Gründe:
I
Streitig ist ein Anspruch der Klägerin auf Versorgung mit einem Rollstuhl-Bike.
Die 1987 geborene Klägerin leidet an einer angeborenen Spaltbildung der Wirbelsäule (spina bifida) mit Paraparese der Beine.
Sie ist mit einem manuell zu bewegenden Rollstuhl (Aktivrollstuhl) versorgt. Im Januar 2006 beantragte die Klägerin unter
Vorlage eines vom Sanitätshaus D. erstellten Angebots und einer das Begehren befürwortenden ärztlichen Bescheinigung die Versorgung
mit einem Rollstuhl-Bike zum Preis von 3323,83 Euro. Die Beklagte lehnte den Leistungsantrag mit der Begründung ab, das begehrte
Hilfsmittel sei zum Ausgleich einer Behinderung nicht erforderlich (Bescheid vom 1.2.2006; Widerspruchsbescheid vom 11.7.2006).
Das SG hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Klägerin mit einem Hand-Bike gemäß dem Kostenvoranschlag
des Sanitätshauses D. vom 31.1.2006 iVm der ärztlichen Verordnung der Dres. B. vom 20.1.2006 zu versorgen (Urteil vom 10.9.2008).
Diese Versorgung sei nach dem eingeholten Sachverständigengutachten erforderlich, um einer weiteren Überlastung des Schulter-Ellenbogenbereichs
durch die Verwendung des Aktivrollstuhls vorzubeugen. Das LSG hat das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen
(Urteil vom 10.6.2010): Das Rollstuhl-Bike sei zur Gewährleistung des allgemeinen Grundbedürfnisses auf Mobilität und auf
Erschließung eines gewissen körperlichen Freiraums iS des in die Zuständigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV)
fallenden Basisausgleichs (Nahbereich der Wohnung) nicht erforderlich. Der Nahbereich der Wohnung beschreibe den Radius, den
sich ein behinderter Versicherter mittels eines Aktivrollstuhls erschließen können müsse. Dieser Radius könne unter Rückgriff
auf den für die rentenversicherungsrechtliche Wegefähigkeit geltenden Grenzwert von 500 m konkretisiert werden. Die Klägerin
sei nach den gutachterlichen Feststellungen in der Lage, eine über 500 m liegende Wegstrecke in einem zeitlichen Rahmen von
20 Minuten mit dem Aktivrollstuhl zu bewältigen. Dies sei zur Verwirklichung des Grundbedürfnisses auf Mobilität ausreichend.
Die Klägerin hat ihre Mitgliedschaft bei der Beklagten zum 30.6.2010 gekündigt und ist seit dem 1.7.2010 Mitglied der Techniker-Krankenkasse
(TKK).
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Das Rollstuhl-Bike sei im vorliegenden
Einzelfall sowohl zur Sicherung des Erfolges einer Krankenbehandlung (§
33 Abs
1 Satz 1 Variante 1
SGB V) als auch zum Ausgleich einer Behinderung (§
33 Abs
1 Satz 1 Variante 3
SGB V) erforderlich, weil durch die Nutzung des Rollstuhl-Bikes zum einen das Fortschreiten der degenerativen Veränderungen im
Bereich der oberen Extremitäten verhindert und zum anderen die Erschließung des Nahbereichs und somit die Verwirklichung eines
allgemeinen Grundbedürfnisses sichergestellt werde. Der Nahbereich könne mit dem vorhandenen Aktivrollstuhl nur unter Schmerzen
und übermäßigen Anstrengungen erschlossen werden. Die abweichende Beurteilung des Anspruchs durch das LSG beruhe auf einer
unzulässigen Übertragung des für die rentenversicherungsrechtliche Wegefähigkeit geltenden Maßstabes. Die Leistungspflicht
der Beklagten werde auch nicht durch den nach Abschluss der letzten Tatsacheninstanz vorgenommenen Krankenkassenwechsel (KKWechsel)
berührt, weil sie das ihr in Bezug auf die Hilfsmittelversorgung zustehende Wahlrecht bereits konkretisiert habe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. Juni 2010 zu ändern und die Berufung der Beklagten gegen das
Urteil des Sozialgerichts Köln vom 10. September 2008 zurückzuweisen; hilfsweise, die Techniker-Krankenkasse gemäß §
75 Abs
2, 2. Alt iVm §
168 Satz 1, 2. Alt
SGG beizuladen, die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. Juni 2010 und des Sozialgerichts Köln vom 10.
