 10. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. April
2004 verurteilt wird, ihnen die entstandenen Kosten für die Behandlung des Versicherten in Höhe von 26.354,47 EUR zu erstatten.
Die Kläger tragen vor, die Verabreichung der nach Deutschland eingeführten Medikamente sei durch Dr. St. B. angeordnet worden.
Die Klägerin sei durch diesen in Bezug auf die Medikamentierung unterwiesen worden. Mit ihm sei telefonisch fortlaufend der
Gesundheitszustand des Versicherten, der sich seit der Behandlung mit den Viren unter Kontrolle der Universitätsklinik J.
befunden habe, erörtert worden. Weitere Behandlungsunterlagen aus den USA lägen ihnen nicht vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte
der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet, die Berufung der Kläger ist unbegründet.
Die Kläger sind Sonderrechtsnachfolger des Versicherten nach §
56 Abs.
1 Nr.
3 des
Ersten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB I). Sie haben keinen Anspruch auf Erstattung der hier geltend gemachten Kosten. Der Bescheid der Beklagten vom 10. Juni 2003
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. April 2004 ist rechtmäßig und verletzt sie nicht in ihren Rechten.
Klarzustellen ist zunächst, dass hier nur die Erstattung von Kosten für die Behandlung des Versicherten mit MTH-68/H streitig
ist. Für den Senat ist nicht ersichtlich, dass den Klägern durch die im Universitätsklinikum J. angewandte Palliativtherapie
mit Valproinsäure und CCNU Kosten entstanden sind. Zu differenzieren ist weiterhin zwischen Kosten für die Behandlung in Ungarn
(dazu unter a) und der weitergeführten Behandlung in Deutschland (dazu unter b), wobei aus den von den Klägern eingereichten
Unterlagen nicht ersichtlich ist, ob sie überhaupt Kosten für die Behandlung in Ungarn geltend machen.
a) Ansprüche aus zwischenstaatlichem Recht können die Kläger für die im Mai Jahr 2003 erfolgte Behandlung des Versicherten
nicht herleiten. Das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Ungarn über Soziale Sicherheit vom
2. Mai 1998 (BGBl II 1999 Seite 902) ist am 1. Mai 2000 in Kraft getreten (BGBl II 2000 Seite 644). Es ist nicht ersichtlich, dass die Kläger Sachleistungen der Nationalen Kasse für Gesundheitsversicherung (vgl. Art. 16
des Abkommens) in Anspruch genommen haben. Der sie betreuende Arzt Dr. St. B. hatte keine Rechnung bezüglich seiner Leistungen
gestellt. Kosten für Laboruntersuchungen oder Krankenhauskosten in Ungarn werden ebenfalls nicht konkret in Rechnung gestellt.
Sie wurden pauschal durch das UCRI in Rechnung gestellt. Damit richtet sich der Anspruch der Kläger ausschließlich nach dem
innerstaatlichen Krankenversicherungsrecht.
Nach §
11 Abs.
1 Nr.
4 SGB V i.V.m. §
27 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre
Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Der Versicherte, der an einem Astrozytom WHO Grad III erkrankt
war, gehörte zu dem Personenkreis mit Anspruch auf Krankenbehandlung. Solange sich der Versicherte im Ausland aufhält, ruht
