Anerkennung eines Arbeitsunfalls in der gesetzlichen Unfallversicherung; Infektionskrankheit einer Zahnarzthelferin
Gründe:
I
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung einer Infektion der Klägerin mit dem Hepatitis C-Virus (HCV) als Berufskrankheit
(BK) nach Nr 3101 der Anlage zur
Berufskrankheiten-Verordnung (
BKV; im Folgenden: BK 3101) streitig.
Die im Jahr 1976 geborene Klägerin war nach ihrer Ausbildung zur Zahnarzthelferin ua von August bis November 2000 für fünf
Stunden in der Woche aushilfsweise als Zahnarzthelferin in der Praxis von Dr. G. beschäftigt. Während dieser Zeit wurde am
8.8. und 9.10.2000 ein mit dem HCV infizierter Patient in der Praxis behandelt. Im Januar 2002 wurde bei der Klägerin eine
akute HCV-Infektion diagnostiziert.
Im April 2002 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Anerkennung ihrer HCV-Infektion als BK, da sie sich während ihrer
Tätigkeit in der Praxis von Dr. G., in deren Rahmen sie durch die Spritzenentsorgung und Stuhlassistenz unmittelbaren Blutkontakt
gehabt habe, infiziert habe. Weder die Klägerin noch Dr. G. konnten sich daran erinnern, ob die Klägerin während der Behandlung
des HCV-infizierten Patienten assistiert hatte.
Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin ab (Bescheid vom 14.2.2003, Widerspruchsbescheid vom 22.7.2004).
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verurteilt, bei der Klägerin eine HCV-Infektion als BK 3101 anzuerkennen (Urteil vom 15.7.2005). Ein ursächlicher
Zusammenhang zwischen der Infektion der Klägerin und ihrer Tätigkeit in der Praxis von Dr. G. sei wahrscheinlich, da die Klägerin
mit einem HCV-infizierten Patienten in beruflichen Kontakt gestanden habe. Hiergegen spreche auch nicht der Zeitraum von einem
Jahr zwischen der Ansteckung und dem erstmaligen Bemerken der Erkrankung. Denn es sei nicht ungewöhnlich, dass die Klägerin
erst ein Jahr nach Infektion entsprechende Symptome bemerkt hätte, obwohl die Infektion serologisch früher nachweisbar gewesen
sei.
Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 22.8.2006). Die Klägerin sei während ihrer Tätigkeit in der Praxis von Dr.
G. im Gesundheitswesen tätig gewesen und bei der bei ihr nachgewiesenen HCV-Infektion handele es sich um eine Infektionskrankheit
im Sinne der BK 3101. Weitere Voraussetzung für den Versicherungsschutz sei jedoch, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen
der schädigenden Einwirkung und der versicherten Tätigkeit gegeben sei. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG)
sei die zumindest erforderliche Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und
einer Infektionskrankheit nach BK 3101 grundsätzlich gegeben, wenn nachgewiesen sei, dass der Versicherte bei der Berufstätigkeit
einer besonderen, über das normale Maß hinausgehenden Ansteckungsgefahr ausgesetzt gewesen sei. Hierfür sei erforderlich,
dass entweder (a) ein unmittelbarer oder mittelbarer beruflicher Kontakt mit an HCV erkrankten Personen bestanden habe oder
(b) der prozentuale Anteil HCV-infektiöser Patienten in der Praxis von Dr. G. deutlich höher gewesen sei als in der Normalbevölkerung
oder (c) die Art der Tätigkeit als Zahnarzthelferin als solche besonders HCV-gefährdend sei. Keine dieser Voraussetzungen
sei im Falle der Klägerin gegeben. Im Übrigen spreche unter Berücksichtigung der für eine HCV-Infektion anzunehmenden Inkubationszeit
der fehlende zeitliche Zusammenhang zwischen dem Tätigkeitszeitraum bei Dr. G. und der Erkrankung der Klägerin gegen die Annahme
der Wahrscheinlichkeit des Kausalzusammenhangs zwischen ihrer HCV-Infektion und ihrer beruflichen Tätigkeit bei Dr. G..