September 2008 zu ändern und die Beigeladene zu verurteilen, die Klägerin mit einem Rollstuhl-Bike zu versorgen; weiter hilfsweise,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. Juni 2010 zu ändern und festzustellen, dass der Ablehnungsbescheid
der Beklagten vom 1. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 2006 rechtwidrig gewesen ist.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Berufungsurteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die zulässige Revision ist nach Maßgabe des zweiten Hilfsantrages begründet (dazu unter C.). Hinsichtlich der mit dem Hauptantrag
begehrten Verurteilung der Beklagten zur Gewährung eines Rollstuhl-Bikes als Sachleistung ist die Revision hingegen unbegründet,
weil die Beklagte aufgrund des KK-Wechsels ab dem 1.7.2010 nicht mehr zur Leistung verpflichtet ist (dazu unter A.). Bezüglich
des ersten Hilfsantrages ist die Revision ebenfalls unbegründet, da die ab dem 1.7.2010 für die Klägerin zuständige TKK nicht
zum Verfahren beizuladen war (dazu unter B.).
A. Das LSG hat im Ergebnis zu Recht einen gegen die Beklagte gerichteten Anspruch der Klägerin auf Versorgung mit einem Rollstuhl-Bike
abgelehnt. Ausschlaggebend für den fehlenden Leistungsanspruch ist jedoch nicht - wie vom LSG angenommen - das Fehlen der
materiell-rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen des §
33 Abs
1 Satz 1
SGB V, sondern der Umstand, dass die Leistungspflicht der Beklagten nach Verkündung des LSG-Urteils aufgrund der Kündigung des
klägerischen Mitgliedschaftsverhältnisses am 30.6.2010 erloschen ist.
Diese Bindung der Leistungspflicht an die Mitgliedschaft ergibt sich aus §
19 Abs
1 Halbs 1
SGB V, wonach der Anspruch auf Leistungen mit dem Ende der Mitgliedschaft erlischt. Die Vorschrift erfasst nicht nur das Ausscheiden
aus der GKV schlechthin, sondern auch die Fälle des KK-Wechsels (BSGE 99, 102 = SozR 4-2500 §
19 Nr
4 RdNr
12 mwN). §
19 Abs
1 SGB V gilt auch für einmalige Leistungen (BSGE 90, 220, 229 = SozR 4-2500 § 33 Nr 1 S 11 mwN). Maßgebend für die Leistungspflicht ist in diesen Fällen die im Zeitpunkt der tatsächlichen
Leistungserbringung, dh der Abgabe des Hilfsmittels, bestehende Mitgliedschaft (BSGE 90, 220, 229 f = SozR 4-2500 § 33 Nr 1 S 11), so dass die Beklagte vorliegend ab dem 1.7.2010 nicht mehr zur Gewährung des Rollstuhl-Bikes
verurteilt werden kann.
Für einen Leistungsanspruch nach beendeter Mitgliedschaft (sog nachgehender Leistungsanspruch) bestehen keine gesetzlichen
Anknüpfungspunkte. Nachgehende Leistungsansprüche sind als Ausnahme von der das Versicherungsprinzip zum Ausdruck bringenden
Regel des §
19 Abs
1 Halbs 1
SGB V grundsätzlich nur zulässig, wenn sie im
SGB V bestimmt sind (§
19 Abs
1 Halbs 2
SGB V). Entsprechende Bestimmungen finden sich ua in §
19 Abs
2 und
3 SGB V, deren Voraussetzungen hier aber nicht vorliegen. Darüber hinaus sind Abweichungen nur gestattet, wenn ein nachgehender Leistungsanspruch
zum Schutz des Versicherten erforderlich ist. Eine solche besondere Schutzbedürftigkeit ist allerdings nicht schon dann anzunehmen,
wenn der Versicherte sein Wahlrecht auf ein bestimmtes Hilfsmittel konkretisiert und die frühere Krankenkasse (KK) den geltend
gemachten Versorgungsanspruch zu Unrecht abgelehnt hat, sich mit der Leistungserbringung also im Verzug befindet. Soweit der
Senat in seiner Entscheidung vom 23.1.2003 (B 3 KR 7/02 R - BSGE 90, 220, 229 f = SozR 4-2500 § 33 Nr 1 S 10 f) in einer entsprechenden Fallkonstellation einen nachgehenden Leistungsanspruch bejaht
hat, wird diese Rechtsprechung im Hinblick auf die Zweckbestimmung des §
19 SGB V nicht fortgeführt.
Mit der Einführung des §
19 SGB V durch das Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen vom 20.12.1988 (BGBl I 2477) wollte der Gesetzgeber die bis zu diesem
Zeitpunkt nach den Vorschriften der
RVO und deren Auslegung durch die Rechtsprechung bestehende Vielzahl nachgehender Leistungsansprüche (dazu Noftz in Hauck/Noftz,
SGB V, §
19 RdNr 36 f mwN) auf ein "vertretbares Maß" zurückführen (BT-Drucks 11/2237 S 166). Zu diesem Zweck hat er das bis zum 31.12.1988
zugunsten nachgehender Leistungsansprüche bestehende Regel-Ausnahme-Verhältnis umgekehrt, so dass nunmehr das Versicherungsprinzip
gilt (§
19 Abs
1 Halbs 1
SGB V), von dem nur in eng begrenzten und gesetzlich geregelten Ausnahmefällen (§
19 Abs
1 Halbs 2 iVm Abs
2 und
3 SGB V) abgewichen werden darf. Von dieser Zielsetzung ausgehend können zusätzlich zu den gesetzlich geregelten, aber vorliegend
nicht einschlägigen nachgehenden Leistungsansprüchen nur weitere Ausnahmen vom Versicherungsprinzip anerkannt werden, wenn
eine den gesetzlich normierten Ausnahmetatbeständen (§
19 Abs
2 und
3 SGB V) vergleichbare Interessenlage besteht. Diese ist durch eine Versicherungsnähe in zeitlicher Hinsicht, eine besondere Schutzbedürftigkeit
des Versicherten und die Beendigung der Mitgliedschaft durch plötzliche, unvorhersehbare und unvermeidbare Umstände (Noftz
aaO RdNr 24 f) gekennzeichnet, wobei die für einen nachgehenden Leistungsanspruch notwendige besondere Schutzbedürftigkeit
des Versicherten nur vorliegt, wenn ein solcher Anspruch erforderlich ist, um Lücken im Versicherungsschutz zu vermeiden (BT-Drucks
11/2237 S 166). Bei einem KK-Wechsel besteht - zumindest in den ersten Monaten nach dem Ende der Mitgliedschaft bei der alten
KK - noch eine gewisse Nähe zu dem alten Versicherungsverhältnis. Allerdings bedarf der Versicherte in diesen Fällen - anders
als in den Fällen der beendeten Mitgliedschaft - nicht des Schutzes durch einen nachgehenden Leistungsanspruch, soweit er
die Möglichkeit hat, den primären Anspruch gegenüber der neuen KK geltend zu machen; die Gefahr einer Versicherungslücke besteht
dann nicht. Dies gilt auch, wenn das gegen die alte KK gerichtete Leistungsbegehren bereits Gegenstand eines gerichtlichen
Verfahrens ist, weil die vom Versicherten erworbenen "Prozessfrüchte" mit einer gegen die alte KK gerichteten Fortsetzungsfeststellungsklage
gesichert werden können. Zudem wird die Mitgliedschaft bei einem KK-Wechsel nicht - wie in den Fallkonstellationen des §
19 Abs
2 und
3 SGB V - durch ein unvorhersehbares und unvermeidbares Ereignis beendet, sondern ist in der Regel auf eine bewusste und geplante
Entscheidung des Versicherten zurückzuführen.
Es ist auch nicht davon auszugehen, dass die der Entscheidung des 3. Senats vom 23.1.2003 (BSGE 90, 220, 229 f = SozR 4-2500 § 33 Nr 1 S 10 f) zugrunde liegende Fallkonstellation vom Gesetzgeber übersehen wurde und somit eine
planwidrige Regelungslücke besteht, die im Wege der gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung geschlossen werden könnte. Die in
§
19 Abs
2 und
3 SGB V geregelten Ausnahmetatbestände lassen vielmehr erkennen, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit einer fortwirkenden Leistungspflicht
in Erwägung gezogen, sie aber nur in sachlich und zeitlich eng begrenzten Fällen für zulässig erachtet hat.
B. Die Klägerin kann im vorliegenden Verfahren auch keinen Anspruch auf die Gewährung eines Rollstuhl-Bikes durch die ab dem
1.7.2010 zuständige TKK geltend machen, weil diese weder am Rechtsstreit beteiligt ist noch - im Wege der notwendigen Beiladung
- hätte beteiligt werden müssen.
1. Die ab dem 1.7.2010 für die Klägerin zuständige TKK ist nicht im Wege eines gesetzlichen Beteiligtenwechsels an die Stelle
der bis zum 30.6.2010 für den klägerischen Anspruch zuständigen Beklagten getreten. Ein gesetzlicher Beteiligtenwechsel auf
Seiten einer juristischen Person oder Behörde (sog Funktionsnachfolge) liegt nur vor, wenn aufgrund eines nach Klageerhebung
erfolgten gesetzlichen oder behördlichen Organisationsaktes eine andere als die zunächst beklagte juristische Person bzw Behörde
zuständig wird (vgl zur Funktionsnachfolge: BSGE 99, 15 = SozR 4-3300 § 55 Nr 1 RdNr 12; BSGE 62, 269, 270 ff = SozR 1200 § 48 Nr 14 S 71 ff; BVerwGE 44, 148, 150 f; BFHE 200, 521, 523 f). Ein der Funktionsnachfolge vergleichbarer Übergang von Verwaltungsaufgaben liegt dagegen nicht vor, wenn lediglich
die Zuständigkeit aufgrund der Ausübung eines dem Versicherten gesetzlich zustehenden Wahlrechts im Einzelfall wechselt.
2. Die TKK war auch nicht zum vorliegenden Rechtsstreit notwendig beizuladen. Zwar kommt deren Leistungspflicht für das bei
der Beklagten beantragte, aber von dieser tatsächlich nicht gewährte und nach §
19 Abs
1 Halbs 1
SGB V rechtlich auch nicht mehr zu gewährende Rollstuhl-Bike aufgrund des zum 1.7.2010 vorgenommenen KK-Wechsels ernsthaft in Betracht,
so dass die Voraussetzungen für eine notwendige unechte Beiladung nach §
75 Abs
2 Alt 2
SGG grundsätzlich erfüllt sind. Gleichwohl bestand für den Senat keine Veranlassung, die ab dem 1.7.2010 zuständige TKK - mit
deren Zustimmung (§
168 Satz 2 Alt 2
SGG) - im Revisionsverfahren beizuladen. §
168 Abs
2 Alt 2
SGG berechtigt unter Berücksichtigung des Normzwecks nur zur Nachholung einer in der Vorinstanz versäumten notwendigen Beiladung
(sog vergessene Beiladung), wohingegen es dem Revisionsgericht verwehrt ist, insoweit Tatsachen zu berücksichtigen, die erst
nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz entstanden sind und bei fortgesetztem Berufungsverfahren
eine notwendige Beiladung bedingt hätten. Denn durch die mit dem Gesetz zur Entlastung der Rechtspflege vom 11.1.1993 (BGBl
I 50) eingefügte Möglichkeit einer revisionsgerichtlichen Beiladung soll im Interesse der Verfahrenskonzentration die Aufhebung
und Zurückverweisung des Rechtsstreits an die Vorinstanz allein wegen einer unterbliebenen Beiladung vermieden werden (BT-Drucks
12/1217 S 54).
Vor diesem Hintergrund darf das Revisionsgericht eine Beiladung nach §
75 Abs
2 SGG mit Zustimmung des Beizuladenden nur vornehmen, wenn die Beiladung in der Vorinstanz verfahrensfehlerhaft unterblieben ist,
denn nur dann wäre eine mögliche Zurückverweisung gerechtfertigt. Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt. Aufgrund
des erst nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem LSG erfolgten KK-Wechsels konnte das LSG die Beiladung weder
während des Berufungsverfahrens vornehmen noch durfte es diese nach dem Erlass seines Urteils nachholen. Zwar ist eine Beiladung
grundsätzlich in jeder Lage des Verfahrens und somit auch in der Zeit nach der Verkündung des Urteils bis zu seiner Zustellung
(BSG SozR 3-5420 § 3 Nr 2 S 7; BSG SozR 1500 § 62 Nr 6 S 5) oder dem Eintritt der Rechtskraft bzw der Einlegung eines Rechtsmittels möglich (BFH Urteil vom 9.7.1992 - IV R 55/90 - BFH/NV 1993, 81 mwN; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Aufl, §
75 RdNr 5b). Ob diese Rechtsauffassung wegen der erforderlichen Gewährung rechtlichen Gehörs in der Tat zutreffend ist, mag
bezweifelt werden können; dies braucht aber vorliegend nicht entschieden zu werden. Denn eine Beiladung nach Erlass des Urteils
ist bislang höchstrichterlich nur für zulässig erachtet worden, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen für eine notwendige
Beiladung bereits vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung vorgelegen hatten, die rechtzeitige Beiladung mithin pflichtwidrig
unterlassen und somit nachgeholt wurde (vgl BSG aaO und BFH aaO). Dies ist vorliegend jedoch gerade nicht der Fall.
Eine Beiladung im hiesigen Verfahren würde zudem gegen §
163 SGG verstoßen und somit in einem nicht zulässigen Wertungswiderspruch zu den Grundsätzen des Revisionsverfahrens stehen (vgl
dazu BSGE 102, 10 = SozR 4-2500 § 264 Nr 2, RdNr 11). Die Notwendigkeit der Beiladung ergibt sich vorliegend erst aus dem zum 1.7.2010 vorgenommenen
KK-Wechsel und somit aus einer Tatsache, die nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung in der letzten Tatsacheninstanz eingetreten
und daher vom Revisionsgericht nicht zu berücksichtigen ist. Soweit das LSG den KK-Wechsel in seinem Urteil als Tatsache genannt
hat, handelt es sich um eine Feststellung, die es außerhalb des ihm zustehenden Bewertungsrahmens getroffen hat und die das
Revisionsgericht nicht bindet, denn das LSG darf bei einer aufgrund mündlicher Verhandlung unter Beteiligung der ehrenamtlichen
Richter getroffenen Entscheidung nur den Tatsachenstoff berücksichtigen, der bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vorgetragen
worden ist (Grundsatz der Unmittelbarkeit, vgl §§
124 Abs
1 und
129 SGG).
Der KK-Wechsel ist letztlich auch keine Tatsache, die der Senat von Amts wegen zu berücksichtigen hat. