Sozialversicherungspflicht des Vertriebsleiters in einer Familiengesellschaft mit freier Hand in der Führung der Geschicke
der GmbH bei fehlender Rechtsmacht
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten (noch) darüber, ob der Kläger zu 1. in seiner bei der Klägerin zu 2. ausgeübten Tätigkeit als Vertriebsleiter
in der Zeit vom 1.5.2006 bis 17.8.2011 wegen Beschäftigung in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung
versicherungspflichtig ist.
Der Kläger zu 1. ist ausgebildeter Diplomkaufmann. Er ist - neben seiner Tätigkeit bei der Klägerin zu 2. - Geschäftsführer
und Gesellschafter von zwei weiteren Unternehmen (J. GmbH und L. J. GmbH) und Kommanditist eines vierten Unternehmens (Ha
CE L. J. GmbH & Co KG).
Bei der Klägerin zu 2. handelt es sich um eine 1998 gegründete GmbH mit dem Unternehmensgegenstand Vertrieb von Lockenwicklern
und Vogelnetzen, die sie von einem der anderen Unternehmen bezieht. Das Stammkapital beläuft sich auf 358 000 Euro. Alleinige
Gesellschafterin sowie Geschäftsführerin war ab Oktober 2005 die Ehefrau des Klägers zu 1., eine gelernte Zahnarzthelferin
und Bürokauffrau. Gemäß "Anstellungsvertrag" vom 30.4.2006 war der Kläger zu 1. ab 1.5.2006 Vertriebsleiter der Klägerin zu
2. für die Bereiche Netze und Lockenwickler. Seit dem 17.8.2011 ist auch der Kläger zu 1. deren Geschäftsführer und seit dem
13.3.2012 zudem Gesellschafter mit der Hälfte des Stammkapitals. Bereits am 12.4.2001 übernahm der Kläger zu 1. zugunsten
der Klägerin zu 2. ua eine Bürgschaft in Höhe von 384 000 Euro, die 2005 auf 375 000 Euro reduziert wurde.
Auf Antrag des Klägers zu 1. auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status vom 10.3.2006 stellte die Beklagte
mit Bescheiden vom 27.6.2007 gegenüber den Klägern fest, dass der Kläger zu 1. als Vertriebsleiter der Klägerin zu 2. seit
Aufnahme dieser Tätigkeit dem Grunde nach sozialversicherungspflichtig beschäftigt sei. Die hiergegen erhobenen Widersprüche
der Kläger wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheide vom 21.1.2008 zurück.
Nach Klageerhebung hat die Beklagte mit Bescheiden vom 14.12.2009 gegenüber beiden Klägern unter Änderung ihrer früheren Bescheide
festgestellt, dass wegen der Vertriebsleitertätigkeit des Klägers zu 1. für die Klägerin zu 2. Versicherungspflicht in der
gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung
bestehe. In der mündlichen Verhandlung über die verbundenen Klagen hat die Beklagte diese Bescheide wegen des Einkommens des
Klägers zu 1. hinsichtlich dessen Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung aufgehoben. Das SG hat die Bescheide der Beklagten auch im Übrigen aufgehoben und festgestellt, dass es sich bei der Tätigkeit des Klägers zu
1. als Vertriebsleiter der Klägerin zu 2. um eine insgesamt sozialversicherungsfreie Tätigkeit handele (Urteil vom 9.2.2011).
