Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung
Anwendung normenvertraglicher Abrechnungsbestimmungen
Enge Auslegung von Vergütungsbestimmungen
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung.
Die Klägerin ist Trägerin eines nach §
108 SGB V zugelassenen Krankenhauses. Sie behandelte den bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherten C. A. (im Folgenden: Versicherter)
vollstationär vom 3. bis 6.3.2009, kodierte nach dem in diesem Jahr geltenden ICD-10-GM als Hauptdiagnose G90.41 (Autonome
Dysreflexie als Schwitzattacken) sowie als Nebendiagnose R61.0 (Hyperhidrose, umschrieben), berechnete die Fallpauschale (Diagnosis
Related Group 2009 [DRG]) B06B (Eingriffe bei zerebraler Lähmung, Muskeldystrophie oder Neuropathie, Alter < 19 Jahre oder
mit schweren CC, Alter > 15 Jahre) und erhielt hierfür von der Beklagten 5437,91 Euro. Die Beklagte forderte später vergeblich
2861,64 Euro zurück. Abzurechnen sei die geringer vergütete DRG J10B (Plastische Operationen an Haut, Unterhaut und Mamma
außer bei bösartiger Neubildung), da Hauptdiagnose R61.0 sei. Die Beklagte rechnete 2861,64 Euro gegenüber unstreitigen Vergütungsforderungen
der Klägerin für die Behandlung anderer Versicherter auf. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 14.4.2014). Das LSG hat auf die Berufung der Klägerin das SG-Urteil aufgehoben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 2861,64 Euro nebst 5 vH Zinsen seit dem 22.9.2009 zu zahlen.
Zu kodieren sei als Hauptdiagnose G90.8 (Sonstige Krankheiten des autonomen Nervensystems), die ebenfalls zur DRG B06B hinführe.
Die primäre fokale Hyperhidrose des Versicherten beruhe auf einer Fehlsteuerung des Sympathikusnervs, die eine "die Symptomatik
erklärende Diagnose" sei und nach den Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) die Kodierung eines Symptoms als Hauptdiagnose ausschließe.
Die durchgeführte Sympathektomie habe diese zugrunde liegende Erkrankung und nicht nur das Symptom "Schwitzen" behandelt (Urteil
vom 17.5.2017).
Die Beklagte rügt mit ihrer Revision die Verletzung von §
109 Abs
4 S 3
SGB V, § 7 Abs 1 S 1, § 9 Abs 1 S 1 Nr 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG), § 17b Abs 1 S 10 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG), der Fallpauschalenvereinbarung (FPV) 2009 iVm Kapitel XVIII ICD-10-GM, G90.8, DKR D002f und dem (Landes-)Vertrag nach §
112 SGB V Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung zwischen der Hamburgischen Krankenhausgesellschaft eV und (ua) der Beklagten.
Nach der durch DKR D002f in Bezug genommenen Anmerkung zu Beginn von Kapitel XVIII ICD-10-GM sei R61.0 zu kodieren.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 17. Mai 2017 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des
Sozialgerichts Hamburg vom 14. April 2014 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
II
Die zulässige Revision der beklagten KK ist unbegründet (§
170 Abs
1 S 1
SGG). Das LSG hat zu Recht auf die Berufung der Klägerin das Urteil des SG aufgehoben und die Beklagte zur Zahlung weiterer 2861,64 Euro nebst 5 vH Zinsen ab 22.9.2009 verurteilt. Die von der Klägerin
erhobene (echte) Leistungsklage ist im hier bestehenden Gleichordnungsverhältnis zulässig (stRspr; BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 9; BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 12; zuletzt BSG Urteil vom 26.9.2017 - B 1 KR 9/17 R - Juris RdNr 7, vorgesehen für SozR 4-5562 § 9 Nr 7) und begründet. Die Beklagte hat den Anspruch der Klägerin auf Vergütung
von Krankenhausbehandlung anderer Versicherter in Höhe von 2861,64 Euro (dazu 1.) bislang nicht erfüllt. Dieser Anspruch erlosch
nicht dadurch, dass die Beklagte insoweit wegen vermeintlicher Überzahlung der Vergütung für die Behandlung des Versicherten
die Aufrechnung in dieser Höhe erklärte. Die Aufrechnung ging ins Leere. Der Klägerin standen wegen der stationären Behandlung
des Versicherten die von der Beklagten gezahlten 5437,91 Euro zu (dazu 2.). Die Klägerin hat für den bislang nicht erfüllten
Vergütungsanspruch in Höhe von 2861,64 Euro für die Behandlung anderer Versicherter der Beklagten auch einen Zinsanspruch
von 5 vH hierauf seit 22.9.2009 (dazu 3.).
