Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II
Keine Berücksichtigung von Zahlungen einer Versicherung zur Absicherung von Kreditraten bei Arbeitslosigkeit auf ein Darlehenskonto
als Einkommen
Berücksichtigung von Rentennachzahlungen im Zuflussmonat
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten um höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für das Jahr 2015.
Die Klägerin, ihr Ehemann und der in 2007 geborene gemeinsame Sohn, der Kläger, lebten im streitgegenständlichen Zeitraum
in einem Haushalt. Die Klägerin erzielte Erwerbseinkommen; für den Kläger wurde Kindergeld gezahlt. In 2011 hatten die Klägerin
und ihr Ehemann mit der T-Bank einen Darlehensvertrag abgeschlossen mit monatlichen Darlehensraten zu je 767,70 Euro. Gleichzeitig
war eine Versicherung bei der T-Versicherung abgeschlossen worden, wonach im Fall der Arbeitslosigkeit eine Bezahlung der
Darlehensraten durch die Versicherung für 12 Monate erfolgen sollte. Der Ehemann wurde während der Darlehenslaufzeit arbeitslos.
Daher zahlte die Versicherung im Jahr 2015 monatlich 766,99 Euro auf das versicherte Darlehenskonto bei der Bank. Da gleichzeitig
der monatliche Lastschrifteinzug der Darlehensraten iHv 767,70 Euro fortgesetzt wurde, überwies die Bank nach Eingang der
Versicherungsleistung den Betrag iHv 766,99 Euro auf das Girokonto der Eheleute im Wege der Stornierung zurück.
Seit Juli 2014 bezogen die Kläger und der Ehemann Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Auf ihren Weiterbewilligungsantrag
bewilligte das beklagte Jobcenter diese Leistungen vom 1.1. bis zum 31.12.2015 monatlich der Klägerin und ihrem Ehemann iHv
jeweils rund 67 Euro und dem Kläger von rund 35 Euro. Dabei berücksichtigte der Beklagte neben dem bereinigten Erwerbseinkommen
der Klägerin und dem Kindergeld die für den Ehemann aus der Darlehensversicherung geleisteten 766,99 Euro, abzüglich der Versicherungspauschale,
als Einkommen (Bescheid vom 30.1.2015; Widerspruchsbescheid vom 2.6.2015).
Am 17.6.2015 hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger beim SG "Klage in Sachen der Frau B L" erhoben und den Bescheid sowie den Widerspruchsbescheid beigefügt. In der Klagebegründung
hat der Prozessbevollmächtigte ausgeführt, dass der Klägerin "und damit der Bedarfsgemeinschaft" gegen den Beklagten ein Anspruch
auf höhere Leistungen nach dem SGB II zustehe. Das SG hat die Klagen abgewiesen (Urteil vom 26.2.2016). Die Klagen des Klägers und des damals ebenfalls klagenden Ehemanns seien
unzulässig, da nicht innerhalb der Monatsfrist erhoben. Die Klage der Klägerin sei unbegründet, da die monatliche Leistung
aus der Versicherung an den Ehemann als Einkommen zu berücksichtigen sei. Im Laufe des Berufungsverfahrens hat die Deutsche
Rentenversicherung Rheinland dem Ehemann eine Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit ab 1.4.2014 iHv brutto rund
1500 Euro monatlich in 2015 bewilligt (Bescheid vom 19.4.2016). Auf den Nachzahlungsbetrag hat ua der Beklagte für die in
der entsprechenden Zeit gewährten Leistungen nach dem SGB II einen Erstattungsanspruch iHv rund 4000 Euro geltend gemacht. Nach Begleichung der Erstattungsansprüche ist von der Rentenversicherung
der verbleibende Betrag von rund 28 000 Euro an den Ehemann im Frühjahr 2016 ausgezahlt worden. Der Ehemann hat die Berufung
zurückgenommen. Das LSG hat die Berufungen der übrigen Kläger zurückgewiesen (Urteil vom 21.6.2018). Die Klage des Klägers
sei fristgerecht erhoben worden, wie sich aus der Auslegung der Klageschrift und den beigefügten Bescheiden ergebe. Auch seien
weder die Versicherungsleistung noch die Rückbuchung als Einkommen zu berücksichtigen. Jedoch habe die Rentennachzahlung aufgrund
des Rechtsgedankens des § 48 Abs 1 Satz 3 SGB X rückwirkend als Einkommen berücksichtigt werden müssen, um einen unerwünschten Doppelbezug von Sozialleistungen zu vermeiden.