Die Klägerin rügt mit der vom BSG zugelassenen (Beschluss vom 5.2.2008) Revision die Verletzung von §
103 Satz 1, §§
62,
128 Abs
2 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG). Das LSG sei zwei Beweisanträgen der Klägerin ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt. Vor allem hätte das LSG die schriftsätzlich
beantragte Vernehmung der Zeugin Dr. G. in der mündlichen Verhandlung durchführen müssen. Dr. G. habe schriftlich widersprüchliche
Angaben gemacht, die der Aufklärung im Rahmen einer Zeugenvernehmung bedurft hätten. Auch dem Beweisangebot einer Parteivernahme
der Klägerin sei das LSG unzulässiger Weise nicht gefolgt. Das LSG habe ohne zureichende Sachverhaltsaufklärung eine Überraschungsentscheidung
getroffen und damit der Klägerin die Möglichkeit genommen, in der mündlichen Verhandlung nochmals die Beweisanträge zu stellen
und ergänzend vorzutragen. Die Klägerin habe zuvor ausdrücklich um einen gerichtlichen Hinweis für den Fall gebeten, dass
weiterer Vortrag oder weitere Anträge erforderlich seien. Bezüglich des zeitlichen Zusammenhangs zwischen Infektion und Auftreten
der Krankheitssymptome sei zu berücksichtigen, dass 90 % der Infektionen asymptomatisch verlaufen würden und daher der zeitliche
Ablauf der Krankheit bei der Klägerin ausgehend von einer Infektion im Herbst 2000 nicht ungewöhnlich sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. August 2006 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Juli 2005 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Revision sei schon nicht zulässig, da das BSG die Revision nur wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen habe,
die Klägerin sich in ihrer Revisionsbegründung nicht auf diesen Gesichtspunkt stütze. Das Urteil des LSG sei im Ergebnis zutreffend,
allerdings sei eine Übertragung der vom BSG zur Hepatitis B-Infektion aufgestellten Grundsätze auf die HCV-Infektion wegen
des wesentlich geringeren Infektionsrisikos bei einer HCV-Infektion nicht zulässig.
II
Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet.
1. Der Zulässigkeit der Revision steht nicht entgegen, dass die Revision durch den Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung der
Sache zugelassen worden ist, die Klägerin ihre Revision aber auf das Vorliegen von Verfahrensfehlern stützt. Bei einer zugelassenen
Revision handelt es sich um eine Vollrevision mit der Folge, dass im Revisionsverfahren alle Rügen der Verletzung materiellen
oder formellen Rechts erhoben werden können, auch wenn sie nicht Gegenstand des Zulassungsverfahrens waren (vgl BSG Urteil
vom 12.4. 2000 - B 9 VS 2/99 R - SozR 3-1750 § 411 Nr 1 S 2; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Aufl, §
160 RdNr 28 mwN). Eine wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Revision kann - wie hier - ausschließlich auf Verfahrensmängel
gestützt werden (vgl Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Aufl, IX. Kapitel RdNr 329). Ist die
Revision aber mit einer zulässigen Verfahrensrüge begründet worden (§
164 Abs
2 Satz 3
SGG), bedarf es nicht weiterer Ausführungen zur materiellen Rechtslage, da deren Prüfung bei zulässiger Revision von Amts wegen
zu erfolgen hat (vgl May, Die Revision, 2. Aufl 1997, IV RdNr 292, S 215).
2. Die Revision ist jedoch unbegründet. Das LSG hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG zu Recht aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die HCV-Infektion der Klägerin ist nicht als BK 3101 anzuerkennen.
a) Ermächtigungsgrundlage für die Bezeichnung von BKen ist §
9 Abs
1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (
SGB VII), das hier gemäß §
212 SGB VII Anwendung findet, weil der Eintritt einer BK für die Zeit nach seinem Inkrafttreten am 1.1.1997 geltend gemacht wird. Danach
sind BKen Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet
und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§
2,
3 oder 6
SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als BKen
zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen
bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt
sind; sie kann BKen auf bestimmte Gefährdungsbereiche beschränken oder mit dem Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten
versehen.
Gemäß diesen Vorgaben lassen sich bei einer Listen-BK im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten, die ggf bei einzelnen
Listen-BKen einer Modifikation bedürfen: Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang)
muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und
die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte
Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender
Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge
genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (vgl BSG vom 27.6.2006 - B 2 U 20/04 R - BSGE 96, 291 = SozR 4-2700 § 9 Nr 7, jeweils RdNr 15; BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, jeweils RdNr 13 ff).
Der Verordnungsgeber hat als unter Nr 3101 der Anlage zur
BKV folgende BK bezeichnet: "Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in
einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war."
