Anspruch auf Versorgung mit einem zusätzlichen Sportrollstuhl als Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung
Gründe:
I
Streitig ist die Versorgung des minderjährigen Klägers mit einem Sportrollstuhl.
Der 1999 geborene Kläger leidet an einer spastischen Tetraplegie (Lähmung aller vier Extremitäten) und ist deswegen auf den
Rollstuhl angewiesen. Die Beklagte erbringt im Wege der Sachleistungsaushilfe für eine in Luxemburg ansässige Krankenkasse
- dort ist der Vater des Klägers beschäftigt - Krankenkassenleistungen nach Maßgabe der Vorschriften des
SGB V und hat den Kläger mit einem Aktivrollstuhl versorgt; damit nimmt er am Schulsport und einer "Rollstuhl-AG" teil. Zusätzlich
zu diesem Sport- und Bewegungsangebot der von ihm besuchten Schule für Körperbehinderte beteiligt er sich seit Mitte 2007
am wöchentlichen Training und den Spielen der Rollstuhlbasketball-Jugendmannschaft eines Rollstuhl-Sportclubs, der mit seiner
1. Mannschaft in der Rollstuhlbasketball-Bundesliga vertreten ist. Aus diesem Grunde beantragte er im Januar 2008 die Versorgung
mit einem zusätzlichen Sportrollstuhl, weil der vorhandene Aktivrollstuhl beim Rollstuhlbasketball die Geschwindigkeit abbremse
und viel schwerer zu handhaben sei als ein Sportrollstuhl. Zudem sei das Unfallrisiko mit einem Sportrollstuhl deutlich geringer.
Die Beklagte lehnte diesen Antrag ab.
Das SG hat den Sport-Übungsleiter des Rollstuhlsportvereins als Zeugen vernommen und die Beklagte sodann antragsgemäß verurteilt,
den Kläger mit einem "geeigneten Sportrollstuhl" zu versorgen; ein solcher Rollstuhl sei zu dessen sozialer Integration und
damit zur Erfüllung eines Grundbedürfnisses erforderlich (Urteil vom 15.7.2009). Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG
das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen: Die Versorgung mit einem zusätzlichen Sportrollstuhl überschreite
den Bereich des Basisausgleichs, für den die GKV beim mittelbaren Behinderungsausgleich ausschließlich zu sorgen habe. Vereinssport
müsse nach der Zuständigkeitsverteilung des
SGB IX nicht die Krankenkasse, sondern ggf der Sozialhilfeträger ermöglichen. Für dessen Leistungspflicht bestünden vorliegend mangels
Bedürftigkeit indes keine Anhaltspunkte (Urteil vom 21.1.2010).
Mit der vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision rügt der Kläger, die Entscheidung des LSG stehe im
Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des BSG. Danach sei der durch die Hilfsmittelversorgung anzustrebende Behinderungsausgleich auf eine möglichst weitgehende Eingliederung
des behinderten Kindes in den Kreis Gleichaltriger auszurichten. Dazu gehöre auch die aktive Betätigung in einem Sportverein.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 21.1.2010 zu ändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil
des Sozialgerichts Trier vom 15.7.2009 zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision ist unbegründet. Zutreffend hat das LSG entschieden, dass ein Anspruch auf Versorgung mit einem Sportrollstuhl
zur Teilnahme am Vereinssport nicht besteht. Dafür hat eine Krankenkasse nach dem Recht der GKV auch für jugendliche Versicherte
grundsätzlich nicht aufzukommen; über Leistungen im Rahmen der Sozialhilfe war mangels Bedürftigkeit des Klägers nicht zu
befinden.
1. Anspruch auf eine zusätzliche Rollstuhlversorgung für den Rollstuhlsport als originäre GKV-Leistung hat der Kläger nicht.
Rechtsgrundlage eines solchen Anspruchs könnte nur §
33 Abs
1 Satz 1
SGB V (hier in der ab dem 1.4.2007 geltenden Fassung von Art 1 Nr 17 Buchst a des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26.3.2007, BGBl I 378) sein. Hiernach haben Versicherte Anspruch
auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, wenn sie erstens nicht als allgemeine
Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens oder nach §
34 Abs
4 SGB V aus der GKV-Versorgung ausgeschlossen und zweitens im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu
sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. An diesen Voraussetzungen fehlt es,
weil die sportgerechte Rollstuhlausstattung weder zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung noch zum Behinderungsausgleich
in dem von der GKV abzudeckenden Bereich der medizinischen Rehabilitation erforderlich ist.
2. Anspruch auf einen für den Rollstuhlsport besonders ausgestatteten zusätzlichen Rollstuhl "zur Sicherung des Erfolgs der
Krankenbehandlung" iS von §
33 Abs
1 Satz 1, 1. Variante
SGB V besteht nicht.
a) Allgemeine Maßnahmen oder Hilfen zur Bewegungsförderung fallen nur ausnahmsweise in die Leistungszuständigkeit der Krankenkassen
(vgl Urteil vom 7.10.2010 - B 3 KR 5/10 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen, RdNr 20 - Therapie-Dreirad II). Jedenfalls zur Krankenbehandlung iS von §§
27 Abs
1,
28 Abs
1 Satz 1
SGB V gehören regelmäßig nur Maßnahmen mit Behandlungs- und Therapiecharakter, die einen eindeutigen Krankheitsbezug aufweisen
(BSGE 85, 132, 138 = SozR 3-2500 § 27 Nr 12 S 65 - medizinische Fußpflege). Bloß allgemeine Maßnahmen zur Erhaltung und Förderung der Gesundheit
genügen diesen Anforderungen demgegenüber selbst dann nicht, wenn sie von qualifizierten Fachkräften unter ärztlicher Betreuung
und Überwachung (§
44 Abs
1 Nr
3 SGB IX) durchgeführt werden (BSG SozR 4-2500 § 60 Nr 4 RdNr 23 - Krankentransport für Reha-Sport; BSG Urteil vom 22.4.2009 - B 3 KR 5/08 R - RdNr 23). Demgemäß fällt Sport, der - anders als Krankengymnastik oder physikalische Therapie - in allgemeiner Weise den
körperlichen und psychischen Zustand positiv beeinflussen soll und bei dem der medizinische Zweck nicht überwiegt, nicht unter
den krankenversicherungsrechtlichen Behandlungsbegriff (vgl BSG aaO RdNr 20 mwN). Unabhängig von der Art der Behinderung weisen behinderte oder chronisch kranke Menschen eine ausgeprägte
körperliche Inaktivität mit einer Vielzahl negativer Folgen auf, die mit dem Behindertensport angegangen werden sollen (vgl
Schmid/Huber/Marschner/Zimmer, Medizinische Aspekte im Behindertensport, DÄBl 2004, A-2177). Gleichwohl dient selbst ärztlich
befürworteter Behindertensport in Gruppen nicht unmittelbar der Therapie einer Krankheit, sondern soll wesentlich dazu beitragen,
die körperliche Leistungsfähigkeit zu verbessern, Restfunktionen zu mobilisieren, die Ausdauer und Belastungsfähigkeit zu
erhöhen und den Betroffenen bei der psychischen Bewältigung ihrer Krankheit und Behinderung sowie den Folgewirkungen zu helfen
(so Bericht der Bundesregierung über die Lage behinderter Menschen und die Entwicklung ihrer Teilhabe, BT-Drucks 15/4575 S
59 unter 3.27).
