Anspruch auf häusliche Krankenpflege der gesetzlichen Krankenversicherung in einer Einrichtung der Eingliederungshilfe
Gründe:
I
Die als örtlicher Sozialhilfeträger klagende Stadt macht gegen die beklagte Krankenkasse einen Anspruch auf Erstattung von
Kosten geltend, die sie für die Versorgung eines Versicherten der Beklagten mit häuslicher Krankenpflege durch einen Pflegedienst
in der Zeit von Oktober 2008 bis Mai 2011 getragen hat.
Die beigeladene Wohltätigkeitsorganisation, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, ist Trägerin des J. -J. -H. (JJH) in
H., einer stationären sozialtherapeutischen Einrichtung der Wohnungslosenhilfe mit 71 Plätzen, in der wohnungslosen Männern
mit psychischen Auffälligkeiten eine sozialpädagogisch betreute Unterbringung angeboten wird. In der Zeit vom 20.10.2008 bis
31.5.2011 lebte dort ein Versicherter der beklagten Krankenkasse (R. R., geboren 1956), der seit 1996 mit kleineren Unterbrechungen
obdachlos war. Der Versicherte litt unter mehreren, teilweise schon chronifizierten Krankheiten (Herzrhythmusstörungen, Geschwür
am Außenknöchel des rechten Fußes, Gastritis), die ständiger Behandlung bedurften. Er bezog Arbeitslosengeld II und erhielt
seine Unterbringung im JJH auf Kosten der Klägerin als Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten nach §§ 67 ff SGB XII. Pflegebedürftigkeit nach §§
14,
15 SGB XI war nicht festgestellt. Seit dem 1.6.2011 lebt er als mittlerweile "trockener" Alkoholiker wieder in einer eigenen Wohnung.
Aufgrund vertragsärztlicher Verordnungen erhielt der Versicherte während der gesamten Zeit des Aufenthalts im JJH häusliche
Krankenpflege zur Sicherung des Ziels der ambulanten ärztlichen Behandlung (§
37 Abs
2 SGB V) durch einen Pflegedienst (Ambulante Krankenpflege H. GbR), und zwar durchgängig zweimal täglich durch das Herrichten und
Verabreichen von vier und zeitweise sogar fünf Medikamenten. Der Blutdruck musste täglich einmal (Oktober 2008 bis Februar
2009), im März 2009 täglich dreimal und sodann bis Juni 2009 täglich zweimal gemessen werden; danach waren regelmäßige Blutdruckmessungen
nicht mehr erforderlich. Dazu kamen vorübergehend Injektionen (März bis Juni 2009). Ferner waren wegen des Geschwürs am Fuß
zeitweise auch tägliche Verbandwechsel erforderlich (Oktober bis Dezember 2008 sowie März bis August 2009). Die Kosten in
Höhe von insgesamt 18 289,54 Euro hat die Klägerin getragen, nachdem die Beklagte die bei ihr quartalsweise beantragten Kostenübernahmen
jeweils abgelehnt hatte.
Die Beklagte verweigert die begehrte Kostenerstattung, weil sie die Voraussetzungen des §
37 Abs
2 SGB V als nicht erfüllt ansieht. Bei einem Daueraufenthalt in einer Einrichtung der Eingliederungshilfe ohne eigene Haushaltsführung
des Versicherten bestehe gegenüber der Krankenkasse grundsätzlich kein Anspruch auf häusliche Behandlungssicherungspflege.
Der Ausnahmefall eines besonders hohen Bedarfs an medizinischer Behandlungspflege für mindestens sechs Monate liege nicht
vor. Die Behandlungspflege des Versicherten habe daher die Klägerin als eigene sozialhilferechtliche Leistung sicherstellen
müssen.
Das SG hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 18 289,54 Euro nebst Zinsen zu zahlen (Urteil vom 20.2.2012). Das LSG hat die
Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 24.4.2014). Es hat ausgeführt, die Klägerin habe nach § 104 Abs 1 SGB X einen Erstattungsanspruch gegen die Beklagte, weil diese zur Gewährung häuslicher Krankenpflege vorrangig verpflichtet sei.
Einrichtungen der Eingliederungshilfe könnten "sonst geeignete Orte" iS des §
37 Abs
2 Satz 1
SGB V sein, wenn der Versicherte keinen Anspruch auf Leistungen der Behandlungspflege gegen den Einrichtungsträger habe und eine
Leistungspflicht der Pflegekasse nach §
43a SGB XI schon mangels Pflegebedürftigkeit des Versicherten (§§
14,
15 SGB XI) ausscheide. Dies ergebe sich aus der insoweit mit der Ermächtigungsgrundlage in Einklang stehenden Richtlinie des Gemeinsamen
Bundesausschusses (G-BA) über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege (Häusliche Krankenpflege-Richtlinie; im Folgenden:
HKP-Richtlinie). Die Einrichtung, in der sich der Versicherte aufgehalten habe, sei nicht zur Erbringung von Behandlungspflege
verpflichtet. Etwas anderes gelte auch nicht bei den oralen Medikamentengaben und den Blutdruckmessungen als einfachsten Maßnahmen
der medizinischen Behandlungspflege. Der Zinsanspruch ergebe sich aus § 108 Abs 2 SGB X.
Mit ihrer Revision macht die Beklagte geltend, der Begriff "Haushalt" iS des §
37 Abs
2 Satz 1
SGB V dürfe auch nach der Gesetzesänderung zum 1.4.2007 nicht undifferenziert ausgeweitet werden. Der Gesetzgeber habe lediglich
eine vorsichtige Erweiterung des Haushaltsbegriffs, nicht aber seine vollständige Aufgabe bezweckt. Der Bezug der "häuslichen"
Krankenpflege zu einem eigenen Haushalt des Versicherten dürfe nicht vollständig aufgegeben werden. Bei den im Gesetz ausdrücklich
aufgeführten Einrichtungen handele es sich um solche, in denen sich die Versicherten nur zeitweise aufhielten, während ihr
Lebensmittelpunkt im häuslichen Umfeld gewahrt bleibe. Für den Fall, dass - wie hier - ein eigener Haushalt nicht mehr bestehe,
enthalte §
37 Abs
2 Satz 7
SGB V eine Ausnahmeregelung nur unter der Voraussetzung, dass sich der Versicherte nicht auf Dauer in einer Einrichtung aufhalte.
Diese Vorschrift habe der Gesetzgeber unverändert beibehalten. Auf einen Anspruch des Versicherten gegen den Einrichtungsträger
könne es zur Bestimmung des Leistungsumfangs nach §
37 Abs
2 SGB V nicht ankommen, sonst läge der Anspruch in der Hand der Partner der Verträge nach §§ 75 ff SGB XII, mit denen die Leistungspflichten des Einrichtungsträgers festgelegt würden. Für die vom LSG angenommene Absicht des Gesetzgebers
auf Lückenschluss zwischen ambulanter und stationärer Behandlungspflege mit vollständiger Entlastung der Sozialhilfeträger
von den Kosten der häuslichen Krankenpflege bei Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gebe es keine hinreichenden
Anhaltspunkte. Im Übrigen gehöre zumindest die Hilfe zur Einnahme von Tabletten nach ärztlicher Anweisung sowie das Blutdruckmessen
regelmäßig zu der von Einrichtungen der Eingliederungshilfe geschuldeten Unterstützung bei den lebenspraktischen Verrichtungen.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Hamburg vom 24. April 2014 und des Sozialgerichts Hamburg vom 20. Februar 2012 zu ändern
und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision der Beklagten ist begründet, soweit der Erstattungsanspruch den Zeitraum von September 2009 bis Mai 2011 betrifft.