Das LSG hat die auf die Zeit bis zum 17.8.2011 beschränkte Berufung der Beklagten zurückgewiesen: Ausnahmsweise liege keine
Beschäftigung vor, wenn es bei Familienunternehmen aufgrund der familienhaften Rücksichtnahme an der Ausübung eines Direktionsrechts
des Arbeitgebers gegenüber dem vermeintlich Beschäftigten völlig mangele. Hiervon könne insbesondere bei demjenigen auszugehen
sein, der - obwohl nicht maßgeblich am Unternehmenskapital beteiligt - aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehungen faktisch
wie ein Alleininhaber die Geschäfte des Unternehmens nach eigenem Gutdünken führen und frei schalten und walten könne. Dies
sei beim Kläger zu 1. der Fall gewesen. Er sei auch nicht in einem fremden, sondern in seinem eigenen Betrieb tätig gewesen
und habe dabei keinen Weisungen unterlegen. Seine Ehefrau sei lediglich aus wirtschaftlichen Erwägungen in die Stellung als
Gesellschafterin und Geschäftsführerin der Klägerin zu 2. gerückt, ohne dass sie zu irgendeiner Zeit die Geschicke der Klägerin
zu 2. beeinflusst oder gar bestimmt hätte. Sie habe sich vielmehr um die vier Kinder gekümmert und die Unternehmensleitung
dem Kläger zu 1. überlassen. Dieser habe durch seine Ausbildung und seine einschlägige Berufserfahrung aufgrund seiner Tätigkeit
für die anderen Unternehmen - im Gegensatz zu seiner Ehefrau - die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten gehabt, um die
Geschäfte führen zu können. Im Fall eines Konfliktes mit seiner Ehefrau hätte er aufgrund seiner maßgeblichen Stellung in
den anderen Unternehmen die Kunden der Klägerin zu 2. abziehen können. Damit hätten dem Kläger zu 1. erhebliche wirtschaftliche
Einflussmöglichkeiten zur Verfügung gestanden. Zudem hätte er maßgeblichen Einfluss auf die Klägerin zu 2. nehmen und ihm
nicht genehme Weisungen abwenden können. Darüber hinaus habe der Kläger zu 1. gegenüber der Klägerin zu 2. eine Bürgschaft
über einen Betrag in einer Höhe abgegeben, welche in etwa dem Stammkapital der Klägerin zu 2. entspreche (Urteil vom 22.11.2012).
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von §
7 Abs
1 SGB IV. Auch wenn der Kläger zu 1. - wie in den anderen Unternehmen - unstreitig auch in der Führung der Geschicke der Klägerin
zu 2. vollkommen freie Hand gehabt habe und wie ein Alleininhaber habe frei schalten und walten können, habe das LSG gestützt
auf die zum Leistungsrecht ergangene Rechtsprechung des 7. und 11. Senats des BSG (Hinweis ua BSGE 66, 168 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1) zu Unrecht Selbstständigkeit angenommen. Entscheidendes Kriterium sei allein, ob der Betroffene rechtlich in der Lage
sei, unliebsame Weisungen des Arbeitgebers bzw Dienstberechtigten abzuwenden (Hinweis auf BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17). Im Falle eines möglichen familiären Zerwürfnisses zwischen den Beteiligten komme allein die den
einzelnen Familienmitgliedern zustehende Rechtsmacht zum Tragen, sodass auch nach den gelebten tatsächlichen Verhältnissen
in einem solchen Fall eine Weisungsunterworfenheit bestehen könne. Eine "Schönwetter-Selbständigkeit" sei mit Blick auf das
Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht hinnehmbar. Auch die Übernahme
einer Bürgschaft in beträchtlicher Höhe vermöge an der Statusbeurteilung nichts zu ändern, da es im Wirtschaftsleben üblich
sei, die Ehepartner eines Unternehmensinhabers ohne Rücksicht auf deren Stellung im Unternehmen zu Bürgschaften heranzuziehen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 22. November 2012 aufzuheben und unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts
Kassel vom 9. Februar 2011 die Klage abzuweisen, soweit sie die Feststellung von Versicherungspflicht in der gesetzlichen
Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung in der Zeit vom 1. Mai 2006 bis 17. August 2011 betrifft.
Die Kläger beantragen,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Sie verteidigen das angefochtene Urteil.
Die Beigeladene teilt die Rechtsauffassung der Beklagten.
II
Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Zu Unrecht hat das LSG die Berufung der Beklagten gegen das der Klage
stattgebende Urteil des SG zurückgewiesen, soweit die Klage die Feststellung von Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach
dem Recht der Arbeitsförderung in der Zeit vom 1.5.2006 bis 17.8.2011 betrifft. Die Bescheide der Beklagten erweisen sich
in diesem Umfang als rechtmäßig.
1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die Bescheide der Beklagten vom 27.6.2007 in Gestalt der Widerspruchsbescheide
vom 21.1.2008, abgeändert durch den nach §
96 SGG zum Gegenstand des Verfahrens gewordenen Bescheid vom 14.12.2009.
Materiell betrifft der Rechtsstreit nur noch die Feststellung von Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung
und nach dem Recht der Arbeitsförderung in der Zeit vom 1.5.2006 bis 17.8.2011. Die Beklagte hat im Termin zur mündlichen
Verhandlung vor dem SG bzw vor dem Senat ihre Bescheide teilweise aufgehoben und ihre Berufung hinsichtlich des Zeitraums ab 17.8.2011 zurückgenommen.
