Anspruch auf Verletztenrente in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung
Verfassungsmäßigkeit der Mindest-MdE-Höhe von 30 vH.
Gründe:
I
Die Kläger ist der Schwager der Ehefrau eines landwirtschaftlichen Unternehmers, sog Schwippschwager. Er wendet sich dagegen,
dass ihm wegen der Sonderregelung in §
80a Abs
1 S 1
SGB VII kein Anspruch auf eine Verletztenrente zusteht, weil die gesundheitlichen Folgen eines während seiner Mitarbeit in dem landwirtschaftlichen
Unternehmen erlittenen Arbeitsunfalls nur eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) unter 30 vH bedingen.
Der Kläger half regelmäßig, teilweise zwei- bis dreimal pro Woche, im landwirtschaftlichen Unternehmen des Ehemanns der Schwester
seiner Ehefrau, seines Schwippschwagers, aus. Zu seinem Schwippschwager bestand neben dieser familiären auch eine freundschaftliche
Beziehung. Der Kläger erlitt am 24.5.2008 einen Unfall, als er mit einer Bandsäge Weidezaunpfähle anspitzte, die für das landwirtschaftliche
Unternehmen seines Schwippschwagers bestimmt waren. Er verletzte sich an der linken Hand, weshalb später der Mittelfinger
des Klägers in Höhe des Grundgliedes amputiert werden musste. Die Beklagte erkannte den Unfall als Arbeitsunfall an. Die Gewährung
einer Verletztenrente lehnte sie ab, weil die Erwerbsfähigkeit nicht um wenigstens 30 vH gemindert sei und abweichend von
§
56 Abs
1 SGB VII §
80a SGB VII für nach §
2 Abs
1 Nr
5 Buchst b
SGB VII versicherte, in landwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitende Familienangehörige ein Rentenanspruch
eine MdE von 30 vH voraussetze (Bescheid vom 22.9.2009 und Widerspruchsbescheid vom 8.12.2010).
Das SG hat die Beklagte unter Abänderung ihrer Bescheide verurteilt, dem Kläger Verletztenrente nach einer MdE von 20 vH ab dem
13.4.2009 zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Es hat den Kläger als mitarbeitenden Ehegatten iS des §
2 Abs
1 Nr
5 Buchst a
SGB VII angesehen und ausgeführt, die MdE betrage zwar nur 20 vH, §
80a Abs
1 SGB VII verstoße jedoch gegen Art
3 Abs
1 GG, soweit diese Vorschrift für den Rentenanspruch - anders als nach §
56 Abs
1 SGB VII - eine höhere MdE als 20 vH voraussetze. Der Anwendungsbereich des §
80a Abs
1 SGB VII sei in verfassungskonformer Auslegung auf die Fälle zu beschränken, in denen der Lebensunterhalt des jeweils versicherten
Verletzten allein durch die versicherte landwirtschaftliche Tätigkeit gesichert werde (Urteil vom 11.9.2012). Das LSG hat
das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe zum Unfallzeitpunkt Sägearbeiten für
das landwirtschaftliche Unternehmen seines Schwippschwagers als nicht nur vorübergehend mitarbeitender Familienangehöriger
und damit nach §
2 Abs
1 Nr
5 Buchst b
SGB VII Versicherter verrichtet. Die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit betrage weniger als 30 vH, sodass gemäß §
80a SGB VII kein Rentenanspruch bestehe. §
80a Abs
1 S 1
SGB VII verstoße nicht gegen Art
3 Abs
1 GG. Die Pflichtversicherung nach §
2 Abs 1 Nr
5 Buchst b
SGB VII trage dem Umstand Rechnung, dass es in der Landwirtschaft selbstverständlich sei, dass Familienmitglieder unentgeltlich mitarbeiten.
Dieser Personenkreis stehe deshalb unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn er nicht nur vorübergehend für
das landwirtschaftliche Unternehmen tätig werde. Seien in einem landwirtschaftlichen Unternehmen Tätige dagegen Beschäftigten
nach §
2 Abs
1 Nr
1 SGB VII oder Wie-Beschäftigte nach §
2 Abs
2 SGB VII, werde ihnen weiterhin gemäß §
56 SGB VII eine Verletztenrente bereits ab einer MdE in Höhe von 20 vH gewährt. Zu diesen Versicherten gehöre der Kläger allerdings
nicht (Urteil vom 22.11.2016).