b) Nach den Grundsätzen der Senatsentscheidung vom 7.10.2010 (B 3 KR 5/10 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen - Therapie-Dreirad II) können bewegliche sächliche Mittel zur Förderung oder
Ermöglichung der Mobilisation nur in besonders gelagerten Fällen Hilfsmittel "zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung"
iS von §
33 Abs
1 Satz 1
SGB V sein. Der Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung dient ein bewegliches sächliches Mittel nach der Rechtsprechung des
BSG dann, wenn es spezifisch im Rahmen der ärztlich verantworteten Krankenbehandlung eingesetzt wird, um zu ihrem Erfolg beizutragen
(BSGE 98, 213 = SozR 4-2500 § 33 Nr 15, RdNr 11; BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 §
33 Nr 7, RdNr 11; Butzer in Becker/Kingreen,
SGB V, 2. Aufl 2010, §
33 RdNr 12). Eine unmittelbare Bedienung des Hilfsmittels durch den Arzt ist dabei nicht zwingend erforderlich, so dass ein
Hilfsmittel nicht schon deshalb nach §
33 Abs
1 SGB V ausgeschlossen ist, weil die praktische Anwendung durch den Versicherten selbst erfolgt (BSGE 87, 105, 109 = SozR 3-2500 § 139 Nr 1 S 5 - Magnetfeldtherapiegerät; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 39 S 220 - Therapie-Dreirad I). Jedoch ist nicht jedwede gesundheitsfördernde Betätigung als "spezifischer Einsatz im
Rahmen der ärztlich verantworteten Krankenbehandlung" anzusehen. Keinen ausreichend engen Bezug zu einer konkreten Krankenbehandlung
weisen nach den dargelegten Maßstäben diejenigen gesundheitsförderlichen Maßnahmen auf, die (nur) allgemein auf die Verbesserung
der körperlichen Leistungsfähigkeit, die Mobilisierung von Restfunktionen des behinderten Menschen, die Erhöhung der Ausdauer
und Belastungsfähigkeit sowie die Hilfe bei der Krankheitsbewältigung zielen. Andernfalls bedürfte es nicht der besonderen
Leistungstatbestände ua der §§
20 ff
SGB V sowie des §
44 Abs
1 Nr
3 und
4 SGB IX, mit denen die Leistungspflicht der GKV unter den dort jeweils genannten Voraussetzungen über die gezielte Krankheitsbekämpfung
hinaus als Kernaufgabe (BSGE 81, 240, 243 = SozR 3-2500 § 27 Nr 9 - Diät- oder Krankenkost) im Rahmen der gesundheitlichen Prävention und Rehabilitation normiert
worden ist (vgl dazu Schütze in Schlegel/Voelzke, juris-PK-
SGB V Stand: 21.1.2008, §
20 SGB V RdNr 9 und §
23 SGB V RdNr 12 f). Ein weitergehender spezifischer Bezug zu ärztlich verantworteter Krankenbehandlung kommt daher nur solchen Maßnahmen
zur körperlichen Mobilisation zu, die in engem Zusammenhang mit einer andauernden, auf einem ärztlichen Therapieplan beruhenden
Behandlung durch ärztliche und/oder ärztlich angeleitete Leistungserbringer stehen und die als planvolle Versorgung iS der
Behandlungsziele des §
27 Abs
1 Satz 1
SGB V als erforderlich anzusehen sind. Davon ist auszugehen, wenn der Versicherte aufgrund der Schwere seiner körperlichen Beeinträchtigung
dauerhaft Anspruch auf Maßnahmen der physikalischen Therapie hat, diese entweder die durch das beanspruchte Hilfsmittel unterstützte
eigene körperliche Betätigung wesentlich fördern oder die therapeutische Behandlungsfrequenz infolge der eigenen Bewegung
geringer ausfallen kann und sich deshalb die Versorgung mit dem Hilfsmittel im Rahmen der Wahlmöglichkeit des Versicherten
(vgl §
33 SGB I und §
9 Abs
1 SGB IX) als wirtschaftlich darstellt.
c) Eine solche enge Einbindung in die Krankenbehandlung weist die begehrte Rollstuhlversorgung nicht auf. Ziel dieser Versorgung
ist nach der vom LSG in Bezug genommenen Erläuterung der dem Leistungsantrag zu Grunde liegenden Verordnung der behandelnden
Ärztin die Teilnahme des Klägers am Rollstuhlsport zur "Aufrichtung der körperlichen, geistigen und seelischen Belastbarkeit
und zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben". Ähnlich hat seine Mutter schon vorprozessual darauf abgestellt, dass der Rollstuhlsport
die Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit sowie das soziale und psychische Verhalten ihres Sohnes stärke und er mit einem Sportrollstuhl
besser mit den anderen Kindern mithalten könne. Für solche Zwecke haben die Krankenkassen indes nur aufzukommen, soweit sie
auf spezialgesetzlicher Grundlage zur Verwirklichung ihres Rehabilitationsauftrages besondere Angebote etwa des Rehabilitationssports
oder des Funktionstrainings in Gruppen bereit zu halten haben (vgl §
44 Abs
1 Nr
3 und
4 SGB IX). Darüber hinaus sind Hilfsmittel "zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung" von der GKV nicht zur Verfügung zu stellen.