In dieser Zeit bestand die häusliche Krankenpflege ausschließlich in der Hilfestellung bei der Einnahme von Medikamenten,
wofür dem Pflegedienst 9971,42 Euro gezahlt worden waren. Der Klägerin steht insoweit kein Erstattungsanspruch gegen die Beklagte
zu, weil der Versicherte seinerseits keinen Anspruch auf häusliche Krankenpflege für das Herrichten und Verabreichen von Medikamenten
gegen die Beklagte hatte. Zwar kann eine Einrichtung der Eingliederungshilfe ein geeigneter Ort zur Erbringung von häuslicher
Krankenpflege iS des §
37 SGB V sein (hierzu 1.), wenn die Einrichtung nicht selbst zur Erbringung medizinischer Behandlungspflege verpflichtet ist (hierzu
2.). Eine Hilfeleistung bei der oralen Einnahme von Tabletten nach ärztlicher Anweisung gehört aber - ebenso wie zB die Unterstützung
beim Blutdruckmessen - regelmäßig zu der von Einrichtungen der Eingliederungshilfe geschuldeten pädagogischen Beratung, Betreuung
und Unterstützung bei den lebenspraktischen Verrichtungen (hierzu 3.).
Die Revision der Beklagten führt hingegen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur 10 Zurückverweisung des Rechtsstreits
an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§
170 Abs
2 Satz 2
SGG), soweit der Erstattungsanspruch den Zeitraum von Oktober 2008 bis August 2009 umfasst. Die Klage ist begründet, soweit sich
die geltend gemachten Aufwendungen auf die verabreichten Injektionen (März bis Juni 2009) und die Verbandwechsel wegen des
Geschwürs am Fuß (Oktober bis Dezember 2008 sowie März bis August 2009) beziehen. Da in dieser Zeit aber auch ständig Hilfeleistungen
bei der Medikamenteneinnahme und beim Blutdruckmessen angefallen sind, und in den Rechnungen des Pflegedienstes die hierfür
berechneten Kosten, die nicht erstattungsfähig sind, aufgrund der Abrechnung nach Leistungskomplexen nicht gesondert ausgewiesen
sind, musste der Rechtsstreit insoweit an das LSG zurückverwiesen werden, um die zur exakten Berechnung des Erstattungsanspruchs
notwendigen Feststellungen zu den Kosten der Injektionen und der Verbandwechsel nachzuholen.
1. Nach §
37 Abs
2 Satz 1
SGB V (idF des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung [GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz -
GKV-WSG] vom 26.3.2007, BGBl I 2007, 378) erhalten Versicherte in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen,
Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen als häusliche Krankenpflege
Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist (Behandlungssicherungspflege).
Nach §
37 Abs
6 SGB V legt der G-BA in Richtlinien nach §
92 SGB V fest, an welchen Orten und in welchen Fällen Leistungen nach den Abs
1 und
2 des §
37 SGB V auch außerhalb des Haushaltes und der Familie des Versicherten erbracht werden können.
a) Bis zum 31.3.2007 erhielten Versicherte häusliche Krankenpflege (nur) "in ihrem Haushalt oder ihrer Familie" (vgl §
37 Abs
1 und
2 SGB V idF des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung [GKV-Modernisierungsgesetz - GMG] vom 14.11.2003,
BGBl I 2190). Schon nach § 185
RVO aus dem Jahr 1911 konnten solche Pflegeleistungen gewährt werden, wenn ein wichtiger Grund vorlag, "den Kranken in seinem
Haushalt oder in seiner Familie zu belassen" und nicht im Krankenhaus zu behandeln. Seitdem war dieses Tatbestandsmerkmal
bis zum 31.3.2007 nicht erweitert worden. Zu dieser Gesetzeslage hatte das BSG entschieden, dass es zwar - sofern nicht Krankenhausbehandlung oder vollstationäre Pflege vorliege - nicht auf den Aufenthaltsort
des Versicherten ankomme und daher häusliche Krankenpflege auch während des Kindergarten- oder Schulbesuchs zu leisten sei
(BSGE 90, 143 = SozR 3-2500 § 37 Nr 5 = SozR 3-1500 § 96 Nr 11). Aufgrund des engen Wortlauts der Vorschrift sah sich die Rechtsprechung
aber bis zur Änderung durch das GKV-WSG vom 26.3.2007 (BGBl I 2007, 378) daran gehindert, den Anspruch auf häusliche Krankenpflege darüber hinaus auch auf Zeiten des Aufenthalts in einer stationären
Einrichtung auszudehnen (BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 5). Bei der Umschreibung des Aufenthaltsortes der Versicherten "in ihrem Haushalt oder ihrer Familie" ging es dem Gesetzgeber
vor allem um die Abgrenzung zur Leistungserbringung im stationären Bereich. Schon in der Ursprungsfassung des § 185
RVO aus dem Jahr 1911 wurde der Begriff als Unterscheidung von der Krankenhausversorgung (vgl Poske, Hauspflege, 1990, S 70 ff,
112 ff) verwendet: "Die Kasse kann mit Zustimmung des Versicherten Hilfe und Wartung durch Krankenpfleger, Krankenschwestern
oder andere Pfleger namentlich auch dann gewähren, wenn die Aufnahme des Kranken in ein Krankenhaus geboten, aber nicht ausführbar
ist, oder ein wichtiger Grund vorliegt, den Kranken in seinem Haushalt oder seiner Familie zu belassen". Diese Formulierung
wurde als Voraussetzung für den Anspruch auf Behandlungssicherungspflege übernommen, die zunächst als Satzungsleistung eingeführt
(§ 185 Abs 1 Satz 2
RVO idF des Gesetzes zur Dämpfung der Ausgabenentwicklung und zur Strukturverbesserung in der gesetzlichen Krankenversicherung
[Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz - KVKG] vom 27.6.1977, BGBl I 1069; vgl zum Gesetzgebungsverfahren Zipperer, DOK
1978, 11, 20) und später in §
37 Abs
2 Satz 1
SGB V (durch das Gesetz über die neunzehnte Anpassung der Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz sowie zur Änderung weiterer sozialrechtlicher Vorschriften [KOV-AnpG 1990] vom 26.6.1990, BGBl I 1211) zum gesetzlichen Anspruch
bestimmt wurde. Schon damals wurde die Notwendigkeit einer Abgrenzung zum stationären Bereich der Heimpflege diskutiert, und
bei einem Daueraufenthalt in Einrichtungen der Alten- oder Behindertenhilfe sahen zahlreiche Autoren den Anspruch auf Fälle
beschränkt, in denen die Einrichtung dem Versicherten (vertraglich) keine umfassende Versorgung schulde (vgl Hanau/Rolfs,
VSSR 1993, 237, 252; Gerlach in Hauck/Noftz,
