Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters
Nachweis des Zugangs einer Anhörungsmitteilung
Unklare Aktenlage
1. Eine Anhörungsmitteilung muss den Beteiligten nachweisbar zugegangen sein, weil sonst ein Verfahrensfehler gegeben ist,
wenn ein Beteiligter behauptet, er habe die Mitteilung nicht erhalten.
2. Bei unklarer Aktenlage muss sich das LSG vor Erlass der ohne mündliche Verhandlung ergehenden Entscheidung Gewissheit darüber
verschaffen, dass das Anhörungsschreiben allen Beteiligten zugegangen ist und der Nachweis, dass rechtliches Gehör gewährt
wurde, obliegt allein dem Gericht.
3. Unterbleibt dieser. Nachweis liegt eine Verletzung rechtlichen Gehörs vor
Gründe:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG vom 20.11.2017 ist zulässig, denn er
hat mit ihr eine Verletzung von §
153 Abs
4 Satz 2
SGG und zugleich einen Verstoß gegen die grundrechtsgleichen Rechte auf den gesetzlichen Richter nach Art
101 Abs
1 Satz 2
GG sowie auf rechtliches Gehör nach Art
103 Abs
1 GG hinreichend bezeichnet (§
160a Abs 2 Satz 3 iVm §
160 Abs
2 Nr
3 SGG). Die Beschwerde ist insoweit auch begründet.
Nach §
153 Abs
4 Satz 1
SGG kann das LSG die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung
für nicht erforderlich hält, falls die mit dem Rechtsmittel angefochtene Entscheidung des SG kein Gerichtsbescheid ist. Nach §
153 Abs
4 Satz 2
SGG sind die Beteiligten vorher zu hören. Diesem rechtlichen Gehör ist Genüge getan, wenn den Beteiligten mit der Anhörungsmitteilung
Gelegenheit sowohl zur Äußerung von etwaigen Bedenken, die sie gegen eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung und ohne
Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter haben, als auch zur Stellungnahme in der Sache selbst eingeräumt wird. Das Anhörungserfordernis
nach §
153 Abs
4 Satz 2
SGG ist aus verfassungsrechtlichen Gründen zugunsten der Beteiligten weit auszulegen, weil die Anhörungsmitteilung die ansonsten
durch die mündliche Verhandlung ermöglichte umfassende Anhörung der Beteiligten adäquat kompensieren soll. Dies verlangt,
dass die Anhörungsmitteilung den Beteiligten nachweisbar zugegangen ist, sonst liegt regelmäßig ein Verfahrensfehler vor,
wenn ein Beteiligter behauptet, er habe die Mitteilung nicht erhalten. Ist nach der Aktenlage unklar, ob die Anhörungsmitteilung
zugegangen ist, muss sich das LSG vor Erlass der ohne mündliche Verhandlung ergehenden Entscheidung Gewissheit darüber verschaffen,
dass das Anhörungsschreiben allen Beteiligten zugegangen ist. Der Nachweis, dass rechtliches Gehör gewährt wurde, obliegt
allein dem Gericht. Kann ein solcher Nachweis nicht geführt werden, liegt eine Verletzung rechtlichen Gehörs vor (vgl zu diesen
Maßstäben letztens BSG vom 11.11.2015 - B 12 KR 14/15 B - juris RdNr 8; BSG vom 19.10.2016 - B 14 AS 155/16 B - juris RdNr 2).
Vorliegend rügt der Kläger, er sei vor dem Beschluss des LSG nicht angehört worden. Der Verfahrensakte lässt sich zwar eine
Verfügung zur formlosen Übersendung von Anhörungsmitteilungen an die Beteiligten entnehmen und auch, dass dem Beklagten dieses
Schreiben zugegangen ist. Der Kläger indes bestreitet dessen Zugang und der Akte lassen sich durchgreifende Anhaltspunkte
dafür, dass dem Kläger vor dem Beschluss des LSG die erforderliche Anhörungsmitteilung zu dessen beabsichtigter Entscheidung
über die Berufung durch Beschluss zugegangen ist, nicht entnehmen. Damit fehlt es am Nachweis einer ordnungsgemäßen Anhörung
des Klägers.
Bei seiner ohne die Gewissheit über den Zugang einer Anhörungsmitteilung beim Kläger ergangenen Entscheidung über dessen Berufung
durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter war das LSG nicht vorschriftsmäßig
besetzt. Denn eine Verletzung des §
153 Abs
4 Satz 2
SGG durch eine unterbliebene Anhörung führt zur unvorschriftsmäßigen Besetzung des Berufungsgerichts nur mit den Berufsrichtern
und damit zum Vorliegen eines absoluten Revisionsgrundes (§
547 Nr 1
ZPO iVm §
202 Satz 1
SGG), bei dem eine Entscheidung stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen ist (vgl letztens etwa BSG vom 19.10.2016 - B 14 AS 155/16 B - juris RdNr 4). Dieser die angefochtene Entscheidung des LSG insgesamt betreffende absolute Revisionsgrund führt zur Aufhebung
und Zurückverweisung (§
160a Abs
5 SGG). Die Verweisung an einen anderen Senat des LSG (§
563 Abs
1 Satz 2
ZPO iVm §
202 Satz 1
SGG) ist nicht geboten.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der Entscheidung des LSG vorbehalten.