Rechtmäßigkeit der Beteiligung Versicherter an den Kosten einer stationären Krankenhausbehandlung für Krankheiten aufgrund
medizinisch nicht indizierter ästhetischer Operationen
Keine Ungleichbehandlung von Frauen und Männern
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über die Beteiligung der Klägerin an den Kosten einer Krankenhausbehandlung.
Die 1988 geborene, bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Klägerin unterzog sich privatärztlich auf eigene Kosten
im Juni 2017 einer medizinisch nicht indizierten ästhetischen Operation in Gestalt einer operativen Brustvergrößerung mittels
Mamma-Augmentationsplastik (MAP). Bei der privaten Folgebehandlung wegen Wundheilungsstörungen mit Serom und Nahtdehiszenz
im Oktober 2017 wurden die Brustimplantate ausgewechselt. Wegen Wundheilungsstörungen mit Serom, Nahtdehiszenz und Kapselfibrose
entfernte ein nach §
108 SGB V zugelassenes Krankenhaus in vollstationärer Behandlung die perforierten Brustimplantate (15. bis 18.11.2017). Hierfür vergütete
die Beklagte die Fallpauschale (Diagnosis Related Group 2017 [DRG]) J24B (Eingriffe an der Mamma außer bei bösartiger Neubildung
mit ausgedehntem Eingriff, ohne Prothesenimplantation, ohne bestimmte Mammareduktionsplastik; 4589,80 Euro). Die Beklagte
verpflichtete die Klägerin, zur Beteiligung an diesen Kosten 2294,90 Euro zu zahlen. Dies sei angemessen unter Berücksichtigung
der Höhe der Leistungsaufwendungen, des Bruttoeinkommens der Klägerin (60 224,78 Euro im Jahr 2017), ihrer Pflicht, ihrem
Kind Unterhalt zu leisten, sowie dem Rechtsgedanken der Zumutbarkeitsgrenze gemäß §
33 Abs
3 EStG (§
52 Abs
2 SGB V; Bescheid vom 12.3.2018, Widerspruchsbescheid vom 20.6.2018). Das SG hat die Klage auf Aufhebung der Verwaltungsentscheidung abgewiesen: Die Beklagte habe ihr Ermessen hinsichtlich der Höhe
der Eigenbeteiligung fehlerfrei ausgeübt; die Regelung des §
52 Abs
2 SGB V sei verfassungsgemäß (Urteil vom 5.11.2018).
Die Klägerin rügt mit ihrer Revision eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art
3 Abs
1 und
2 GG sowie aus "Art
2 GG" durch die Regelung des §
52 Abs 2
SGB V.
Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 5. November 2018 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. März 2018 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 20. Juni 2018 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene SG-Urteil für zutreffend.
II
Die zulässige Revision der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet
(§
124 Abs
2 SGG), ist unbegründet (§
170 Abs
1 Satz 1
SGG). Zu Recht hat das SG die zulässige Anfechtungsklage (§
54 Abs
1 Satz 1 Alt 1
SGG) abgewiesen, denn sie ist nicht begründet. Die Beklagte verpflichtete die Klägerin rechtmäßig, zur Beteiligung an den Kosten
der stationären Krankenhausbehandlung 2294,90 Euro zu zahlen. Die gesetzlichen Voraussetzungen der Kostenbeteiligung sind
erfüllt, die Höhe der Beteiligung ist angemessen (dazu 1.). Die Regelung des §
52 Abs
2 SGB V und ihre Anwendung im konkreten Fall verstoßen nicht gegen Verfassungsrecht (dazu 2.).
1. Rechtsgrundlage für die Kostenbeteiligung der Klägerin ist §
52 Abs
2 Fall 1
SGB V (idF durch Art 6 Nr
7 Gesetz zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung - Pflege-Weiterentwicklungsgesetz - vom 28.5.2008, BGBl
I 874, 899, 906). Danach hat die KK die Versicherten, die sich eine Krankheit durch eine medizinisch nicht indizierte ästhetische Operation,
eine Tätowierung oder ein Piercing zugezogen haben, in angemessener Höhe an den Kosten zu beteiligen. Krankheit im Rechtssinne
erfordert auch im Rahmen des §
52 SGB V einen regelwidrigen, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichenden Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung
bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht (stRspr zu §
27 SGB V, vgl zB BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 27 RdNr 9; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 24 RdNr 9; BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 10; BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3, RdNr 4, alle mwN). Krankheitswert im Rechtssinne kommt nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit
zu. Erforderlich ist vielmehr, dass der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder dass er an einer Abweichung
vom Regelfall leidet, die entstellend wirkt (stRspr, vgl zB BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 28 und hierzu BVerfG [Kammer] Beschluss vom 5.10.2017 - 1 BvR 1129/16 nv; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 10; BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 11; BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3, RdNr 6; BSGE 93, 94, 102 = SozR 4-2500 § 13 Nr 4 S 29; zu einer Hodenprothese BSGE 82, 158, 163 f = SozR 3-2500 § 39 Nr 5 S 29 f; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 45 S 253 f).