2. Das LSG hat das Vorliegen von Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung
zu Unrecht verneint. Der Kläger zu 1. war in seiner Tätigkeit für die Klägerin zu 2. in der Zeit vom 1.5.2006 bis 17.8.2011
Beschäftigter, weshalb Versicherungspflicht bestand. Das LSG ist in seinem Urteil zwar zutreffend von den in der Rechtsprechung
des BSG zum Vorliegen von zu Versicherungspflicht führender Beschäftigung aufgestellten Grundsätzen ausgegangen (hierzu a). Es hat
dabei jedoch die für die Tätigkeit des Klägers zu 1. für die Klägerin zu 2. maßgebenden vertraglichen Vereinbarungen, welche
hier nur die Annahme von Beschäftigung rechtfertigen können, nicht ausreichend beachtet (hierzu b). Besondere Umstände, die
abweichend vom festgestellten Vertragsinhalt eine Beurteilung der Tätigkeit des Klägers zu 1. als selbstständig zuließen,
liegen nicht vor. Insbesondere ist Selbstständigkeit des Klägers zu 1. auch nicht deshalb anzunehmen, weil er nach den Feststellungen
des LSG faktisch "Kopf und Seele" des Unternehmens war und dieses nach eigenem Gutdünken leitete (hierzu c).
a) Im streitigen Zeitraum unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, der Versicherungspflicht in der
gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung (vgl §
1 S 1 Nr 1
SGB VI idF der Bekanntmachung vom 19.2.2002, BGBl I 754 bzw ab 1.1.2007 idF des Gesetzes vom 24.4.2006, BGBl I 926; §
24 Abs
1, §
25 Abs
1 S 1
SGB III idF des Gesetzes vom 24.3.1997, BGBl I 594). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen von Beschäftigung ist §
7 Abs
1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung "die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere
in einem Arbeitsverhältnis" (§
7 Abs
1 S 1
SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in
einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer,
Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich
bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein.
Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen
Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und
Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen
nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 21 RdNr 13 mwN; BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 15 mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger
Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der
Beschäftigung bzw der selbstständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht
kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht
eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden
(vgl insoweit insbesondere BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 LS und RdNr 25).
b) Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit ist in Fällen wie dem vorliegenden vom Inhalt der zwischen den Beteiligten
getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Dazu haben Verwaltung und Gerichte zunächst deren Inhalt konkret festzustellen (dazu
aa). Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche
oder konkludente Änderungen erfolgt sind (dazu bb). Diese sind ebenfalls nur maßgeblich, soweit sie rechtlich zulässig sind
(vgl BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 16 mwN). Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen
und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen "Etikettenschwindel" handelt, der uU als Scheingeschäft iS des §
117 BGB zur Nichtigkeit dieser Vereinbarungen und der Notwendigkeit führen kann, ggf den Inhalt eines hierdurch verdeckten Rechtsgeschäfts
festzustellen (dazu cc). Erst auf Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen
ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen
(hierzu dd) und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung
notwendig machen.
aa) Der Tätigkeit des Klägers zu 1. lag eine schriftliche, ausdrücklich als "Anstellungsvertrag" bezeichnete Vereinbarung
vom 30.4.2006 zugrunde. Danach wurde der Kläger zu 1. zum 1.5.2006 als Vertriebsleiter für die Bereiche Netze und Lockenwickler
- also unterhalb der Ebene eines Geschäftsführers und nur mit einem beschränkten Aufgabengebiet - von der Klägerin zu 2. angestellt.
Hierfür erhielt er ein festes monatliches Gehalt von zunächst 6000 Euro bzw 8000 Euro ab dem 1.11.2006. Es wurden Entgeltfortzahlung
im Krankheitsfall für die Dauer von drei Monaten sowie ein Anspruch auf Jahresurlaub von 30 Arbeitstagen vereinbart. Der Anstellungsvertrag
wurde auf unbestimmte Zeit geschlossen. Eine Kündigung war nur aus wichtigen Gründen möglich. Eine Beteiligung des Klägers
zu 1. an anderen Unternehmen sowie die Mitgliedschaft in Organen fremder Gesellschaften waren anzeigepflichtig.
bb) Ausdrückliche Änderungen des schriftlichen Anstellungsvertrags hat das LSG im noch streitigen Zeitraum nicht festgestellt.