Der Kläger rügt mit seiner Revision die Verletzung des Art
3 Abs
1 GG. Er werde als in einem landwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitender Familienangehöriger ohne rechtfertigenden
Grund schlechter gestellt als sonstige Versicherte. Insbesondere könne die mit der Regelung des §
80a Abs
1 S 1
SGB VII bezweckte finanzielle Entlastung der landwirtschaftlichen Unternehmer die Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 22. November 2016 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil
des Sozialgerichts Fulda vom 11. September 2012 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
II
Die zulässige Revision ist nicht begründet. Zu Recht hat das LSG das der Klage teilweise stattgebende Urteil des SG aufgehoben und die Klage im vollen Umfang abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 22.9.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 8.12.2010 ist rechtmäßig, soweit die Beklagte in ihm die Gewährung einer Verletztenrente abgelehnt hat. Der Kläger hat
keinen Anspruch auf eine Verletztenrente, weil bei ihm die von §
80a Abs
1 S 1
SGB VII geforderte MdE von 30 vH nicht vorliegt.
1. Zu entscheiden war im Revisionsverfahren über die Rechtmäßigkeit der Verfügung in dem Bescheid vom 22.9.2010 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 8.12.2010, mit der die Beklagte die Gewährung einer Verletztenrente abgelehnt und die der Kläger
mit einer zulässigen Anfechtungsklage (§
54 Abs
1 SGG) angegriffen hat, sowie über den Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von 20 vH ab dem
13.4.2009, den er zulässig mit einer kombinierten Leistungsklage (§
54 Abs
4 SGG) verfolgt hat. Nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von 30
vH, die der Kläger erstinstanzlich beantragt hatte. Insoweit hat das SG die Klage rechtskräftig abgewiesen und der Kläger im Berufungs- und Revisionsverfahren dieses Begehren nicht mehr verfolgt.
2. Der Kläger hat gemäß §
80a Abs
1 S 1
SGB VII keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente, weil seine Erwerbsfähigkeit infolge des von der Beklagten anerkannten
Arbeitsunfalls vom 24.5.2008 nicht um wenigstens 30 vH gemindert ist. Anspruch auf Verletztenrente haben gemäß §
56 Abs
1 S 1
SGB VII Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus
um wenigstens 20 vH gemindert ist. Abweichend von §
56 Abs
1 S 1
SGB VII haben gemäß der durch Art 1 Nr
7 des Gesetzes zur Modernisierung des Rechts der landwirtschaftlichen Sozialversicherung (LSVMG - vom 18.12.2007, BGBl I 2984)
mit Wirkung zum 1.1.2008 geschaffenen Regelung des §
80a Abs
1 S 1
SGB VII Versicherte nach §
2 Abs
1 Nr
5 Buchst a und b
SGB VII nur Anspruch auf eine Rente, wenn ihre Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall
hinaus um wenigstens 30 vH gemindert ist. Gemäß §
2 Abs
1 Nr
5 Buchst a und b
SGB VII versichert sind Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens und ihre im Betrieb mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner
(Buchst a) sowie die im landwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitenden Familienangehörigen (Buchst
b). §
80a SGB VII ist auf Versicherungsfälle anzuwenden, die nach dem 31.12.2007 eingetreten sind (§
221 Abs
2 SGB VII). Die für einen Anspruch auf Verletztenrente erforderlichen Voraussetzungen dieser Vorschriften erfüllt der Kläger nicht.
Der Kläger hat zwar am 24.5.2008 einen Arbeitsunfall nach §
8 Abs
1 SGB VII und damit einen Versicherungsfall erlitten. Dessen gesundheitliche Folgen bedingten jedoch keine MdE von wenigstens 30 vH.