3. Auch zum Behinderungsausgleich in dem von der GKV abzudeckenden Bereich der medizinischen Rehabilitation (§
33 Abs
1 Satz 1, 3. Variante
SGB V) ist der zusätzliche Sportrollstuhl nicht erforderlich. Die mit dem Leistungsbegehren des Klägers verfolgten Zwecke reichen
über die Versorgungsziele hinaus, für die die Krankenkassen im Bereich der Mobilitätshilfen aufzukommen haben.
a) Im Ausgangspunkt bemisst sich die Leistungszuständigkeit der GKV im Bereich des Behinderungsausgleichs gemäß ständiger
Rechtsprechung des BSG danach, ob eine Leistung zum unmittelbaren oder mittelbaren Behinderungsausgleich beansprucht wird. Im Vordergrund steht
zumeist der Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion selbst, wie es zB bei Prothesen der Fall ist.
Bei diesem sog unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits,
und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts. Daher kann die Versorgung
mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher
erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens
mit einem nicht behinderten Menschen erreicht ist (vgl nur BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8 RdNr 4 - C-Leg II). Daneben können Hilfsmittel den Zweck haben, die direkten und indirekten Folgen
der Behinderung auszugleichen (sog mittelbarer Behinderungsausgleich). In diesem Fall hat die GKV nur für den Basisausgleich
einzustehen; es geht nicht um einen Ausgleich im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten
eines gesunden Menschen. Denn Aufgabe der GKV ist in allen Fällen allein die medizinische Rehabilitation (vgl §
1 SGB V sowie §
6 Abs
1 Nr
1 iVm §
5 Nr
1 und
3 SGB IX), also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des
Behandlungserfolgs, um ein selbstständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber
hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme (vgl zB §
5 Nr 2
SGB IX: Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder §
5 Nr 4
SGB IX: Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft). Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist von der
GKV daher nur zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und
damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft (stRspr, vgl zuletzt etwa BSGE 105, 170 = SozR 4-2500 § 36 Nr 2 RdNr 14 ff - Hörgerätefestbetrag; Urteil vom 7.10.2010 - B 3 KR 13/09 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen, RdNr 16 f - Treppensteighilfe; Urteil vom 7.10.2010 - B 3 KR 5/10 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen, RdNr 14 - Therapie-Dreirad II; jeweils mwN).
b) Als solches allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens ist in Bezug auf die Mobilität nur die Erschließung des Nahbereichs
um die Wohnung eines Versicherten anerkannt, nicht aber das darüber hinausreichende Interesse an sportlicher Fortbewegung
oder an der Erweiterung des Aktionsraums. Maßgebend für den von der GKV insoweit zu gewährleistenden Basisausgleich ist der
Bewegungsradius, den ein Nichtbehinderter üblicherweise noch zu Fuß erreicht (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 29, 31 und 32 sowie BSG SozR 3-1200 § 33 Nr 1; stRspr). Dazu haben die Krankenkassen die Versicherten so auszustatten, dass sie sich nach Möglichkeit in der eigenen
Wohnung bewegen und die Wohnung verlassen können, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder um
die - üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden - Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind
(BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 31 - Rollstuhl-Bike II). Dagegen können die Versicherten - von besonderen zusätzlichen qualitativen Momenten abgesehen
- grundsätzlich nicht beanspruchen, den Radius der selbstständigen Fortbewegung in Kombination von Auto und Rollstuhl (erheblich)
zu erweitern, auch wenn im Einzelfall die Stellen der Alltagsgeschäfte nicht im Nahbereich liegen, dafür also längere Strecken
zurückzulegen sind, die die Kräfte eines Rollstuhlfahrers möglicherweise übersteigen (BSGE 91, 60 RdNr 15 = SozR 4-2500 § 33 Nr 3 RdNr 16 - Rollstuhl-Ladeboy; ebenso BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 29 S 173 - schwenkbarer Autositz und BSGE 98, 213 = SozR 4-2500 § 33 Nr 15 RdNr 10 - behinderungsgerechter PKW-Umbau; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 31 S 187 - Rollstuhl-Bike II). Ebenso wenig rechnet die sportliche Betätigung ständiger Rechtsprechung des Senats zufolge
zu den Grundbedürfnissen, für die die GKV ihre Versicherten mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich auszustatten haben
(vgl etwa BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 2 - Therapie-Tandem bei übersteigertem Bewegungsdrang; zuletzt nochmals bekräftigt mit Urteil vom 7.10.2010 - B 3 KR 5/10 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen, RdNr 15 - Therapie-Dreirad II).
