Weiterzahlung von Krankengeld
Divergenzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Formgerechte Darlegung einer Divergenz
Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze in den miteinander zu vergleichenden Entscheidungen
1. Zur formgerechten Darlegung einer Divergenz ist nicht nur eine Entscheidung genau zu bezeichnen, von der die Entscheidung
des LSG abgewichen sein soll; zusätzlich ist deutlich zu machen, worin genau die Abweichung zu erachten sein soll.
2. Dazu muss aufgezeigt werden, zu welcher konkreten Rechtsfrage eine die Berufungsentscheidung tragende Abweichung in den
rechtlichen Ausführungen enthalten sein soll.
3. Allein die Behauptung einer Abweichung ist nicht ausreichend.
4. Weitere Voraussetzung ist, dass das Revisionsgericht die oberstgerichtliche Rechtsprechung in einem künftigen Revisionsverfahren
seiner Entscheidung zu Grunde zu legen haben wird; auch dies muss vom Beschwerdeführer dargelegt werden.
Gründe:
I
Das Bayerische LSG hat mit Urteil vom 1.3.2018 einen Anspruch der Klägerin auf Weiterzahlung von Krankengeld über den 3.7.2015
hinaus verneint, weil für den 4.7. und 5.7.2015 Arbeitsunfähigkeit (AU) nicht bescheinigt worden sei. Die erst am 6.7.2015
erfolgte Bescheinigung habe nach §
46 S 1 Nr 2
SGB V (in der bis zum 22.7.2015 geltenden aF) den Anspruch auf Krankengeld erst ab dem 7.7.2015 entstehen lassen können. Zu diesem
Zeitpunkt sei die Klägerin nicht mehr mit Anspruch auf Krankengeld bei der Beklagten versichert gewesen, nachdem ihr Arbeitsverhältnis
am 30.6.2015 geendet habe.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem vorgenannten Urteil hat die Klägerin Beschwerde eingelegt. Sie beruft sich auf
eine Rechtsprechungsabweichung (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG).
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die Klägerin den geltend gemachten Zulassungsgrund der Divergenz nicht
formgerecht aufgezeigt hat (§
160a Abs
2 S 3
SGG). Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß §
160a Abs
4 S 1 Halbs 2 iVm §
169 S 2 und 3
SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Divergenz liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht
übereinstimmen. Dies ist der Fall, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz aufgestellt hat, der von einem vorhandenen
abstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn das Urteil des LSG nicht
den Kriterien entspricht, die das BSG aufgestellt hat, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat.
Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die
Zulassung der Revision wegen Abweichung. Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, dass das angefochtene
Urteil auf der Abweichung beruht.
Zur formgerechten Rüge des Zulassungsgrundes der Divergenz gehört es, in der Beschwerdebegründung nicht nur eine Entscheidung
genau zu bezeichnen, von der die Entscheidung des LSG abgewichen sein soll; es ist auch deutlich zu machen, worin genau die
Abweichung zu erachten sein soll. Der Beschwerdeführer muss daher darlegen, zu welcher konkreten Rechtsfrage eine die Berufungsentscheidung
tragende Abweichung in den rechtlichen Ausführungen enthalten sein soll. Er muss mithin einen abstrakten Rechtssatz der vorinstanzlichen
Entscheidung und einen abstrakten Rechtssatz aus dem höchstrichterlichen Urteil so bezeichnen, dass die Divergenz erkennbar
wird. Nicht hingegen reicht es aus, auf eine bestimmte höchstrichterliche Entscheidung mit der Behauptung hinzuweisen, das
angegriffene Urteil weiche hiervon ab. Schließlich muss aufgezeigt werden, dass das Revisionsgericht die oberstgerichtliche
Rechtsprechung in einem künftigen Revisionsverfahren seiner Entscheidung zu Grunde zu legen haben wird (zum Ganzen vgl BSG vom 25.9.2002 - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 f mwN). Diesen Darlegungserfordernissen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Die Klägerin ist der Ansicht, das LSG sei von der im Senatsurteil vom 11.5.2017 (B 3 KR 22/15 R - SozR 4-2500 § 46 Nr 8 - auch für BSGE vorgesehen) in der RdNr 34 dargestellten Zusammenstellung der Ausnahmegründe, unter
welchen Voraussetzungen dem Krankengeldanspruch Versicherter eine nachträglich erfolgte ärztliche AU-Feststellung nicht entgegenstehe,
abgewichen. Sie meint, das LSG habe diesen Vorgaben hinzugefügt, dass "der Vertragsarzt selbst, und nicht etwa dessen Arzthelferin,
diese Fehlentscheidung trifft" und darüber hinaus, dass "der Versicherte im Rahmen des Arztbesuchs einen Hinweis auf die Notwendigkeit
eines frühen Termins erteilen muss" (Beschwerdebegründung S 3).
Dieser Vortrag reicht für das formgerechte Aufzeigen einer Divergenz nicht aus. Denn es fehlt an der Darlegung der Nichtübereinstimmung
der Urteile im Grundsätzlichen. Ausweislich der Entscheidungsgründe des LSG (dort S 8) hat das LSG die im og Urteil des BSG unter RdNr 34 erfolgte Zusammenstellung wörtlich wiedergegeben und hat im Anschluss diese Maßstäbe auf den Fall der Klägerin
angewandt. Es hat daraus geschlussfolgert, dass die Voraussetzungen für einen weiteren Krankengeldanspruch nicht vorlägen,
weil die Klägerin nicht rechtzeitig innerhalb der anspruchsbegründenden bzw -erhaltenen Zeit, spätestens am 3.7.2015 einen
Arzt persönlich aufgesucht und ihre Beschwerden geschildert habe. Vielmehr habe sie sich damit zufrieden gegeben, dass ihr
die Arzthelferin einen Termin am 6.7.2015 zugeteilt habe.
Im Kern ihres Vortrags rügt die Klägerin nicht die Abweichung von abstrakten, sich widersprechenden Rechtssätzen, sondern
sie bemängelt im Kern, dass das LSG die Maßstäbe des BSG unzutreffend auf ihren Fall angewandt habe. Eine sog Subsumtionsrüge stellt aber nach ständiger Rechtsprechung des BSG keinen Revisionszulassungsgrund dar (stRspr, vgl BSG Beschluss vom 17.6.2009 - B 6 KA 6/09 B - Juris RdNr 16; zuletzt Senatsbeschluss vom 27.6.2018 - B 3 KR 54/17 B - Juris RdNr 9). Nichts anderes gilt auch für den Vortrag der Klägerin, das LSG habe die vom BSG aufgestellten Vorgaben um das Tatbestandsmerkmal der "Hinweispflicht" erweitert. Auch hierin liegt nicht die Darlegung der
Nichtübereinstimmung von abstrakten Rechtssätzen im Grundsätzlichen. Schließlich stellt der sinngemäße Vortrag, dass das LSG
den Rechtsstreit vermeintlich falsch entschieden habe, keinen Revisionszulassungsgrund dar (stRspr, vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von §
193 Abs
1 SGG.