In ihrer vom LSG zugelassenen Revision rügen die Kläger eine Verletzung von § 11 SGB II. Die Rentennachzahlung sei erst im Mai 2016 erfolgt und daher für das streitgegenständliche Jahr 2015 nicht als Einkommen
zu berücksichtigen. Es gelte das Zuflussprinzip.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 21. Juni 2018 aufzuheben, das Urteil des Sozialgerichts Köln vom
26. Februar 2016 sowie den Bescheid des Beklagten vom 30. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Juni
2015 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihnen vom 1. Januar bis 31. Dezember 2015 höhere Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.
II
Die zulässigen Revisionen der Kläger sind begründet (§
170 Abs
2 Satz 1
SGG). Die Kläger haben Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vom 1.1. bis zum 31.12.2015, weil weder die Versicherungsleistung noch die Rentennachzahlung als Einkommen zu berücksichtigen
sind.
1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind neben dem Urteil des LSG vom 21.6.2018 und dem Urteil des SG vom 26.2.2016 der Bescheid des Beklagten vom 30.1.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2.6.2015 und das dagegen
gerichtete Begehren der Kläger, ihnen höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vom 1.1. bis zum 31.12.2015 zu zahlen.
2. Verfahrensrechtliche Hindernisse stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen.
Insbesondere ist auch die Klage des Klägers fristgemäß beim SG eingegangen (§
87 Abs
1 Satz 1, Abs
2 SGG), obwohl die fristwahrende Klageschrift nach ihrem Wortlaut "(i)n Sachen der Frau B L" erhoben worden ist. Denn der der Klageschrift
beigefügte Widerspruchsbescheid vom 2.6.2015, auf den in ihr Bezug genommen wurde, betraf nicht nur die Klägerin, sondern
auch den Kläger. Die Klageschrift und die mit ihr verbundenen Anlagen waren so zu verstehen, dass durch sie die Klagefrist
für alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft gewahrt werden sollte, hinsichtlich denen im Widerspruchsbescheid eine Entscheidung
getroffen worden war.
Zutreffende Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§
54 Abs
1 Satz 1, Abs
4 SGG), zulässig gerichtet auf die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
dem Grunde nach (§
130 Abs
1 Satz 1
SGG), da mit Wahrscheinlichkeit von höheren Leistungen ausgegangen werden kann, wenn dem Klagebegehren gefolgt wird (vgl zur
Zulässigkeit eines solchen Grundurteils im Höhenstreit nur BSG vom 16.4.2013 - B 14 AS 81/12 R - SozR 4-4225 § 1 Nr 2 RdNr 10 mwN).
3. Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch der Kläger gegenüber dem Beklagten auf höhere Leistungen nach dem SGB II für Januar bis Dezember 2015 sind die §§ 19 ff iVm §§ 7 ff SGB II (jeweils idF der Bekanntmachung vom 13.5.2011, BGBl I 850, zuletzt vor dem streitigen Zeitraum geändert durch das Gesetz
vom 22.12.2014, BGBl I 2411). In Rechtsstreitigkeiten über schon abgeschlossene Bewilligungszeiträume ist das damals geltende
Recht anzuwenden (Geltungszeitraumprinzip, vgl BSG vom 19.10.2016 - B 14 AS 53/15 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 78 RdNr 14 f).