Medizinisch nicht indizierte ästhetische Operationen im Sinne der Norm sind Operationen, die allein aus Gründen der Änderung
der äußeren Wahrnehmung des Operierten erfolgen. Es ist ohne Belang, ob die Operationen von einem Arzt oder einer hierzu nicht
beruflich qualifizierten Person vorgenommen werden. Maßgeblich ist, dass ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des
Betroffenen erfolgt, um dessen äußeres Erscheinungsbild nach dessen Plan zu verändern. In diesem Sinne definiert sich das
Operationsziel nach dem beabsichtigten äußeren Eindruck, der sich allein aus der Sicht des Behandelten bestimmt. Er und nicht
ein objektiv formuliertes Ideal gibt vor, wie er nach dem körperlichen Eingriff äußerlich wahrgenommen werden will. Ästhetische
Operationen sind medizinisch nicht indiziert, wenn sie nicht Gegenstand des Anspruchs auf Krankenbehandlung sind (vgl §
27 Abs
1 SGB V; zum Begriff der Indikation vgl Hauck, NJW 2013, 3334). Sie beruhen dementsprechend weder auf einer Entstellung noch einem sonstigen kurativen Behandlungsgrund (zB als Brustrekonstruktion
im Rahmen der Therapie von Brustkrebs, vgl zB BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 28 RdNr 9, 12, 17 f; BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 19, oder bei medizinisch gebotener Geschlechtsangleichung in Fällen des gesetzlich besonders
geregelten Transsexualismus, vgl zB BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 24 RdNr 14; BSGE 111, 289 = SozR 4-2500 § 27 Nr 23, RdNr 20 ff).
Versicherte ziehen sich eine Krankheit durch eine medizinisch nicht indizierte ästhetische Operation, eine Tätowierung oder
ein Piercing zu, wenn die medizinisch nicht indizierte ästhetische Operation, die Tätowierung oder ein Piercing die wesentliche
Bedingung für die behandlungsbedürftige Krankheit ist (vgl zur Theorie der wesentlichen Bedingung in der GKV BSGE 111, 146 = SozR 4-2500 § 35 Nr 6, RdNr 21 mwN). Die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen sowie
die zugelassenen Krankenhäuser haben die hierfür maßgeblichen Daten an die KKn zu übermitteln und die Versicherten darüber
zu informieren (vgl §
284 Abs
1 Satz 1 Nr
4 SGB V iVm §
294a Abs
2 SGB V, eingefügt durch Art 6 Nr 15 Buchst c Pflege-Weiterentwicklungsgesetz).
Die Voraussetzungen der Rechtsnorm sind erfüllt. Die Klägerin unterzog sich nach den bindenden Feststellungen des SG (§
163 SGG) der im dargelegten Rechtssinn medizinisch nicht indizierten ästhetischen Operation MAP im Juni 2017. Hierdurch zog sie sich
als behandlungsbedürftige Krankheiten (im oben dargelegten Sinn des §
27 Abs
1 SGB V) Wundheilungsstörungen mit Serom, Nahtdehiszenz und Kapselfibrose bei perforierten Brustimplantaten zu. Durch deren Krankenhausbehandlung
(vgl §
27 Abs
1 Satz 1 Nr
5 SGB V iVm §
39 SGB V) entstanden Kosten iHv 4589,80 Euro (§
109 Abs
4 Satz 3
SGB V).
Rechtsfolge des §
52 Abs
2 Fall 1
SGB V ist, dass die KK zwingend über die Beteiligung des Versicherten an den Behandlungskosten der Krankheit zu entscheiden hat,
die dieser sich ua durch die medizinisch nicht indizierte ästhetische Operation zuzog. Die KK hat dabei Ermessen hinsichtlich
der Höhe, in welcher sie den Versicherten zwecks Kostenbeteiligung zur Zahlung verpflichtet. Das folgt aus Wortlaut, Entwicklungsgeschichte,
Regelungssystem und Regelungszweck.
Bereits nach dem Wortlaut "hat" die KK den Versicherten "an den Kosten zu beteiligen", allerdings nur "in angemessener Höhe".