Bei der BK 3101 tritt aufgrund der Nachweisschwierigkeit eines konkreten Infektionsvorgangs die Infektionsgefahr an die Stelle
der Einwirkungen, die entsprechend den Anforderungen an das Merkmal der Einwirkungen im Vollbeweis nachzuweisen ist. Ob im
Einzelfall eine solche erhöhte Infektionsgefahr gegeben ist, hängt davon ab, ob der Versicherte durch seine versicherte Tätigkeit
einer Infektionsgefahr in besonderem Maße ausgesetzt war. Die besondere Gefahrenexposition kann sich aufgrund der Durchseuchung
des Umfelds der Tätigkeit, nämlich des Personenkreises oder der Objekte, mit oder an denen zu arbeiten ist, und der Übertragungsgefährlichkeit
der ausgeübten Verrichtungen ergeben, die sich nach dem Übertragungsmodus der jeweiligen Infektionskrankheit und nach der
Art, der Häufigkeit und der Dauer der vom Versicherten verrichteten gefährlichen Handlungen bestimmt (vgl hierzu BSG vom 2.4.2009
- B 2 U 30/07 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Dabei genügt nicht eine schlichte Infektionsgefahr, vielmehr setzt die
BK 3101 (zT typisierend nach Tätigkeitsbereichen) eine besonders erhöhte Infektionsgefahr voraus (§
9 Abs
1 Satz 2 Halbsatz 1
SGB VII; vgl zu Begriff und Prüfung der erhöhten Infektionsgefahr: BSG vom 2.4.2009, aaO).
Liegt eine erhöhte Infektionsgefahr vor, nimmt der Verordnungsgeber typisierend an, dass bei Vorliegen einer Krankheit die
haftungsbegründende Kausalität grundsätzlich gegeben ist. Diese Typisierung kann aber nicht Platz greifen, wenn ausgeschlossen
ist, dass die Infektion während oder aufgrund der versicherten Tätigkeit eingetreten ist. Nach Sinn und Zweck des Tatbestands
der BK 3101, der von der beruflichen Gefahrenexposition auf die Verursachung einer Infektionserkrankung schließt, ist das
Vorliegen einer BK 3101 zu verneinen, wenn der unterstellte Ursachenzusammenhang nicht eingetreten sein kann. Ein Ausschluss
des unterstellten Ursachenzusammenhangs zwischen beruflicher Infektionsgefahr und Krankheit liegt vor, wenn die Infektion
unter Berücksichtigung der Inkubationszeit der Krankheit nicht während der Dauer der beruflichen Gefahrenexposition erfolgt
sein kann. Es darf also nicht ausgeschlossen sein, dass sich der Versicherte während der Dauer der Ausübung der gefährdenden
Tätigkeit infiziert hat (vgl hierzu BSG vom 2.4.2009, aaO). Ebenso ist der Zusammenhang ausgeschlossen, wenn der Erkrankung
durch eine Infektion in den unversicherten Lebensbereichen verursacht worden ist. Anlass zur Prüfung dieses Ausschlusstatbestandes
besteht insbesondere dann, wenn der Versicherte sich auch in anderen als den beruflichen Gefahrenbereichen bewegt hat. Die
tatsächlichen Voraussetzungen für das Vorliegen dieser Ausschlussgründe müssen nachgewiesen sein. Die Träger der gesetzlichen
Unfallversicherung tragen insoweit die objektive Beweislast.
b) Das LSG ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die HCV-Infektionskrankheit der Klägerin nicht als BK 3101 anzuerkennen
ist.
Zwar sind die Voraussetzungen dieser BK insoweit erfüllt, als die Klägerin während ihrer Tätigkeit in der Zahnarztpraxis des
Dr. G. im Gesundheitswesen tätig war und es sich bei ihrer HCV-Infektion um eine Infektionskrankheit im Sinne dieser BK handelt.
Jedoch fiel nach den insoweit bindenden (§
163 SGG) Feststellungen des LSG der Zeitpunkt der Infektion nicht in den Zeitraum der beruflichen Tätigkeit der Klägerin in der Praxis
von Dr. G.. Damit ist der oben dargestellte Ursachenzusammenhang zwischen der bei ihrer Tätigkeit möglicherweise erhöhten
Infektionsgefahr und ihrer HCV-Infektion nicht hinreichend wahrscheinlich. Schon aus diesem Grund liegen die Voraussetzungen
für die Anerkennung der HCV-Infektion der Klägerin als BK 3101 nicht vor. Es kann daher dahinstehen, ob - wie von der Klägerin
behauptet - tatsächlich eine erhöhte Infektionsgefahr bestanden hat.