SGB V, Stand: 1.8.1999, K §
37 RdNr 15; Höfler in Kasseler Komm, Bd 1, Stand: Einzelkommentierung Dezember 2004, §
37 SGB V RdNr 14). Nach der bis zum 31.3.2007 geltenden Gesetzesfassung war aber die vom Gesetzgeber beabsichtigte Abgrenzung zur
stationären Krankenhausbehandlung in gleicher Weise geeignet, sonstige stationäre Einrichtungen von den Leistungen der häuslichen
Krankenpflege auszunehmen (vgl BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 5). Der Gesetzgeber hatte noch bei der Änderung des §
37 Abs
2 Satz 2
SGB V durch das GMG vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) keinen Handlungsbedarf dafür gesehen, Menschen in Einrichtungen der Behindertenhilfe
ohne eigenen Haushalt Anspruch auf häusliche Krankenpflege einzuräumen. Nach dieser Regelung, die unverändert bis heute fortgilt
(§
37 Abs
2 Satz 7
SGB V), erhalten Versicherte, die nicht auf Dauer in Einrichtungen nach §
71 Abs
2 und
4 SGB XI aufgenommen sind, Leistungen der häuslichen Krankenpflege auch dann, wenn ihr Haushalt nicht mehr besteht und ihnen zur Durchführung
der Behandlungspflege vorübergehender Aufenthalt in einer Einrichtung oder einer anderen geeigneten Unterkunft zur Verfügung
gestellt wird. Bei dieser Regelung ging es insbesondere um die Sicherstellung medizinischer Behandlungspflege für alleinstehende
Wohnungslose, um kostentreibende Krankenhauseinweisungen zu verhindern (vgl BT-Drucks 15/1525 S 90). Nach der Gesetzesbegründung
wurde damit aber zugleich "klargestellt, dass bei Daueraufenthalt ohne eigenen Haushalt, zB in Heimen, weiterhin kein Anspruch
auf Leistungen der Behandlungspflege besteht" (BT-Drucks 15/1525 S 90 zu Buchst a).
b) Erst mit dem GKV-WSG vom 26.3.2007 (BGBl I 2007, 378) hat der Gesetzgeber den Anspruch auf sonstige geeignete Orte, insbesondere betreute Wohnformen, Schulen, Kindergärten und
bei besonders hohem Pflegebedarf auch auf Werkstätten für behinderte Menschen erweitert und dem G-BA aufgegeben festzulegen,
an welchen Orten und in welchen Fällen Leistungen der häuslichen Krankenpflege auch außerhalb des Haushaltes und der Familie
des Versicherten erbracht werden können. In der Gesetzesbegründung ist hierzu ausgeführt, die Beschränkung der Leistungen
zur häuslichen Krankenpflege auf Haushalt und Familie des Versicherten habe sich im Hinblick auf das Ziel, vorschnelle stationäre
Einweisungen zu vermeiden, als kontraproduktiv erwiesen. Die Neuregelung bewirke durch eine vorsichtige Erweiterung des Haushaltsbegriffs,
dass neue Wohnformen, Wohngemeinschaften und betreutes Wohnen hinsichtlich der Erbringung von häuslicher Krankenpflege gegenüber
konventionellen Haushalten nicht benachteiligt würden. Betreute Wohnformen, deren Bewohner ambulante Leistungen der sozialen
Pflegeversicherung erhalten, sollten verbesserte Angebote für ambulant Pflegebedürftige darstellen. Darüber hinaus werde im
Hinblick auf bestimmte, eng begrenzte Personengruppen durch den erweiterten Haushaltsbegriff eine vorschnelle Einweisung in
stationäre Einrichtungen verhindert. Ein "geeigneter Ort" für die Leistung häuslicher Krankenpflege durch die GKV sei jedenfalls
dann nicht gegeben, wenn sich der Versicherte in einer Einrichtung befinde, in der er nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch
auf die Erbringung medizinischer Behandlungspflege durch die Einrichtung selbst habe. Um die notwendige Flexibilität bei der
Bestimmung der geeigneten Erbringungsorte zu wahren, werde auf eine gesetzliche Festlegung verzichtet und die nähere Ausgestaltung
dem G-BA übertragen. Dieser Lösungsweg vermeide Lücken im Zwischenbereich von ambulanter und stationärer Versorgung (BT-Drucks
16/3100 S 104).
c) Der G-BA ist seinem Regelungsauftrag durch die zum 11.6.2008 in Kraft getretene Änderung der HKP-Richtlinie (HKP-Richtlinie
idF vom 16.2.2000, zuletzt geändert am 17.1.2008/10.4.2008, veröffentlicht im BAnz 2008, Nr 84, S 2028, 2029 und 2030) nachgekommen.
Unter I. 2. ist bestimmt:
"Häusliche Krankenpflege wird im Haushalt des Versicherten oder seiner Familie erbracht. Anspruch auf häusliche Krankenpflege
besteht auch an sonstigen geeigneten Orten, an denen sich der Versicherte regelmäßig wiederkehrend aufhält und an denen
- die verordnete Maßnahme zuverlässig durchgeführt werden kann und
- für die Erbringung der einzelnen Maßnahmen geeignete räumliche Verhältnisse vorliegen
(z. B. im Hinblick auf hygienische Voraussetzungen, Wahrung der Intimsphäre, Beleuchtung), wenn die Leistung aus medizinisch-pflegerischen
Gründen während des Aufenthaltes an diesem Ort notwendig ist. Orte im Sinne des Satz 2 können insbesondere Schulen, Kindergärten,
betreute Wohnformen oder Arbeitsstätten sein."
Unter I. 6. ist bestimmt:
"Für die Zeit des Aufenthalts in Einrichtungen, in denen nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung von
Behandlungspflege durch die Einrichtungen besteht (z. B. Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen, Hospizen, Pflegeheimen),
kann häusliche Krankenpflege nicht verordnet werden. Ob ein solcher Anspruch besteht, ist im Einzelfall durch die Krankenkassen
zu prüfen. Abweichend davon kann häusliche Krankenpflege in Werkstätten für behinderte Menschen verordnet werden, wenn die
Intensität oder Häufigkeit der in der Werkstatt zu erbringenden Pflege so hoch ist, dass nur durch den Einsatz einer Pflegefachkraft
Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit vermieden oder das Ziel der ärztlichen Behandlung gesichert werden kann und die Werkstatt
für behinderte Menschen nicht auf Grund des § 10 der Werkstättenverordnung verpflichtet ist, die Leistung selbst zu erbringen. Eine Verordnung von Behandlungspflege ist auch für Versicherte in Pflegeheimen
zulässig, die auf Dauer, voraussichtlich für mindestens 6 Monate, einen besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege
haben (§
37 Abs.
2 S. 3
SGB V). Dies ist der Fall, wenn (...)."