Die Entwicklungsgeschichte unterstreicht, dass die KK in den Fällen des §
52 Abs
2 SGB V kein Entschließungs-, sondern nur ein Ausübungsermessen hinsichtlich der Höhe der Kostenbeteiligung haben soll. Die ursprünglich
im
SGB V getroffene Regelung entspricht jener des heutigen §
52 Abs
1 SGB V. Sie sollte der KK die Entscheidung ermöglichen, ob und in welchem Umfang die Leistungsbeschränkung dem Versicherten oder
die uneingeschränkte Leistungserbringung der KK zuzumuten ist. Dabei sind nach der Gesetzesbegründung insbesondere der Grad
des Verschuldens, die Höhe der Aufwendungen der KK, die finanzielle Leistungsfähigkeit des Versicherten und seine Unterhaltsverpflichtungen
zu berücksichtigen (vgl Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP eines Gesundheitsreformgesetzes - GRG - BT-Drucks 11/2237 S 182 zu § 51). Art 1 Nr 31 Buchst a Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz
- GKV-WSG) vom 26.3.2007 (BGBl I 378) fügte die Regelung des §
52 Abs
2 SGB V ein, die die betroffenen Fallgruppen allerdings noch beispielhaft erwähnte ("Maßnahme wie zum Beispiel eine"). Diese auf
den Beispielscharakter hinweisenden Worte strich Art 6 Nr 7 Pflege-Weiterentwicklungsgesetz mit Wirkung vom 1.7.2008 (Art
17 Abs 1 Pflege-Weiterentwicklungsgesetz).
Auch das Regelungssystem verdeutlicht mit der bewusst von §
52 Abs
1 SGB V abweichenden Fassung, dass KKn nach §
52 Abs
2 SGB V nur ein Ausübungsermessen hinsichtlich der Höhe der Kostenbeteiligung haben. Dies entspricht auch dem Regelungszweck: Durch
medizinisch nicht notwendige ästhetische Operationen, Piercings und Tätowierungen entstehen oft gravierende Gesundheitsstörungen,
deren Behandlung vor Einfügung des §
52 Abs
2 SGB V durch die KKn finanziert werden musste. Da sich Versicherte, die derartige Maßnahmen durchführen lassen, aus eigenem Entschluss
gesundheitlichen Risiken aussetzen, sah es der Gesetzgeber als nicht sachgerecht an, diese Risiken durch die Versichertengemeinschaft
abzudecken. Er wollte von den betroffenen Versicherten die Übernahme von Eigenverantwortung einfordern, indem die KKn sie
an den Behandlungskosten angemessen zu beteiligen haben (vgl Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD eines GKV-WSG, BT-Drucks 16/3100 S 108 zu Nr 31 - § 52).
Die Beklagte übte ihr Ermessen über die Höhe der Kostenbeteiligung der Klägerin rechtmäßig aus. Sie berücksichtigte entsprechend
dem Zweck des Ermessens (vgl oben, BT-Drucks 11/2237 S 182 zu § 51) die Höhe der Aufwendungen der Beklagten, die finanzielle
Leistungsfähigkeit der Klägerin, ihre Unterhaltsverpflichtungen, die Regelung des §
33 Abs
3 EStG über die auf das Kalenderjahr zu beziehende zumutbare Belastung und den ua an §
27a Abs
3 Satz 3
SGB V angelehnten Grundsatz, Versicherte in Fällen des §
52 Abs
2 SGB V zur Hälfte an den Kosten zu beteiligen, wenn dies zumutbar ist. Dies entspricht im Interesse einer Gleichbehandlung der Versicherten
ermessensgerecht dem Besprechungsergebnis der Spitzenverbände der KKn (22./23.1.2008; Die Leistungen 2008, 423 ff).
2. Weder die konkrete Entscheidung über die Kostenbeteiligung der Klägerin noch die Regelung des §
52 Abs
2 SGB V verstößt gegen das
GG. Die verfassungsrechtlichen Bedenken der Klägerin greifen nicht durch.
a) Die gesetzliche Verpflichtung der KKn, Versicherte an den Kosten der Krankenbehandlung von Krankheiten in einer nach pflichtgemäßem
Ermessen festzusetzenden Höhe zu beteiligen, die sie sich aufgrund medizinisch nicht indizierter ästhetischer Operationen
zugezogen haben, verletzt weder das Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art
2 Abs
2 Satz 1
GG) noch das Grundrecht aus Art
2 Abs
1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip (vgl dazu BVerfGE 115, 25, 43 ff = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 21, 24). Der Gesetzgeber hat lediglich in verhältnismäßiger Weise von seinem Gestaltungsrecht
Gebrauch gemacht, den Bereich der Eigenvorsorge zu umreißen. Grundsätzlich nimmt es das Verfassungsrecht hin, dass der Gesetzgeber
den Leistungskatalog der GKV unter Abgrenzung der Leistungen ausgestaltet, die der Eigenverantwortung des Versicherten zugerechnet
werden (vgl BVerfGE 115, 25, 43 ff = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 26). Die gesetzlichen KKn sind nicht von Verfassungs wegen gehalten, alles zu leisten,
was an Mitteln zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit verfügbar ist (vgl BVerfGE 115, 25, 43 ff = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 27). Verfassungsunmittelbare Leistungsansprüche erwachsen Versicherten lediglich als
Ausnahme in Fällen einer notstandsähnlichen Situation aufgrund einer lebensbedrohlichen oder vorhersehbar tödlich verlaufenden
Krankheit, in der ein erheblicher Zeitdruck für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf typisch ist
und für die eine dem allgemein anerkannten medizinischen Standard entsprechende Behandlungsmethode nicht existiert (vgl BVerfGE
115, 25, 43 ff = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 24; BVerfGE 140, 229 = SozR 4-2500 § 92 Nr 18, RdNr 18; BVerfG SozR 4-2500 § 137c Nr 8 RdNr 22; BSGE 122, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 28, RdNr 17 ff). Darum geht es bei der Klägerin nicht. Das LSG hat unangegriffen keinen zur Lebenserhaltung
oder wertungsmäßig hiermit vergleichbaren bestehenden akuten Behandlungsbedarf festgestellt. Die KK hat zudem auch in den
Fallgestaltungen des §
52 Abs
2 SGB V aufgrund des Naturalleistungsprinzips mit allen Leistungen des GKV-Leistungskatalogs in Vorleistung zu treten. Die Versicherten
sind insoweit in ihrem Anspruch auf Krankenbehandlung nach §
27 SGB V umfassend geschützt. Ihre ermessensgerechte finanzielle Beteiligung in angemessener Höhe erfolgt erst nachgelagert. Die gesetzliche
Regelung über die Beteiligung an den Behandlungskosten schließt es nicht aus, dass die KK die Kostenbeteiligung Versicherter
an einer überlebenswichtigen Behandlung von Folgen medizinisch nicht indizierter ästhetischer Operationen im Einzelfall in
ermessensgerechter angemessener Höhe zB auf einen symbolischen Betrag festsetzt. Die Zuordnung eines ermessensgerechten Anteils
der erfassten Behandlungskosten zur Eigenverantwortung der Versicherten ist auch unter Berücksichtigung der Anforderungen
des speziellen (dazu sogleich b) und des allgemeinen Gleichheitssatzes zumutbar (vgl unten c).
b) Die Zuordnung eines Teils der Behandlungskosten von Folgen medizinisch nicht indizierter ästhetischer Operationen zur Eigenverantwortung
der Versicherten verstößt nicht gegen die Anforderungen des speziellen Gleichheitssatzes. Nach Art
3 Abs
3 Satz 1
GG darf niemand wegen seines Geschlechts benachteiligt oder bevorzugt werden. Das Geschlecht darf auch aufgrund des Gleichberechtigungsgebots
in Art
3 Abs
2 GG grundsätzlich nicht zum Anknüpfungspunkt und zur Rechtfertigung für rechtlich oder faktisch benachteiligende Ungleichbehandlungen
herangezogen werden. Das Diskriminierungsverbot gilt auch dann, wenn eine Regelung nicht auf eine verbotene Ungleichbehandlung
angelegt ist, sondern in erster Linie - oder gänzlich - andere Ziele verfolgt (vgl BVerfGE 85, 191, 206; BVerfGE 121, 241, 254). Es ist jedoch nicht entscheidend, dass eine Ungleichbehandlung unmittelbar und ausdrücklich an das Geschlecht anknüpft
(vgl BVerfGE 126, 29, 53). Eine grundsätzlich unzulässige Anknüpfung an das Geschlecht kann - wie nach dem Recht der Europäischen Union und nach
völkerrechtlichen Verpflichtungen (vgl BVerfGE 126, 29, 53 f) - auch dann vorliegen, wenn eine geschlechtsneutral formulierte Regelung aufgrund natürlicher Unterschiede oder der
gesellschaftlichen Bedingungen überwiegend Frauen nachteilig trifft (vgl BVerfGE 97, 35, 43; BVerfGE 104, 373, 393; BVerfGE 113, 1, 15 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 30 RdNr
22; BVerfGE 121, 241, 254 f). Denn Art
3 Abs
2 GG bietet Schutz auch vor faktischen Benachteiligungen. Die Verfassungsnorm zielt auf die Angleichung der Lebensverhältnisse
von Frauen und Männern (vgl BVerfGE 87, 1, 42; BVerfGE 109, 64, 89; BVerfGE 113, 1, 15 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 30 RdNr
22; BVerfGE 126, 29, 53 f). Art
3 Abs
2 Satz 2
GG stellt ausdrücklich klar, dass sich das Gleichberechtigungsgebot auf die gesellschaftliche Wirklichkeit erstreckt (vgl BVerfGE
92, 91, 109; BVerfGE 109, 64, 89). Die Erstreckung des Gleichberechtigungsgebots auf die gesellschaftliche Wirklichkeit bedeutet aber nicht, dass eine
nicht durch strukturelle Benachteiligung geprägte geschlechtsspezifische Präferenz von Verfassungs wegen als Anknüpfung für
eine faktisch benachteiligende Ungleichbehandlung Beachtung finden muss: Das Verbot faktisch benachteiligender Ungleichbehandlung
muss den Benachteiligten gerade objektiv in dem Bereich der strukturellen Benachteiligung betreffen. Dies ist nicht der Fall,
wenn etwa die unterschiedliche faktische Betroffenheit der Geschlechter nicht auf eine nachteilige Situation von Frauen, sondern
auf vorfindliche Einstellungen, insbesondere ein tradiertes Rollenverständnis, gründet (vgl BVerfGE 104, 373, 394 - Ausschluss eines Kindesdoppelnamens).