1. Es ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig, dass die Klägerin aufgrund stationärer Behandlung anderer Versicherter
der Beklagten Anspruch auf die dort abgerechnete Vergütung weiterer 2861,64 Euro hat; eine nähere Prüfung des erkennenden
Senats erübrigt sich insoweit (vgl zur Zulässigkeit dieses Vorgehens zB BSG SozR 4-2500 § 129 Nr 7 RdNr 10; BSG SozR 4-2500 § 130 Nr 2 RdNr 17; BSG SozR 4-5562 § 9 Nr 4 RdNr 8).
2. Dieser Vergütungsanspruch erlosch nicht infolge der Aufrechnungserklärung der Beklagten. Die Voraussetzungen des §
387 BGB sind nicht erfüllt. Schulden danach zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, so kann
jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern
und die ihm obliegende Leistung bewirken kann. Ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch wegen überzahlter Vergütung
für die Behandlung des Versicherten, mit dem die Beklagte aufrechnete, besteht nicht. Die Klägerin hatte dem Grunde nach Anspruch
auf Vergütung für die stationäre Behandlung des Versicherten (dazu a). Sie erfüllte auch die Voraussetzungen der DRG B06B
und rechnete sachlich-rechnerisch richtig 5437,91 Euro ab, die die Beklagte auch zahlte (dazu b).
a) Die Zahlungsverpflichtung einer KK entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung
durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und iS von
§
39 Abs
1 S 2
SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist (stRspr, vgl zB BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 11; BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 15; BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 13; alle mwN). Diese Voraussetzungen waren nach dem Gesamtzusammenhang der unangegriffenen,
den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§
163 SGG) erfüllt.
b) Die Klägerin erlangte durch die stationäre Behandlung des Versicherten einen nach DRG B06B abrechenbaren Vergütungsanspruch.
Die Klägerin durfte nach dem maßgeblichen Recht und den dabei anzuwendenden Auslegungsgrundsätzen (dazu aa) als Hauptdiagnose
iS einer die Symptomatik des Versicherten erklärenden definitiven Diagnose (dazu bb) G90.9 (Krankheiten des autonomen Nervensystems,
nicht näher bezeichnet) kodieren (dazu cc). Diese Diagnose steuert die von der Klägerin abgerechnete DRG B06B an (dazu dd).
aa) Die Vergütung für Krankenhausbehandlung der Versicherten bemisst sich bei DRG-Krankenhäusern wie jenem der Klägerin nach
vertraglichen Fallpauschalen auf gesetzlicher Grundlage. Die Fallpauschalenvergütung für Krankenhausbehandlung Versicherter
in zugelassenen Einrichtungen ergibt sich aus §
109 Abs
4 S 3
SGB V (idF durch Art 1 Nr
3 Gesetz zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser [Fallpauschalengesetz - FPG] vom
23.4.2002, BGBl I 1412) iVm § 7 KHEntgG (idF durch Art 2 Nr 5 Zweites Fallpauschalenänderungsgesetz [2. FPÄndG] vom 15.12.2004,
BGBl I 3429) und § 17b KHG (idF durch Art 18 Nr 4 GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz [GKV-WSG] vom 26.3.2007, BGBl I 378; vgl entsprechend BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 15 f; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 14 RdNr 15; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 58 RdNr 12; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 61 RdNr 10, auch für BSGE vorgesehen). Der Anspruch wird auf Bundesebene durch Normsetzungsverträge (Normenverträge, FPV)
konkretisiert. Der Spitzenverband Bund der KKn und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam vereinbaren nach
§ 9 Abs 1 S 1 Nr 1 KHEntgG (idF durch Art 19 Nr 3 GKV-WSG) mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft als "Vertragsparteien auf Bundesebene" mit Wirkung für die Vertragsparteien nach
§ 11 KHEntgG (idF durch Art 2 Nr 8 2. FPÄndG) einen Fallpauschalen-Katalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen
zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge. Ferner
vereinbaren sie insoweit Abrechnungsbestimmungen in den FPV auf der Grundlage des § 9 Abs 1 S 1 Nr 3 KHEntgG (idF durch Art 19 Nr 3 GKV-WSG).
