Vergütung von Rechtsanwälten im sozialgerichtlichen Verfahren
Höhe der Gebühren für ein isoliertes Vorverfahren
Gründe:
I
Streitig ist die Höhe der von der beklagten BA zu erstattenden Rechtsanwaltsgebühren für ein isoliertes Vorverfahren wegen
einer Mahngebühr.
Die im Bezug ergänzender Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II stehende Klägerin war von der beklagten BA unter Verhängung einer Mahngebühr von 7,85 Euro aufgefordert worden, innerhalb
einer Woche einen Gesamtbetrag von 1520,63 Euro zu zahlen, der seit dem 25.1.2011 fällig sei und aus Bescheiden des zuständigen
Jobcenters resultiere. Bleibe die Zahlung aus, werde die mit weiteren Kosten verbundene zwangsweise Einziehung veranlasst
(Schreiben vom 23.10.2011). Die Klägerin erhob vertreten durch einen Rechtsanwalt Widerspruch gegen "die Mahnung" und machte
geltend, die Bescheide seien ihr nicht bekannt und mangels Fälligkeit sei die Erhebung von Mahngebühren nicht statthaft (Widerspruch
vom 27.10.2011). Dem folgend hob die Beklagte die Festsetzung der Mahngebühr auf und anerkannte dem Grunde nach die Übernahme
der im Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten, soweit sie notwendig waren und nachgewiesen würden (Abhilfebescheid vom
27.7.2012).
Während der Bevollmächtigte der Klägerin im nachfolgenden Erstattungsverfahren unter Einbeziehung ua einer Geschäftsgebühr
nach § 3 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) iVm Nr 2400 Vergütungsverzeichnis (VV) zum RVG in Höhe von 240 Euro Kosten von 309,40 Euro geltend gemacht hat, anerkannte die Beklagte unter Berücksichtigung einer Geschäftsgebühr
von 40 Euro einen Betrag von 57,12 Euro als notwendige Aufwendungen. Die Erhebung einer Geschäftsgebühr von 240 Euro sei unbillig
und daher für sie nicht verbindlich. Bei einer Mahngebühr von 7,85 Euro seien die rechtliche Schwierigkeit, der Umfang der
anwaltlichen Tätigkeit und die Bedeutung der Angelegenheit weit unterdurchschnittlich (Kostenfestsetzungsbescheid vom 13.11.2012
und Widerspruchsbescheid vom 3.12.2012).
Das SG hat die Beklagte verurteilt, der Klägerin unter Ansatz einer Geschäftsgebühr von 120 Euro weitere 109,48 Euro zu gewähren
(Geschäftsgebühr 120 Euro; Post- und Telekommunikationspauschale 20 Euro; Umsatzsteuer 26,60 Euro abzüglich bereits zuerkannter
57,12 Euro) und die Klage abgewiesen, soweit sie darüber hinaus auf Erstattung des vollen Mehrbetrags bis zur geltend gemachten
Forderung von 309,40 Euro gerichtet war (Urteil vom 17.3.2014). Das LSG hat das Urteil des SG auf die von ihm zugelassene Berufung der Beklagten geändert und diese unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen zur Erstattung
weiterer 61,88 Euro verurteilt (Urteil vom 29.1.2015): Zwar sei - anders als das SG angenommen hatte - auch die Bedeutung der Angelegenheit gering gewesen, weil nur auf die Höhe der Mahngebühr und nicht auch
auf deren mittelbare Wirkungen abgestellt werden dürfe. Jedoch habe der enge Zeitrahmen für die Zahlung von einer Woche zu
einem kurzfristigen Beratungsbedarf geführt und faktisch die Monatsfrist für die Erstellung des Widerspruchs auf wenige Tage
verkürzt, weshalb eine Geschäftsgebühr in Höhe des doppelten Mindestsatzes angemessen sei (Geschäftsgebühr 80 Euro; Post-
und Telekommunikationspauschale 20 Euro; Umsatzsteuer 19 Euro abzüglich 57,12 Euro).
Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 14 Abs 1 Satz 1 RVG. Im Rahmen seines Ermessens dürfe ihr Anwalt die mittelbaren Auswirkungen der Mahngebühr bei seiner Gebührenbestimmung sehr
wohl berücksichtigen. Weder mit dem Jobcenter noch mit der Beklagten habe sie eine verbindliche Klärung der Angelegenheit
erreichen können. Aufgrund der getrennten Zuständigkeiten beim Inkasso der Jobcenter sei regelmäßig unklar, wie der Vollzug
einer Forderung gestoppt werden könne. Die Mahngebühr werde dabei als Druckmittel eingesetzt, das deutlich mache, dass das
Anwachsen weiterer Kosten bei nicht rechtzeitiger Zahlung nicht verhindert werden könne.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 29. Januar 2015 zu ändern und die Berufung gegen
das Urteil des Sozialgerichts vom 17. März 2014 insgesamt zurückzuweisen.
Die Beklagte bekräftigt ihre Auffassung, dass Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie die Bedeutung der
Angelegenheit für die Klägerin gering gewesen seien, und beantragt,
die Revision zurückzuweisen und
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 29. Januar 2015 im Wege der Anschlussrevision zu ändern und das Urteil
des Sozialgerichts vom 17. März zu ändern, soweit sie zur Gewährung weiterer 109,48 Euro verurteilt worden ist.
Insoweit beantragt die Klägerin,
die Anschlussrevision zurückzuweisen.
II
Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet, die zulässige Anschlussrevision der Beklagten hingegen unbegründet (§
170 Abs
2 Satz 1 und Abs
1 Satz 1
SGG). Zutreffend hat das SG entschieden, dass der Klägerin unter Berücksichtigung einer Geschäftsgebühr von 120 Euro ein Anspruch auf Erstattung weiterer
109,48 Euro zusteht. Unter Zurückweisung der Anschlussrevision ist deshalb das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung
der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die Urteile des LSG vom 29.1.2015 und des SG vom 17.3.2014 sowie der Kostenfestsetzungsbescheid der beklagten BA vom 13.11.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom
3.12.2012, soweit die Beklagte dadurch die von ihr zu erstattenden Aufwendungen für das Widerspruchsverfahren auf 57,12 Euro
begrenzt hat und sie vom SG zur Erstattung weiterer 109,48 Euro verurteilt worden ist. Nicht Gegenstand des Verfahrens ist dagegen zum einen der weitergehende
Erstattungsanspruch in der ursprünglich geltend gemachten Höhe von 309,40 Euro, nachdem das SG die den Mehrbetrag von 109,48 Euro übersteigende Klage abgewiesen hat und die Klägerin dagegen nicht mit Berufung vorgegangen
ist. Ebenfalls nicht zu befinden ist über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Rechtsanwalts iS von § 63 Abs 2 SGB X. Hierüber hat die Beklagte zwar anders als von den Vorinstanzen angenommen nicht bereits mit dem Abhilfebescheid vom 27.7.2012
entschieden. Jedoch hat sie durch die Zuerkennung jedenfalls eines Teils der beanspruchten Kosten mit dem streitbefangenen
Kostenfestsetzungsbescheid zumindest konkludent anerkannt, dass die Hinzuziehung des Bevollmächtigten der Klägerin notwendig
war (vgl etwa BSG Urteil vom 5.5.2009 - B 13 R 137/08 R - RdNr 12 sowie BSG Urteil vom 21.12.2009 - B 14 AS 83/08 R - SozR 4-1300 § 63 Nr 11 RdNr 13). Die Klägerin verfolgt ihr Begehren zutreffend im Wege der kombinierten Anfechtungs-
und Leistungsklage (vgl nur BSG Urteil vom 1.7.2009 - B 4 AS 21/09 R - BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2, RdNr 11 f).