nach §
16 Abs.
1 Nr.
1 SGB V der Anspruch auf Leistungen. Von dieser Regelung kennt das Gesetz jedoch Ausnahmen. Nach §
18 Abs.
1 Satz 1
SGB V kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung ganz oder teilweise übernehmen, wenn eine dem allgemein anerkannten
Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur außerhalb des Geltungsbereichs des Vertrages
zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich ist. Weitergehend
lässt die Regelung auch - nach entsprechender vorheriger Antragstellung und (rechtswidriger) Ablehnung der Kostenübernahme
durch die Krankenkasse - eine Kostenerstattung zu. Die Ausweitung der Rechtsfolge auf Kostenerstattung beruht darauf, dass
§
18 SGB V mit dem Anspruch auf Kostenübernahme zunächst den Primärleistungsanspruch auf Krankenbehandlung in den Blick nimmt, wenn
qualitätsgerecht lediglich eine Auslandsbehandlung möglich ist. Die Art und Weise, in welcher die Krankenkasse den Primärleistungsanspruch
auf Krankenbehandlung erfüllt, bleibt dabei offen (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 6. März 2012 - Az.: B 1 KR 17/11 R, nach juris). Der Versicherte beantragte am 13. Mai 2003 bei der Beklagten die Kostenübernahme, nahm aber bereits am 14.
Mai 2003 die Behandlung in Ungarn in Anspruch.
Im Ausnahmefall kann ein Versicherter - wie hier für die Behandlung im Mai 2003 - auch nach Antragstellung bei seiner Krankenkasse
Kostenerstattung beanspruchen, obwohl die Krankenkasse den Antrag noch nicht (rechtswidrig) abgelehnt hat. Das Gesetz geht
zwar für den Regelfall davon aus, dass Versicherte sich vor Inanspruchnahme der Behandlung im Ausland an ihre Krankenkasse
wenden, die Leistung beantragen (§
19 des
Vierten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB IV)) und die Entscheidung der Krankenkasse hierüber abwarten. Das unterstreicht auch die Wertung des §
18 Abs.
3 Satz 1
SGB V, der eine Vorabbefassung der Krankenkassen sicherstellt. Das
SGB V verpflichtet die Krankenkasse zudem ausdrücklich vor Durchführung der Maßnahme, durch den MDK prüfen zu lassen, ob die begehrte
Krankenbehandlung nur im Ausland möglich ist (§
275 Abs.
2 Nr.
3 SGB V). Auch für Behandlungen im Ausland gilt daher der Grundsatz, dass der Krankenkasse eine Möglichkeit zur Überprüfung des Leistungsbegehrens
einzuräumen ist, bevor dem Versicherten erlaubt wird, sich die benötigte Leistung außerhalb des Sachleistungssystems selbst
zu beschaffen. Kommt die Krankenkasse ihrer Pflicht aus §
275 Abs.
2 Nr.
3 SGB V nicht zeitgerecht nach, haben Versicherte dem Rechtsgedanken des §
13 Abs.
3 Satz 1 Alt. 1
SGB V entsprechend Anspruch auf Kostenerstattung für selbstbeschaffte Krankenbehandlung, die nach dem allgemein anerkannten Stand
der medizinischen Erkenntnisse nur im Ausland erbringbar ist, wenn die Krankenkassen diese Leistungen nicht rechtzeitig erbringen,
sie aber nach vollständigem Antrag und umgehender MDK-Überprüfung hätten erbringen können und die Behandlung unaufschiebbar
ist. Unaufschiebbarkeit liegt vor, wenn ein Zuwarten dem Versicherten aus medizinischen Gründen unzumutbar ist, weil der angestrebte
Behandlungserfolg zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr eintreten kann oder aus anderen medizinischen Gründen ein auch nur
vorübergehendes weiteres Zuwarten nicht mehr zumutbar ist. §
18 Abs.
1 SGB V ist zwar darauf ausgerichtet, Versicherten nach Antrag und Überprüfung zeitgerecht die Krankenbehandlung zu gewähren, die
nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse nur im Ausland erbringbar ist. Die sich aus §
18 SGB V ergebenden Anforderungen an die Mitwirkungsobliegenheiten des Versicherten sind aber nicht geringer als nach §
13 Abs.
3 SGB V (vgl. BSG, Urteil vom 6. März 2012 - Az.: B 1 KR 17/11 R, nach juris). Da sich der Versicherte durch das vollständige Verlassen des inländischen (und EG-/EWR) Leistungserbringungssystems
des dadurch gewährten Schutzes begibt, muss die Krankenkasse, mehr noch als im Rahmen von §
13 Abs.
3 SGB V, in der Lage sein, den Leistungsfall, insbesondere seinen Status quo ante, zu prüfen bzw. überprüfen zu lassen (vgl. Noftz
in Hauck, Sozialgesetzbuch SGB, Gesetzliche Krankenversicherung, Kommentar, § 18 Rn. 19, Stand November 2014).
