Rückzahlung geleisteter Gesamtsozialversicherungsbeiträge
Grundsatzrüge
Klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage
Bereits geklärte Rechtsfrage
Erneute Klärungsbedürftigkeit
1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen,
welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit
oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten
(Klärungsfähigkeit) ist.
2. Die Bezeichnung einer hinreichend bestimmten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit
das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann.
3. Eine Rechtsfrage ist dann als höchstrichterlich geklärt und damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig anzusehen, wenn diese
bereits beantwortet ist; ist sie noch nicht ausdrücklich entschieden, genügt es, dass schon eine oder mehrere höchstrichterliche
Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten
Rechtsfrage geben.
4. Zwar kann auch eine bereits höchstrichterlich entschiedene Frage erneut klärungsbedürftig werden, doch ist hierfür darzulegen,
dass und mit welchen Gründen der höchstrichterlichen Rechtsprechung widersprochen worden ist oder dass sich völlig neue, nicht
erwogene Gesichtspunkte ergeben haben, die eine andere Beurteilung nahelegen könnten.
5. Mit der Behauptung, die Rechtsauffassung des BGH stehe "im Gegensatz zum einfachen Gesetz und zum Verfassungsrecht", ist
die (erneute) Klärungsbedürftigkeit nicht dargetan.
Gründe:
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrundeliegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten darüber, ob der Kläger als Insolvenzverwalter
über das Vermögen der E. GmbH von der Beklagten im Wege der Insolvenzanfechtung die Rückzahlung geleisteter Gesamtsozialversicherungsbeiträge
in Höhe von 18.745,66 Euro verlangen kann. Das SG Gotha hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 24.9.2012). Auf die Berufung
des Klägers hat das Thüringer LSG die Entscheidung aufgehoben und die Beklagte zur Zahlung von 18.745,66 Euro nebst Zinsen
in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.7.2008 verurteilt (Urteil vom 29.11.2016). Gegen die Nichtzulassung
der Revision wendet sich die Beklagte mit ihrer Beschwerde vom 30.1.2017.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen
(§
160a Abs
4 S 1 Halbs 2 iVm §
169 SGG). Das BSG darf gemäß §
160 Abs
2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1),
das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder bestimmte Verfahrensmängel geltend
gemacht werden (Nr 3). Einen solchen Zulassungsgrund hat die Beklagte in der Begründung des Rechtsmittels entgegen §
160a Abs
2 S 3
SGG nicht hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen,
welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit
oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten
(Klärungsfähigkeit) ist (stRspr, vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach
dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht
zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.10.1978 - 8/3 RK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31 S 48). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Die Beklagte misst der Frage,
"ob Zahlungen auf den Pflichtbeitrag innerhalb der gesetzlichen Sozialversicherung der Insolvenzanfechtung unterliegen, insbesondere,
ob der Arbeitnehmeranteil innerhalb des Pflichtbeitrags der gesetzlichen Sozialversicherung der Insolvenzanfechtung unterliegen
kann",
eine grundsätzliche Bedeutung bei. Es kann dahingestellt bleiben, ob damit schon keine Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich
oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§
162 SGG) mit höherrangigem Recht (BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - Juris RdNr 11 mwN) formuliert worden ist. Die Bezeichnung einer hinreichend bestimmten, aus sich heraus verständlichen
Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen
kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - Juris RdNr 11 mwN). Jedenfalls hat die Beklagte die Klärungsbedürftigkeit der
aufgeworfenen Frage nicht dargelegt.
Eine Rechtsfrage ist dann als höchstrichterlich geklärt und damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig anzusehen, wenn diese
bereits beantwortet ist. Ist sie noch nicht ausdrücklich entschieden, genügt es, dass schon eine oder mehrere höchstrichterliche
Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten
Rechtsfrage geben (BSG Beschluss vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 7 mwN). Die Beklagte selbst führt aus, dass Zahlungen auf den Arbeitnehmeranteil nach der
Rechtsprechung des BGH von der Insolvenzanfechtung erfasst seien. Zwar kann auch eine bereits höchstrichterlich entschiedene
Frage erneut klärungsbedürftig werden, doch ist hierfür darzulegen, dass und mit welchen Gründen der höchstrichterlichen Rechtsprechung
widersprochen worden ist oder dass sich völlig neue, nicht erwogene Gesichtspunkte ergeben haben, die eine andere Beurteilung
nahelegen könnten (BSG Beschluss vom 3.8.2016 - B 12 P 4/15 B - Juris RdNr 5 mwN). Daran fehlt es hier. Mit der Behauptung, die Rechtsauffassung des BGH stehe "im Gegensatz zum einfachen
Gesetz und zum Verfassungsrecht", ist die (erneute) Klärungsbedürftigkeit nicht dargetan.
Auf die Klärungsfähigkeit und Breitenwirkung kommt es damit nicht mehr an.
2. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung
beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen
rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen
Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht
die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern
die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon
dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere
rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl BSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN). Sich widersprechende Rechtssätze sind mit der Beschwerde aber nicht dargelegt
worden.
3. Mit der Rüge, das LSG hätte das Verfahren dem BVerfG und dem EuGH "vorlegen müssen", hat die Beklagte einen Verfahrensmangel
iS des §
160 Abs
2 Nr
3 SGG nicht bezeichnet. Nach Art
100 Abs
1 S 1
GG bestand eine Vorlagepflicht an das BVerfG nur, wenn das LSG von der Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes, auf dessen Gültigkeit
es bei der Entscheidung ankam, überzeugt war. Dies ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen. Die Beklagte hat auch
nicht dargetan, welche Frage zur Auslegung oder zum Anwendungsbereich einer bestimmten Norm des Unionsrechts sich ausgehend
von der Rechtsauffassung des LSG im Berufungsverfahren gestellt hätte.
Soweit die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gerügt wird, ist schon nicht aufgezeigt worden, welches konkrete
Vorbringen das LSG nicht zur Kenntnis genommen und nicht in Erwägung gezogen haben soll.
Im Übrigen sieht der Senat von einer weiteren Begründung ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen
der Revisionszulassung beizutragen (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §
197a Abs
1 S 1 Teils 1
SGG iVm §
63 Abs
2 S 1, § 52 Abs 1 und Abs 3 S 1, § 47 Abs 1 S 1 und Abs 3 GKG.