Erst danach änderte sich die Tätigkeit des Klägers zu 1. in rechtlich anzuerkennender Weise, indem er am 17.8.2011 als weiterer
Geschäftsführer der Klägerin zu 2. ins Handelsregister eingetragen wurde und später die Hälfte der Gesellschaftsanteile an
der Klägerin zu 2. erwarb. Dem hat die Beklagte durch eine teilweise Rücknahme der Berufung bereits Rechnung getragen.
Darüber hinaus ergeben sich - unabhängig vom vereinbarten Schriftformerfordernis - auch keine Anhaltspunkte für eine rechtlich
anzuerkennende konkludente Vertragsänderung. Dass der Kläger zu 1. nach den Feststellungen des LSG vollkommen freie Hand in
der Führung der Geschicke der Klägerin zu 2. hatte, also faktisch wie deren Geschäftsführer aufgetreten ist und gehandelt
hat, ändert an seiner vertraglichen Stellung schon deshalb nichts, weil nach § 6 Abs 3 S 2 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) die Bestellung der Geschäftsführer entweder im Gesellschaftsvertrag oder nach Maßgabe der Bestimmungen des dritten Abschnitts
des GmbHG (ua im Fall der Führungslosigkeit, hierzu § 35 Abs 1 S 2 GmbHG) erfolgt und nach § 39 Abs 1 GmbHG jede Änderung in den Personen der Geschäftsführer sowie die Beendigung der Vertretungsbefugnis eines Geschäftsführers zur
Eintragung in das Handelsregister anzumelden ist. Dies ist im noch streitigen Zeitraum nicht erfolgt.
cc) Nach den Feststellungen des LSG wurden die vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Klägern auch nicht nur zum Schein
getroffen. Vielmehr erfolgte die Bestellung der Ehefrau des Klägers zu 1. zur Alleingesellschafter-Geschäftsführerin der Klägerin
zu 2. nach diesen Feststellungen aus wirtschaftlichen Gründen und damit absichtlich. Somit ist davon auszugehen, dass auch
die Anstellung des Klägers zu 1. unterhalb der Geschäftsführung von den Beteiligten ganz bewusst so gewollt war, sodass der
erstrebte Rechtserfolg gerade die Gültigkeit des zugrunde liegenden Rechtsgeschäftes voraussetzte (vgl hierzu Ellenberger
in Palandt,
BGB, 73. Aufl 2014, §
117 RdNr 4 mwN).
dd) Die vertraglichen Abreden zwischen den Klägern sind ausgehend von den vom LSG zu deren Inhalt getroffenen Feststellungen
(siehe vorstehend aa bis cc) dem Typus der Beschäftigung zuzuordnen. In der ausdrücklich als "Anstellungsvertrag" bezeichneten
Vereinbarung überwiegen die für einen Arbeitsvertrag typischen Elemente, wie zB die Regelungen über ein festes Entgelt, Lohnfortzahlung
im Krankheitsfall und den Jahresurlaub. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die vertragliche Stellung des Klägers
zu 1. bei der Klägerin zu 2. noch unterhalb der Stellung eines Geschäftsführers und damit auf der Ebene eines leitenden Angestellten
angesiedelt ist. Dagegen spricht nicht die Beschränkung der Kündigung auf wichtige Gründe, die uU auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses
für beide Seiten vereinbart werden kann (vgl Weidenkaff in Palandt,
BGB, 73. Aufl 2014, §
622 RdNr 9).
c) Umstände, die abweichend vom festgestellten Vertragsinhalt eine Beurteilung der Tätigkeit des Klägers zu 1. als selbstständig
zuließen, liegen nicht vor: Der Kläger zu 1. übte iS von §
7 Abs
1 S 2
SGB IV eine Tätigkeit nach Weisung aus und war in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers eingegliedert. Er war in einem fremden
Unternehmen tätig (dazu aa). Ohne eine im Gesellschaftsrecht wurzelnde Rechtsmacht, die ihn in die Lage versetzte, ihm unangenehme
Weisungen zu verhindern, schließen auch die von ihm ausgeübten weitreichenden Befugnisse die Annahme von Beschäftigung nicht
von vornherein aus, auch wenn er "im Alltag" faktisch bei seiner Tätigkeit keinen Weisungen unterlag (dazu bb). Mangels einer
solchen Rechtsmacht rechtfertigt zudem weder eine vermeintliche wirtschaftliche Abhängigkeit der Klägerin zu 2. vom Kläger
zu 1. noch die Übernahme einer beträchtlichen Bürgschaft durch diesen ein anderes Ergebnis (dazu cc). Etwas anderes gilt schließlich
auch nicht deshalb, weil der Kläger zu 1. "Kopf und Seele" des Unternehmens war und dieses nach eigenem "Gutdünken" führte
(dazu dd).
