Gerichtliche Beiordnung eines Rechtsanwalts als Notanwalt
Nicht-Finden eines vertretungsbereiten Rechtsanwalts
Nicht zumutbare Vertretung in von vornherein aussichtslosen Sachen
1. Das Tatbestandsmerkmal des "Nicht-Findens" eines vertretungsbereiten Rechtsanwalts ist nur gegeben, wenn der Beteiligte
ihm zumutbare Anstrengungen zur Beauftragung eines Rechtsanwalts ergriffen hat, die aus von ihm nicht zu verantwortenden Gründen
erfolglos geblieben sind.
2. Für ein beabsichtigtes Rechtsmittelverfahren vor einem obersten Bundesgericht ist dabei erforderlich, dass sich der Beteiligte
an mehr als vier Rechtsanwälte gewandt hat.
3. Das Vorliegen der genannten Voraussetzungen muss der um Beiordnung eines Rechtsanwalts Nachsuchende substantiiert darlegen.
4. Die Einschränkung der gerichtlichen Beiordnung eines Notanwalts soll einen Rechtsanwalt, der die Verantwortung für den
Inhalt und die Fassung seiner Schriftsätze trägt, vor einer ihm nicht zumutbaren Vertretung in von vornherein aussichtslosen
Sachen bewahren.
5. Bei einer Nichtzulassungsbeschwerde gemäß §
160a SGG gegen die Nichtzulassung der Revision in einem Urteil des LSG liegt eine solche Aussichtslosigkeit vor, wenn die tatbestandlichen
Voraussetzungen für einen der in §
160 Abs.
2 SGG enumerativ aufgeführten Gründe für die Zulassung der Revision - grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Abweichung (Divergenz),
Verfahrensmangel - offenbar nicht vorliegen.
Gründe:
Der Kläger hat mit Schreiben vom 28.5.2015 einen Antrag auf Beiordnung einer anwaltlichen Vertretung zum Zwecke der Einlegung
einer Nichtzulassungsbeschwerde gegen das ihm - nach eigenen Angaben - am 6.5.2015 zugestellte Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen
vom 1.4.2015 - L 10 P 94/14 - gestellt.
Der Antrag des Klägers auf Beiordnung eines Rechtsanwalts ist abzulehnen. Die in §
202 SGG iVm §
78b Abs
1 ZPO normierten Voraussetzungen für die gerichtliche Beiordnung eines Rechtsanwalts als sog "Notanwalt" (außerhalb des Anwendungsbereichs
der Prozesskostenhilfe [PKH]) sind nicht erfüllt.
Gemäß §
202 SGG iVm §
78b Abs
1 ZPO kann das Prozessgericht in Verfahren, die dem Anwaltszwang unterliegen, einem Beteiligten auf seinen Antrag hin einen Rechtsanwalt
zur Wahrnehmung seiner Rechte beiordnen, sofern der Beteiligte einen zu seiner Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet
und die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint.
Der Kläger legt nicht substantiiert dar, dass er sich ernsthaft und erfolglos um die Vertretung durch einen Rechtsanwalt bemüht
hat. Zudem erscheint die beabsichtigte Rechtsverfolgung aussichtslos.
1. Das erste Tatbestandsmerkmal des "Nicht-Findens" eines vertretungsbereiten Rechtsanwalts ist nur gegeben, wenn der Beteiligte
ihm zumutbare Anstrengungen zur Beauftragung eines Rechtsanwalts ergriffen hat, die aus von ihm nicht zu verantwortenden Gründen
erfolglos geblieben sind. Für ein beabsichtigtes Rechtsmittelverfahren vor einem obersten Bundesgericht ist dabei erforderlich,
dass sich der Beteiligte an mehr als vier Rechtsanwälte gewandt hat. Das Vorliegen der genannten Voraussetzungen muss der
um Beiordnung eines Rechtsanwalts Nachsuchende substantiiert darlegen (vgl zum Ganzen ausführlich BSG Beschluss vom 16.10.2007 - B 6 KA 3/07 S - Juris mwN; BSG Beschluss vom 3.3.1997 - 4 BA 155/96 - Juris; BSG Beschluss vom 15.10.1999 - B 13 RJ 129/99 B - Juris; Beschluss vom 3.1.2005 - B 9a/9 SB 39/04 B - Juris).