Der G-BA hatte in seinem Beschlusstext ursprünglich folgende Regelung vorgesehen: "Für die Zeit des Aufenthaltes in Einrichtungen,
in denen nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtungen besteht
(zB Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen, Hospizen, Pflegeheimen oder Behinderteneinrichtungen), kann häusliche Krankenpflege
nicht verordnet werden" (vgl https://www.gba.de/informationen/beschluesse/598/. Dort finden sich die "Tragenden Gründe zum
Beschluss vom 17.1.2008" als PDF-Datei, Beschlusstext, S 9). Die ausdrückliche Aufführung der Einrichtungen der Hilfe für
behinderte Menschen ist trotz zahlreicher kritischer Stellungnahmen (aaO, S 12 ff) erst aufgrund einer Prüfung durch das Bundesministerium
für Gesundheit (BMG) gemäß §
94 SGB V gestrichen worden (vgl https://www.g-ba.de/informationen/beschluesse/598/. Dort findet sich die "Prüfung gem. §
94 SGB V durch das BMG" als PDF-Datei, Schreiben vom 20.3.2008). Zudem wurde der Satz: "Ob ein solcher Anspruch besteht, ist im Einzelfall durch
die Krankenkasse zu prüfen" aufgrund der Prüfung aufgenommen. Das BMG hat von einer Beanstandung der vorgesehenen Regelung nur unter der Auflage abgesehen, die Regelung bei nächster Gelegenheit
so zu überarbeiten, dass Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen nicht grundsätzlich von der Verordnung häuslicher
Krankenpflege ausgeschlossen werden und dass vom G-BA sichergestellt wird, dass die Regelung bis zu ihrer Überarbeitung ohne
den grundsätzlichen Ausschluss von Behinderteneinrichtungen angewandt wird. Das BMG hat hierzu ausgeführt, eine rechtliche Begründung dafür, dass grundsätzlich in allen (dh in der Regel oder in der großen
Mehrheit der nicht näher definierten) ambulanten und stationären Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen ein Anspruch
auf Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtung bestehe, sei nicht ersichtlich. Die vom G-BA beschlossene Formulierung
könne dazu führen, dass häusliche Krankenpflege für Versicherte in diesen Einrichtungen regelmäßig abgelehnt werde, ohne dass
tatsächlich im Einzelfall geprüft werde, ob anderweitige Ansprüche auf die Erbringung von Behandlungspflege bestehen. Deshalb
sei klarzustellen, dass im Einzelfall zu prüfen sei, ob nach gesetzlichen Bestimmungen ein Anspruch auf die Erbringung von
Behandlungspflege durch die Einrichtung bestehe.
d) Nach dem Regelungsgefüge, das sich aus den gesetzlichen Vorschriften iVm mit den Normen der HKP-Richtlinie ergibt, besteht
der Anspruch zunächst an allen geeigneten Orten, an denen sich der Versicherte regelmäßig wiederkehrend aufhält, wenn die
Leistung aus medizinisch-pflegerischen Gründen während des Aufenthaltes an diesem Ort notwendig ist. Einschränkungen in Bezug
auf den Aufenthaltsort ergeben sich - abgesehen von der Geeignetheit der räumlichen Verhältnisse - erst aus den Regelungen
unter I. 6., dh für die Zeit des Aufenthaltes in Einrichtungen nur dann, wenn nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch
auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtung besteht (wie zB in Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen,
Hospizen, Pflegeheimen). Ob ein solcher Anspruch besteht, ist im Einzelfall durch die Krankenkasse zu prüfen. Einrichtungen
der Eingliederungshilfe werden in den HKP-Richtlinien den Krankenhäusern und Pflegeheimen ausdrücklich nicht (mehr) gleichgestellt.
In dieser Fassung ist die HKP-Richtlinie gesetzeskonform.
e) Der Vorschrift des §
37 Abs
2 Satz 1
SGB V und der Bezeichnung der dort nach der Verwendung des Begriffs "insbesondere" beispielhaft aufgeführten "geeigneten Orte"
lässt sich nicht die Beschränkung entnehmen, häusliche Krankenpflege könne weiterhin nur beansprucht werden, wenn noch ein
Mindestmaß eines eigenen Haushalts (oder ein Leben in der Familie) geführt wird, und weitere Leistungen ggf ambulant in Anspruch
genommen werden. Gegen die Auffassung der Beklagten, eine stationäre Einrichtung, in der sich ein Versicherter dauerhaft aufhält,
ohne an einem anderen Ort noch einen Haushalt zu führen oder in einem solchen zu leben, könne nie ein sonstiger geeigneter
Ort iS des §
37 Abs
2 SGB V sein, sprechen die Gesetzesbegründung und der vom Gesetzgeber mit der Erweiterung des Anspruchs verfolgte Zweck. Auch dem
Wortlaut der Vorschrift lässt sich eine solche Einschränkung nicht entnehmen.
Dem Gesetzgeber war es nach der Gesetzesbegründung zur Ausweitung des Anspruchs auf häusliche Krankenpflege auf sonstige geeignete
Orte durch das GKV-WSG vom 26.3.2007 (BGBl I 2007, 378) ein besonderes Anliegen, Lücken im Zwischenbereich von ambulanter und stationärer Versorgung zu vermeiden. Bei ambulanten
Einrichtungen, insbesondere auch bei ambulant betreuten Wohnformen, wird aber regelmäßig (allein oder gemeinsam mit anderen)
ein eigener Haushalt geführt, sodass bereits vor der Gesetzesänderung auch für dort lebende Versicherte ein Anspruch auf häusliche
Krankenpflege bestehen konnte. Zudem war nach der Rechtsprechung des BSG der Anspruch auch schon vor der Neuregelung zum 1.4.2007 nicht auf die Erbringung der Leistung in der Wohnung des Versicherten
beschränkt; vielmehr konnte häusliche Krankenpflege auch in der Schule oder im Kindergarten erbracht werden (so ausdrücklich
BSGE 90, 143 = SozR 3-2500 § 37 Nr 5 = SozR 3-1500 § 96 Nr 11). Wenn die vom Gesetzgeber beabsichtigte vorsichtige Erweiterung des Anspruchs
auch auf sonstige geeignete Orte nicht weitgehend leerlaufen soll, müssen grundsätzlich auch die stationären Einrichtungen
einbezogen werden, in denen sich ein Versicherter auf unabsehbare Zeit aufhält und betreut wird, ohne noch anderswo zu leben
und zu wohnen. Die Beklagte hat Recht mit ihrer Auffassung, dass es in den bisher vom Senat entschiedenen Fällen darum ging,
Versicherte auch in Einrichtungen wie Schulen und Kindergärten mit Krankenpflege zu versorgen, in denen sich diese lange,
aber eben nicht ausschließlich im Sinne eines Lebensmittelpunktes aufhalten. Genau diese Situation sollte indessen durch die
Neuregelung des §
37 Abs
2 SGB V erfasst werden, und zwar für die Konstellation, dass in der vollstationären Einrichtung keine umfassende pflegerische Versorgung
stattfindet und gesetzlich auch nicht geschuldet wird. Denn nur dadurch kann dem Sinn und Zweck der Vorschrift, durch (ambulante)
häusliche Krankenpflege vorschnelle stationäre Einweisungen zu vermeiden, entsprochen werden. Bei den zu vermeidenden stationären
Einweisungen kann es sich nur um Einweisungen in Einrichtungen handeln, in denen die Versicherten medizinische Behandlungspflege
erhalten, wie Krankenhäuser, medizinische Rehabilitationseinrichtungen oder Pflegeheime. Die Aufnahme in andere Einrichtungen,
die regelmäßig schon nicht auf ärztliche Veranlassung erfolgt, kann (und soll) nicht durch die Erbringung ambulanter Leistungen
der häuslichen Krankenpflege vermieden werden. Vielmehr soll die nach der Gesamtsituation des Versicherten sinnvolle Aufnahme
zB in eine stationäre Einrichtung der Eingliederungshilfe nicht daran scheitern, dass zusätzlich zum Eingliederungsbedarf
auch ein Bedarf an Krankenpflegeleistungen besteht, der von der Eingliederungseinrichtung nicht gedeckt werden kann. Es kann
(auch) für die Krankenkasse wirtschaftlich sinnvoll sein, Versicherte in solchen Einrichtungen, in denen sie keinen Anspruch
auf medizinische Behandlungspflege gegen die Einrichtung haben, mit häuslicher Krankenpflege zu versorgen, um eine vorschnelle
Einweisung in ein Krankenhaus zu vermeiden.