2. Prozessuale Hindernisse, die einer Sachentscheidung entgegenstünden, liegen nicht vor. Wird wie vorliegend in der Hauptsache
über die Kosten eines isolierten Vorverfahrens (§§
78 ff
SGG) gestritten, handelt es sich insbesondere nicht um Kosten des Verfahrens iS von §
144 Abs
4 iVm §
165 Satz 1
SGG, bei denen Berufung und Revision nicht statthaft sind (vgl nur BSG Urteil vom 1.7.2009 - B 4 AS 21/09 R - BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2, RdNr 9 mwN; BSG Urteil vom 21.12.2009 - B 14 AS 83/08 R - SozR 4-1300 § 63 Nr 11 RdNr 11; BSG Urteil vom 14.2.2013 - B 14 AS 62/12 R - RdNr 11). Ebenfalls stand der Berufung nach der Zulassung durch das LSG nicht die Wertgrenze von §
144 Abs
1 Satz 1 Nr
1 SGG entgegen.
3. Rechtsgrundlage des Anspruchs der Klägerin auf Erstattung weiterer Kosten dem Grunde nach ist § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X in Verbindung mit dem Abhilfebescheid vom 27.7.2012 sowie dem Kostenfestsetzungsbescheid vom 13.11.2012. Hiernach hat, soweit
der Widerspruch erfolgreich ist, der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat - hier also
die BA als Rechtsträgerin der die Vollstreckung für das Jobcenter betreibenden Stelle (hierzu zuletzt BSG Urteil vom 25.6.2015 - B 14 AS 38/14 R - SozR 4-1300 § 63 Nr 23, auch vorgesehen für BSGE, RdNr 21) -, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden
Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten (§ 63 Abs 1 Satz 1 SGB X). Dazu rechnen auch die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts, wenn seine Zuziehung im Vorverfahren notwendig war (§
63 Abs 2 SGB X). In diesem Sinne ist mit den Bescheiden vom 27.7.2012 und 13.11.2012 bindend entschieden, dass die Beklagte die im Widerspruchsverfahren
entstandenen Kosten einschließlich der Gebühren des Bevollmächtigten der Klägerin dem Grunde nach zu erstatten hat.
4. Zu den hiernach zu erstattenden Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der Klägerin rechnet entgegen der Auffassung von
Beklagter und LSG eine Geschäftsgebühr nach Nr 2400 des VV zum RVG aF in Höhe von 120 Euro.
a) Die nach § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X zu erstattenden Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts iS von § 63 Abs 2 SGB X sind die gesetzlichen Gebühren (stRspr; vgl nur BSG Urteil vom 1.7.2009 - B 4 AS 21/09 R - BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2, RdNr 15), die sich nach dem RVG bemessen (§ 1 Abs 1 Satz 1 RVG). In sozialrechtlichen Angelegenheiten außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens, für die - wie hier - bei Durchführung eines
gerichtlichen Verfahrens das GKG nicht anzuwenden wäre, entstehen danach Betragsrahmengebühren (§ 3 Abs 2 RVG), die sich nach dem VV der Anlage 1 zum RVG bestimmen (§ 2 Abs 2 Satz 1 RVG). Sie umfassen nach Nr 2400 des VV zum RVG (hier in der ab 1.7.2006 geltenden Fassung, vgl Art 5 Abs 1 Nr 4 Buchst b sowie Art 8 Satz 2 KostRMoG, aF; seit dem 1.8.2013 ersetzt durch Nr 2302 VV RVG idF des Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts [2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - 2. KostRMoG] vom 23.7.2013,
BGBl I 2586) eine Geschäftsgebühr ua für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information (vgl Vorbemerkung II zu
Nr 2400 VV RVG aF iVm Vorbemerkung 2.3 III zu Nr 2300 VV RVG). Sie bestimmte sich in der hier geltenden Fassung innerhalb eines Betragsrahmens von 40 bis 520 Euro, wobei eine Gebühr
von mehr als 240 Euro (so genannte Schwellengebühr) nur gefordert werden konnte, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig
war.
b) Innerhalb dieses Gebührenrahmens bestimmt der Rechtsanwalt nach § 14 Abs 1 Satz 1 RVG die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen
Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem
Ermessen (§ 14 Abs 1 Satz 1 RVG), und zwar bei Rahmengebühren, die sich - wie hier - nicht nach dem Gegenstandswert richten, unter Berücksichtigung auch
des Haftungsrisikos (§ 14 Abs 1 Satz 3 RVG). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, so ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich,
wenn sie unbillig ist (§ 14 Abs 1 Satz 4 RVG).