Diesen Anforderungen wird das klägerische Vorbringen nicht gerecht. Der Kläger legt in seinem Schreiben vom 28.5.2015 nicht
substantiiert dar, bei welchen Rechtsanwälten er sich konkret und ernsthaft um eine Vertretung bemüht hat. Zunächst benennt
er in seinem Schreiben eine Rechtsanwaltskanzlei und einen Rechtsanwalt, bei denen er "erfolglos gefragt" habe. Sodann benennt
er vier Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte bzw Rechtsanwaltskanzleien namentlich und übersendet Kopien von vier handschriftlichen
Schreiben mit einem Telefax-Sendebericht. Konkrete Angaben zu Details zur Kommunikation macht der Kläger hingegen nicht. Er
behauptet, es habe bzgl aller Anfragen keine Reaktion gegeben, lediglich "eine Anwaltskanzlei" habe "sinngemäß" mitgeteilt,
dass man das Mandat nicht übernehmen werde. Darüber hinaus seien "alle Anfragen" bei Rechtsanwaltskanzleien erfolglos geblieben.
Dies verdeutliche erneut, "wie gemeinschaftlich dem Opfer Schwierigkeiten bereitet werden, um es zur Aufgabe zu zwingen".
Hierdurch weist der Kläger ein ernsthaftes Bemühen um eine anwaltliche Vertretung nicht nach.
2. Darüber hinaus fehlt es an einer weiteren Voraussetzung von §
202 SGG iVm §
78b Abs
1 ZPO, weil die vorliegend beabsichtigte Rechtsverfolgung aussichtslos erscheint.
Wie sich aus dem Verb "erscheinen" ergibt, ist keine abschließende Beurteilung der Erfolgsaussichten erforderlich, sondern
eine summarische Prüfung ähnlich wie im Verfahren der Gewährung von PKH gemäß §
73a SGG iVm §
114 ZPO. Im Unterschied zur PKH ist der Entscheidungsmaßstab aber nicht eine hinreichende Erfolgsaussicht, sondern "Aussichtslosigkeit"
als solche. Aussichtslosigkeit besteht, wenn ein günstiges Ergebnis auch bei anwaltlicher Beratung ganz offenbar nicht erreicht
werden kann. Diese Einschränkung der gerichtlichen Beiordnung eines Notanwalts soll einen Rechtsanwalt, der die Verantwortung
für den Inhalt und die Fassung seiner Schriftsätze trägt, vor einer ihm nicht zumutbaren Vertretung in von vornherein aussichtslosen
Sachen bewahren (vgl BSG SozR 4-1750 § 78b Nr 1 mwN - die dagegen gerichtete Verfassungsbeschwerde wurde vom BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen vgl BVerfG 1.
Senat 3. Kammer Beschluss vom 18.7.2012 - 1 BvR 1243/12). Bei einer Nichtzulassungsbeschwerde gemäß §
160a SGG gegen die Nichtzulassung der Revision in einem Urteil des LSG liegt eine solche Aussichtslosigkeit vor, wenn die tatbestandlichen
Voraussetzungen für einen der in §
160 Abs
2 SGG enumerativ aufgeführten Gründe für die Zulassung der Revision - grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Abweichung (Divergenz),
Verfahrensmangel - offenbar nicht vorliegen. Eine allgemeine Überprüfung des Rechtsstreits in dem Sinne, ob das LSG in der
Sache richtig entschieden hat, ist im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde nicht zulässig und kann daher nicht deren Erfolgsaussichten
begründen.
Der Kläger selbst hat seinen Antrag nicht näher begründet. Er führt lediglich - ohne irgendeine Schilderung der zugrundeliegenden
Umstände - aus, dass die Nichtzulassungsbeschwerde zur Aufklärung begangener "Grundrechtsverletzungen" in Form der "Nichtgewährung
rechtlichen Gehörs" durch "nicht sachgemäße Rechtsanwendung der richterlichen Hinweispflichten nach §
139 ZPO", wodurch "§
546 ZPO" verletzt worden sei, durchgeführt werden soll. Weder sind aus dieser Schilderung durch den Kläger noch aus der summarischen
Prüfung der Entscheidungsgründe des Urteils des LSG Anhaltspunkte für das Vorliegen eines der in §
160 Abs
2 SGG genannten Gründe für die Zulassung der Revision ersichtlich. Damit erscheint die beabsichtigte Rechtsverfolgung aussichtslos
iS von §
202 SGG iVm §
78b Abs
1 ZPO.