Die Voraussetzungen für ein Abweichen von dem Grundsatz, dass der Versicherte die Entscheidung der Beklagten abwarten muss,
liegen hier nicht vor. Die Beklagte beauftragte unmittelbar nach Eingang des Antrags des Versicherten am 12. Mai 2003, am
15. Mai 2003 den MDK mit der Begutachtung. Das Gutachten des MDK datiert vom 26. Mai 2003, der ablehnende Bescheid der Beklagten
vom 10. Juni 2003. Am 15. Mai 2003 befanden sich die Kläger mit dem Versicherten bereits in Ungarn. Insoweit ist ersichtlich,
dass sie sich unabhängig von der Entscheidung der Beklagten nach Ungarn begeben haben, um die Behandlung in Anspruch zu nehmen.
Eine Vorabbefassung mit dem Antrag hat der Versicherte der Beklagten nicht ermöglicht. Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten
für die Behandlung in Ungarn besteht daher nicht.
Darüber hinaus fehlt es auch an den weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen des §
18 Abs.
1 SGB V für eine volle oder teilweise Kostenübernahme bzw. des insoweit bestehenden Entschließungsermessens der Beklagten. Voraussetzung
ist, dass eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung nur im Ausland möglich
ist. Damit formuliert das Gesetz zwei Bedingungen, eine negative und eine positive, die kumulativ erfüllt sein müssen: Im
EU-/EWR (einschließlich Deutschland) Inland darf keine diesem Stand entsprechende Behandlung möglich sein; hier muss also
eine Versorgungslücke bestehen. Die beabsichtigte Behandlung in einem Land außerhalb dieses Bereiches muss diesem Stand entsprechen,
d.h. die Versorgungslücke schließen können (vgl. Noftz in Hauck, Sozialgesetzbuch SGB, Gesetzliche Krankenversicherung, Kommentar,§
18 Rn. 14, m.w.N.). Ein im Rahmen von §
18 SGB V erhebliches Versorgungsdefizit liegt grundsätzlich erst dann vor, wenn für die jeweilige Krankheit im (EU-/EWR-) Inland überhaupt
keine, also auch keine alternative Behandlungsmethode zur Verfügung steht, die dem Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht.
Hinsichtlich des Behandlungsstandards knüpft §
18 Abs.
1 Satz 1
SGB V begrifflich und funktional an §
2 Abs.
1 Satz 3
SGB V an. Dieser ist erfüllt, wenn die "große Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte, Wissenschaftler)" die Behandlungsmethode
befürwortet und von einzelnen, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, über die Zweckmäßigkeit der Therapie Konsens
besteht. Dieses setzt im Regelfall voraus, dass über Qualität und Wirksamkeit der neuen Methode - die in ihrer Gesamtheit
und nicht nur in Bezug auf Teilaspekte zu würdigen ist - zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden
können. Der Erfolg muss sich aus wissenschaftlich einwandfrei durchgeführten Studien über die Zahl der behandelten Fälle und
die Wirksamkeit der Methode ablesen lassen. Die Therapie muss in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von
Behandlungsfällen erfolgreich gewesen sein (vgl. BSG, Urteil vom 7. Mai 2013 - Az.: B 1 KR 26/12 R, nach juris). Unabhängig davon, dass eine Behandlung des Versicherten in Deutschland nach dem Tumorprogress seit dem 11.
April 2003 mit einer leichten Chemotherapie mit CCNU und Valproinsäure erfolgte, entsprach seine Behandlung mit MTH-68/H nicht
dem Behandlungsstandard. Nach dem Gutachten des Prof. Dr. Ch. aus dem Jahr 2010 lagen auch in diesem Jahr keine gesicherten,
auf kontrollierten klinischen Studien beruhende Erkenntnisse zur Therapie höhergradiger Gliome bei Kindern mit MTH68/H vor.