Die vertraglichen Fallpauschalen ergeben sich daraus, dass die nach den aufgezeigten gesetzlichen Regelungen hierzu berufenen
Vertragspartner eine FPV mit einem FallpauschalenKatalog als Teil derselben und Allgemeine und Spezielle Kodierrichtlinien
für die Verschlüsselung von Krankheiten und Prozeduren (Deutsche Kodierrichtlinien [DKR]) vereinbart haben. DKR und FPV bilden
den konkreten vertragsrechtlichen Rahmen, aus dem die für eine Behandlung maßgebliche DRG-Position folgt (vgl näher dazu BSGE
109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 17). Im vorliegenden Fall sind maßgebend - jeweils normativ wirkend (vgl dazu BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 18) - die am 23.9.2008 getroffene Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser
für das Jahr 2009 (FPV 2009) einschließlich der Anlagen 1 bis 6 (insbesondere: Anlage 1 [Fallpauschalen-Katalog gemäß § 1
Abs 1 S 1] und dort Teil a [Bewertungsrelationen bei Versorgung durch Hauptabteilungen]) und die von den Vertragspartnern
auf Bundesebene getroffene Vereinbarung zu den DKR für das Jahr 2009 (Vereinbarung zu den DKR Version 2009 für das GDRG-System
gemäß § 17b KHG vom 17.9.2008, [DKR [2009]]).
Welche DRG-Position abzurechnen ist, ergibt sich rechtsverbindlich aus der Eingabe und Verarbeitung von Daten in einem automatischen
Datenverarbeitungssystem, das auf einem zertifizierten Programm basiert (vgl § 1 Abs 6 S 1 FPV 2009; zur rechtlichen Einordnung
des Groupierungsvorgangs vgl BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 19 ff). Zugelassen sind nur solche Programme, die von der InEK GmbH - Institut für das Entgeltsystem
im Krankenhaus -, einer gemeinsamen Einrichtung der in § 17b Abs 2 S 1 KHG und § 9 Abs 1 S 1 Nr 1 KHEntgG genannten Vertragspartner auf Bundesebene, zertifiziert worden sind (vgl BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 58 RdNr 13). Das den Algorithmus enthaltende und ausführende Programm greift dabei auch auf Dateien zurück, die entweder
als integrale Bestandteile des Programms mit vereinbart sind (zB die Zuordnung von ICD-10-Diagnosen und Prozeduren zu bestimmten
Untergruppen im zu durchlaufenden Entscheidungsbaum) oder an anderer Stelle vereinbarte Regelungen wiedergeben. Zu letzteren
gehören die Fallpauschalen selbst, aber auch die Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) in der jeweiligen
vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit
(BMG) herausgegebenen deutschen Fassung ([ICD-10-GM] hier in der Version 2009 idF der Bekanntmachung des BMG gemäß §§
295 und
301 SGB V zur Anwendung des Diagnosenschlüssels vom 28.10.2008, BAnz Nr 170 vom 7.11.2008, S 4016, in Kraft getreten am 1.1.2009),
die Klassifikation des vom DIMDI im Auftrag des BMG herausgegebenen Operationen- und Prozedurenschlüssels (OPS; hier in der Version 2009 idF der Bekanntmachung des BMG gemäß §§
295 und
301 SGB V zur Anwendung des OPS vom 28.10.2008, BAnz Nr 170 vom 7.11.2008, S 4016, in Kraft getreten am 1.1.2009; zur Grundlage der
Rechtsbindung vgl BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 24) sowie die von den Vertragspartnern auf Bundesebene getroffene Vereinbarung zu den DKR
für das Jahr 2009 (s oben).