aa) Entgegen der Auffassung des LSG war der Kläger zu 1. im streitigen Zeitraum in einem fremden und nicht in seinem eigenen
Betrieb tätig. Die alleinige Betriebs- bzw Unternehmensinhaberin war die Klägerin zu 2., die als GmbH juristische Person mit
eigener Rechtspersönlichkeit ist und deshalb unabhängig von den als Gesellschafter dahinterstehenden juristischen oder natürlichen
Personen (hierzu vgl nur BSGE 95, 275 = SozR 4-2600 § 2 Nr 7, RdNr 21 mwN) und deren verwandtschaftlichen oder wirtschaftlichen Beziehungen betrachtet werden muss
(vgl BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 18).
bb) Die vom Kläger zu 1. tatsächlich wahrgenommenen weitreichenden Befugnisse führen genauso wenig zur Annahme von Selbstständigkeit,
wie die Feststellung des LSG, dass er in seiner Tätigkeit "im Alltag" keinen tatsächlichen Weisungen oder einer Überwachung
durch die Geschäftsführerin der Klägerin zu 2. unterlegen habe. Aus der nur faktischen Nichtwahrnehmung eines Weisungs-, Aufsichts-
oder Überwachungsrechts kann schon nicht auf einen rechtswirksamen Verzicht auf dieses Recht geschlossen werden (vgl BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 R 14/10 R - USK 2012-182, Juris RdNr 25; BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 23). Gleichzeitig machen weitreichende Entscheidungsbefugnisse eines "leitenden Angestellten",
der in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem verfeinerten Weisungsrecht unterliegt, diesen nicht zu
einem Selbstständigen, selbst wenn diese Umstände auf besonderer Rücksichtnahme innerhalb eines Familienunternehmens beruhen
(vgl BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 23 und 30 ff mwN).
Entscheidend ist insoweit, dass der Kläger zu 1. im streitigen Zeitraum nicht als Gesellschafter an der Klägerin zu 2. beteiligt
war. Damit fehlte es ihm von vornherein an einer im Gesellschaftsrecht wurzelnden Rechtsmacht (zu deren Bedeutung vgl BSGE
111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 32), die ihn in die Lage versetzt hätte, eine Einflussnahme auf seine Tätigkeit, insbesondere
durch ihm uU unangenehme Weisungen von Seiten der Geschäftsführung der Klägerin zu 2., zu verhindern. Zwar nimmt die höchstrichterliche
Rechtsprechung regelmäßig Selbstständigkeit an, wenn der im Unternehmen Tätige Gesellschaftsanteile an einer Kapitalgesellschaft
- sei es auch eine Familiengesellschaft - hält, damit zugleich eine entsprechende Einflussmöglichkeit auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen
verbunden ist - etwa durch ein seinem Gesellschaftsanteil entsprechendes Stimmgewicht oder in Form einer Sperrminorität -
und der Betroffene deshalb rechtlich über die Möglichkeit verfügt, ihm nicht genehme Weisungen hinsichtlich seiner Tätigkeit
abzuwehren (vgl hierzu allgemein bereits zB BSGE 38, 53, 57 f = SozR 4600 § 56 Nr 1 S 5; BSGE 42, 1, 3 = SozR 2200 § 723 Nr 1 S 3 mwN; BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 7, RdNr 25 mwN; zuletzt BSG Urteil vom 30.4.2013 - B 12 KR 19/11 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 21 RdNr 16). Eine solche Konstellation liegt hier aber gerade nicht vor.