Die gesetzliche Verpflichtung der KKn, Versicherte an den Kosten der Krankenbehandlung von Krankheiten in einer nach pflichtgemäßem
Ermessen festzusetzenden Höhe zu beteiligen, die sie sich aufgrund medizinisch nicht indizierter ästhetischer Operationen
zugezogen haben, macht weder das Geschlecht zum rechtlichen Anknüpfungspunkt noch zieht es dieses zur Rechtfertigung für eine
rechtlich benachteiligende Ungleichbehandlung heran. Rechtlich ist die Regelung geschlechtsneutral sachbezogen gefasst. Sie
betrifft auch nicht auf tatsächlicher Ebene von der Kostenbeteiligung Betroffene objektiv gerade in einem Bereich struktureller
Benachteiligung. Soweit die Klägerin hierzu statistisch untermauert vorträgt, Frauen nähmen zu einem höheren Prozentsatz als
Männer Schönheitsoperationen in Anspruch, beruht dies auf freier eigener Entscheidung aufgrund subjektiver individueller Schönheitsvorstellungen
und nicht auf struktureller Benachteiligung. Sollte die Entscheidung Betroffener für Schönheitsoperationen auf einem überkommenen
Rollenbild aufbauen, gibt die Verfassung keinen Anlass, dieses zu verfestigen.
c) Die gesetzliche Zuordnung eines ermessensgerechten Teils der Behandlungskosten von Folgen medizinisch nicht indizierter
ästhetischer Operationen zur Eigenverantwortung der Versicherten ist unter Berücksichtigung der Anforderungen des allgemeinen
Gleichheitssatzes zumutbar. Diese Zuordnung verstößt auch unter Einbeziehung der Wertungen des Art
2 Abs
1 GG iVm dem Sozialstaatsgebot und des Art
2 Abs
2 GG nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art
3 Abs
1 GG).
aa) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art
3 Abs
1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl zB BVerfGE 98, 365, 385). Er gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen (vgl BVerfGE 79, 1, 17; BVerfGE 126, 400, 416; BVerfGE 129, 49, 68). Verboten ist auch ein gleichheitswidriger Ausschluss (vgl BVerfGE 93, 386, 396 f; BVerfGE 105, 73, 110 ff), bei dem eine Begünstigung dem einen Personenkreis gewährt, dem anderen aber vorenthalten wird (vgl BVerfGE 110,
412, 431; BVerfGE 112, 164, 174; BVerfGE 126, 400, 416; BVerfG [Kammer] Beschluss vom 12.12.2012 - 1 BvR 69/09 - juris RdNr 9).
Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche
Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen
reichen können (vgl BVerfGE 117, 1, 30; BVerfGE 122, 1, 23; BVerfGE 126, 400, 416 mwN; BVerfG [Kammer] Beschluss vom 12.12.2012 - 1 BvR 69/09 - juris RdNr 10). Dabei gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab,
dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen
bestimmen lassen (vgl BVerfGE 75, 108, 157; BVerfGE 93, 319, 348 f; BVerfGE 107, 27, 46; BVerfGE 126, 400, 416 mwN; BVerfGE 129, 49, 69). Eine strengere Bindung des Gesetzgebers ist insbesondere anzunehmen, wenn die Differenzierung an Persönlichkeitsmerkmale
anknüpft, wobei sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen umso mehr verschärfen, je weniger die Merkmale für den Einzelnen
verfügbar sind (vgl BVerfGE 88, 87, 96) oder je mehr sie sich denen des Art
3 Abs
3 GG annähern (vgl BVerfGE 124, 199, 220). Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich auch aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben (vgl BVerfGE
88, 87, 96). Im Übrigen hängt das Maß der Bindung unter anderem davon ab, inwieweit die Betroffenen in der Lage sind, durch ihr
Verhalten die Verwirklichung der Kriterien zu beeinflussen, nach denen unterschieden wird (vgl BVerfGE 88, 87, 96; BVerfGE 127, 263, 280; BVerfGE 129, 49, 69; BVerfG [Kammer] Beschluss vom 12.12.2012 - 1 BvR 69/09 - juris RdNr 10). Das Grundrecht ist aber verletzt, wenn der Gesetzgeber eine Gruppe von Normadressaten anders als eine andere
behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und von solchem Gewicht bestehen, dass sie die
ungleiche Behandlung rechtfertigen (stRspr, vgl zB BVerfGE 112, 50, 67 = SozR 4-3800 § 1 Nr 7 RdNr 55 mwN; BVerfGE 117, 316, 325 = SozR 4-2500 § 27a Nr 3 RdNr 31). Daran fehlt es.