Die Anwendung der normenvertraglichen Abrechnungsbestimmungen ist nicht automatisiert und unterliegt als Mitsteuerung der
prozesshaften Tatbestandsbildung im Zusammenspiel mit den Vorgaben zertifizierter Grouper ihrerseits grundsätzlich den allgemeinen
Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft. Die Abrechnungsbestimmungen sind gleichwohl wegen ihrer Funktion im Gefüge der
Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und unterstützt
durch systematische Erwägungen auszulegen. Eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen
vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln
gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt. Demgemäß sind Vergütungsregelungen
stets eng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen; Bewertungen und
Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht (vgl BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 19 RdNr 17 mwN; BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 27; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 51 RdNr 13 mwN; BSG SozR 4-5562 § 2 Nr 1 RdNr 15; zur Auslegung von medizinischen Begriffen im OPS vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 32 RdNr 12 ff).
bb) Grundsätzlich ist - vorbehaltlich spezieller abweichender Regelungen - die "Krankheit" zu kodieren und nicht ein durch
sie ausgelöstes Symptom. Die Krankheit meint insbesondere eine die Symptomatik erklärende definitive Krankheitsdiagnose. Eine
erklärende definitive Diagnose schließt den Anwendungsbereich des Kapitels XVIII ICD-10-GM und damit auch die Kodierung des
Symptoms R61.0 (Hyperhidrose, umschrieben) aus. Ob eine Diagnose eine die Symptomatik erklärende definitive Diagnose ist,
bestimmt sich nicht nach einem außerhalb der Abrechnungsbestimmungen liegenden Maßstab iS eines besonders qualifizierten medizinisch-wissenschaftlichen
Verständnisses des Krankheitsgeschehens. Insbesondere geht es auch nicht um die Feststellung einer "Letztursache". Maßstab
sind allein die Abrechnungsbestimmungen selbst. Ist eine zutreffend erhobene Diagnose einer Diagnose im ICD-10-GM zuzuordnen,
die dort als erklärende definitive Diagnose eingeordnet ist, schließt sie ungeachtet ihrer Erklärungstiefe die Kodierung einer
Symptomdiagnose aus. Dies folgt aus Wortlaut und Regelungssystem von DKR D002f und Kapitel XVIII ICD-10-GM.
Nach DKR D002f ist Hauptdiagnose die "Diagnose, die nach Analyse als diejenige festgestellt wurde, die hauptsächlich für die
Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes des Patienten verantwortlich ist". In den Erläuterungen hierzu heißt
es weiter: "Der Begriff 'nach Analyse' bezeichnet die Evaluation der Befunde am Ende des stationären Aufenthaltes, um diejenige
Krankheit festzustellen, die hauptsächlich verantwortlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes war.