In der Literatur wurden nur Therapieversuche in Form von selektierten Einzelfallberichten beschrieben. Nach 2003 (erst in
2006) wurde über eine Kombinationstherapie von MTH-68/H und Valproat mit einem palliativen Behandlungserfolg berichtet. Über
die Wirksamkeit zur Kombinationsbehandlung von MTH-68/H und Valproat auf zellulärer Ebene gab es keine publizierten Daten.
Die Kläger könnten sich im Ergebnis auch nicht auf eine grundrechtsorientierte Auslegung des §
18 Abs.
1 Satz 1
SGB V zu ihren Gunsten berufen. Der 3. Senat des Bundessozialgerichts hat nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG)
vom 6. Dezember 2005 (Az.: 1 BvR 347/98, nach juris) seine Rechtsprechung zum Leistungs- und Kostenerstattungsanspruch dahingehend fortentwickelt, dass der Anspruch
auch dann besteht, wenn für Versicherte eine nach Inlandsmaßstäben grundrechtsorientierte Leistungsbestimmung in der gesetzlichen
Krankenversicherung zu beanspruchende Leistung nur im Ausland möglich ist. Die grundrechtsorientierte Auslegung einer Regelung
des
SGB V über einen Anspruch auf Übernahme einer Behandlungsmethode zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) setzt voraus,
dass folgende drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: 1. Es liegt eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende
Erkrankung oder wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung vor. 2. Bezüglich dieser Krankheit steht eine allgemein anerkannte,
medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung. 3. Bezüglich der beim Versicherten ärztlich angewandten
(neuen, nicht allgemein anerkannten) Behandlungsmethode besteht eine "auf Indizien gestützte", nicht ganz fern liegende Aussicht
auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf (vgl. BSG, Urteil vom 7. Mai 2013 - Az.: B 1 KR 26/12 R, nach juris). Diese Voraussetzungen liegen nicht alle vor.
Bei dem Versicherten bestand eine lebensbedrohliche Erkrankung. Nach dem Arztbrief des Universitätsklinikums J. vom 8. Mai
2003 war die am 11. April 2004 begonnene Behandlung des Versicherten mit CCNU und Valproinsäure als Palliativmaßnahme zu werten.
Eine kurative Behandlungsmethode stand nicht mehr zur Verfügung. Ein Anspruch auf eine Alternativbehandlung kommt dann nur
in Betracht, wenn die auf Indizien gestützte Aussicht auf einen über die palliative Standardtherapie hinausreichenden Erfolg
besteht. Rein experimentelle Behandlungsmethoden, die nicht durch hinreichende Indizien gestützt werden, reichen hierfür nicht
aus (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2013 - Az.: 1 BvR 2045/12, nach juris).
Die Kläger versprachen sich von der Behandlung des Versicherten mit MTH-68/H eine kurative Wirkung. Seine behandelnden Ärzte
im Universitätsklinikum J. bezeichnen den Therapieansatz im Brief vom 8. Mai 2003 als experimentell. Nach Überzeugung des
Senats lagen für einen kurative Behandlungserfolg keine hinreichenden Indizien vor. Es ist bereits fraglich, ob das die Impfstofftherapie
mit MTH-68/H anbietende UCRI zum maßgebenden Zeitpunkt des Behandlungsbeginns im Jahr 2003 davon ausging, dass mit der Therapie
ein kurativer Behandlungserfolg erzielt werden konnte. In einem dem Antrag beigefügten Bericht wird ausgeführt, die Virustherapie
nehme eine wichtige Schlüsselposition als Quelle für die zukünftige Richtung in der Krebsbehandlung ein. Auf dem Gebiet der
Virenonkotherapie sei die MTH-68/H Behandlung ein sehr viel versprechender Durchbruch. Nach einem weiteren Bericht erfahren
die Patienten eine Verbesserung ihrer Lebensqualität, die Überlebensrate habe verlängert werden können. Von einem kurativen
Behandlungserfolg ist damit nicht die Rede. Die im Gutachten des Prof. Dr. Ch. beschriebenen Veröffentlichungen in der Literatur
zur Therapie mit MTH-68/H in der pädiatrischen Onkologie bei Kindern beschränken sich bis 2001 auf drei selektierte Einzelfallberichte,
aus denen keine allgemeinen Aussagen abgeleitet werden können. Erst im Jahr 2006 wurde ein weiterer Fallbericht veröffentlicht.
