Sozialversicherungsrechtlicher Status für eine Tätigkeit als alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer einer Gesellschaft
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
In dem zugrunde liegenden Rechtstreit streiten die Beteiligten über die Sozialversicherungspflicht des Klägers in seiner Tätigkeit
für die Firma R. über den 30.6.2011 hinaus.
Der Kläger schloss als alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der D. (im Folgenden D.) mit der Firma R. (im Folgenden
R.) am 31.7.2010 einen Geschäftsbesorgungsvertrag. Danach sollte die D. die vertrieblichen und akquisitorischen Geschäfte
der Firma R. gegen ein monatliches Honorar übernehmen. Diesen Vertrag kündigte der Kläger zum 30.6.2011. Am 1.11.2011 übernahm
die Firma RC. den Geschäftsbetrieb der Firma R. aufgrund eines Unternehmenskaufvertrags.
In einem Klageverfahren vor dem Arbeitsgericht Augsburg trug der Kläger vor, er habe sich mit dem Geschäftsführer der Firma
R. am 11.5.2011 auf den Abschluss eines Arbeitsvertrages geeinigt. Danach habe er als Betriebsleiter für ein Jahr die Sanierung
der Firma zu einem monatlichen Bruttogehalt von 5500 Euro durchführen sollen. Nachdem das Arbeitsgericht unter anderem den
Geschäftsführer der Firma R. als Zeugen gehört hatte, hat es die Klage abgewiesen. Ein Arbeitsverhältnis sei nicht zustande
gekommen und ein Anspruch auf Arbeitsentgelt bestehe nicht (Urteil vom 1.3.2012). Die dagegen eingelegte Berufung hat der Kläger zurückgenommen.
Dem Antrag des Klägers vom 28.8.2014, die Sozialversicherungspflicht seiner Tätigkeit bei der Firma R. seit dem 1.7.2010 festzustellen,
kam die Beklagte teilweise nach. Für den Monat Juli 2010 stellte sie ein versicherungsfreies geringfügiges Beschäftigungsverhältnis
und für die Zeit vom 1.8.2010 bis 30.6.2011 ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis mit Versicherungspflicht in der gesetzlichen
Kranken-, Pflege-, Renten-, und Arbeitslosenversicherung fest. Der Kläger sei in seiner Tätigkeit auf der Grundlage des Geschäftsbesorgungsvertrags
in die Arbeitsorganisation und den Betriebsablauf der Firma R. eingegliedert gewesen. Mit der Beendigung der Tätigkeit zum
30.6.2011 ende auch die Versicherungspflicht des Klägers (Bescheid vom 24.11.2014). Den dagegen für die Zeit ab 1.7.2011 erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 29.1.2015).
Klage und Berufung des Klägers sind ohne Erfolg geblieben (Urteil des SG vom 12.12.2017, Urteil des LSG vom 19.2.2020). Das LSG hat ausgeführt, hinsichtlich des Antrags auf Feststellung der Versicherungspflicht über den 30.6.2011 hinaus sei
die Berufung unbegründet, weil jedenfalls in dieser Zeit kein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zwischen dem
Kläger und der Firma R. bzw der Firma RC. bestanden habe. Das Arbeitsgericht habe rechtskräftig entschieden, dass in dieser
Zeit weder ein Arbeitsverhältnis noch ein Anspruch auf Arbeitsentgelt bestanden habe. Der Kläger habe auch tatsächlich keine
Arbeitsleistung erbracht und gegenüber der Firma R. unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass er dazu über den 30.6.2011
hinaus auch nicht bereit sei. Auf einen möglichen Fortsetzungswillen des Geschäftsführers der Firma R. komme es daher nicht
an, sodass dieser auch nicht als Zeuge zu vernehmen gewesen sei. Die Revision hat das LSG nicht zugelassen.
Der Kläger beantragt die Zulassung der Revision sowie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) nebst Beiordnung eines
Fachanwalts.
II
1. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen. Ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag PKH,
wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§
73a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
114 Abs
1 Satz 1
ZPO). Hinreichende Erfolgsaussichten für eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision sind jedoch nicht gegeben.
Das BSG darf nach §
160 Abs
2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), die angefochtene Entscheidung von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung
beruht (Nr 2) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Allein deren inhaltliche Unrichtigkeit kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen. Das Vorbringen des Klägers
und die Durchsicht der Akten haben bei der gebotenen summarischen Prüfung keinen Hinweis auf das Vorliegen eines der vorgenannten
Gründe ergeben. Es ist nicht ersichtlich, dass ein beizuordnender Prozessbevollmächtigter einen der genannten Zulassungsgründe
im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde geltend machen könnte.
a) Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung
über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse
erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Eine solche Rechtsfrage ist vorliegend vor dem Hintergrund umfangreicher Rechtsprechung zu den Voraussetzungen eines versicherungspflichtigen
Beschäftigungsverhältnisses nicht ersichtlich. Der Kläger wirft auch selbst keine Rechtsfrage auf, sondern rügt eine mangelnde
Aufklärung der Tatsachen durch die unterbliebene Vernehmung des von ihm benannten Zeugen.
b) Eine Divergenz kann nur dann zur Revisionszulassung führen, wenn die mit der Beschwerde angegriffene Entscheidung auf einem
abstrakten Rechtssatz beruht, der von einem abstrakten Rechtssatz in einer (anderen) Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht (vgl BSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN). Auch hierfür ist nichts ersichtlich.
c) Entgegen der Auffassung des Klägers stellt die unterbliebene Zeugenvernehmung durch das LSG auch keinen Verfahrensmangel
dar, der die Zulassung der Revision begründen könnte. Nach §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel auf eine Verletzung des §
103 SGG (Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist. Das LSG hat jedoch hinreichend begründet, weshalb es auf eine Vernehmung des Geschäftsführers der Firma R. nicht ankomme.
Eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht kann die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels nur begründen, wenn
das Gericht objektiv zu weiterer Sachaufklärung gehalten war und sich deshalb zur beantragten Beweiserhebung hätte gedrängt
fühlen müssen (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 13. Aufl 2020, §
160 RdNr 18d mwN; ausführlich hierzu auch Becker, SGb 2007, 328, 332). Das LSG musste sich jedoch vor dem Hintergrund seiner materiell-rechtlichen Sicht nicht zu weiteren Ermittlungen gedrängt
fühlen.
Für das Vorliegen sonstiger Verfahrensfehler liegen keine Anhaltspunkte vor. Insbesondere hat der Kläger einer Entscheidung
ohne mündliche Verhandlung ausdrücklich zugestimmt.
Da dem Kläger keine PKH zusteht, kann er auch nicht die Beiordnung eines Rechtsanwalts beanspruchen (vgl §
73a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
121 ZPO).
2. Die vom Kläger ohne Zuziehung eines zugelassenen Prozessbevollmächtigten selbst erhobene Beschwerde gegen die Nichtzulassung
der Revision war als unzulässig zu verwerfen. Vor dem BSG müssen sich die Beteiligten nach §
73 Abs
4 SGG, außer in PKH-Verfahren, durch zugelassene Prozessbevollmächtigte vertreten lassen, sodass Rechtsmittel wirksam nur durch
diese eingelegt werden können. Die deshalb nicht formgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde war durch Beschluss ohne
Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2, §
169 Satz 3
SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.