c) Dass hiernach die ursprüngliche Kostennote des Bevollmächtigten der Klägerin vom 9.8.2012 mit einer Geschäftsgebühr nach
Nr 2400 VV RVG aF in Höhe der Schwellengebühr von 240 Euro unbillig ist, hat die Beklagte zutreffend - und auch wirksam (vgl BGH Beschluss
vom 20.1.2011 - V ZB 216/10 -, ASR 2011, 211 RdNr 10; vgl auch Loytved, jurisPR-SozR 15/2015 Anm 5) - beanstandet. Anders als mit diesem Gebührenansatz zugrunde gelegt
(zur Bedeutung und Einordnung der Schwellengebühr grundlegend BSG Urteil vom 1.7.2009 - B 4 AS 21/09 R - BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2, RdNr 24 f mwN) entspricht die mit ihm abgerechnete anwaltliche Tätigkeit von der Bedeutung der Angelegenheit
abgesehen (dazu unter e) nach keinem der übrigen in § 14 Abs 1 Satz 1 RVG angeführten Gesichtspunkte derart einem durchschnittlichen sozialrechtlichen "Normal"-Widerspruchsverfahren, dass sie die
Erhebung einer Geschäftsgebühr von 240 Euro rechtfertigen könnte.
Wie den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und daher bindenden Feststellungen des LSG (§
163 SGG) zu entnehmen ist, waren vielmehr insbesondere der Umfang der abgerechneten anwaltlichen Tätigkeit, also der benötigte Zeitaufwand
(vgl BSG Urteil vom 1.7.2009 - B 4 AS 21/09 R - BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2, RdNr 28 ff), unterdurchschnittlich und die Schwierigkeit, also die Intensität der Arbeit (ebenda
RdNr 32 ff), ebenfalls allenfalls unterdurchschnittlich. Das Widerspruchsvorbringen erschöpfte sich in dem Vorbringen, die
in dem Mahnschreiben angegebenen Bescheide seien "unsererseits nicht bekannt" und die Forderungen daher nicht fällig. Dass
dies ein aufwändiges Aktenstudium oder die Anforderung weiterer Unterlagen oder die Prüfung schwieriger Rechtsfragen erfordert
hätte, ist nicht zu erkennen. Entsprechendes gilt für die Bestimmung des einzulegenden Rechtsbehelfs, nachdem gegen die Festsetzung
der Mahngebühr ungeachtet des um ihre Rechtsqualität zu diesem Zeitpunkt noch geführten Streits (vgl BSG Urteil vom 26.5.2011 - B 14 AS 54/10 R - BSGE 108, 229 = SozR 4-4200 § 44b Nr 3, RdNr 14) ausweislich der Rechtsbehelfsbelehrung ausdrücklich der Widerspruch eröffnet war. Unterdurchschnittlich
waren auch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin (vgl BSG Urteil vom 1.7.2009 - B 4 AS 21/09 R - BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2, RdNr 38) und besondere gebührenerhöhende Haftungsrisiken bestanden ebenfalls nicht (vgl ebenda RdNr
39).
d) Ungeachtet dessen haben die Vorinstanzen entgegen der Auffassung der Beklagten zutreffend entschieden, dass die Tätigkeit
des Bevollmächtigten der Klägerin nicht lediglich mit der Mindestgebühr von 40 Euro nach Nr 2400 VV RVG aF abzugelten ist. Dagegen spricht bereits, dass der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit wenn auch unterdurchschnittlich, aber
nicht weit unterdurchschnittlich war. Weder aus dem Vorbringen der Beklagten noch sonst ergibt sich, dass ihr Bevollmächtigter
bereits vorher mit dem Vorgang befasst war. Nach den Feststellungen des LSG sind ungeachtet der Frage ihres Zugangs Widersprüche
gegen die dem Mahnschreiben zugrunde liegenden Bescheide nicht ersichtlich. Zur Information ihres Anwalts und zur Beratung
der Klägerin war deshalb vor Erhebung des Widerspruchs zumindest eine Besprechung mit der Klägerin durchzuführen, deren Zeitdauer
in die Bewertung des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit ebenfalls einzugehen hat (vgl BSG Urteil vom 1.7.2009 - B 4 AS 21/09 R - BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2, RdNr 28).
e) Weiterhin hat das SG entgegen der Auffassung der Beklagten und insoweit auch des LSG im Ergebnis ebenfalls zutreffend entschieden, dass bei der
Bedeutung der Angelegenheit neben der Mahngebühr auch die Zahlungsaufforderung in Bezug auf den Mahnbetrag selbst zu berücksichtigen
ist.