Für den Virusstamm MTH-68/H konnte in Zellkultur- und Tiermodellen eine gute antitumorale Wirkung nachgewiesen werden. Bereits
dort zeigte sich aber, dass die Wirkung von der Dosis intakter Viren am Wirkort abhängig ist. Ein Vergleich zwischen peripherer
intravenöser und intratumoraler Applikation replikationskompetenter Viren zeigte eine eindeutig verbesserte Wirksamkeit bei
intratumoraler Applikation, dagegen die peripher-venöse Applikation einen nur geringen bis gar keinen Effekt auf das Tumorwachstum.
Aufgrund der geringen Fallzahl der bislang mit MTH-68/H therapierten Kinder mit höhergradigen Gliomen, dem Fehlen von Kontrollgruppen
und der zum Teil überlappenden Therapien sei es schwierig, die Effektivität der MTH-68/H Therapie zu beurteilen. Dennoch suggeriert
die in vitro und in Einzelfällen auch in vivo nachgewiesene antitumorale Wirksamkeit der Therapie einen potentiellen klinischen
Wert. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 8. März 2011 hat der Sachverständige darauf hingewiesen, dass erst nach 2003
(in 2006) über eine Kombinationstherapie von MTH-68/H und Valproat berichtet wird, die mit einem palliativen Behandlungserfolg
durchgeführt wurde. 2003 konnte nachgewiesen werden, dass MTH-68/H den apoptischen Zelltod in einer PC12 Ratten Pheochromozytom
Zelllinie induzieren kann. Es wurde daher vermutet, dass der programmierte Zelltod eine Folge der Infektion mit MTH-68/H sein
könnte. Angaben zu Zelllinien höhergradiger Hirntumore existierten nicht. Erst nach 2003 konnte die Wirksamkeit der Behandlung
von Tumorzellen mit MTH-68/H eingehender gezeigt werden. Ob MTH-68/H allein oder in Kombination (z.B. mit Valporat) signifikant
häufiger zu Tumorregressionen (genaue Angaben zum Prozentsatz solcher Tumore gibt es nicht) und zu einer signifikanten Verlängerung
der Überlebenszeit führe (auch hierzu gibt es keine Überlebenswahrscheinlichkeitsangaben), sei bisher noch nicht gezeigt worden.
Hinreichende Indizien für einen zu erwartenden kurativen Behandlungserfolg, der über die mit Mitteln der Schulmedizin erreichbaren
palliativen Nutzen hinausgeht, lagen danach bei der hier erfolgten Applikation der MTH-68/H über einen Hickman-Kathether -
ohne intraturmorale Applikation - nicht vor. Es handelte sich um eine rein experimentelle Therapie. Hierfür sprechen auch
die sonstigen Umstände der Therapie: Applikation der MTH-68/H Viren im Hotel, Applikation der MTH-68/H Viren durch die Kläger
selber ohne ärztliche Aufsicht.
b) Die Voraussetzungen für die in Deutschland durch die Kläger selbst weitergeführte Therapie liegen ebenfalls nicht vor.