(...) Wenn sich ein Patient mit einem Symptom vorstellt und die zugrunde liegende Krankheit zum Zeitpunkt der Aufnahme bekannt
ist und behandelt wird bzw. während des Krankenhausaufenthaltes diagnostiziert wird, so ist die zugrunde liegende Krankheit
als Hauptdiagnose zu kodieren. (...) Wenn sich ein Patient mit einem Symptom vorstellt und die zugrunde liegende Krankheit
zum Zeitpunkt der Aufnahme bekannt ist, jedoch nur das Symptom behandelt wird, ist das Symptom als Hauptdiagnose und die zugrunde
liegende Krankheit als Nebendiagnose zu kodieren." Speziell für "Symptome und abnorme klinische und Laborbefunde, die anderenorts
nicht klassifiziert sind", aufgelistet im Kapitel XVIII ICD-10-GM (R00-R99), bestimmt D002f: "Schlüsselnummern für Symptome,
Befunde und ungenau bezeichnete Zustände aus Kapitel XVIII (...) sind nicht als Hauptdiagnose zu verwenden, sobald eine die
Symptomatik, etc. erklärende definitive Diagnose ermittelt wurde. Die Anmerkungen zu Beginn von Kapitel XVIII in der ICD-10-GM
helfen bei der Bestimmung, wann Schlüsselnummern aus den Kategorien R00-R99 dennoch angegeben werden." In der in Bezug genommenen
Anmerkung zu Beginn des Kapitels XVIII ICD-10-GM heißt es: "Die Kategorien dieses Kapitels enthalten im allgemeinen weniger
genau bezeichnete Zustände und Symptome, die ohne die zur Feststellung einer endgültigen Diagnose notwendigen Untersuchungen
des Patienten mit etwa gleicher Wahrscheinlichkeit auf zwei oder mehr Krankheiten oder auf zwei oder mehr Organsysteme hindeuten.
Im Grunde genommen könnten alle Kategorien in diesem Kapitel mit dem Zusatz 'ohne nähere Angabe', 'unbekannter Ätiologie'
oder 'vorübergehend' versehen werden." Weiter benennt die Anmerkung zu Beginn dieses Kapitels Fallgruppen von Zuständen und
Symptomen, die die Kategorien R00-R99 betreffen, ua: "a. Patienten, bei denen keine genauere Diagnose gestellt werden kann,
obwohl alle für den Krankheitsfall bedeutungsvollen Fakten untersucht worden sind; (...) e. Patienten, bei denen aus irgendeinem
anderen Grunde keine genauere Diagnose gestellt wurde (...)". Wann eine "genauere Diagnose" in diesem Sinne vorliegt, definiert
die ICD-10-GM-Klassifikation nicht ausdrücklich. Aus dem Regelungszusammenhang wird allerdings deutlich, dass Bezugspunkt
des Komparativs "genauere Diagnose" die in der "R-Kategorie" benannten Symptome und Zustände sind. Eine "genauere Diagnose",
die der Verwendung der "R-Kategorie" entgegensteht, muss deshalb genauer sein als die dort bezeichneten Symptome. Charakteristikum
der in Kapitel XVIII aufgeführten Symptome ist, dass sie Krankheitsanzeichen unbekannter Ätiologie darstellen. Dementsprechend
sind die Schlüsselnummern der in Kapitel XVIII ICD-10-GM gelisteten Symptome nicht zu verwenden, wenn die zugrunde liegende
Krankheit iS der Abrechnungsbestimmungen bekannt ist.
Danach schließen auch erklärende definitive Diagnosen, die einer Resteklasse (vgl dazu sogleich) zuzuordnen sind, die Kodierung
eines Symptoms als Hauptdiagnose aus, soweit nicht - wie aufgezeigt - ausnahmsweise ein Symptom trotz bekannter Krankheitsursache
vorrangig als Hauptdiagnose zu kodieren ist oder eine andere vorrangige spezielle Regelung eingreift. Hinsichtlich der Schlüsselnummern
"Sonstige" und "nicht näher bezeichnet" bestimmt die DKR D009a: "Die Resteklasse 'Sonstige ...' ist dann bei der Kodierung
zu verwenden, wenn eine genau bezeichnete Krankheit vorliegt, für die es aber in der ICD-10 keine eigene Klasse gibt. Die
Resteklasse 'Nicht näher bezeichnete ...' ist dann zu verwenden, wenn eine Krankheit nur mit ihrem Oberbegriff (...) beschrieben
ist und/oder eine weitere Differenzierung nach den Klassifikationskriterien der ICD-10 an entsprechender Stelle nicht möglich
ist. (...) Die Resteklassen dürfen nicht verwendet werden, um Diagnosen 'aufzufangen', die scheinbar nicht anderenorts klassifiziert
sind. Die ICD-10-Verzeichnisse sind zu verwenden, um die korrekte Schlüsselnummer-Zuordnung zu bestimmen (...)." DKR D014d
bestimmt ergänzend den Vorrang des Systematischen Verzeichnisses vor dem Alphabetischen Verzeichnis, wenn Letzteres zu einem
unspezifischen Kode (zB einem "9-Kode") führt.