Richtig ist zwar, dass Gegenstand des Widerspruchsverfahrens nur der Mahngebührenbescheid über 7,85 Euro war, weil nur ihm
und nicht auch der Mahnung bzw der Zahlungsaufforderung Verwaltungsaktsqualität zukam (vgl zur Mahngebühr nur BSG Urteil vom 26.5.2011 - B 14 AS 54/10 R - BSGE 108, 229 = SozR 4-4200 § 44b Nr 3, RdNr 14; zur Mahnung BSG Beschluss vom 5.8.1997 - 11 BAr 95/97 - juris RdNr 6; entsprechend zur Vollstreckungsankündigung BSG Urteil vom 25.6.2015 - B 14 AS 38/14 R - SozR 4-1300 § 63 Nr 23 [vorgesehen], ebenfalls vorgesehen für BSGE, RdNr 15). Gebührenrechtlich im Verhältnis der Klägerin
zu ihrem Anwalt ist das allerdings ohne Bedeutung. Maßgebend in diesem Verhältnis sind nicht die verfahrensrechtlichen Unterschiede
zwischen dem Mahngebührenbescheid als Verwaltungsakt und der Zahlungsaufforderung als Realakt, sondern ausschließlich der
Angelegenheitsbegriff des § 15 Abs 2 RVG.
Hiernach sind im Mandatsverhältnis zum Anwalt einer Angelegenheit zuzuordnen und deshalb gemäß § 15 Abs 2 RVG nur einmal abrechenbar alle auftragsgemäß erbrachten Leistungen, zwischen denen ein innerer Zusammenhang besteht und die
sowohl inhaltlich als auch in der Zielsetzung so weitgehend übereinstimmen, dass von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen
Tätigkeit gesprochen werden kann (BGH Urteil vom 27.7.2010 - VI ZR 261/09 - NJW 2010, 3035, 3036 RdNr 16). Bei dem engen inneren Zusammenhang zwischen Mahnung auf der einen und erhobener Gebühr auf der anderen Seite
(vgl §
19 Abs
2 Satz 1
Verwaltungsvollstreckungsgesetz [VwVG] iVm § 40 Abs 6 Halbs 1 SGB II idF des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011, BGBl I 453) ist danach ausgeschlossen, dass das Vorgehen gegen die Mahnung und das gegen die Mahngebühr im
Verhältnis zur Klägerin gesondert abzurechnen sein könnte. Ebenso wenig könnte die Klägerin für das Letztere Beratungshilfe
nach dem Beratungshilfegesetz (BerHG) als Ausgleich dafür erhalten, dass die Beklagte nur für einen Teil der Kosten der Rechtsverfolgung auf die Mahnung aufkommt
(zu dieser Kompensation für den begrenzten Kostenerstattungsanspruch nach § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X vgl BSG Urteil vom 25.6.2015 - B 14 AS 38/14 R - SozR 4-1300 § 63 Nr 23 [vorgesehen], ebenfalls vorgesehen für BSGE, RdNr 24 f). Gebührenrechtlich ist die Klägerin vielmehr
einem einheitlichem Vergütungsanspruch ihres Anwalts ausgesetzt, in dessen Bemessung im Verhältnis zwischen ihm und ihr nach
Maßgabe von § 14 Abs 1 RVG nach der objektiven Bedeutung der Angelegenheit für sie auch ihr Interesse an der Abwendung der Zwangsvollstreckung eingeht.