Das Begehren der Kläger auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die streitige Zeit ist begründet.
Die Klägerin war eine leistungsberechtigte Person nach § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II und ein Ausschlusstatbestand lag nicht vor; sie lebte mit ihrem Ehemann und dem damals 7 bzw 8 Jahre alten Kläger, ihrem
Sohn, in einem Haushalt und bildete mit ihnen eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 SGB II, wie den Feststellungen des LSG zu entnehmen ist.
4. Der Anspruch der Kläger auf höhere Leistungen folgt aus der Nicht-Berücksichtigung der Zahlung der Versicherung - in Übereinstimmung
mit dem LSG und entgegen der Auffassung des Beklagten - (dazu 5.) und der Nicht-Berücksichtigung der Rentennachzahlung aus
dem Frühjahr 2016 - entgegen der Auffassung des LSG - (dazu 6.) als Einkommen nach §§ 11 ff SGB II im streitgegenständlichen Jahr 2015.
Als Einkommen zu berücksichtigen sind nach § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II (alle) Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge und mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen. Dabei ist Einkommen iS des § 11 Abs 1 SGB II nach der ständigen Rechtsprechung des BSG grundsätzlich alles das, was jemand nach der Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was die Person vor der
Antragstellung bereits hatte. Auszugehen ist vom tatsächlichen Zufluss, es sei denn rechtlich wird ein anderer Zufluss als
maßgeblich bestimmt (modifizierte Zuflusstheorie, stRspr seit BSG vom 30.7.2008 - B 14 AS 26/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 17 RdNr 23; jüngst BSG vom 9.8.2018 - B 14 AS 20/17 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 85 RdNr 11). Allerdings ist der wertmäßige Zuwachs nur dann als Einkommen zu berücksichtigen, wenn
die Einnahme der leistungsberechtigten Person tatsächlich zur Deckung ihres Bedarfs - als "bereites Mittel" - zur Verfügung
steht (vgl nur BSG vom 17.2.2015 - B 14 KG 1/14 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 69 RdNr 18 mwN).
Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen und
bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die ihren Lebensunterhalt nicht aus
eigenem Einkommen oder Vermögen sichern können, sind auch das Einkommen und Vermögen der Eltern zu berücksichtigen (§ 9 Abs 2 Satz 1 und 2 SGB II).
5. Die Zahlung der Versicherung auf das Darlehenskonto der Eheleute ist vom LSG zu Recht nicht als zu berücksichtigendes Einkommen
nach § 11 SGB II angesehen worden, weil diese Zahlung nicht zu bereiten Mitteln der Eheleute und die Rückbuchung der zuvor abgebuchten Darlehensrate
seitens der Bank auf das Girokonto nicht zu einer (weiteren) Einnahme der Eheleute geführt hat.
Erforderlich für die Berücksichtigung einer Einnahme als bereites Mittel ist insbesondere, dass sie im Monat des Zuflusses
dem Betreffenden tatsächlich zur Verfügung steht und zur Existenzsicherung eingesetzt werden kann. Steht der aus der Einnahme
sich ergebende Wertzuwachs im Zeitpunkt des Zuflusses aus Rechtsgründen nicht als bereites Mittel bedarfsdeckend zur Verfügung,
ist die Berücksichtigung als Einkommen zu diesem Zeitpunkt selbst dann ausgeschlossen, wenn der Leistungsberechtigte auf die
Realisierung des Wertes in der Folgezeit hinwirken kann. Davon ausgehend hat der Senat zB das Vorliegen von bereiten Mitteln
und damit von zu berücksichtigendem Einkommen verneint bei Zinsen aus einem Bausparvertrag, die diesem gutgeschrieben worden
sind, aber erst nach Kündigung des Bausparvertrags dem Inhaber des Vertrags zur Verfügung stehen (BSG vom 19.8.2015 - B 14 AS 43/14 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 74 RdNr 17 f).
