Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Ausnahmsweise fortwirkender Verfahrensmangel
Prozessurteil statt Sachentscheidung
Gründe:
I
Der Kläger begehrt als Sonderrechtsnachfolger seiner bei der beklagten Krankenkasse (KK) versichert gewesenen, 2007 verstorbenen
Mutter insbesondere Kostenerstattung. Hierzu hatte er bereits einige Rechtsstreite beim SG anhängig gemacht (S 81 KR 1585/05, nachfolgend BSG Beschluss vom 2.8.2010 - B 1 KR 15/10 B; S 82 KR 2309/05; S 81 KR 2076/07). Der Kläger hat in diesem Zusammenhang am 4.2.2015 erneut beantragt: "Ich stelle hiermit den ANTRAG, das auf der Grundlage
§
590 (1)
ZPO, eine Neue Verhandlung, die Wiederaufnahme des Antrages meiner Mutter, Frau G., gegen die AOK Berlin durchgeführt wird."
Das SG hat den Kläger unter Hinweis auf die Ausschlussfrist des §
92 Abs
2 SGG und unter Fristsetzung aufgefordert, das Urteil zu bezeichnen, gegen das die Nichtigkeits- oder Restitutionsklage gerichtet
ist. Hierauf hat der Kläger mitgeteilt: "Suchen Sie sich mal selber die Urkunden heraus, die Sie seit dem Jahre 2005 in der
Sache, unterschlagen und im Keller eingelagert haben.!!!" Das SG hat die Klage als unzulässig verworfen, das LSG die Berufung unter Bezugnahme auf die Gründe des Gerichtsbescheids des SG zurückgewiesen. Der Kläger habe das konkrete Streitverfahren, für das eine Wiederaufnahme begehrt werde, trotz Aufforderung
unter Fristsetzung nicht bezeichnet. Außerdem sei die Notfrist des §
586 ZPO iVm §
179 Abs
1 SGG in keinem Fall eingehalten (Urteil vom 6.10.2017).
Der Kläger wendet sich sinngemäß gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil und begehrt, ihm für das Verfahren der
Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines Rechtsanwalts
zu bewilligen.
II
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH und Beiordnung eines Rechtsanwalts ist abzulehnen (dazu 1.), seine Beschwerde
ist zu verwerfen (dazu 2.).
1. Nach §
73a Abs
1 S 1
SGG iVm §§
114,
121 ZPO kann einem bedürftigen Beteiligten für das Beschwerdeverfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt und ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn - ua - die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende
Aussicht auf Erfolg bietet. Daran fehlt es.
Der Kläger kann aller Voraussicht nach mit seinem Begehren auf Zulassung der Revision nicht durchdringen, weil es keine hinreichende
Aussicht auf Erfolg bietet. Nach Durchsicht der Akten fehlen - auch unter Würdigung des Klägervorbringens - Anhaltspunkte
dafür, dass der Kläger einen der in §
160 Abs
2 Nr
1 bis
3 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe darlegen könnte.
a) Die Sache bietet keine Hinweise für eine über den Einzelfall des Klägers hinausgehende grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache
(§
160 Abs
2 Nr
1 SGG).
b) Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass das LSG entscheidungstragend von Rspr des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abgewichen sein könnte (Zulassungsgrund gemäß §
160 Abs
2 Nr
2 SGG).
c) Der Kläger dürfte auch keinen Verfahrensfehler des LSG dartun können, auf dem die Entscheidung des LSG beruhen kann (Zulassungsgrund
gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 SGG). Nach §
160 Abs
2 Nr
3 SGG ist eine Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen
kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von §
109 und §
128 Abs
1 S 1
SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des §
103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende
Begründung nicht gefolgt ist (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG). Anhaltspunkte für einen Verfahrensmangel liegen nicht vor.
Insbesondere dürfte der Kläger nicht darlegen können, dass sich ein solcher daraus ergibt, dass das LSG das Prozessurteil
des SG bestätigt hat. Ein Verfahrensmangel kann grundsätzlich auch dann vorliegen, wenn das LSG die Berufung als unzulässig verworfen
hat, obwohl es eine Sachentscheidung hätte treffen müssen (vgl BSGE 1, 283, 286 f; BSGE 15, 169, 172 = SozR Nr 3 zu § 52
SGG; BSG SozR 1500 § 160a Nr 55 S 73; BSG SozR 4-1500 § 156 Nr 1 RdNr 4). Ausnahmsweise kommt es nicht allein auf das Berufungsverfahren an. Vielmehr kann ein fortwirkender Verfahrensmangel
vorliegen, wenn anstelle eines erstinstanzlichen Prozessurteils eine Sachentscheidung hätte ergehen müssen und auch das LSG
lediglich das Prozessurteil des SG bestätigt hat (vgl BSG SozR 3-1500 § 73 Nr 10 S 31 mwN; BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 13 R 140/17 B - Juris RdNr 5 mwN; BSG Beschluss vom 1.12.2016 - B 14 AS 183/16 B - Juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 5.4.2018 - B 1 KR 102/17 B - Juris RdNr 9). Auch unter Beachtung dieser Grundsätze wird es dem Kläger aller Voraussicht nach nicht gelingen, die Zurückweisung
der Berufung als verfahrensfehlerhaft darzulegen. Es ist - ungeachtet der Fünf-Jahresfrist (§
586 Abs
2 S 2
ZPO iVm §
179 Abs
1 SGG) - jedenfalls nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger fristgerecht (§
586 Abs
1 ZPO iVm §
179 Abs
1 SGG) einen Wiederaufnahmeantrag gestellt hat oder an der Einhaltung dieser Frist ohne Verschulden verhindert war (§
67 SGG). Auch ist nichts dafür ersichtlich, dass die Vorinstanzen die Unzulässigkeit der Klage zu Unrecht auch auf §
92 SGG gestützt haben, indem sie auf die nicht hinreichende Bezeichnung des Klagegegenstands nach erfolgloser fristgebundener Aufforderung
zur Ergänzung verwiesen haben (vgl zur Ausschlussfrist Estelmann in Zeihe/Hauck,
SGG, Stand August 2017, §
92 Anm 22 ff). Im Übrigen hat der Kläger auch bis zum Ende der mündlichen Verhandlung vor dem LSG nicht auf eine Konkretisierung
des Streitgegenstandes hingewirkt. Sein Vorbringen in den Vorinstanzen und im Beschwerdeverfahren besteht im Wesentlichen
aus unflätigen, beleidigenden Äußerungen.
d) Da PKH nicht bewilligt werden kann, entfällt auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts gemäß §
73a Abs
1 S 1
SGG iVm §
121 Abs
1 ZPO.
2. Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig und daher gemäß §
160a Abs
4 S 1 Halbs 2
SGG iVm §
169 S 3
SGG zu verwerfen. Vor dem BSG müssen sich die Beteiligten, außer im PKH-Verfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen (§
73 Abs
4 S 1
SGG). Der Kläger, der nicht zu dem Kreis der zugelassenen Prozessbevollmächtigten gehört, hat die Beschwerde jedoch selbst eingelegt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.