c) Die Einstandspflicht der Krankenkassen für Mobilitätshilfen zum mittelbaren Behinderungsausgleich reicht auch bei Kindern
und Jugendlichen nur dann weiter, wenn dies entweder zum Schulbesuch oder zur Integration in der kindlichen und jugendlichen
Entwicklungsphase erforderlich ist; darauf hat auch das LSG zutreffend abgestellt. So können die Krankenkassen bei Kindern
und Jugendlichen zwar grundsätzlich über die sonst geltenden Grenzen hinaus zur Gewährung von Hilfsmitteln verpflichtet sein,
soweit es zur Förderung ihrer Integration in der jugendlichen Entwicklungsphase erforderlich ist. Das hat der erkennende Senat
bereits früh für den Schulweg (Urteil vom 2.8.1979, SozR 2200 § 182b Nr 13 - Faltrollstuhl) und den Schulsport (Urteil vom
22.7.1981, SozR 2200 § 182 Nr 73 - Sportbrille) entschieden und später auf alle sächlichen Mittel erstreckt, die einem behinderten
Kind oder Jugendlichen die Teilnahme am gesetzlich vorgeschriebenen allgemeinbildenden Unterricht ermöglichen (Urteil vom
26.5.1983, SozR 2200 § 182b Nr 28 - Mikroportanlage; Urteil vom 6.2.1997, SozR 3-2500 § 33 Nr 22 - behinderungsgerecht ausgestatteter
PC; Urteil vom 30.1.2001, SozR 3-2500 § 33 Nr 40 [kein] Notebook für Jurastudium). Mit gleicher Zielrichtung hat der Senat
dies später auf diejenigen Hilfsmittel erstreckt, die eine Teilnahme an den allgemein üblichen Freizeitbetätigungen Gleichaltriger
ermöglichen sollen (Urteil vom 16.4.1998, SozR 3-2500 § 33 Nr 27 - Rollstuhl-Bike I; Urteil vom 23.7.2002, SozR 3-2500 § 33
Nr 46 - behindertengerechtes Dreirad). Als nicht ausreichend angesehen wurde aber auch bei Kindern oder Jugendlichen einerseits
die Begegnung nur in der Familie (vgl zuletzt Urteil vom 12.8.2009, SozR 4-2500 § 33 Nr 25 - Rollfiets) und zum anderen das
Bedürfnis nach sportlicher Betätigung an sich (vgl etwa Urteil vom 26.3.2003, SozR 4-2500 § 33 Nr 2 - Therapie-Tandem bei
übersteigertem Bewegungsdrang).
d) Nach diesen Grundsätzen können auch jugendliche Versicherte die Versorgung mit besonders ausgestatteten Sportrollstühlen
für den Vereinssport nicht beanspruchen. Hierfür bietet das besondere Sportinteresse des Klägers am Rollstuhlbasketball keine
Grundlage und zudem reicht die Sportausübung in seinem Verein über den zwingend vorgegebenen Schulbesuch hinaus. Eine Einstandspflicht
der Beklagten ist auch nicht zur Integration des Klägers in seiner jugendlichen Entwicklungsphase geboten. Zwar kann - anders
als von der Beklagten anfangs geltend gemacht - die Begegnung in Gruppen von Kindern oder Jugendlichen mit Behinderungen wesentlich
für den Entwicklungsprozess behinderter Kinder und Jugendlicher sein und ihnen Teilhabemöglichkeiten eröffnen, die ihnen ansonsten
behinderungsbedingt verschlossen sind. Anders als vom LSG angenommen, steht dem Leistungsbegehren des weiteren nicht notwendig
entgegen, dass nicht für jede sportliche Betätigung in einem Verein immer ein besonderer Rollstuhl erforderlich ist. Vielmehr
durfte sich der Kläger unter Teilhabegesichtspunkten an denjenigen Sportangeboten orientieren, die - wie hier in der Anbindung
an den örtlichen Rollstuhlbasketball-Bundesligaverein - an seinem Wohnort erreichbar sind. Gleichwohl reicht der Anspruch
auf Versorgung mit einem für den Vereinssport besonders geeigneten Rollstuhl über den von der GKV zu gewährleistenden Basisausgleich
hinaus, weil die Teilhabe am Vereinssport eine grundsätzlich andere Zielrichtung hat als das in der Rechtsprechung anerkannte
Grundbedürfnis auf Integration in der kindlichen und jugendlichen Entwicklungsphase.