bb) Die gesetzliche Zuordnung eines ermessensgerechten Teils der Behandlungskosten von Folgen medizinisch nicht indizierter
ästhetischer Operationen zur Eigenverantwortung der Versicherten begründet eine Ungleichbehandlung gegenüber drei Fallgruppen:
(1) Versicherte, die sich einer medizinisch indizierten Operation unterziehen; (2) Verhaltensweisen der allgemeinen Lebensführung,
die lediglich abstrakt risikobehaftet sind; (3) Versicherte, die der Regelung des §
52 Abs
1 SGB V unterfallen. Versicherte, die zu den ersten beiden Fallgruppen zählen, hat die KK nicht an Kosten von Folgebehandlungen zu
beteiligen. Bei Versicherten der Fallgruppe 3 hat die KK zusätzlich ein Entschließungsermessen, ob eine Kostenbeteiligung
erfolgt. Soweit die Klägerin dagegen Verhaltensweisen wie Branding (Einbrennen von Schriftzeichen oder Symbolen in die Haut),
Cutting (Beibringung von Hautschnittmustern) oder Tongue-Cutting (Aufspalten der Zunge) anspricht, lassen sich diese zwanglos
unter die Tatbestandsmerkmale "medizinisch nicht indizierte ästhetische Operation", "Piercing" und "Tätowierung" subsumieren.
cc) Die aufgezeigte unterschiedliche Behandlung der Fallgruppen ist sachlich gerechtfertigt. Es bestehen für alle drei Fallgruppen
hinreichende Sachgründe, die das Willkürverbot nicht verletzen. Die Differenzierung des Gesetzes knüpft nicht an Persönlichkeitsmerkmale
an, sondern an verhaltensbezogene Sachkriterien. Die Betroffenen sind in der Lage, durch ihr Verhalten die Verwirklichung
der tatbestandlichen Voraussetzungen zu beeinflussen, indem sie sich nicht den Risiken von medizinisch nicht notwendigen ästhetischen
Operationen, Piercings und Tätowierungen aussetzen. Bei der ersten Fallgruppe bewegen sich Versicherte, die sich einer medizinisch
indizierten Operation unterziehen, von Beginn an vollständig innerhalb des Leistungskatalogs der GKV. Ausgangspunkt ihres
Behandlungsanspruchs ist eine Krankheit iSv §
27 Abs
1 SGB V, nicht wie bei nicht indizierten ästhetischen Operationen der individuelle eigene, subjektiv ausgerichtete Wunsch nach körperlicher
Veränderung des äußeren Erscheinungsbilds ohne medizinische Indikation. Bei der zweiten Fallgruppe geht es um Verhaltensweisen
der allgemeinen Lebensführung, die lediglich abstrakt risikobehaftet sind wie Verzehr von Süßigkeiten, Genuss von Alkohol
oder Nikotin. Es sind langfristig potentiell schädigende Verhaltensweisen, die effektiv nur mit umfassender Überwachung der
persönlichen Lebensführung zu erfassen sind und nicht unmittelbar die körperliche Integrität antasten. Medizinisch nicht indizierte
ästhetische Operationen, Tätowierungen oder Piercings verletzen dagegen den Körper unmittelbar, beruhen auf punktuellen Vorgängen
und sind relativ leicht zu erfassen. Sie lassen eher in zeitlich nahem Zusammenhang durch die Handlungen zugezogene Erkrankungen
erwarten.
Die dritte Fallgruppe ordnet aus Sachgründen die Möglichkeit eines Entschließungsermessens nur der Regelung des §
52 Abs
1 SGB V zu. Diese erfasst einen wesentlich weiter gezogenen Kreis Betroffener als die Regelung des §
52 Abs
2 SGB V: Haben sich Versicherte eine Krankheit vorsätzlich oder bei einem von ihnen begangenen Verbrechen oder vorsätzlichen Vergehen
zugezogen, kann die KK sie an den Kosten der Leistungen in angemessener Höhe beteiligen und das Krankengeld ganz oder teilweise
für die Dauer dieser Krankheit versagen und zurückfordern. Korrektiv dieser größeren Weite ist die zusätzliche Ausgestaltung
mit einem Entschließungsermessen. Soweit man etwa fehlgeschlagene Suizidfälle von §
52 Abs
1 SGB V erfasst sieht (vgl zum Problem Voelzke, Die Herbeiführung des Versicherungsfalls im Sozialversicherungsrecht, 2004, S 142),
verdeutlicht dies den auf das Entschließungsermessen erweiterten Regelungsbedarf.