cc) Mangels einer solchen im Gesellschaftsrecht wurzelnden Rechtsmacht rechtfertigt zudem weder eine vermeintliche wirtschaftliche
Abhängigkeit der Klägerin zu 2. vom Kläger zu 1. noch die Übernahme einer beträchtlichen Bürgschaft durch diesen ein anderes
Ergebnis. Dies hat der Senat in seiner jüngeren Rechtsprechung bereits herausgearbeitet (zur Bürgschaft vgl BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 26 mwN; zur "faktischen Machtposition" vgl BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 21 RdNr 28 f): Zwar können nach der Rechtsprechung des BSG auch wirtschaftliche Einflussmöglichkeiten beachtenswert sein, soweit sie - was hier nicht der Fall ist - dem Geschäftsführer
einer GmbH selbst gegenüber der Gesellschaft zur Verfügung stehen (zu einem - im Ergebnis nicht ausreichenden - der Gesellschaft
gewährten Darlehen vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 17 f; vgl auch BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 26 mwN). Rechtlich - und vor allem hierauf kommt es an (vgl hierzu BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 21 RdNr 29) - hatte es aber allein die Ehefrau des Klägers zu 1. als Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin in der
Hand, im Falle eines Zerwürfnisses mit dem Kläger zu 1. auch unter Inkaufnahme wirtschaftlicher Nachteile beispielsweise den
Unternehmenszweck der Klägerin zu 2. zu ändern, eine Neuausrichtung des Unternehmens vorzunehmen oder dieses gar zu liquidieren.
Ebenso stand es ihr von Rechts wegen frei, den Kläger zu 1. von seinen Aufgaben zu entbinden, ihm zumindest aus wichtigen
Gründen zu kündigen und ihn durch einen anderen Vertriebsleiter zu ersetzen. Dass die Ausübung dieser der Ehefrau des Klägers
zu 1. zukommenden Rechte im Hinblick auf dessen Kundenbeziehungen und Fachwissen sowie auf die Bürgschaft möglicherweise höhere
Betriebskosten oder gar wirtschaftliche Turbulenzen der Klägerin zu 2. ausgelöst hätte, ändert an der in letzter Konsequenz
fehlenden Rechtsmacht des Klägers zu 1., solche Maßnahmen seiner Ehefrau abzuwenden, nichts. Bezüglich der Bewertung wirtschaftlicher
Einflussmöglichkeiten ist zudem zu beachten, dass die Übernahme einer Bürgschaft nicht mit der Gewährung eines Darlehens (hierzu
BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 17 f) zu vergleichen ist, denn bei letzterem hat es der Darlehensgeber durch die Kündigung des Darlehens in der Hand,
unmittelbar auf die wirtschaftliche Situation des Darlehensnehmers Einfluss zu nehmen. Daran fehlt es bei der Übernahme einer
Bürgschaft, da diese idR nur zur Absicherung weiterer Verbindlichkeiten dient und selbst im Fall ihrer Kündigung bzw Rücknahme
allenfalls mittelbare Auswirkungen haben kann.
dd) Eine Selbstständigkeit des Klägers zu 1. ist auch nicht deshalb anzunehmen, weil er nach den Feststellungen des LSG faktisch
"Kopf und Seele" des Unternehmens war und dieses nach eigenem Gutdünken leitete.
Die für das Leistungsrecht der Arbeitsförderung und das Recht der Unfallversicherung von den dafür zuständigen Senaten entwickelte
sog "Kopf und Seele"-Rechtsprechung ist für die Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status nach §
7 Abs
1 SGB IV nicht heranzuziehen. Soweit der Senat in der Vergangenheit vereinzelt hierauf zurückgegriffen hat (BSG Urteil vom 23.6.1994 - 12 RK 72/92 - USK 9448), wird hieran nicht festgehalten. Nach dieser Rechtsprechung soll für einen Fremdgeschäftsführer einer Familiengesellschaft
und ausnahmsweise auch für einen Angestellten unterhalb der Geschäftsführerebene, der mit den Gesellschaftern familiär verbunden
ist, eine Ausnahme von der Beschäftigtenstellung in Betracht kommen, wenn er faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte
der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führen konnte und geführt hat, ohne dass ihn der oder die Gesellschafter daran hinderten
(Nachweise bei BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 31).