§
80a Abs
1 S 1
SGB VII schließt einen Anspruch des Klägers auf Verletztenrente damit aus. Der Kläger gehörte zum Unfallzeitpunkt als nicht nur vorübergehend
mitarbeitender Familienangehöriger zum Kreis der Versicherten gemäß §
2 Abs
1 Nr
5 Buchst b
SGB VII, die nach §
80a Abs
1 S 1
SGB VII einen Anspruch auf Rente erst ab einer MdE in Höhe von mindestens 30 vH haben, sodass ein Anspruch auf eine Verletztenrente
nicht besteht (dazu unter a). Die Regelung des §
80a Abs
1 S 1
SGB VII begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (dazu unter b).
a) Der Arbeitsunfall des Klägers gemäß §
8 Abs
1 SGB VII ist am 24.5.2008 eingetreten, was aufgrund des insoweit nicht angefochtenen Bescheides vom 22.9.2009 für die Beteiligten
bindend feststeht (vgl §
77 SGG). Nach den Feststellungen des LSG bedingten die Folgen des Arbeitsunfalles eine MdE von weniger als 30 vH. Diese tatsächlichen
Feststellungen des LSG zum Grad der MdE sind für den Senat gemäß §
163 SGG bindend, weil sie nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen worden sind (vgl dazu BSG vom 20.12.2016 - B 2 U 11/15 R - BSGE 122, 232 = SozR 4-2700 §
56 Nr
4, RdNr
15 f mwN). §
80a Abs
1 S 1
SGB VII ist im vorliegenden Fall auch gemäß §
221 Abs
2 SGB VII anwendbar, weil der Versicherungsfall nach dem 31.12.2007 eingetreten ist.
Der Kläger hat den Arbeitsunfall als nach §
2 Abs
1 Nr
5 Buchst b
SGB VII Versicherter erlitten. Er war zum Unfallzeitpunkt nicht nur vorübergehend mitarbeitender Familienangehöriger in einem landwirtschaftlichen
Unternehmen iS des §
2 Abs
1 Nr
5 Buchst b
SGB VII, weil er nach den bindenden Feststellungen des LSG im landwirtschaftlichen Unternehmen seines Schwippschwagers nicht nur
vorübergehend mitarbeitete und den Unfall bei dieser Tätigkeit erlitt.
Als Schwippschwager des landwirtschaftlichen Unternehmers war der Kläger Familienangehöriger iS des §
2 Abs
1 Nr
5 Buchst b
SGB VII. Familienangehörige im Sinne dieser Vorschrift sind gemäß §
2 Abs
4 Nr
2 SGB VII Verschwägerte bis zum zweiten Grade der Unternehmer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner. Nach §
1590 Abs
1 S 1
BGB sind Verwandte eines Ehegatten mit dem anderen Ehegatten verschwägert. Familienangehörige eines Unternehmers in diesem Sinne
ist damit auch der Schwager des Ehegatten eines Unternehmers und damit der sog Schwippschwager des Unternehmers. Der Kläger
war zum Zeitpunkt des Unfalles der Schwippschwager des Unternehmers, denn er war mit dessen Ehefrau verschwägert. Diese war
die Schwester seiner Ehefrau.
Der Kläger erlitt den Unfall während einer nicht nur vorübergehenden Mitarbeit im landwirtschaftlichen Unternehmen seines
Schwippschwagers. Nicht nur vorübergehend ist eine Mitarbeit in einem landwirtschaftlichen Unternehmen iS des §
2 Abs
1 Nr
5 Buchst b
SGB VII, wenn sie auf eine gewisse Dauer ausgerichtet ist (Riebel in Hauck/Noftz,
SGB VII, Stand Juli 2017, §
2 RdNr 60). Eine nicht nur vorübergehende Mitarbeit liegt in der Regel bei 21 vollen Arbeitstagen im Jahr vor, ohne dass dies
die absolute Mindestanzahl an Tagen darstellt (vgl BSG vom 20.10.1983 - 2 RU 49/82 - BAGUV RdSchr 3/84; BSG vom 27.6.1969 - 2 RU 52/67 - SozR Nr 1 zu § 780
RVO). Maßgebend ist das Verhältnis der Mitarbeit zu den Erfordernissen des landwirtschaftlichen Unternehmens im Wirtschaftsjahr.