Auch dem Wortlaut der Vorschrift lässt sich seit der Ausweitung des Anspruchs auf sonstige geeignete Orte nicht entnehmen,
dass stationäre Einrichtungen etwa der Eingliederungshilfe dafür grundsätzlich nicht in Betracht kommen. Die beispielhafte
Aufzählung enthält hierfür keine Anhaltspunkte. Der im Gesetz verwandte Begriff der "betreuten Wohnformen" ist gesetzlich
nicht definiert. Die Übergänge von einer Wohngemeinschaft mit ambulanten Betreuungshilfen zu einer stationären Einrichtung
sind inzwischen fließend. Daher werden in den Landesheimgesetzen neben stationären Einrichtungen regelmäßig auch andere Formen
des betreuten Wohnens erfasst (vgl Weber NZS 2011, 650, 651 mwN), und längst nicht alle Formen des betreuten Wohnens weisen eine größere Nähe zur eigenständigen Haushaltsführung
auf als herkömmliche stationäre Einrichtungen. Eine eindeutige Zuordnung jeder Einrichtung entweder als stationäres Heim oder
als ambulantes Angebot mit Betreuungshilfen wird durch die andauernde Entwicklung neuer Wohnformen zunehmend schwierig. Auch
in betreuten Wohnformen haben Versicherte keinen Anspruch auf häusliche Krankenpflege, wenn sie bereits Anspruch auf die Maßnahme
durch die Einrichtung bzw den Betreuungsdienst haben, weil häusliche Krankenpflege dann nicht erforderlich ist. Gerade im
Grenzbereich verschiedener Wohnformen ist es aber sachgerecht, nach dem Anspruch gegen die Einrichtung bzw den Betreuungsdienst
zu differenzieren und nicht dem Begriff "betreute Wohnformen" eine Festlegung dahin zu entnehmen, dass in vollstationären
Betreuungseinrichtungen keine häusliche Krankenpflege erbracht werden kann.
Es ist daher konsequent, den Anspruch auf häusliche Krankenpflege in Einrichtungen nur dann und insoweit zu beschränken, als
nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung medizinischer Behandlungspflege durch die Einrichtung selbst
besteht. Der Gesetzgeber hat auf eine gesetzliche Festlegung der geeigneten Leistungsorte bewusst verzichtet. Er wollte damit
im Hinblick auf die Vielzahl unterschiedlicher Einrichtungen jeglichen Eingriff in die bestehenden Strukturen der Einrichtungen
und insbesondere in ihre Leistungspflichten im Hinblick auf die medizinische Behandlungspflege vermeiden und die Präzisierung
der Einrichtungen, in denen die Versicherten Anspruch auf häusliche Krankenpflege nach dem
SGB V haben, dem G-BA überlassen.
f) Die Richtlinien des G-BA haben normativen Charakter und sind für die Beteiligten verbindlich (BSG SozR 3-2500 § 135 Nr 21; BSG SozR 3-2500 § 92 Nr 12; BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5; BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 3; BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 7; BSG SozR 4-2500 §
27 Nr 8; vgl auch amtl Begründung zu den Ergänzungen von §
92 Abs
1 SGB V durch das GMG - BT-Drucks 15/1525 oder die Ergänzungen des Gesetzes zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung
[AVWG] und des GKV-WSG). Der Senat hat keine Zweifel an der verfassungsrechtlichen Legitimation des G-BA als untergesetzlichem Normgeber in der
Form, wie sie inzwischen gesetzlich festgelegt ist (so auch BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 22; BSGE 112, 251 = SozR 4-2500 § 106 Nr 38, RdNr 14; BSGE 111, 155 = SozR 4-2500 §
31 Nr 21, RdNr 26; vgl auch Beier in jurisPK-
SGB V, online-Ausgabe §
92 SGB V, RdNr 31.1, Stand 25.6.2013).
2. Einrichtungen der Eingliederungshilfe sind nach den gesetzlichen Bestimmungen grundsätzlich nur soweit zur Erbringung von
medizinischer Behandlungspflege verpflichtet, wie diese aufgrund der sächlichen und personellen Ausstattung von der Einrichtung
erbracht werden kann.
a) Erbringt der Träger der Sozialhilfe die Leistungen der Eingliederungshilfe in einer vollstationären Einrichtung (§ 13 SGB XII, zum Einrichtungsbegriff iS des SGB XII vgl BSGE 106, 264 = SozR 4-3500 § 19 Nr 2 RdNr 13) der Hilfe für behinderte Menschen, wird grundsätzlich der gesamte Bedarf des Hilfebedürftigen nach § 9 Abs 1 SGB XII in der Einrichtung in einrichtungsspezifischer Weise befriedigt. Die Einrichtung übernimmt für den Hilfebedürftigen von dessen
Aufnahme bis zur Entlassung die Gesamtverantwortung für seine tägliche Lebensführung (vgl Luthe in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand November 2014, K § 13 RdNr 58, 59 mwN). Leistungen der Eingliederungshilfe umfassen nach § 54 Abs 1 Satz 1 SGB XII, §
26 SGB IX auch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, zu denen nach §
26 Abs
2 SGB IX ua auch die Behandlung durch Angehörige von Heilberufen gehört, soweit deren Leistungen unter ärztlicher Aufsicht oder auf
ärztliche Anordnung ausgeführt werden, wie es bei der häuslichen Krankenpflege der Fall ist. Nach § 55 Satz 1 SGB XII umfassen die Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen in einer vollstationären Einrichtung der Hilfe für
behinderte Menschen iS des §
43a SGB XI auch die Pflegeleistungen in der Einrichtung. Ist der behinderte Mensch allerdings so pflegebedürftig, dass die Pflege in
der Einrichtung nicht sichergestellt werden kann, vereinbaren der Träger der Sozialhilfe und die zuständige Pflegekasse mit
dem Einrichtungsträger, dass die Leistung in einer anderen Einrichtung erbracht wird, wobei den angemessenen Wünschen des
behinderten Menschen Rechnung zu tragen ist (§ 55 Satz 2 SGB XII).
