Sozialversicherungsbeitragspflicht
Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer
Schönwetter-Selbstständigkeit
Grundsatzrüge
Klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage
Gründe:
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrundeliegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten noch darüber, ob die Beigeladene
zu 1. in ihrer Tätigkeit als Geschäftsführerin der Klägerin aufgrund Beschäftigung seit 1.7.2010 der Versicherungspflicht
in allen Zweigen der Sozialversicherung und ab 1.1.2011 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und
nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.
Die Klägerin erbringt in der Rechtsform einer GmbH Werbedienstleistungen. Die Beigeladene zu 1. hält 15 %, ihr Ehemann 35
% der Gesellschaftsanteile. Die übrigen 50 % werden von einer weiteren GmbH gehalten, an der die Beigeladene zu 1. nicht beteiligt
ist. Neben der Beigeladenen zu 1. sind ihr Ehemann sowie eine weitere Person weitere einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer
der Klägerin. Nach deren Satzung bedürfen Beschlüsse einer einfachen Mehrheit, Beschlüsse über den An- und Verkauf von Grundstücken,
grundstücksgleichen Rechten, Schenkungen aus dem Gesellschaftsvermögen sowie Erteilung und Widerruf von Prokuren können nur
mit Zustimmung der Beigeladenen zu 1. gefasst werden. Mit notarieller Urkunde vom 21.3.2013 wurde der Zustimmungsvorbehalt
auf die Ernennung und Abberufung von Geschäftsführern erweitert.
Die Beigeladene zu 1. erhält ein Monatsgrundgehalt von 4630 Euro, ein 13. Monatsgehalt, Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall
und hat einen Jahresurlaubsanspruch von 30 Tagen. Sie ist am Gewinn mit 30 %, begrenzt auf höchstens 10 000 Euro pro Jahr,
beteiligt.
Im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens stellte die beklagte Deutsche Rentenversicherung Bund Versicherungspflicht aufgrund
Beschäftigung fest (Bescheid vom 31.8.2011, Widerspruchsbescheid vom 13.12.2011).
Das SG hat die Bescheide aufgehoben, weil die Beigeladene zu 1. "Kopf und Seele" des Unternehmens gewesen sei (Urteil vom 25.3.2013).
Nach einer teilweisen Erledigung des Rechtsstreits durch ein angenommenes Teilanerkenntnis hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 7.7.2016). Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung
der Revision.
II
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen LSG vom 7.7.2016 ist gemäß §
160a Abs
4 S 1 Halbs 2
SGG in entsprechender Anwendung von §
169 S 2 und 3
SGG als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen §
160a Abs
2 S 3
SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das BSG darf gemäß §
160 Abs
2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl
BSG Beschluss vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7).
Die Klägerin beruft sich in der Beschwerdebegründung vom 4.1.2017 ausschließlich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen
Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG).
1. Die Klägerin legt die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht in einer den Zulässigkeitsanforderungen nach §
160a Abs
2 S 3
SGG entsprechenden Weise dar.
a) Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden
Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit)
und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG Beschluss vom 16.11.1987 - 5b BJ 118/87 - SozR 1500 § 160a Nr 60; BSG Beschluss vom 22.7.1988 - 7 BAr 104/87 - SozR 1500 § 160a Nr 65; BSG Beschluss vom 16.12.1993 - 7 BAr 126/93 - SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; vgl auch BVerwG Beschluss vom 11.12.1997 - 1 B 60/97 - NJW 1999, 304 und BVerfG [Kammer] Beschluss vom 18.12.1991 - 1 BvR 1411/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von
Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur
Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG Beschluss vom 25.10.1978 - 8/3 RK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31).
b) Die Klägerin wirft auf Seite 5 der Beschwerdebegründung folgende Frage auf:
"Muss zur Abgrenzung des abhängigen vom selbständigen Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführers, in einer Familiengesellschaft,
ein allumfassendes Sperrminoritätsrecht vorliegen oder genügt ein auf grundsätzliche Rechtsgeschäfte begrenztes Sperrminoritätsrecht
bzw. ein Sperrminoritätsrecht, welches auch die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern umfasst, um maßgeblichen Einfluss
auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen zu haben und der Betroffene damit rechtlich über die Möglichkeit verfügt, ihm
nicht genehme Weisungen hinsichtlich seiner Tätigkeit abzuwehren."
Zur weiteren Begründung führt die Klägerin auf Seite 6 der Beschwerdebegründung aus, die Frage sei durch das BSG bislang nicht geklärt. Sie benennt ein Urteil des BSG vom 24.9.1992 (BSG SozR 3-4100 § 168 Nr 8), das aber nur eine eingeschränkte Sperrminorität zum Gegenstand gehabt habe.
c) Es kann offenbleiben, ob die Beschwerdebegründung die Darlegungsvoraussetzungen für eine Grundsatzrüge (vgl hierzu exemplarisch
BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN) schon deshalb nicht erfüllt, weil die Klägerin keine abstrakt-generelle Rechtsfrage
zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl §
162 SGG) mit höherrangigem Recht - formuliert (vgl allgemein BSG Beschluss vom 6.4.2010 - B 5 R 8/10 B - Juris = BeckRS 2010, 68786, RdNr 10; BSG Beschluss vom 21.7.2010 - B 5 R 154/10 B - Juris = BeckRS 2010, 72088, RdNr 10; BSG Beschluss vom 5.11.2008 - B 6 KA 24/07 B - Juris = BeckRS 2009, 50073, RdNr 7). Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch
unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (Becker, SGb
2007, 261, 265; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX, RdNr 181).