Demgegenüber kommt es weder auf die tägliche Arbeitszeit noch auf den absoluten Umfang der Tätigkeit im Allgemeinen entscheidend
an. Die regelmäßige Mitarbeit kann auch neben einer Hauptbeschäftigung und in geringem Umfang erfolgen (vgl Kruschinsky in
Krasney/Becker/Burchardt/Kruschinsky/Heinz/Bieresborn,
SGB VII, Stand 10/17, § 2 RdNr 412; vgl BSG vom 31.10.1978 - 2 RU 87/76 - BSGE 47, 137 = SozR 2200 § 573 Nr 9). So handelt es sich nur um eine vorübergehende Mitarbeit, wenn die objektiven Umstände dafür sprechen,
dass die Mitarbeit von vornherein zeitlich begrenzt und nicht regelmäßig sein soll (vgl Bieresborn in Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB VII, 2. Aufl 2014, §
2 SGB VII RdNr 124). Durch die regelmäßige Tätigkeit, mit welcher der Unternehmer ständig rechnen kann, unterscheidet sich der mitarbeitende
Familienangehörige von einem Familienangehörigen, der nur vorübergehend, etwa während der Ernte, im elterlichen landwirtschaftlichen
Unternehmen tätig wird (vgl BSG vom 27.6.1969 - 2 RU 52/67 - SozR Nr 1 zu § 780
RVO).
Nach den nicht mit zulässigen und begründeten Rügen angegriffenen und deshalb für den Senat bindenden Feststellungen des LSG
(vgl §
163 SGG) half der Kläger wegen der Erkrankung der Schwester seiner Ehefrau regelmäßig zwei- bis dreimal pro Woche im landwirtschaftlichen
Betrieb seines Schwippschwagers aus. Aufgrund dieser regelmäßigen Tätigkeit lag eine nicht nur vorübergehende Mitarbeit im
landwirtschaftlichen Unternehmen vor.
Der Kläger erlitt den Unfall auch nicht aufgrund einer anderen versicherten Tätigkeit, die möglicherweise nach §
135 SGB VII der Versicherung gemäß §
2 Abs
1 Nr
5 Buchst b
SGB VII vorgehen könnte, sodass in der Folge auch §
80a Abs
1 S 1
SGB VII nicht zur Anwendung käme. Der Kläger war während der zum Unfall führenden Verrichtung insbesondere nicht als Beschäftigter
gemäß §
2 Abs
1 Nr
1 SGB VII und auch nicht als Wie-Beschäftigter iS des §
2 Abs
2 S 1
SGB VII tätig.
Eine Beschäftigung iS des §
2 Abs
1 Nr
1 SGB VII ist nach §
7 SGB IV die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit
nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Eine Beschäftigung liegt zunächst immer
dann vor, wenn ein Arbeitsverhältnis besteht. Sie kann aber auch ohne Arbeitsverhältnis gegeben sein, wenn der Verletzte sich
in ein fremdes Unternehmen eingliedert und seine konkrete Handlung sich dem Weisungsrecht eines Unternehmers insbesondere
in Bezug auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Verrichtung unterordnet (vgl BSG vom 15.5.2012 - B 2 U 8/11 R - BSGE 111, 37 = SozR 4-2700 § 2 Nr 20, RdNr 31 ff). Dabei kommt es auf die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse an (BSG vom 23.4.2015 -B2U 5/14 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 33 RdNr 16; vgl BSG vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 16 mwN und vom 14.11.2013 - B 2 U 15/12 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 27 RdNr 14). Den Feststellungen des LSG sind keine Anhaltpunkte dafür zu entnehmen, dass zwischen dem
Kläger und seinem Schwippschwager ein Arbeitsvertrag bestand oder er in dessen landwirtschaftlichen Betrieb eingegliedert
war. Vielmehr beruhte seine Mithilfe nach den bindenden Feststellungen des LSG allein auf einem verwandtschaftlichen und freundschaftlichen
Verhältnis.
