Heilmittelversorgung als öffentlich-rechtliche Leistungsberechtigung
Rechtsverhältnis zwischen Krankenkasse und Heilmittelerbringer
1. In der Rechtsprechung des BSG zur Versorgung der Versicherten mit Heilmitteln ist geklärt, dass §
125 Abs.
2 Satz 1
SGB V im Zusammenspiel mit den konkretisierenden vertraglichen Vereinbarungen eine öffentlich-rechtliche Leistungsberechtigung
und -verpflichtung für die zugelassenen Heilmittelerbringer begründet, die Versicherten mit vertragsärztlich verordneten Heilmittel
zu versorgen.
2. Dies entspricht der allgemeinen Konzeption, die nach übereinstimmender Rechtsprechung des 1. und des 3. Senats des BSG dem Vergütungsrecht der nichtärztlichen Leistungserbringer zugrunde liegt.
3. Es ist höchstrichterlich geklärt, dass der Vergütungsanspruch nicht auf einem Behandlungsvertrag zwischen der Krankenkasse
und dem Heilmittelerbringer beruht, der durch die Annahme eines vom verordnenden Arzt in Vertretung für die Krankenkasse abgegebenes
Angebot und dessen Annahme durch den Heilmittelerbringer zustande kommt.
Gründe:
I
Die Klägerin betreibt eine physiotherapeutische Praxis und ist zur Abgabe physikalischer Therapien an gesetzlich Krankenversicherte
zugelassen. In den Jahren 2007 und 2008 erbrachte sie auf ärztliche Verordnungen der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie
Dr. J., in denen "Krankengymnastik ZNS" verordnet war, lediglich Leistungen der allgemeinen Krankengymnastik, die auf den
ärztlichen Verordnungen als "KG" zu bezeichnen gewesen wären. Die Klägerin berechnete auch lediglich die erbrachten, nicht
die verordneten Leistungen, die mit einem höheren Satz zu vergüten gewesen wären. Die Beklagte forderte die von ihr gezahlte
Vergütung insgesamt in Höhe von 22 424,10 Euro zurück, von denen die Klägerin inzwischen 7700 Euro an die Beklagte gezahlt
hat. Mit ihrer Klage fordert die Klägerin die Rückzahlung dieser 7700 Euro sowie die Feststellung des Nichtbestehens einer
Rückzahlungsverpflichtung in Höhe von 14 724,10 Euro. Sie macht geltend, die Ärztin habe das Kürzel "ZNS" allein aus Gründen
der innerbetrieblichen Statistik angebracht, tatsächlich habe sie aber die (einfache) "Krankengymnastik" verordnen wollen,
wie sie auch von der Klägerin erbracht worden sei. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 8.9.2011). Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Beschluss vom 24.7.2014)
und ausgeführt, die Klägerin hätte nicht eine andere als die in der ärztlichen Verordnung ausdrücklich angewiesene Leistung
erbringen dürfen. Bei Zweifeln an der textlichen Fassung der ärztlichen Verordnung in Bezug auf die tatsächlich bezweckte
Therapie hätte die Klägerin auf eine Klärung hinwirken müssen. Nach der Rechtsprechung des BSG setze ein Vergütungsanspruch des Heilmittelerbringers eine Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen für die Versorgung, insbesondere
eine Überprüfung der ärztlichen Verordnung auf Vollständigkeit und Plausibilität voraus. Es sei nicht zu beanstanden, dass
dadurch nunmehr die gesamte Vergütung in vollem Umfang für die Klägerin ausfalle.
Mit ihrer Beschwerde rügt die Klägerin die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist jedenfalls unbegründet, soweit sie nicht bereits unzulässig ist. Die Klägerin
beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG). Die Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung erfordert eine Rechtsfrage, der eine über den Einzelfall hinausgehende allgemeine
Bedeutung zukommt und die noch nicht geklärt und für den zu entscheidenden Fall erheblich, dh klärungsfähig ist (vgl Leitherer
in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl 2014, §
160 RdNr 6 ff, mwN).
Die Klägerin hält folgende Frage für klärungsbedürftig:
"Kann sich die Beklagte abweichend von den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen über die Wissenszurechnung gemäß §
166 BGB darauf berufen darf, dass eine in ihrem Namen durch die sie vertretende und die Verordnung ausstellende Ärztin abgegebendes
Angebot für die Beklagte deshalb nicht bindend ist, weil die Verordnung der Ärztin objektiv nicht eindeutig war, obwohl für
die Klägerin als Empfängerin des Angebotes dessen tatsächlicher und gewollter Inhalt offensichtlich war und sie auch bereit
war, entsprechend diesen für sie offensichtlichen Angebots einen Behandlungsvertrag abzuschließen und die sich daraus ergebenden
Verpflichtungen zu erfüllen."