Das LSG hat festgestellt, dass die HCV-Infektion der Klägerin Ende 2001/Anfang 2002 mit einem akuten Schub begonnen hat. Unter
Berücksichtigung einer Inkubationszeit von zwei bis sechsundzwanzig Wochen fiel der Infektionszeitpunkt daher nicht in die
Tätigkeitszeit der Klägerin bei Dr. G.. Zwar war es nicht ausgeschlossen, dass die Klägerin Ende 2001/Anfang 2002 einen akuten
Schub einer bereits bestehenden chronischen HCV-Infektion, die asymptomatisch verlaufen sein könnte, erlitten hat. Dies war
jedoch bloß möglich und daher nicht in dem erforderlichen Maße hinreichend wahrscheinlich.
c) Der Senat ist an diese Feststellung nach §
163 SGG gebunden, da die Verfahrensrügen der Klägerin diesbezüglich teilweise schon unzulässig, jedenfalls aber unbegründet sind.
Die Klägerin führt ua aus, dass bei 90 vH der HCV-Infizierten die Infektion asymptomatisch ablaufe. Dies sei auch bei ihr
der Fall. Die Sachverständigen Prof. Dr. H. und Prof. Dr. O. hätten nicht ausgeschlossen, dass es sich bei der Ende 2001 gestellten
Diagnose um einen akuten Schub gehandelt haben könne.
Die Klägerin greift mit diesem Vorbringen der Sache nach die der Tatsachenfeststellung vorangegangene Beweiswürdigung des
LSG an. Die so verstandene Rüge ist weder zulässig noch begründet. Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§
128 Abs
1 Satz 1
SGG) beinhaltet sowohl die Befugnis als auch die Pflicht des Tatsachengerichts, nachdem der Sachverhalt vollständig und abschließend
ermittelt ist, das Gesamtergebnis des Verfahrens einschließlich der erhobenen Beweise frei nach der Überzeugungskraft der
jeweiligen Beweismittel und des Beteiligtenvortrags unter Abwägung aller Umstände und der jeweiligen Beweisanforderungen zu
würdigen. Diese Beweiswürdigung ist grundsätzlich frei von gesetzlichen Vorgaben. Eine Rüge der Beweiswürdigung des LSG und
damit ein Verstoß gegen §
128 Abs
1 Satz 1
SGG ist im Revisionsverfahren vor dem BSG nur eingeschränkt zulässig, weil die Revision nur auf die Verletzung einer Rechtsnorm
gestützt werden kann (§
162 SGG) und das BSG an die tatsächlichen Feststellungen des LSG gebunden ist (§
163 SGG). Dies bedeutet, dass im Rahmen der Revision ausschließlich die Geltendmachung des Überschreitens der Grenzen der freien
Beweiswürdigung durch das LSG zulässig gerügt werden kann. Eine solche liegt vor bei einer Nichtbeachtung des Gesamtergebnisses
des Verfahrens, einem Verstoß gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze. Das Vorliegen eines Verstoßes gegen die Grundsätze
der freien Beweiswürdigung muss im Einzelnen von dem Beteiligten, der sich darauf beruft, dargelegt werden (stRspr vgl nur
BSG vom 29.9.1992 - 2 RU 44/91 - SozR 3-2200 § 539 Nr 19 S 73 f; BSG vom 2.5.2001 - B 2 U 16/00 R - SozR 3-2200 § 551 Nr 16 S 83; BSG SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 2 RdNr 9 jeweils mwN).
Das Vorbringen der Klägerin lässt schon nicht erkennen, inwieweit sie unter Berücksichtigung der vorstehenden Maßgaben die
Grenzen der Beweiswürdigung durch das LSG als überschritten ansieht. Vielmehr setzt sie lediglich ihre eigene Beweiswürdigung
an die Stelle der Beweiswürdigung des LSG. Gerade dies ist jedoch für die Zulässigkeit einer Rüge der Beweiswürdigung des
LSG nicht ausreichend (Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Aufl, IX. Kapitel RdNr 333). Unabhängig
davon lässt sich auch kein Überschreiten der Grenzen der Beweiswürdigung durch das LSG feststellen. Es mag zwar zutreffen,
dass entsprechend dem Vortrag der Klägerin eine HCV-Infektion in der überwiegenden Zahl der Fälle asymptomatisch verläuft.
Dies wurde vom LSG auch nicht in Abrede gestellt. Das LSG geht jedoch davon aus, dass es sich bei der HCV-Infektion der Klägerin
gerade nicht um einen solchen Verlauf handelt, sondern dass es sich bei den Symptomen Ende 2001/Anfang 2002 um den Beginn
der Erkrankung gehandelt hat, womit sich selbst unter Berücksichtigung der maximalen Inkubationszeit ein Infektionszeitpunkt
deutlich nach dem Ende der Tätigkeit der Klägerin bei Dr. G. ergibt. Dabei stützt es sich auf die ärztliche Stellungnahme
des die Klägerin behandelnden Arztes Prof. Dr. H., welche die Beklagte im Verwaltungsverfahren eingeholt hat. Die Berücksichtigung
einer solchen Stellungnahme, wie auch des von der Beklagten während des gerichtlichen Verfahrens eingeholten und die Ansicht
des LSG ebenfalls stützenden Gutachtens von Prof. Dr. O., als Urkunde im Rahmen der Beweiswürdigung ist nach §
118 Abs
1 Satz 1
SGG iVm §§
415 ff der
Zivilprozessordnung nicht zu beanstanden (vgl BSG vom 28.3.1984 - 9a RV 29/83 - SozR 1500 § 128 Nr 24 S 19). Die Vorgehensweise des LSG ist in
sich schlüssig und widerspruchsfrei. Es ist in keiner Weise erkennbar, dass dieses Gericht das Gesamtergebnis des Verfahrens
nicht beachtet, gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen haben könnte.
Die von der Klägerin erhobenen Verfahrensrügen, das LSG hätte sich gedrängt fühlen müssen und habe es verfahrensfehlerhaft
unterlassen, Beweise zur Klärung der am damaligen Arbeitsplatz bestehenden Infektionsgefahr sowie zur Assistenz am Stuhl zu
erheben, greifen nicht durch. Es kann dahinstehen, ob die Tätigkeit der Klägerin in der Praxis von Dr. G. tatsächlich mit
einer erhöhten Infektionsgefahr verbunden war (vgl dazu BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 30/07 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen) und ob die Klägerin bei der Behandlung eines HCV-infizierten Patienten
assistierte. Da nach den Feststellungen des LSG der Zeitpunkt der Infektion nicht in den Zeitraum der Tätigkeit der Klägerin
in der Praxis von Dr. G. fiel, ist der Ursachenzusammenhang zwischen einer möglicherweise gegebenen erhöhten Infektionsgefahr
und der HCV-Infektion der Klägerin nicht nur nicht hinreichend wahrscheinlich, sondern damit ausgeschlossen. Eine Anerkennung
der HCV-Infektion der Klägerin als BK 3101 scheitert schon aus diesem Grund. Dementsprechend sind die in anderem Zusammenhang
von der Klägerin beantragten Beweiserhebungen unerheblich. Die Entscheidung des LSG kann nicht auf den gerügten Verfahrensfehlern
beruhen.
Die Klägerin kann schließlich nicht mit der Rüge durchdringen, das LSG habe eine unzulässige Überraschungsentscheidung getroffen
(§
62 SGG, Art
103 Abs
1 Grundgesetz), indem es die Klägerin nicht darauf hingewiesen habe, dass es beabsichtige, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die
Klage abzuweisen. Es gibt keinen Verfahrensgrundsatz, wonach die Beteiligten vor einer Entscheidung auf die in Aussicht genommene
Beweiswürdigung oder die für die spätere Überzeugungsbildung des Gerichts möglicherweise leitenden Gründe oder gar den beabsichtigten
Urteilsausspruch selbst hinzuweisen sind (vgl BSG Beschluss vom 13.10.1993 - 2 BU 79/93 - SozR 3-1500 § 153 Nr 1 S 3; BSG Beschluss vom 21.6.2000 - B 5 RJ 24/00 B - SozR 3-1500 § 112 Nr 2 S 3; BSG Beschluss vom 5.8.2004 - B 13 RJ 206/03 B; BSG Beschluss vom 6.8.2008 - B 2 U 10/07 B). Vorliegend kommt hinzu, dass die Klägerin dem Schreiben des LSG vom 25.11.2005 (Bl 59 der Prozessakte des SG/LSG) durchaus
hätte entnehmen können, dass das LSG der Entscheidung des SG nicht unbedingt zu folgen gedachte. Wesentlich ist aber, dass das LSG der Klägerin nicht den Eindruck vermittelt hat, die
Entscheidung des SG bestätigen zu wollen, dann aber anders entschieden hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§
183,
193 SGG.