Der Kläger war aber auch nicht als Wie-Beschäftigter iS des §
2 Abs
2 S 1
SGB VII tätig, als er die Weidezäune für den Betrieb seines Schwippschwagers anspitzte. Voraussetzung einer WieBeschäftigung nach
§
2 Abs
2 S 1
SGB VII ist, dass eine einem fremden Unternehmen dienende, dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entsprechende
Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert erbracht wird, die ihrer Art nach von Personen verrichtet werden könnte, die in einem
abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen. Arbeitnehmerähnlichkeit setzt nicht voraus, dass alle Voraussetzungen eines Beschäftigungsverhältnisses
erfüllt sein müssen. Das Gesamtbild der Tätigkeit muss aber in einem größeren zeitlichen Zusammenhang eine beschäftigungsähnliche
Tätigkeit ergeben (BSG vom 13.8.2002 - B 2 U 33/01 R - in HVBG-INFO 2002, 2818). Der Senat hat dabei in ständiger Rechtsprechung das Vorliegen einer Wie-Beschäftigung nach §
2 Abs
2 SGB VII (bzw zuvor nach § 539 Abs 2
RVO) verneint, wenn die konkrete Tätigkeit durch eine Sonderbeziehung des Handelnden zu dem Unternehmer geprägt war (vgl hierzu
auch zuletzt BSG vom 20.3.2018 - B 2 U 16/16 R mwN). Eine solche Sonderbeziehung, die eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit iS des §
2 Abs
2 SGB VII ausschließt, liegt bei Erfüllung gesellschaftlicher, insbesondere familiärer, freundschaftlicher, nachbarschaftlicher, mitgliedschaftlicher,
gesellschaftsrechtlicher oder körperschaftlicher Art vor (vgl BSG vom 24.3.1998 - B 2 U 13/97 R - SozR 3-2200 § 539 Nr 41; BSG vom 20.4.1993 - 2 RU 38/92 - SozR 3-2200 § 539 Nr 25; BSG vom 25.10.1989 - 2 RU 4/89 - SozR 2200 § 539 Nr 134; BSG vom 5.8.1987 - 9b RU 18/86 - SozR 2200 § 539 Nr 123; BSG vom 29.1.1986 - 9b RU 68/84 - BSGE 59, 284, 287 = SozR 1500 § 45 Nr 2 = SGb 1986, 376; BSG vom 12.5.1981 - 2 RU 40/79 - BSGE 52, 11 = SozR 2200 § 539 Nr 18; BSG vom 26.10.1978 - 8 RU 14/78 - SozR 2200 § 539 Nr 49; BSG vom 31.7.1962 - 2 RU 110/58 - BSGE 17, 211, 216 = SozR Nr 30 zu § 537
RVO). BSG vom 31.1.1961 - 2 RU 173/58 - BSGE 14, 1, 3 = SozR Nr 1 zu § 798
RVO). Auch bei einer solchen "Sonderbeziehung" sind allerdings alle Umstände des Einzelfalls zu würdigen, sodass die konkrete
Verrichtung auch außerhalb dessen liegen kann, was im Rahmen enger Verwandtschafts- oder Freundschaftsbeziehungen selbstverständlich
getan oder erwartet wird (BSG vom 27.3.2012 - B 2 U 5/11 R - RdNr 57, Juris; vgl BSG vom 30.11.1962 - 2 RU 174/60 - BSGE 18, 143 = SozR Nr 33 zu § 537
RVO, SozR Nr 33 zu § 537
RVO, RdNr 20; Kruschinsky in Krasney/Becker/Burchardt/Kruschinsky/Heinz/Bieresborn, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand 1/2018,
§ 2 RdNr 858; Schwerdtfeger in Lauterbach, Unfallversicherung, Stand 2/17, §
2 RdNr 644; Bieresborn in Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB VII, 2. Aufl 2014, §
2 SGB VII RdNr 399 ff).
Der Senat teilt insofern die Rechtsansicht des LSG, das davon ausging, dass der Kläger die Weidezaunpfähle zum Unfallzeitpunkt
vorrangig aufgrund der engen verwandtschaftlichen und freundschaftlichen Beziehungen zwischen ihm und seinem Schwippschwager
anspitzte. Das LSG hat bindend festgestellt, dass zwischen dem Kläger und seinem Schwippschwager eine intakte familiäre und
freundschaftliche Beziehung bestand, welche durch ein wechselseitiges Geben und Nehmen bestimmt war. Der Kläger half in dessen
landwirtschaftlichen Unternehmen aus, wenn seine Mitarbeit für besondere Arbeiten außerhalb der laufenden Betriebstätigkeit
benötigt wurde. Diese Hilfeleistung war für den Kläger selbstverständlich. Damit ist der Subsumtionsschluss des LSG, dass
die Hilfstätigkeit des Klägers ihr Gepräge durch die Sonderbeziehung der wechselseitig verbundenen Familien im landwirtschaftlichen
Bereich fand, nicht zu beanstanden. Eine nach §
2 Abs
2 S 1
SGB VII versicherte Tätigkeit als Wie-Beschäftigter gemäß §
2 Abs
2 S 1
SGB VII lag damit nicht vor.