Rechtsgrundlage hierfür ist §
13 Abs.
3 SGB V. Danach ist eine Krankenkasse zur Kostenerstattung verpflichtet, wenn sie eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig
erbringen konnte oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und dem Versicherten dadurch für die selbstbeschaffte Leistung
Kosten entstanden sind. Wie sich aus §
13 Abs.
1 SGB V ergibt, tritt der Kostenerstattungsanspruch an die Stelle des Anspruchs auf eine Sach- oder Dienstleistung; er besteht deshalb
nur, soweit die selbst beschaffte Leistung ihrer Art nach zu den Leistungen gehört, die von den gesetzlichen Krankenkassen
als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen sind (vgl. BSG, Urteil vom 4. April 2006 - Az.: B 1 KR 7/05 R, m.w.N., nach juris). Mit der Durchbrechung des Sachleistungsgrundsatzes (§
2 Abs.
2 SGB V) trägt §
13 Abs.
3 SGB V dem Umstand Rechnung, dass die gesetzlichen Krankenkassen eine umfassende medizinische Versorgung ihrer Mitglieder sicherstellen
müssen (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1, §
27 Abs.
1 Satz 1, §
70 Abs.
1 Satz 1
SGB V) und infolgedessen für ein Versagen des Beschaffungssystems - sei es im medizinischen Notfall (vgl. §
76 Abs.
1 Satz 2
SGB V) oder infolge eines anderen unvorhergesehenen Mangels - einzustehen haben.
Einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts bezüglich der Frage wann die Kläger den Virusimpfstoff MTH-68/H selbst beschafft
haben - vor oder nach Erlass des Bescheides vom 10. Juni 2003 - bedarf es nicht, weil die Voraussetzungen unabhängig davon,
welche Alternative des §
13 Abs.
3 SGB V einschlägig ist, nicht vorliegen. Ebenso kann dahinstehen, ob es sich bei der in Deutschland durch die Kläger erfolgten Behandlungen
des Versicherten insofern noch um eine ärztliche Behandlungsmethode oder um eine Arzneimittel-Therapie handelte, weil für
ein Arzneimittel-Therapie mit einem nicht zugelassenen Arzneimittel bei Vorliegen einer lebensbedrohlichen Erkrankung die
vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätze sinngemäß gelten (vgl. BSG, Urteil vom 4. April 2006 - Az.: B 1 KR 7/05 R (Tomudex ®), nach juris).
Die Versorgung mit dem als Tumorimpfstoff bezeichneten MTH-68/H gehört nicht zu den Leistungen, die die GKV als Sachleistung
zu erbringen hat, weil Fertigarzneimittel mangels Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit (§
2 Abs.
1 Satz 1
SGB V, §
12 Abs.
1 SGB V) nicht von der Leistungspflicht der GKV nach §
27 Abs.
1 Satz 2 Nr.
1 und Nr.
3 SGB V, §
31 Abs.
1 Satz 1
SGB V umfasst sind, wenn ihnen die erforderliche (§ 21 Abs. 1 AMG) arzneimittelrechtliche Zulassung fehlt. Bei MTH-68/H handelt es sich um ein Arzneimittel nach § 2 Nr. 1 des Arzneimittelgesetzes (AMG). Nach § 21 Abs. 1 AMG dürfen Fertigarzneimittel, die Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 1 sind, im Geltungsbereich dieses Gesetzes nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie zugelassen sind.