b) Danach hat der Träger der Sozialhilfe zwar letztlich alle Teilhabebedarfe der Eingliederungshilfe zu decken und kann dies
durch Leistungen für Einrichtungen (§ 13 Abs 1 SGB XII) gewährleisten, zu beachten ist aber der Nachrang der Sozialhilfe (§ 2 SGB XII). Leistungen anderer Sozialleistungsträger gehen grundsätzlich den Leistungen der Sozialhilfe vor (§ 2 Abs 1 SGB XII), und auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach dem Recht der Sozialhilfe
entsprechende Leistungen vorgesehen sind (§ 2 Abs 2 Satz 2 SGB XII). Die medizinische Behandlungspflege ist Aufgabe der GKV, die daher diese Leistung vorrangig vor dem Träger der Sozialhilfe
zu erbringen hat. Deshalb hat der Sozialhilfeträger im Verhältnis zur GKV nicht die Aufgabe, durch entsprechende Verträge
mit den Einrichtungen der Eingliederungshilfe dafür zu sorgen, dass diese regelmäßig auch Leistungen der medizinischen Behandlungspflege
erbringen. Die Verpflichtung der Einrichtung zur Übernahme der Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung sowie zur
Deckung der Bedarfe in einrichtungsspezifischer Weise weist den Einrichtungen daher keine weitergehenden Pflichten zu, als
sie aufgrund ihrer Ausrichtung, des Eingliederungszwecks, dem sie dienen, und nach den Vereinbarungen nach §§ 75 ff SGB XII schulden. Einrichtungen der Eingliederungshilfe schulden danach regelmäßig selbst keine medizinischen Behandlungsmaßnahmen,
sondern haben lediglich organisatorisch dafür Sorge zu tragen, dass die Bewohner der Einrichtung neben den von der Einrichtung
selbst geschuldeten Leistungen auch solche anderer Träger in Anspruch nehmen können. So schulden solche Einrichtungen keine
ärztliche Behandlung, sie haben aber ggf Arztbesuche zu organisieren bzw zu ermöglichen und die notwendigen Rahmenbedingungen
dafür zu schaffen. Gleiches gilt grundsätzlich auch für die medizinische Behandlungspflege, es sei denn, aus den Vereinbarungen
nach den §§ 75 ff SGB XII ergeben sich weitergehende Leistungsverpflichtungen.
c) Einrichtungen der Eingliederungshilfe sind auch nicht allein aufgrund der von den Pflegekassen für Pflegebedürftige nach
§
43a Satz 1
SGB XI zu gewährenden pauschalen Abgeltung verpflichtet, grundsätzlich alle im Einzelfall notwendigen Maßnahmen der medizinischen
Behandlungspflege zu erbringen. Nach §
43a Satz 1
SGB XI übernimmt die Pflegekasse zur Abgeltung der in §
43 Abs
2 SGB XI genannten Aufwendungen 10 vH des nach § 75 Abs 3 SGB XII vereinbarten Heimentgeltes für Pflegebedürftige in einer stationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen, in der
die Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gemeinschaft, die schulische Ausbildung oder die Erziehung behinderter Menschen
im Vordergrund des Einrichtungszwecks stehen (§
71 Abs
4 SGB XI). Dabei dürfen aber die Aufwendungen der Pflegekasse im Einzelfall je Kalendermonat 256 Euro (ab 1.1.2015 266 Euro) nicht
übersteigen (§
43a Satz 2
SGB XI). Zu den in §
43 Abs
2 SGB XI genannten Aufwendungen gehören die pflegebedingten Aufwendungen, die Aufwendungen der sozialen Betreuung und die Aufwendungen
für Leistungen der medizinischen Behandlungspflege.
Trotz der ausdrücklichen Erwähnung auch der medizinischen Behandlungspflege zeigt die Verortung der Vorschrift im
SGB XI, dass es dabei lediglich um die von der Pflegeversicherung abzudeckenden Bedarfe geht. Die Pauschale wird auch nur für Pflegebedürftige
(§§
14,
15 SGB XI) geleistet. Stationäre Pflegeeinrichtungen iS des §
71 Abs
2 und
4 SGB XI haben grundsätzlich auch medizinische Behandlungspflege zu erbringen; erst bei einem dauerhaften, voraussichtlich mindestens
sechs Monate währenden besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege haben Versicherte in Pflegeheimen Anspruch
auf häusliche Krankenpflege. Hier kommt es nicht zu einer Lücke zwischen ambulanter und stationärer Versorgung. Einrichtungen
der Eingliederungshilfe schulden nach §
43a SGB XI zwar grundsätzlich Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung. Die medizinische Behandlungspflege
iS des §
37 Abs
2 SGB V kann aber durch diese an die Pflegeversicherung gerichtete Vorschrift grundsätzlich nicht vom Zuständigkeitsbereich der GKV
auf Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen übertragen werden. Dies ist schon deshalb ausgeschlossen, weil die Eingliederungseinrichtungen
dann nur gegenüber pflegebedürftigen Bewohnern zur Erbringung von Behandlungspflege nach §
37 Abs
2 SGB V verpflichtet wären und auch nur für diese Personen das pauschalierte Entgelt erhalten (so im Ergebnis bereits BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 5 RdNr 9). Ansprüche auf medizinische Behandlungspflege können auch Versicherten zustehen, die - wie hier - nicht pflegebedürftig
sind.
d) Das ergibt sich auch aus den Regelungen des § 55 SGB XII. Danach haben Einrichtungen der Eingliederungshilfe auch die (notwendigen) Pflegeleistungen zu erbringen. Wird der behinderte
Mensch aber so pflegebedürftig, dass die Pflege in der Einrichtung nicht sichergestellt werden kann, vereinbaren der Träger
der Sozialhilfe und die zuständige Pflegekasse mit dem Einrichtungsträger, dass die Leistung in einer anderen Einrichtung
erbracht wird (§ 55 Satz 2 SGB XII). Auch diese Vorschrift knüpft zunächst nur an die Pflegebedürftigkeit und Pflege im Sinne des
SGB XI an, nicht an Behandlungspflege. Insbesondere aus § 55 Satz 2 SGB XII ist aber abzuleiten, dass der Gesetzgeber nicht beabsichtigt hat, jede Einrichtung der Eingliederungshilfe personell und
sächlich so auszustatten, dass sie neben der üblichen Pflege auch Leistungen der medizinischen Behandlungspflege erbringen
kann. Trägerübergreifend betrachtet wäre das unwirtschaftlich. Hilfen zur Grundpflege und zur hauswirtschaftlichen Versorgung
können innerhalb bestimmter Grenzen regelmäßig von Personen erbracht werden, die diesbezüglich keine besondere Ausbildung
haben. Hierzu gehören insbesondere die Hilfen bei den Verrichtungen des täglichen Lebens. Erst wenn es darum geht, aktivierende
Pflege zu leisten, weitere Pflegebedürftigkeit zu verhüten oder akute Beschwerden zu lindern oder medizinische Behandlungspflege
zu leisten, die nicht ohne Weiteres vom Personal einer Eingliederungseinrichtung erbracht werden kann, und die Pflege daher
in der Einrichtung nicht mehr sichergestellt werden kann, ist der Hilfebedürftige in einer anderen Einrichtung unterzubringen.