b) §
80a Abs
1 S 1
SGB VII verstößt nach Überzeugung des Senats nicht gegen höherrangiges Recht, sodass eine Vorlage an das BVerfG gemäß Art
100 GG ausscheidet. Ebenso bedarf es keiner verfassungskonformen Auslegung der Norm zugunsten des Klägers, denn die Regelung ist
in ihrer Anwendung auf den Kläger verfassungsgemäß. Insbesondere ist er nicht in seinem Eigentumsgrundrecht (Art
14 Abs
1 GG) verletzt (dazu unter aa). Der Ausschluss der Rentenansprüche für nicht nur vorübergehend mitarbeitende Angehörige eines
landwirtschaftlichen Unternehmers, deren Erwerbsfähigkeit nicht um wenigstens 30 vH gemindert ist, berührt zwar den allgemeinen
Gleichheitssatz des Art
3 Abs
1 GG. Die Regelung ist jedoch durch sachliche Gründe gerechtfertigt, die dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen (dazu unter
bb).
aa) Anders als Ansprüche und Anwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung (BVerfG vom 11.1.2011 - 1 BvR 3588/08, 1 BvR 555/09 - BVerfGE 128, 128 = SozR 4-2600 § 77 Nr 9; BVerfG vom 28.2.1980 - 1 BvL 17/77 ua - BVerfGE 53, 257; BVerfG vom 1.7.1981 - 1 BvR 874/77 ua - 58, 81 [109]; BVerfG vom 4.6.1985 - 1 BvL 12/83 - BVerfGE 70, 101 [110]; stRspr) oder Ansprüche auf Arbeitslosengeld (BVerfGE vom 10.2.1987 - 1 BvL 15/83 - BVerfGE 74, 203; BVerfG vom 12.2.1986 - 1 BvL 39/83 - BVerfGE 72, 9), die teilweise durch einkommensbezogene eigene Beiträge der Versicherten finanziert werden, ist zweifelhaft, ob Ansprüche
auf Verletztenrenten der gesetzlichen Unfallversicherung überhaupt dem Schutzbereich des Art
14 Abs
1 GG unterliegen (wie hier offengelassen BVerfG vom 16.3.2011 - 1 BvR 591/08, 1 BvR 593/08 - NZS 2011, 895; BVerfG vom 18.2.1988 - 1 BvR 1017/87 - SozR 2200 § 568 Nr 9; BSG vom 10.10.2002 - B 2 U 10/02 R - HVBG-INFO 2002, 3454; bejahend Papier in Maunz/Dürig,
GG, Stand September 2017, Art
14 RdNr 142). Der erkennende Senat hat dies hinsichtlich des Ausschlusses einer Verletztenrente bei einer MdE von weniger als
30 vH bei (selbst) versicherten landwirtschaftlichen Unternehmern offengelassen, weil selbst dann, wenn diese Unternehmer
durch die langjährige Versicherung und die Zahlung von Beiträgen bereits ein durch Art
14 Abs
1 GG geschütztes Anwartschaftsrecht erworben hätten, ihr Eigentumsgrundrecht nicht verletzt wäre, weil §
80a Abs
1 S 1
SGB VII dann jedenfalls eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung iS des Art
14 Abs
1 S 2
GG darstellt (vgl Urteil vom 20.3.2018 - B 2 U 6/17 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 bestimmt).
Die Anwartschaft des Klägers auf eine Verletztenrente der gesetzlichen Unfallversicherung berührt jedoch bereits nicht den
Schutzbereich des Art
14 Abs
1 GG, weil sie nicht auf seinen Eigenleistungen beruht. Voraussetzung ist, dass der sozialversicherungsrechtlichen Position eine
nicht unerhebliche Eigenleistung zugrunde liegt, wobei als eigene Leistungen des Versicherten nicht nur die von ihm selbst
bezahlten Beiträge zu berücksichtigen sind, sondern in aller Regel auch solche Beiträge, die von Dritten zu seinen Gunsten
dem Träger der Sozialversicherung zugeflossen sind. Hieran fehlt es im Falle der Versicherung des Klägers (vgl zur Hinterbliebenenrenten
BVerfG vom 18.2.1998 - 1 BvR 1318/86, 1 BvR 1484/86 - BVerfGE 97, 271). Die landwirtschaftliche Unfallversicherung wird nicht durch Beiträge der mitarbeitenden Familienangehörigen, sondern durch