Die Einschätzung des Gesetzgebers hält sich im Rahmen der ihm von Verfassungs wegen eingeräumten Einschätzungsprärogative
bei der Gestaltung des Sozialstaats (vgl BVerfGE 76, 220, 241; BVerfG Beschluss vom 3.6.2014 - 1 BvR 79/09 - juris RdNr 62). Es liegt im Rahmen der grundsätzlichen Freiheit des Gesetzgebers, die Voraussetzungen für die Gewährung
von Leistungen der GKV näher zu bestimmen (vgl BVerfGE 115, 25, 45 ff; BVerfGE 117, 316, 326 = SozR 4-2500 § 27a Nr 3 RdNr 35; BVerfG Beschluss vom 27.2.2009 - 1 BvR 2982/07 - NJW 2009, 1733 RdNr 10). Ausdruck der Achtung der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers ist auch das Gebot größter Zurückhaltung dabei,
dem Gesetzgeber im Bereich darreichender Verwaltung über den Gleichheitssatz zusätzliche Leistungsverpflichtungen aufzuerlegen,
vor allem wenn sie - wie hier - aus den Beiträgen der Gemeinschaft der Versicherten finanziert werden (vgl BVerfGE 60, 16, 42; BVerfGE 78, 104, 121; BVerfG Beschluss vom 27.2.2009 - 1 BvR 2982/07 - NJW 2009, 1733 RdNr 13).
Trifft den Gesetzgeber, der eine Einschätzungsprärogative hat, eine Beobachtungspflicht (vgl zB BVerfGE 123, 186, 266 = SozR 4-2500 § 6 Nr 8 RdNr 241), hat er diese nicht verletzt. Die Einschätzung des Gesetzgebers ist unverändert jedenfalls
vertretbar, die Kostenbeteiligung Versicherter an Behandlungsfolgen medizinisch nicht notwendiger ästhetischer Operationen,
Piercings und Tätowierungen entlaste die GKV zusammen mit weiteren regulatorischen Maßnahmen wesentlich (vgl Gesetzentwurf
der Fraktionen der CDU/CSU und SPD eines GKVWSG, BT-Drucks 16/3100 S 87, 210 f).
dd) Die Kostenbeteiligung Versicherter an Behandlungsfolgen medizinisch nicht notwendiger ästhetischer Operationen, Piercings
und Tätowierungen ist auch verhältnismäßig.
(1) Die Zuweisung eines ermessensgerechten Teils der Kosten von Behandlungsfolgen medizinisch nicht notwendiger ästhetischer
Operationen, Piercings und Tätowierungen zur Eigenverantwortung der Versicherten ist geeignet, als Teil eines Bündels von
Maßnahmen des GKVW SG auch nach der Eingrenzung durch das Pflege-Weiterentwicklungsgesetz zur Schaffung von Spielräumen für neue Leistungen beizutragen.
Das GKV-WSG zielte darauf ab, in bestimmten Bereichen wie zB der Palliativversorgung neue Leistungen in den GKV-Leistungskatalog aufzunehmen,
dafür aber in Bereichen, in denen aufgrund medizinisch nicht notwendiger Eingriffe Behandlungsbedürftigkeit entsteht, mehr
Eigenverantwortung einzufordern (vgl Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD eines GKV-WSG, BT-Drucks 16/3100 S 86). Der Gesetzgeber sah angesichts großer Herausforderungen - insbesondere des demographischen Wandels,
der Entdeckung neuer Krankheiten und damit neuer Behandlungsnotwendigkeiten sowie des medizinischen und medizinisch-technischen
Fortschritts - die Notwendigkeit, das Gesundheitswesen weiterzuentwickeln, und zwar sowohl für die Finanzierungsseite als
auch für die Angebotsstrukturen des Systems. Er erwartete, dass in den nächsten zwei Jahrzehnten die Zahl älterer Menschen
in Deutschland weiter zunehmen und damit ein zusätzlicher Finanzierungsbedarf erforderlich sein werde. Er ging davon aus,
es bedürfe einer Reform der Finanzierungsstrukturen und damit der Einnahmeseite im Gesundheitswesen gleichzeitig verbunden
mit einer Reform auf der Ausgabenseite, die sicherstellt, dass die Mittel effizient und effektiv eingesetzt werden (vgl Gesetzentwurf
der Fraktionen der CDU/CSU und SPD eines GKV-WSG, BT-Drucks 16/3100 S 85).