Übertragen auf den vorliegenden Sachverhalt bedeutet dies, dass die Zahlung der Versicherungsleistung durch die T-Versicherung
auf das Darlehenskonto bei der T-Bank nicht zu bereiten Mitteln seitens der Klägerin oder ihres Ehemannes führte. Nach den
Feststellungen des LSG ersetzte die Zahlung der Versicherungsleistung die Begleichung der Darlehensraten und durch das Zusammenwirken
von T-Bank und T-Versicherung war sichergestellt, dass die Mittel von den Eheleuten nicht zur Existenzsicherung eingesetzt
werden konnten.
Die aufgrund einer Stornierung erfolgende Rückbuchung der zuvor abgebuchten Darlehensrate seitens der Bank auf das Girokonto
der Eheleute führte nicht zu einer Einnahme der Eheleute. Denn diese Rückbuchung kann nicht losgelöst von der zuvor erfolgten
Abbuchung der Darlehensrate gesehen werden, so dass der für eine Einnahme erforderliche Wertzuwachs auf dem Girokonto der
Eheleute nicht festzustellen ist.
Die Zusammenschau der Zahlung der Versicherungsleistung auf das Darlehenskonto und der Rückbuchung auf das Girokonto führt
zu keinem anderen Ergebnis, weil der Wertzuwachs auf dem Darlehenskonto nicht zu verfügbaren Mitteln der Eheleute führte.
Der Zahlung der Versicherungsleistung auf das Darlehenskonto lag keine unbeachtliche Verwendungsentscheidung der Eheleute
zugrunde (vgl BSG vom 29.4.2015 - B 14 AS 10/14 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 70 [Kontokorrentabrede]; BSG vom 24.5.2017 - B 14 AS 32/16 R - BSGE 123, 199 = SozR 4-4200 § 11 Nr 80 [Arbeitgeberdarlehen für Kfz]). Denn die Zahlung führte nicht zu einer Einnahme, über deren Verwendung
die Eheleute frei verfügen konnten. Vielmehr war die Versicherungsleistung von Anfang an eine durch die Regelungen des Versicherungsvertrags
und das Zusammenwirken von T-Bank und T-Versicherung für den Zweck "Begleichung der Darlehensraten" bestimmte Einnahme, zumal
der Beitrag für die Versicherung in das aufgenommene Darlehen mit einbezogen war.
6. Die Rentennachzahlung an den Ehemann der Klägerin im Frühjahr 2016 kann nicht als für das Jahr 2015 zu berücksichtigendes
Einkommen angesehen werden.
Laufende Einnahmen sind für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen (§ 11 Abs 2 Satz 1 SGB II). Gleiches gilt dem Grunde nach für einmalige Einnahmen gemäß § 11 Abs 3 Satz 1 SGB II, wobei § 11 Abs 3 Satz 2 und 3 SGB II abweichende Regelungen für Fallkonstellationen vorsehen, in denen das einmalige Einkommen im Folgemonat bzw in den folgenden
6 Monaten zu berücksichtigen sein kann. Dies entspricht dem im SGB II grundsätzlich geltenden Monatsprinzip (stRspr: BSG vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, RdNr 31; BSG vom 19.8.2015 - B 14 AS 13/14 R - BSGE 119, 265 = SozR 4-4200 § 22 Nr 86, RdNr 23) und der oben dargestellten modifizierten Zuflusstheorie.