die Beiträge der landwirtschaftlichen Unternehmer (vgl §
183 SGB VII iVm §
150 SGB VII) sowie aus Steuermitteln finanziert.
bb) Eine Verletzung des Art
3 Abs
1 GG liegt ebenfalls nicht vor. Zwar wird der Kläger und die von ihm repräsentierte Ausgangsgruppe der gemäß §
2 Abs
1 Nr
5 Buchst b
SGB VII versicherten Familienangehörigen eines landwirtschaftlichen Unternehmers, die nicht nur vorübergehend in dessen Betrieb mitarbeiten,
durch die Regelung des §
80a Abs
1 S 1
SGB VII gegenüber den übrigen Versicherten in der gesetzlichen Unfallversicherung ungleich behandelt, weil ein Rentenanspruch erst
ab einer MdE von 30 vH und nicht wie nach §
56 Abs
1 S 1
SGB VII bereits ab einer MdE von 20 vH besteht. Diese Ungleichbehandlung ist jedoch im Hinblick auf die Besonderheiten der Versicherung
der mitarbeitenden Angehörigen landwirtschaftlicher Unternehmer gerechtfertigt.
Der allgemeine Gleichheitssatz iS des Art
3 Abs
1 GG gebietet zwar, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung
verwehrt. Er verletzt das Grundrecht vielmehr nur, wenn er eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten
anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie
die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfG vom 27.2.2007 - 1 BvL 10/00 - BVerfGE 117, 272 = SozR 4-2600 § 58 Nr 7 - stRspr). Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den die Ungleichbehandlung tragenden
Sachgrund ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber,
die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen
können (BVerfG vom 26.1.1993 - 1 BvL 38/92 ua - BVerfGE 88, 87; BVerfG vom 8.4.1997 - 1 BvR 48/94 - BVerfGE 95, 267; BVerfG vom 6.7.2010 - 1 BvL 9/06; BVerfG vom 7.2.2012 - 1 BvL 14/07 - BVerfGE 130, 240). Vorliegend hat eine über das bloße Willkürverbot hinausgehende, an den Grundsätzen der freiheitsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung
orientierte Prüfung zu erfolgen. Denn die Regelung des §
80a Abs
1 S 1
SGB VII behandelt verschiedene Personengruppen ungleich.
Gemessen am anzuwendenden Maßstab verhältnismäßiger Gleichbehandlung bestehen für die Einschränkung des Rentenanspruchs der
mitarbeitenden Familienangehörigen landwirtschaftlicher Unternehmer durch §
80a Abs
1 S 1
SGB VII Gründe von solcher Art und solchem Gewicht, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen. §
80a Abs
1 SGB VII wurde durch Art 1 LSVMG vom 18.12.2007 in das
SGB VII eingefügt und trat zum 1.1.2008 in Kraft. Zweck des Gesetzes war eine Weiterentwicklung und Reform des Rechts der landwirtschaftlichen
Unfallversicherung mit den Zielen einer angemessenen Beitragsbelastung und innerlandwirtschaftlicher Beitragsgerechtigkeit
im Hinblick auf den sich beschleunigenden landwirtschaftlichen Strukturwandel und im Gesamtkontext der Reformen der sozialen
Sicherungssysteme in Deutschland. Die landwirtschaftliche Unfallversicherung erhält seit 1963 Bundeszuschüsse, um die Beiträge
der zuschussberechtigten land- und forstwirtschaftlichen Unternehmer zu senken und zu einer Annäherung der Belastungsunterschiede
zwischen den Regionen beizutragen (Gesetzentwurf der Bundesregierung - BT-Drucks 16/6520, S 2 f). Im Interesse der Haushaltskonsolidierung
sollte das weitere finanzielle Engagement des Bundes in der mittelfristigen Finanzplanung von 200 Mio Euro auf 100 Mio Euro
abgesenkt werden. Zielsetzung der gesetzgeberischen Entscheidung war somit, Spielräume zu schaffen, damit die Beiträge der
Landwirtschaft ab 2011 trotz eines auf 100 Mio Euro reduzierten Bundeszuschusses zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung
entweder konstant gehalten oder sogar gesenkt werden könnten. Hierbei handelt es sich um ein legitimes Ziel, das im öffentlichen
Interesse liegt. Denn die Regelung dient dazu, die Funktions- und Leistungsfähigkeit der landwirtschaftlichen Unfallversicherung
im Interesse der versicherten landwirtschaftlichen Unternehmer und ihrer Familienangehörigen im Kontext veränderter Rahmenbedingungen
in der Landwirtschaft zu erhalten (BT-Drucks 16/6520, S 1).