cc) Hiernach ist im Falle des Versicherten G90.9 (Krankheit des autonomen Nervensystems, nicht näher bezeichnet) als erklärende
definitive Hauptdiagnose zu kodieren, nicht hingegen R61.0 (Hyperhidrose, umschrieben) als bloße Symptomdiagnose. Nach den
unangegriffenen, den Senat bindenden (§
163 SGG) Feststellungen des LSG lag dem Symptom Hyperhidrose eine Erkrankung des autonomen Nervensystems in Form einer Fehlsteuerung
des Sympathikusnervs zugrunde. Die Fehlsteuerung des Sympathikusnervs ist eine die Symptomatik erklärende definitive Diagnose.
Sie ist allerdings entgegen der Auffassung des LSG keine in die Resteklasse G90.8 (Sonstige Krankheiten des autonomen Nervensystems)
einzuordnende Diagnose. Das Alphabetische Verzeichnis des ICD-10-GM führt zwar die "Reizung des sympathischen Nervensystems
a.n.k." und die "Kompression eines Nervus sympathicus a.n.k." auf und ordnet beide G90.8 zu. Nach den Feststellungen des LSG
ist aber weder eine Reizung noch eine Kompression des Sympathikusnervs gesichert, sondern eben nur eine Fehlsteuerung aus
insoweit unbekannter weiterer Ursache. Diese Fehlsteuerung stellt eine im Alphabetischen Verzeichnis erfasste "Störung des
sympathischen Nervensystems" bzw eine "Störung eines sympathischen Nerven" dar, die dort G90.9 zugeordnet ist. Eine vorrangige
anderweitige Einordnung dieser Störung erfolgt durch das Systematische Verzeichnis nicht.
cc) Nach der Groupierungslogik steuert die Diagnose G90.9 die MDC (Major Diagnostic Category) 01 (Krankheiten und Störungen
des Nervensystems) an (vgl G-DRG Version 2009, Definitionshandbuch Kompaktversion Band 1, S 124). Dort führt OPS 5-043 (Sympathektomie)
in der operativen Partition zur ADRG B06 (Eingriffe bei zerebraler Lähmung, Muskeldystrophie oder Neuropathie, Alter < 19 Jahre oder mit schweren CC; vgl G-DRG
Version 2009, Definitionshandbuch Kompaktversion Band 1, S 144, 154) und von dort zur DRG B06B, weil der am 21.8.1990 geborene
Versicherte im Zeitpunkt der Operation schon das 16., aber noch nicht das 19. Lebensjahr vollendet hatte (vgl G-DRG Version
2009, Definitionshandbuch Kompaktversion Band 1, S 154). Hieraus und den weiteren - zwischen den Beteiligten im Übrigen nicht
streitigen - Vergütungsbestandteilen ergibt sich der von der Klägerin in Rechnung gestellte Betrag.
3. Die Klägerin hat auch Anspruch auf Verzugszinsen im Umfang der vom LSG zuerkannten Zinsen auf den nicht erfüllten Vergütungsanspruch
nach Maßgabe des §
288 Abs
1 BGB (vgl BSG SozR 4-2500 § 69 Nr 7; BSG Urteil vom 21.4.2015 - B 1 KR 10/15 R - Juris RdNr 18 = KHE 2015/29) iVm mit §§
12,
14 (Landes-)Vertrag nach §
112 SGB V Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 S 1 Teils 3
SGG iVm §
154 Abs
2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §
197a Abs
1 S 1 Teils 1
SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 GKG.