Leitender Beweggrund für dessen Anerkennung ist das Bestreben, behinderte Kinder und Jugendliche nach Möglichkeit vor behinderungsbedingten
Ausgrenzungen im täglichen Leben zu bewahren oder diese zu mildern und damit Beeinträchtigungen ihrer Entwicklung entgegenzuwirken.
Zwar bestimmt §
1 Satz 1
SGB IX grundsätzlich, dass "Behinderte oder von Behinderung bedrohte Menschen Leistungen ... erhalten, um ihre Selbstbestimmung
und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern, Benachteiligungen zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken".
§
1 Satz 2
SGB IX konkretisiert dies für den hier in Rede stehenden Personenkreis wie folgt: "Dabei wird den besonderen Bedürfnissen behinderter
und von Behinderung bedrohter Frauen und Kinder Rechnung getragen." In diesem Sinne müssen die Krankenkassen die notwendige
Unterstützung leisten, damit behinderte Kinder und Jugendliche nicht von der Befolgung der allgemeinen Schulpflicht (vgl BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 6) ausgeschlossen sind oder sie bei der Begegnung mit nichtbehinderten Kindern und Jugendlichen in ihrer Umgebung nicht
mehr als ohnehin schon isoliert werden. Behinderte Kinder und Jugendliche sollen nicht vom üblichen Leben ihrer Altersgruppe
ausgeschlossen, sondern trotz ihrer Behinderung integriert werden (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 27 S 158 - Rollstuhl-Bike I). Bei der Betätigung in einem Sportverein geht es hingegen nicht um die Vermeidung von Ausgrenzung,
sondern vielmehr um die Erweiterung von Teilhabemöglichkeiten - und zwar in einem Bereich, für den die Krankenkassen außerhalb
des Rehabilitationssports oder des Funktionstrainings gemäß §
44 Abs
1 Nr
3 und Nr
4 SGB IX gerade nicht mehr leistungsverpflichtet sind.
4. Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg auf das "Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit
Behinderungen" (UN-Konvention) berufen. Diese Konvention ist am 3.5.2008 in Kraft getreten und durch Vertragsgesetz zum Übereinkommen
vom 21.12.2008 (BGBl II 2008 1419) innerstaatlich verbindlich geworden; sie war deshalb zum Zeitpunkt der Entscheidung des
LSG als geltendes Recht zu beachten (andere Situation in BSG SozR 4-2500 §
33 Nr 25 RdNr 28). Allerdings können aus der UN-Konvention keine über §
33 SGB V hinausgehenden Leistungsansprüche hergeleitet werden. Insbesondere ergeben sich solche Ansprüche nicht aus Art 20 UN-Konvention. Danach verpflichten sich die Vertragsstaaten zu wirksamen Maßnahmen, um für Menschen mit Behinderungen persönliche
Mobilität mit größtmöglicher Unabhängigkeit sicherzustellen. Zu diesem Zweck haben sie ua den Zugang zu hochwertigen Mobilitätshilfen
zu erschwinglichen Preisen zu erleichtern. Hierbei handelt sich indes nur um eine Verpflichtung der Vertragsstaaten, deren
volle Verwirklichung gemäß § 4 Abs 2 UN-Konvention nach und nach angestrebt werden soll (Rothfritz, Die Konvention der Vereinten
Nationen zum Schutz der Rechte von Menschen mit Behinderungen, 2010, S 465). Zudem kann aus den Regelungen der UN-Konvention
kein subjektiv-öffentliches Recht des Einzelnen abgeleitet werden, ein konkretes und der persönlichen Mobilität dienendes
Hilfsmittel von einem bestimmten Leistungsträger verlangen zu können. Die Bundesrepublik Deutschland trägt dem von der UN-Konvention
angestrebten Zweck, den vollen und gleichberechtigten Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen
mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten sowie die Achtung der ihnen innewohnenden Würde zu fördern
(Art 1 UN-Konvention), ausreichend durch das gegliederte Leistungssystem des SGB und insbesondere durch dessen Neuntes Buch
(Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen -
SGB IX) Rechnung. Weitergehende Einzelansprüche werden - zumindest für den Bereich der GKV - durch die UN-Konvention nicht begründet.