d) Jedenfalls legt die Klägerin die Klärungsbedürftigkeit ihrer Frage - deren Qualität als in einem Revisionsverfahren prüfbare
Rechtsfrage unterstellt - nicht hinreichend dar. Trotz der umfangreichen Hinweise des LSG auf Seite 6 des Urteilsumdrucks
auf die aktuelle Rechtsprechung des Senats zur Frage der grundsätzlichen Abgrenzung von Beschäftigung und selbstständiger
Tätigkeit (BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17 [Schönwetter-Selbstständigkeit]) sowie zu einer Tätigkeit in einem Familienunternehmen (BSG Urteil vom 30.4.2013 - B 12 KR 19/11 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 21) und auf Seite 8 des Urteilsumdrucks zur Aufgabe der "Kopf und Seele"-Rechtsprechung (BSG Urteil vom 29.7.2015 - B 12 KR 23/13 R - BSGE 119, 216 = SozR 4-2400 § 7 Nr 24) befasst sich die Klägerin mit diesen Urteilen überhaupt nicht, sondern verweist lediglich auf ein
knapp 25 Jahre altes Urteil des BSG. Es wäre aber nach §
160a Abs
2 S 3
SGG Aufgabe der Klägerin gewesen, mindestens die vom LSG ausdrücklich genannte einschlägige aktuelle Rechtsprechung des BSG (darüber hinaus zu Stimmbindungsverträgen vgl BSG Urteile vom 11.11.2015 - B 12 KR 13/14 R - BSGE 120, 59 = SozR 4-2400 § 7 Nr 26 und - B 12 KR 10/14 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 28) darauf zu untersuchen, ob diese ggf ausreichende Hinweise für die Beantwortung der von ihr formulierten
und als klärungsbedürftig angesehenen Frage enthält. Denn auch wenn das BSG eine Frage noch nicht ausdrücklich entschieden hat, ist eine Rechtsfrage doch auch dann als höchstrichterlich geklärt anzusehen,
wenn schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte auch zur Beurteilung
der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl BSG Beschluss vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17; BSG Beschluss vom 31.3.1993 - 13 BJ 215/92 - SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6).
e) Darüber hinaus fehlen in der Beschwerdebegründung der Klägerin substantiierte Ausführungen zur Klärungsfähigkeit der von
ihr formulierten Frage im angestrebten Revisionsverfahren. Die Klägerin befasst sich insbesondere nicht damit, dass die Zuordnung
einer Tätigkeit zum rechtlichen Typus der (abhängigen) Beschäftigung bzw selbstständigen Tätigkeit nach deren Gesamtbild vorzunehmen
ist und voraussetzt, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer
Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den
Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (stRspr, vgl nur BSG Urteil vom 25.4.2012 - B 12 KR 24/10 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 15 RdNr 25 mwN). Demzufolge beachtet sie nicht die sich hieraus für die Darlegung der Entscheidungserheblichkeit
der von ihr formulierten Frage ergebenden Konsequenzen: Gründet das LSG - wie vorliegend - sein Ergebnis auf ein "Gesamtbild"
(vgl Seite 6 des LSG-Urteils), hätte die Klägerin alle vom LSG in die Abwägung eingestellten Gesichtspunkte sowie deren jeweilige
vom LSG vorgenommene Gewichtung benennen und sodann darlegen müssen, dass sich durch die von ihr favorisierte Beantwortung
der formulierten Frage das Gewicht der vom LSG in die vorgenommene Gesamtabwägung eingestellten Indizien so zu ihren - der
Klägerin - Gunsten verschieben würde, dass entgegen dem Abwägungsergebnis des LSG eine Beschäftigung der Beigeladenen zu 1.
nicht mehr angenommen werden könnte. Zur Erfüllung entsprechender Darlegungen genügt es aber nicht, dass die Klägerin ihre
Frage nach der Bedeutung einer begrenzten Sperrminorität (gemeint sein dürfte eher ein Zustimmungsvorbehalt) derart zuspitzt,
dass sie nur in Form eines "entweder/oder" beantwortet werden kann (so aber Seite 7 der Beschwerdebegründung: "Aufgrund ihres
Sperrminoritätsrechts zur Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern [...] keine abhängige Beschäftigte [...]"). Vielmehr
hätte die Klägerin insbesondere die vom LSG zur Ausgestaltung der Tätigkeit konkret festgestellten Tatsachen insgesamt darstellen,
im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Unterwerfung der Beigeladenen zu 1. unter Weisungen rechtlich bewerten und ihrem hieraus
folgenden Gewicht entsprechend zusammen mit allen anderen vom LSG festgestellten Indizien - zB festes Monatsgrundgehalt, Entgeltfortzahlung
im Krankheitsfall, fester Jahresurlaub, Mit-Geschäftsführerstellung - in die Abwägung einstellen müssen.
2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 S 1 Teils 3
SGG iVm §
154 Abs
2, §
162 Abs
3 VwGO.
4. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren hat ihre Grundlage in §
197a Abs
1 S 1 Teils 1
SGG iVm §
63 Abs
2 S 1, § 52 Abs 1 und 2, § 47 Abs 1 und 3 GKG. Sie entspricht der von den Beteiligten nicht beanstandeten Festsetzung durch das LSG.