Die bezweckte Einschränkung der Leistungen auf der Ausgabenseite ist geeignet, das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel der kurz-
oder mittelfristigen Senkung des Umlagesolls der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft trotz reduzierter Bundeszuschüsse
zu erreichen. Der hinreichende Sachgrund für die Ungleichbehandlung folgt aus der Besonderheit der landwirtschaftlichen Unfallversicherung.
Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Gruppe des Klägers durch die Sonderregelung des §
2 Abs
1 Nr
5 Buchst b
SGB VII erst privilegiert wird. Grundsätzlich sind in der gesetzlichen Unfallversicherung Verrichtungen, die nicht als Beschäftigter
iS des §
2 Abs
1 Nr
1 SGB VII vorgenommen und die - wie hier - aufgrund einer den Versicherungsschutz nach §
2 Abs
2 S 1
SGB VII ausschließenden freundschaftlichen und verwandtschaftlichen Sonderbeziehung erbracht werden, nicht versichert. Eine Ausnahme
bilden die nicht nur vorübergehend mitarbeitenden Familienangehörigen in landwirtschaftlichen Unternehmen. Ohne Einbeziehung
in die landwirtschaftliche Versicherung wäre diese Personengruppe nicht versichert, denn anders als die Personen, die nach
§
2 Abs
1 Nr
1 SGB VII oder §
2 Abs
2 S 1
SGB VII versichert sind, wird der durch §
2 Abs
1 Nr
5 Buchst b
SGB VII iVm §
2 Abs
4 SGB VII erfasste Personenkreis, zu dem der Kläger gehört, regelmäßig aufgrund des verwandtschaftlichen Näheverhältnisses zum landwirtschaftlichen
Unternehmer tätig. Typischerweise helfen diese Personen unentgeltlich im Betrieb mit, weil sie - ähnlich wie der Unternehmer
und sein Ehegatte selbst - Interesse am Ertrag des Unternehmens haben. Folglich sind Personen, die wie der Kläger tätig werden,
in der Regel weder als Beschäftigte noch als Wie-Beschäftigte nach §
2 Abs
1 S 1 bzw §
2 Abs
2 S 1
SGB VII versichert und erlangen Versicherungsschutz nur durch die sie insoweit privilegierende Norm des §
2 Abs
1 Nr
5 Buchst b
SGB VII. Dieser Personengruppe wird erst dadurch Versicherungsschutz in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung gewährt. Es handelt
sich dabei um eine gemeinschaftliche Absicherung von Gesundheitsgefahren durch die bei einem Versicherungsträger zusammengeschlossenen
landwirtschaftlichen Unternehmer auf genossenschaftlicher Basis (Bieresborn in Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB VII, 2. Aufl 2014, §
2 RdNr 108; Schwerdtfeger in Lauterbach,
SGB VII, Stand 6/2014, §
2 RdNr 193), die mit Steuermitteln bezuschusst wird. In deren Schutz sind durch §
2 Abs
1 Nr
5 Buchst b
SGB VII die andernfalls nicht versicherten Familienangehörigen - wie der Kläger - einbezogen. Dies rechtfertigt es, diese - andernfalls
in der Regel überhaupt nicht versicherte - Gruppe hinsichtlich der Voraussetzungen einer Verletztenrente mit den landwirtschaftlichen
Unternehmern gleich zu behandeln, deren Anspruch auf Verletztenrente ebenfalls abweichend von §
56 SGB VII eine MdE von mindestens 30 vH voraussetzt (vgl dazu BSG vom 20.3.2018 - B 2 U 6/17 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen).
Die Kostenentscheidung folgt aus §§
183,
193 SGG.