5. Die Beklagte ist auch nicht nach dem Leistungsrecht eines anderen Rehabilitationsträgers zur Gewährung des begehrten Sportrollstuhls
verpflichtet. Allerdings oblag der Beklagten nach §
14 Abs
2 Satz 1
SGB IX als erstangegangenem Rehabilitationsträger die Prüfung aller weiter in Betracht zu ziehenden rehabilitationsrechtlichen Anspruchsgrundlagen.
Denn der materiellrechtlich - eigentlich - zuständige Rehabilitationsträger verliert im Außenverhältnis zum Versicherten oder
Leistungsempfänger seine originäre Zuständigkeit für eine Teilhabeleistung, sobald der zuerst angegangene Rehabilitationsträger
(hier: die beklagte Krankenkasse) eine iS von §
14 Abs
1 SGB IX fristgerechte Zuständigkeitsklärung versäumt und demzufolge die Zuständigkeit nach allen in Betracht kommenden rehabilitationsrechtlichen
Rechtsgrundlagen auf ihn übergegangen ist. Eine so begründete Zuständigkeit der Krankenkasse nach §
14 Abs
2 Satz 1
SGB IX erstreckt sich im Außenverhältnis zum Versicherten auf alle Rechtsgrundlagen, die überhaupt in dieser Bedarfssituation rehabilitationsrechtlich
vorgesehen sind (vgl BSGE 93, 283 = SozR 4-3250 § 14 Nr 1, RdNr 15 ff; BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4, RdNr 14, möglicherweise aA [obiter dictum] BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 3, RdNr 33; vgl auch BSGE 102, 90 = SozR 4-2500 § 33 Nr 21, RdNr 23 - Kraftknoten). Zuständig ist also derjenige Träger, der von dem Versicherten bzw Leistungsbezieher
erstmals mit dem zu beurteilenden Antrag auf Bewilligung einer Leistung zur Teilhabe befasst worden ist, hier die beklagte
Krankenkasse.
Im Ergebnis ist die Entscheidung der Beklagten indes auch unter Berücksichtigung von §
14 Abs
2 Satz 1
SGB IX nicht zu beanstanden. Insbesondere ist dem Kläger ein Sportrollstuhl zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nicht auf
sozialhilferechtlicher Grundlage zur Verfügung zu stellen. Denn nach den Feststellungen des LSG fehlt es dafür jedenfalls
an einer Bedürftigkeit des Klägers. Dass die Vorinstanz Anlass gehabt hätte, dieser Frage im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht
nach §
103 Satz 1
SGG weiter nachzugehen, kann dem Revisionsvorbringen nicht entnommen werden (vgl dazu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Aufl 2008, §
103 RdNr 7). Im Gegenteil ist im angefochtenen LSG-Urteil ausdrücklich festgehalten, dass die fehlende Bedürftigkeit des Klägers
von seiner Prozessbevollmächtigten im Termin zur mündlichen Verhandlung am 21.1.2010 bestätigt worden ist; diese Feststellung
des LSG ist vom Revisionsvorbringen nicht als fehlerhaft gerügt worden. Offen bleiben kann deshalb, ob und ggf unter welchen
Voraussetzungen die Versorgung mit solchen Rollstühlen als Leistung der Eingliederungshilfe von der Sozialhilfe beansprucht
werden kann.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.