Das gebietet es, im kostenerstattungsrechtlichen Verhältnis zwischen Klägerin und beklagter BA bei der Bedeutung der Sache
auch diese Wirkungen des erfolgreichen Widerspruchs gegen den Mahngebührenbescheid als von seinen Folgen umfasst ("Soweit
der Widerspruch erfolgreich ist" [§ 63 Abs 1 Satz 1 Halbs 1 SGB X]) zu berücksichtigen. Das ist insofern sachgerecht, als
die Beklagte zum einen vornehmlich durch die kurz bemessene Zahlungsaufforderung Anlass für das Vorgehen gegen die Mahnung
und den Mahngebührenbescheid gegeben hat. Zum anderen sind die Mahngebühr und die Mahnung schon rechtlich insoweit miteinander
verknüpft, als die Gebühr als Entgelt für die Amtshandlung (vgl §
19 Abs
1 Satz 1
VwVG) der Mahnung erhoben wird und sie deshalb - von der korrekten Bemessung abgesehen (vgl §
19 Abs
2 Satz 2 und
3 VwVG) - nur rechtmäßig ist, wenn die Vollstreckungsvoraussetzungen erfüllt sind (vgl §
3 Abs
2 VwVG) und mithin auch die Mahnung gemäß §
3 Abs
3 VwVG ergehen darf. Weiter sind Mahngebühr und Mahnung auch in ihren tatsächlichen Wirkungen aufeinander bezogen, indem durch die
Erhebung der Gebühr - wenn auch noch mit relativ niedrigem Betrag - die Dringlichkeit der alsbaldigen Zahlung und die nachteiligen
Folgen ("Hierdurch entstehen weitere Kosten, die die Forderung unnötig erhöhen") für den Fall verdeutlicht werden, dass nicht
fristgerecht bezahlt wird. Schließlich steht dem die Grenze des § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X auch nicht insoweit entgegen, als durch die Beschränkung der Kostenerstattung auf die förmlichen Rechtsbehelfe nicht jegliche
Ersatzansprüche im Hinblick auf das nichtförmliche Verwaltungshandeln ausgeschlossen werden, sondern nur für diesen Anwendungsbereich
eine Sonderregelung zu §
839 BGB begründet werden sollte (vgl BT-Drucks 7/910 S 92 zum Entwurf des § 80 VwVfG [dort § 76], dem § 63 SGB X im Wesentlichen nachgebildet ist).
f) Unter Einbeziehung des Mahnbetrags als gebührenerheblichen Umstand hat das SG die Geschäftsgebühr nach Nr 2400 des VV zum RVG aF nach den Kriterien des § 14 Abs 1 RVG - unterdurchschnittlicher Zeitaufwand, allenfalls unterdurchschnittliche Schwierigkeit, unterdurchschnittliche Einkommens-
und Vermögensverhältnisse, durchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit und kein zur Erhöhung führendes Haftungsrisiko -
im Einzelfall hier im Ergebnis zu Recht mit 120 Euro angesetzt. Zwar war der Streit über die angedrohte Vollstreckung nicht
vorentscheidend für den dauerhaften Bestand der zu vollstreckenden Forderungen. Insofern rechtfertigt sich ein Abschlag gegenüber
der Bedeutung eines solchen Betrags in einer Hauptsachestreitigkeit. Gleichwohl hatte der Streit angesichts des Gesamtbetrags
der Mahnsumme und der Mittel, die der Klägerin und ihren Töchtern monatlich zur Verfügung standen, keine nur unterdurchschnittliche
Bedeutung. Sie war schließlich auch nicht deshalb relativiert, weil über den Bestand der der Mahnung zugrunde gelegten Rückforderungsbescheide
bereits in anderen Verfahren zu entscheiden und daher über die Durchsetzbarkeit der Forderung nicht im Wesentlichen im Rahmen
des Mahnverfahrens zu befinden gewesen wäre und deshalb - was hier nicht zu entscheiden ist - der Abwendung der Zwangsvollstreckung
geringere Bedeutung beizumessen sein könnte.
5. Hinzu kommen die zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitigen Auslagentatbestände nach Nr 7002 VV RVG und Nr 7008 VV RVG, woraus sich der vom SG zuerkannte Erstattungsbetrag in Höhe von insgesamt 166,60 Euro (57,12 Euro zuzüglich des Mehrbetrags von 109,48 Euro) ergibt.
6. Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.