e) Die Leistungspflichten der Eingliederungseinrichtungen ergeben sich für deren Nutzer aus zivilrechtlichen Verträgen mit
der Einrichtung und gegenüber dem Träger der Sozialhilfe ausschließlich aus dem SGB XII iVm den auf diesen gesetzlichen Grundlagen basierenden Verträgen (zum sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis BSGE 102,
1 = SozR 4-1500 § 75 Nr 9, RdNr 15 ff). Entscheidend für die Leistungspflichten der Einrichtungen zur Hilfe behinderter Menschen
ist danach das in den Vereinbarungen nach den §§ 75 ff SGB XII festgelegte Ziel und der Zweck der Einrichtung, ihr Aufgabenprofil, die vorgesehene sächliche und personelle Ausstattung
sowie der zu betreuende Personenkreis. Handelt es sich danach zB um eine Einrichtung, deren vorrangige Aufgabe darin besteht,
Hilfen zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten zu leisten, die erforderlich und geeignet sind, behinderten Menschen
die für sie erreichbare Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen (vgl §
55 Abs
2 Nr
3 SGB IX), gehören einfachste medizinische Maßnahmen (vgl dazu auch BSG SozR 3-2500 § 53 Nr 10), die für Versicherte im eigenen Haushalt praktisch von jedem erwachsenen Haushaltsangehörigen erbracht werden können
und keine medizinische Fachkunde erfordern, wie die Einnahme von Medikamenten und das Blutdruckmessen, regelmäßig der Natur
der Sache nach zum Aufgabenkreis der Einrichtung. Sie sind mit der Gewährung von Eingliederungshilfe durch den Sozialhilfeträger
in einer stationären Einrichtung untrennbar verbunden und daher objektiv bereits Bestandteil der Eingliederungshilfe. Dies
gilt auch für betreute Wohnformen, wenn dort nach Inhalt und Umfang vergleichbare Eingliederungsleistungen erbracht werden.
Zum Erwerb lebenspraktischer Kenntnisse und Fähigkeiten gehört auch die Hilfe bei der Führung eines gesunden Lebens einschließlich
der Vermittlung von Einsicht für gesundheitsförderliches Verhalten allgemein und speziell für die Notwendigkeit bestimmter
medizinischer Maßnahmen. Bei den einfachsten Maßnahmen der medizinischen Behandlungspflege handelt es sich häufig, wie etwa
beim An- und Ausziehen von Thrombosestrümpfen, um verrichtungsbezogene krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen, die ohnehin
sowohl dem Aufgabenbereich der Krankenversicherung als auch dem der Pflegeversicherung gleichermaßen zugeordnet und daher
- soweit kein Fachpersonal erforderlich ist - auch bereits von der Pauschale nach §
43a SGB XI mitumfasst sind. Danach verläuft die Grenze der von einer Einrichtung geschuldeten Leistungen genau dort, wo diese vom Personal
der Einrichtung der Eingliederungshilfe erbracht werden können und müssen. Muss die Einrichtung kein medizinisch ausgebildetes
Personal vorhalten, sind regelmäßig nur einfachste Maßnahmen der Krankenpflege von der Einrichtung selbst zu erfüllen. Leistungspflichten,
die nur von medizinisch ausgebildetem Fachpersonal erfüllt werden könnten, scheiden dann regelmäßig aus. Ist die Einrichtung
hingegen nach ihrem Aufgabenprofil auf eine besondere Zielgruppe ausgerichtet, bei der ständig bestimmte behandlungspflegerische
Maßnahmen erforderlich werden, und ist die Einrichtung deshalb entsprechend sächlich und personell auszustatten, hat sie diese
behandlungspflegerischen Maßnahmen auch zu erbringen, weil ohne sie die Eingliederungsaufgabe im Hinblick auf die Zielgruppe
der Einrichtung nicht erreicht werden kann. Es ist daher - so wie es die HKP-Richtlinie vorgibt - im jeweiligen Einzelfall
zu prüfen, ob die Einrichtung die konkrete behandlungspflegerische Maßnahme nach ihrem Aufgabenprofil, der Ausrichtung auf
ein bestimmtes Bewohnerklientel und insbesondere aufgrund ihrer sächlichen und personellen Ausstattung selbst zu erbringen
hat. Der Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe wird dadurch nicht betroffen, weil die sächliche und personelle Ausstattung
dieser Einrichtungen für die Eingliederungsleistungen ohnehin vorzuhalten ist, die Gewährung von Eingliederungshilfe deutlich
im Vordergrund steht und die Leistungen der Behandlungspflege dann untrennbarer Bestandteil der Eingliederungshilfe sind.
f) Dieses Ergebnis führt zu einer Parallele zu den Pflegehilfsmitteln, die nach der Rechtsprechung des BSG (vgl hierzu BSGE 85, 287 = SozR 3-2500 § 33 Nr 37) von Einrichtungen vorzuhalten sind. Danach hat der Träger eines Pflegeheimes alle Hilfsmittel bereitzustellen, die
zur sachgerechten Durchführung der in zugelassenen Pflegeheimen gewöhnlich anfallenden Pflegeleistungen erforderlich sind.
Obwohl die Pflegeheime nach §
43 SGB XI nicht nur zur Pflege und sozialen Betreuung, sondern auch zur medizinischen Behandlungspflege verpflichtet sind, gehören
Hilfsmittel, die der Durchführung von Behandlungspflege dienen, nur dann zu dem vom Heimträger vorzuhaltenden Inventar, wenn
sich dies im Einzelfall aus dem Versorgungsvertrag bzw der Leistungs- oder Qualitätsvereinbarung ergibt. Die Vorhaltepflicht
eines Pflegeheims, in dem überwiegend Pflegebedürftige nach der Pflegestufe I leben, sieht danach zB anders aus als bei Pflegeheimen
mit beatmungsbedürftigen Schwerstpflegebedürftigen oder Apallikern (BSGE 89, 271 = SozR 3-2500 § 33 Nr 43).
g) In Einrichtungen, die aufgrund entsprechender Verträge auch medizinische Behandlungspflege zu erbringen haben, besteht
für Versicherte ein Anspruch hierauf gegen die Einrichtung "nach den gesetzlichen Bestimmungen" im Sinne von I. 6. Satz 1
HKP-Richtlinie. Denn wirksame und rechtmäßige vertragliche Regelungen können Ansprüche "nach gesetzlichen Bestimmungen" begründen,
soweit diese eine Regelung durch entsprechende Verträge ausdrücklich vorsehen. Daher wird in der Literatur und der Rechtsprechung
nicht zwischen vertraglichen und gesetzlichen Ansprüchen auf Behandlungspflege gegen den Einrichtungsträger unterschieden
(vgl zB BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 2 sowie Weber, NZS 2011, 650, 653; ausdrücklich auch LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 24.10.2012 - L 4 KR 30/10 - Juris; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 22.11.2011 - L 10 KR 32/11 B ER - Juris).
h) Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen grundsätzlich geeignete Orte
für die Erbringung von häuslicher Krankenpflege nach §
37 SGB V durch die gesetzliche Krankenversicherung sein können, wenn der Versicherte im Einzelfall keinen Anspruch auf die Erbringung
der Maßnahme durch die Einrichtung hat. Im Rahmen der von der Einrichtung geschuldeten Pflege hat diese grundsätzlich nur
einfachste Maßnahmen der medizinischen Behandlungspflege zu erbringen, für die es keiner besonderen medizinischen Sachkunde
oder medizinischer Fertigkeiten bedarf und die daher regelmäßig von dem in der Einrichtung beschäftigten Personal, wie von
jedem erwachsenen Haushaltsangehörigen, ohne Weiteres ausgeführt werden können. Insoweit ist zur Abgrenzung auch §
37 Abs
3 SGB V heranzuziehen. Danach ist der Anspruch auf häusliche Krankenpflege ausgeschlossen, soweit eine im Haushalt lebende Person
den Kranken in dem erforderlichen Umfang pflegen und versorgen kann. Das bedeutet nicht, wie die Klägerin meint, dass die
Betreuer in den Eingliederungseinrichtungen damit in jeder Hinsicht pflegebereiten Haushaltsangehörigen iS des §
37 Abs
3 SGB V gleichgestellt werden. Soweit die Klägerin dies schon im Hinblick auf das "professionelle Selbstverständnis" der Mitarbeiter/innen
der Einrichtungen ausschließen will, besteht Anlass zu dem Hinweis, dass sich dieses "Selbstverständnis" nur im Rahmen der
gesetzlichen Vorgaben entfalten kann. Im Übrigen entnimmt der Senat §
37 Abs
2 SGB V im hier maßgeblichen Zusammenhang nur, dass es nach den gesetzlichen Regelungen Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege gibt,
die ohne medizinische Vorkenntnisse von Laien erbracht werden können. Das gilt auch für Mitarbeiter in Einrichtungen der Eingliederungshilfe.
Dazu gehört zB regelmäßig die Gabe von Tabletten nach ärztlicher Anweisung, das Messen des Blutdrucks oder des Blutzuckergehalts,
das Anziehen von Thrombosestrümpfen, das An- und Ablegen einfach zu handhabender Stützverbände, das Einreiben mit Salben (soweit
es sich nicht um schwierige Wundversorgung handelt), die Verabreichung von Bädern. Weitergehende medizinische Behandlungspflege
schuldet die Einrichtung hingegen nur, wenn sich dies aus ihren Verträgen, ihrer Leistungsbeschreibung, ihrem Aufgabenspektrum
auch unter Berücksichtigung ihrer Zielgruppe und ihrer sächlichen und personellen Ausstattung ergibt. Die Injektionen und
die Verbandwechsel bei der medizinischen Versorgung eines Fußgeschwürs gehören danach in der Regel nicht zum Aufgabenbereich
von Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe.
3. Nach dem sich aus der Vereinbarung nach § 75 Abs 3 SGB XII zwischen der Klägerin und dem beigeladenen Einrichtungsträger ergebenden Aufgabenspektrum der Einrichtung, ihrer Zielgruppe,
der von ihr zu erbringenden Leistungen und vorzuhaltenden personellen Ausstattung handelt es sich um ein niederschwelliges
Leistungsangebot für obdachlose Menschen mit einer psychischen Auffälligkeit (vgl Anlage 1 zur Vereinbarung nach § 75 Abs 3 SGB XII, 3.). Die von der Einrichtung zu leistenden Hilfen (vgl Anlage 1 zur Vereinbarung nach § 75 Abs 3 SGB XII, 4.) beziehen sich daher insbesondere auf Störungen in sozialen, psychischen und auch körperlichen Bereichen und bewegen
sich somit ua auch in einem Grenzbereich zur Hilfe bei Krankheit. Ausdrücklich werden Hilfen bei der Gesundheitsversorgung
benannt und darunter zB die Hilfestellung bei der Einhaltung der notwendigen gesundheitlichen Maßnahmen aufgeführt. Die Hilfe
wird in Form von Beratung, Unterstützung, Förderung, Organisation, Planung sowie stellvertretender Ausführung gewährt (vgl
Anlage 1 zur Vereinbarung nach § 75 Abs 3 SGB XII, 5.). Zur personellen Ausstattung gehört Fachpersonal aus den Bereichen Sozialarbeit, Sozialpädagogik und Pädagogik (vgl
Anlage 1 zur Vereinbarung nach § 75 Abs 3 SGB XII, 6.).
Eine Hilfeleistung bei der oralen Einnahme von Tabletten nach ärztlicher Anweisung sowie beim Blutdruckmessen gehört danach
zu der von dem beigeladenen Einrichtungsträger im JJH geschuldeten pädagogischen Beratung, Betreuung und Unterstützung bei
der Alltagsbewältigung und den lebenspraktischen Verrichtungen. Für das Herrichten und Verabreichen von Tabletten nach ärztlicher
Anweisung und das Blutdruckmessen ist regelmäßig keine medizinische Fachkunde erforderlich, und die in der Einrichtung tätigen,
vorwiegend pädagogisch oder sozialpädagogisch ausgebildeten Mitarbeiter dürften nach kurzer Einweisung in der Lage sein, dafür
zu sorgen, dass jeder Bewohner die ihm verordneten Medikamente entsprechend der ärztlichen Anordnung einnimmt und ggf seinen
Blutdruck misst bzw messen lässt. Denn für jeden Hilfeberechtigten ist ein individueller Hilfeplan aufzustellen. Darin kann
auch die einzunehmende Medikation eingetragen werden, zumal nach der mit dem Versicherten abgeschlossenen Beratungs- und Betreuungsvereinbarung
die notwendige, ärztlich verordnete Medikation einzuhalten ist.
Der Erstattungsanspruch der Klägerin beschränkt sich somit auf jene Kosten, die zur häuslichen Krankenpflege in Form der Verabreichung
der Injektionen und der regelmäßigen Verbandwechsel aufgewendet worden sind; denn nur insoweit bestand ein Sachleistungsanspruch
des Versicherten gegen die Beklagte nach §
37 Abs
2 SGB V. Die Leistung häuslicher Krankenpflege in Form der Hilfe bei der oralen Einnahme von Medikamenten und beim Blutdruckmessen
ist von der Beklagten hingegen zu Recht abgelehnt worden, weil diese Maßnahmen in die Zuständigkeit der von der Beigeladenen
betriebenen Einrichtung fielen. Die Höhe der erstattungsfähigen Kosten wird nunmehr das LSG zu ermitteln haben.
4. Das LSG hat im Zuge des erneut durchzuführenden Berufungsverfahrens auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden.
5. Der Streitwert ergibt sich aus §
197a Abs
1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 47 Abs 1, § 52 Abs 1, 3 GKG.