Insoweit darf der Leistungskatalog der GKV auch von finanzwirtschaftlichen Erwägungen mitbestimmt sein (vgl BVerfGE 68, 193, 218; BVerfGE 70, 1, 26, 30 = SozR 2200 § 376d Nr 1). Gerade im Gesundheitswesen hat der Kostenaspekt für gesetzgeberische Entscheidungen erhebliches
Gewicht (vgl BVerfGE 103, 172, 184 = SozR 3-5520 § 25 Nr 4; BVerfGE 115, 25, 46 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 27; s auch BSG SozR 4-2500 § 62 Nr 6 RdNr 14 mwN; BSGE 102, 30 = SozR 4-2500 § 34 Nr 4, RdNr 18 mwN). Diese Einschätzung des Gesetzgebers erscheint zumindest vertretbar. Hinsichtlich des
tatsächlichen Eintritts der angestrebten wirtschaftlichen Auswirkungen kommt dem Gesetzgeber eine Einschätzungsprärogative
zu (stRspr, vgl zB BVerfGE 50, 290, 332 ff; BVerfG 75, 78, 100; BVerfGE 104, 337, 347 f; BVerfG Beschluss vom 9.7.2004 - 1 BvR 258/04 - juris RdNr 10).
(2) Die Kostenbeteiligung Versicherter an den genannten Behandlungsfolgen war nach diesem Maßstab auch für die Zielsetzung
des GKV-WSG auch nach der Eingrenzung durch das Pflege-Weiterentwicklungsgesetz erforderlich. Andere gleich wirksame, weniger belastende
Maßnahmen sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
(3) Die Kostenbeteiligung Versicherter an den genannten Behandlungsfolgen ist auch angemessen. Die Kostenbeteiligung Versicherter
an den genannten Behandlungsfolgen steht in einem angemessenen Verhältnis zu den vom Gesetzgeber verfolgten Zielen. §
52 Abs
2 SGB V schafft einen ermessensgerechten Ausgleich zwischen dem solidarisch getragenen und finanzierten Schutz des Einzelnen und
den Belangen der Solidargemeinschaft. Der Einzelne verliert nicht seinen Primäranspruch auf Krankenbehandlung, obwohl er sich
aus eigenem Entschluss besonderen gesundheitlichen Risiken in Form von gefahrträchtigen Eingriffen in seinen Körper aussetzt,
von denen er wissen muss, dass erforderlichenfalls deren Behandlung zu Lasten der GKV die Solidargemeinschaft erheblich belasten
kann. Diesem selbst gewählten unsolidarischen Verhalten trägt die Regelung der Kostenbeteiligung flexibel, an die Umstände
des Einzelfalls angepasst Rechnung: Sie weist die Verantwortung für das eigene Verhalten dem Versicherten zu, indem sie eine
sekundäre Kostenbeteiligung bei Folgeerkrankungen in angemessener, individuell festzulegender Höhe vorsieht. Es ist den Versicherten
zumutbar, die ermessensgerecht festgesetzten begrenzten Kosten hierfür selbst zu tragen. Aufgrund des ihm bekannten Risikos
kann er hierfür in dem Zeitpunkt Vorsorge treffen, in dem er es eingeht (im Ergebnis ebenso Andreas, ArztRecht 2012, 145,
152 f; Janda, GuP 2015, 22, 29 ff; Kemmler, NZS 2014, 521, 526; F Kirchhof, ZMGR 2010, 210, 213; Knittel in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, Stand Februar
2019, §
52 SGB V RdNr 25; O E Krasney, KrV 2015, 57; Legde in Hänlein/Schuler,
SGB V, 5. Aufl 2016, §
52 RdNr 11; Noftz in Hauck/Noftz,
SGB V, Stand Mai 2019, K §
52 RdNr 11; Reyels in juris-PK-
SGB V, Online-Ausgabe, Stand Juli 2018, §
52 RdNr 29 ff; Schifferdecker in Kasseler Komm, Stand Juni 2019, §
52 SGB V RdNr 29 ff; aA zB Bernzen, MedR 2008, 549; Damm, GesR 2010, 641, 648 f, 650; Eberbach, MedR 2008, 325, 333 f; Höfling, ZEFQ 2009, 286, 290 f; Huster, GuS 2012, 23, 25 f; Lang in Becker/Kingreen,
SGB V, 6. Aufl 2018, §
52 RdNr 8; Müller, Anspruch des gesetzlich Versicherten auf Leistungen der plastischen Chirurgie, 2011, 274; Prehn, NZS 2010,
260; Reimer/Merold, SGb 2008, 713, 716; Süß, Die Eigenverantwortung gesetzlich Krankenversicherter unter besonderer Berücksichtigung der Risiken wunscherfüllender
Medizin, 2014, 306 f; Wienke in Wienke/Eberbach/Kramer/Janke, Die Verbesserung des Menschen, 2009, 169).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.