Angesichts dessen ist nachgezahltes Einkommen grundsätzlich im Zuflussmonat und nicht für die Zeit zu berücksichtigen, für
die es nachgezahlt wird. Dies hat das BSG bereits entschieden für nachgezahltes Arbeitsentgelt (vgl BSG vom 24.4.2015 - B 4 AS 32/14 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 72 RdNr 14 f; BSG vom 16.5.2012 - B 4 AS 154/11 R - SozR 4-1300 § 33 Nr 1 RdNr 20), für nachgezahltes Krankengeld (vgl BSG vom 16.12.2008 - B 4 AS 70/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 19 RdNr 20 ff), für nachgezahltes Übergangsgeld (vgl BSG vom 7.5.2009 - B 14 AS 13/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 22 RdNr 18 ff) und für eine Einkommensteuererstattung (vgl BSG vom 16.12.2008 - B 4 AS 48/07 R - RdNr 10 f).
Gründe, hiervon im vorliegenden Verfahren für eine Rentennachzahlung im Frühjahr 2016 ua für das streitige Jahr 2015 abzuweichen,
liegen nicht vor. Eine Rechtsgrundlage für eine rechtlich abweichende zeitliche Zuordnung der Rentennachzahlung besteht nicht.
Aus dem vom LSG angeführten § 48 Abs 1 Satz 3 SGB X oder einem ihm entnommenen Rechtsgedanken kann derartiges nicht hergeleitet werden, weil die Vorschrift eine Regelung in
einem besonderen Teil des Sozialgesetzbuchs über den Beginn des Anrechnungszeitraums voraussetzt. Diese Regelung ist in den
zitierten § 11 Abs 2 und 3 SGB II enthalten, die gerade keine rückwirkende Berücksichtigung vorsehen (so auch Merten in Hauck/Noftz, SGB X, K § 48 RdNr 59, Stand der Einzelkommentierung 11/2018). Nichts anderes folgt aus dem vom LSG zitierten Urteil des BSG vom 6.11.1985 (10 RKg 3/84 - BSGE 59, 111 = SozR 1300 § 48 Nr 19), weil dort - ebenfalls - auf die einschlägigen Regelungen des
BKGG abgestellt wird.
Für eine Abweichung von den dargestellten Grundsätzen des SGB II besteht zur Vermeidung eines unerwünschten Doppelbezugs von Sozialleistungen in Konstellationen der vorliegenden Art im Hinblick
auf die Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander nach §§ 102 ff SGB X auch kein Bedarf, wie das LSG grundsätzlich zutreffend erkannt hat (vgl zudem §§ 34 ff SGB II zu Ersatzansprüchen gegenüber Leistungsberechtigten und Dritten).
Soweit das LSG sein gegenteiliges Ergebnis mit dem vom Beklagten bei der Rentenversicherung zu niedrig angemeldeten und demgemäß
befriedigten Erstattungsanspruch, der zu einer entsprechend höheren Rentennachzahlung an den Ehemann führte, begründet hat,
kann dem nicht gefolgt werden. Wenn die vom Gesetzgeber zur Wiederherstellung des Nachrangs zB des SGB II gegenüber anderen vorrangigen Sozialleistungen geschaffenen Regelungen in §§ 102 ff SGB X im Einzelfall nicht oder nur unzureichend eingreifen, muss dies solange hingenommen werden, wie der Gesetzgeber die geltende
Rechtslage nicht ändert. Mit den Mitteln richterlicher Rechtsfortbildung jedenfalls kann ein als unerwünscht angesehener Doppelbezug
von Sozialleistungen nicht verhindert werden (vgl BSG vom 31.10.2012 - B 13 R 11/11 R - SozR 4-1300 § 106 Nr 1 RdNr 38 ff). Im Übrigen hat der Beklagte die im Streit stehenden höheren Leistungen im Rahmen
der bestehenden Erstattungsvorschriften gegenüber der Rentenversicherung als Erstattungsanspruch geltend machen können, weil
auch künftige, noch ungewisse Ersatzansprüche angemeldet werden können (Becker in Hauck/Noftz, SGB X, K vor §§ 102-114 RdNr 110, Stand der Einzelkommentierung 6/2019; Roos in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, vor §§ 102-114 RdNr 5).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§
183,
193 SGG.