Eine solche Abhängigkeit der Statuszuordnung vom rein faktischen, nicht rechtlich gebundenen und daher jederzeit änderbaren
Verhalten der Beteiligten ist mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände
nicht in Einklang zu bringen (vgl BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 32). Eine "Schönwetter-Selbstständigkeit", die sich ausschließlich daraus ableitet, dass dem
Betroffenen in harmonischen Zeiten freie Hand gelassen wird, während im Fall eines Zerwürfnisses dessen Weisungsunterworfenheit
zum Tragen käme, ist nicht anzuerkennen (BSG aaO). Zugleich verringert das Anknüpfen an die den Beteiligten von Gesetzes oder Vertrags wegen zukommende Rechtsmacht Manipulationsmöglichkeiten
bezüglich der Generierung oder Negierung von Sozialversicherungspflicht. Andernfalls stünde es nämlich gerade bei kleinen
(Familien-)Unternehmen im freien Belieben der Beteiligten, durch zweckgerichtete Angaben zur tatsächlichen Stellung des Betroffenen
im Unternehmen Sozialversicherungspflicht zu begründen oder auszuschließen. Dass gerade bei Familienunternehmen die Feststellung
der ggf zur Sozialversicherungspflicht führenden Umstände schwierig ist, hat der Gesetzgeber anerkannt (zusätzliche Meldepflicht
bei einer verwandtschaftlichen Beziehung zum Arbeitgeber nach §
28a Abs
3 S 2 Nr
1 Buchst d)
SGB IV; obligatorische Antragstellung durch die Einzugsstelle nach §
7a Abs
1 S 2
SGB IV). Schließlich vermeidet das Abstellen auf die dem Beteiligten zukommende Rechtsmacht anderenfalls zwingend auftretende Abgrenzungsschwierigkeiten
zu leitenden Angestellten (dazu oben unter bb).
Schließlich trägt diese Sicht der Freiheit der Beteiligten Rechnung, sowohl die rechtliche Verfassung eines Unternehmens als
auch Tätigkeits- und Beschäftigungsverhältnisse autonom auszugestalten. Hierbei mögen sie von verschieden Motiven geleitet
werden, wie zB dem häufig anzutreffenden Streben nach Steueroptimierung oder wie im vorliegenden Fall unternehmenspolitischen
Notwendigkeiten. Gleich welche Motive der gewählten vertraglichen Ausgestaltung eines Unternehmens oder einer Tätigkeit zugrunde
liegen, haben die Beteiligten doch stets die hieran geknüpften zwingenden sozialversicherungs- und beitragsrechtlichen Folgen
hinzunehmen.
An dieser Auslegung des auf das Deckungsverhältnis der Sozialversicherung bezogenen §
7 Abs
1 SGB IV (vgl nur Berchtold in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 4. Aufl 2015, §
7 SGB IV RdNr 1) sieht sich der Senat durch die Rechtsprechung der für das Leistungsrecht der Arbeitsförderung und das Recht der Unfallversicherung
zuständigen Senate nicht gehindert. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BSG, dass der Beschäftigungsbegriff kontextabhängig und bereichsspezifisch auszulegen ist (vgl bereits BSG GS Beschluss vom 11.12.1973 - GS 1/73 - BSGE 37, 10 = SozR Nr 62 zu § 1259
RVO, Juris RdNr 21 ff zum Begriff des "versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses") und insbesondere für das Leistungsverhältnis
in der Arbeitslosenversicherung ein besonderer leistungsrechtlicher Begriff der Beschäftigung Verwendung findet (vgl §
1 Abs
3 SGB IV und BSG Urteil vom 28.9.1993 - 11 RAr 69/92 - BSGE 73, 126, 127 ff = SozR 3-4100 § 101 Nr 5 S 13 f mwN; aus Sicht des Versicherungs- und Beitragsrechts vgl BSG Urteil vom 4.6.2009 - B 12 KR 31/07 R - SozR 4-2400 § 7a Nr 3 RdNr 11; BSG Urteil vom 4.6.2009 - B 12 R 6/08 R - USK 2009-72, Juris RdNr
15). Einer Anfrage nach §
41 Abs
3 SGG bei anderen Senaten bedurfte es daher nicht.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG. Es liegt ein Fall subjektiver Klagehäufung bei einem einheitlichen Streitgegenstand vor. Daher ist die Anwendung des Gerichtskostengesetzes und der
VwGO bereits ausgeschlossen, wenn nur einer der Kläger - wie vorliegend der Kläger zu 1. - zu den in §
183 SGG genannten Personen gehört (vgl BSG SozR 4-1500 § 197a Nr 4 RdNr 11, so auch LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 24.2.2014 - L 1 KR 271/13 - Juris RdNr 32 mwN).