Der von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfrage kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Sie basiert auf der Prämisse, ein
Behandlungsvertrag zwischen der Krankenkasse und dem Heilmittelerbringer komme dadurch zustande, dass der Heilmittelerbringer
ein Angebot annehme, das der eine Verordnung für Heilmittel ausstellende Arzt stellvertretend für die Krankenkasse abgebe.
Da diese Prämisse nicht zutrifft, kann der von der Klägerin herausgestellten Rechtsfrage von vornherein keine grundsätzliche
Bedeutung zukommen. Der Senat könnte und müsste sich mit ihr im Falle einer Zulassung der Revision nicht befassen. Damit entfällt
die Klärungsbedürftigkeit.
In der Rechtsprechung des BSG zur Versorgung der Versicherten mit Heilmitteln ist geklärt, dass §
125 Abs
2 Satz 1
SGB V im Zusammenspiel mit den konkretisierenden vertraglichen Vereinbarungen eine öffentlich-rechtliche Leistungsberechtigung
und -verpflichtung für die zugelassenen Heilmittelerbringer begründet, die Versicherten mit vertragsärztlich verordneten Heilmittel
zu versorgen. Dies entspricht der allgemeinen Konzeption, die nach übereinstimmender Rechtsprechung des 1. und des 3. Senats
des BSG dem Vergütungsrecht der nichtärztlichen Leistungserbringer zugrunde liegt (BSGE 109, 116 = SozR 4-2500 § 125 Nr 7, RdNr 11; vgl zB für Apotheker BSGE 106, 303 = SozR 4-2500 § 129 Nr 6, RdNr 13; BSGE 105, 157 = SozR 4-2500 § 129 Nr 5, RdNr 12 ff; für Krankenhäuser BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 15; BSGE 92, 300 = SozR 4-2500 § 39 Nr 2, RdNr 7, jeweils mwN). Der 1. Senat hat in der zitierten Entscheidung vom 13.9.2011 (BSGE 109, 116 = SozR 4-2500 § 125 Nr 7, RdNr 11) ausdrücklich ausgeführt, dass sich die Versorgung mit Heilmitteln nicht nach dem Recht
des Dienstvertrages richte, sondern die Heilmittelerbringer eine öffentlich-rechtliche Leistungspflicht erfüllen und dafür
einen durch Normverträge näher ausgestalteten gesetzlichen Anspruch auf Vergütung gegen die Krankenkassen erwerben. Es handelt
sich mithin um einen öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrag, in welchem dem zugelassenen Heilmittelerbringer ein gesetzlicher
Vergütungsanspruch gegen die Krankenkassen allein daraus erwächst, dass er die Leistung entsprechend seiner Berechtigung und
Verpflichtung aufgrund ordnungsgemäßer vertragsärztlicher Verordnung für einen Versicherten erbringt. Es ist damit höchstrichterlich
geklärt, dass der Vergütungsanspruch nicht auf einem Behandlungsvertrag zwischen der Krankenkasse und dem Heilmittelerbringer
beruht, der durch die Annahme eines vom verordnenden Arzt in Vertretung für die Krankenkasse abgegebenes Angebot und dessen
Annahme durch den Heilmittelerbringer zustande kommt. Die von der Klägerin zum Vertragsrecht aufgeworfenen Fragen zum übereinstimmenden
Verständnis von "Angebot" und "Annahme" stellen sich deshalb im Rechtsverhältnis zwischen ihr als Leistungserbringer und der
beklagten Krankenkasse von vornherein nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 3
SGG iVm §
154 Abs
2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung basiert auf §
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 1
SGG iVm § 63 Abs 2, § 47 Abs 3, § 52 Abs 1 und 3 GKG.