Für MTH-68/H lag in Deutschland keine Zulassung vor, eine europaweit erfolgte Zulassung ist ebenfalls nicht ersichtlich. Sollte
in Ungarn, das erst ab dem 1. April 2004 Mitglied in der Europäischen Union wurde, eine Arzneimittelzulassung von MTH-68/H
vorgelegen haben, hätte diese nicht zugleich auch entsprechende Rechtswirkungen für Deutschland entfaltet (vgl. BSG, Urteil vom 4. April 2006 - Az.: B 1 KR 7/05 R m.w.N., nach juris). Damit kam mangels Zulassung von MTH-68/H auch keine zulassungsüberschreitende Anwendung (sogenannter
Off-Label-Use) in Betracht. Bezüglich der verfassungsrechtlich grundsätzlich zu berücksichtigenden Aspekte, (vgl. zu den bei
einer Arzneimittel-Therapie zusätzlich zu treffenden Abwägungen, BSG, Urteil vom 4. April 2006 - Az.: B 1 KR 7/05 R, nach juris), wird auf die Ausführungen zu §
18 SGB V Bezug genommen. Bei der sinngemäßen Übertragung der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätze auf den Arzneimittelbereich
ist allerdings eine verfassungskonforme Auslegung nur derjenigen Normen des
SGB V geboten, die einem verfassungsrechtlich begründeten Anspruch auf Arzneimittelversorgung entgegenstehen. Dagegen bleibt die
Prüfung der allgemeinen Voraussetzungen des
SGB V für einen Leistungsanspruch auch unter Berücksichtigung der Verfassungsmäßigkeit eines abgeschlossenen Leistungskataloges
der GKV-Leistungen unberührt. Denn die Anwendung der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Maßstäbe bedeutet auch zu berücksichtigen,
dass die verfassungsrechtlichen Schutzpflichten den Leistungsansprüchen Versicherter selbst im Falle regelmäßig tödlich verlaufender
Krankheiten Grenzen setzen. Zu den allgemeinen Voraussetzungen bei der Arzneimittelversorgung mit nicht zugelassenen Arzneimitteln
gehören: - Es darf kein Verstoß gegen das Arzneimittelrecht vorliegen. - Unter Berücksichtigung des gebotenen Wahrscheinlichkeitsmaßstabes
überwiegt bei der vor der Behandlung erforderlichen sowohl abstrakten als auch speziell auf den Versicherten bezogenen konkreten
Analyse und Abwägung von Chancen und Risiken der voraussichtliche Nutzen. - Die - in erster Linie fachärztliche - Behandlung
muss auch in Übrigen den Regeln der ärztlichen Kunst entsprechend durchgeführt und ausreichend dokumentiert werden.
Unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen für eine Erweiterung der Leistungspflicht unter Berücksichtigung des Verfassungsrechts,
fehlt es hier jedenfalls an den allgemeinen Voraussetzungen. Dem Versicherten wurde MTH-68/H nicht ärztlich entsprechend §
15 Abs.
1 SGB V verordnet. Dies haben die Kläger in der mündlichen Verhandlung am 8. Juni 2011 eingeräumt. Des Weiteren wurde die Arzneimittel-Therapie
in Deutschland nicht nach den Regeln der ärztlichen Kunst durch einen erfahrenen Arzt durchgeführt und dokumentiert. Die Behandlung
mit einem nicht in Deutschland und europaweit zugelassenen Arzneimittel auf Kosten der GKV muss in Fällen dieser Art regelmäßig
durch einen Facharzt bzw. einen in gleicher Weise einschlägig qualifizierten Arzt durchgeführt werden. Der behandelnde Arzt
muss die Behandlung verantworten (vgl. §
15 Abs.
1 SGB V) und die Regeln der ärztlichen Kunst bei der Behandlung einhalten (vgl. §
28 Abs.
1 Satz 1
SGB V). Das setzt eine hinreichende Dokumentation der Behandlung und die Vornahme von Kontrollen und gebotene Sicherheitsvorkehrungen
voraus (vgl. BSG, Urteil vom 4. April 2006 - Az.: B 1 KR 7/05 R, nach juris). Dies war hier nicht der Fall. Die Kläger verabreichten die Medikamente selbst, ohne dass ein den Versicherten
in Deutschland behandelnder Arzt die Verantwortung für die Behandlung, z.B. auch hinsichtlich der Dosierung bzw. der Art der
Verabreichung der Medikamente, übernahm. Die Befürwortung der Behandlung durch Prof. Dr. W. oder die behandelnden Ärzte des
Universitätsklinikums J. beinhaltet nicht die Übernahme der ärztlichen Verantwortung im oben genannten Sinne. Diese trugen
allein die Kläger. Ob sie durch die Einfuhr der Arzneimittel gegen das Arzneimittelgesetz verstießen, bedarf insoweit keiner weiteren Prüfung.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 SGG nicht vorliegen.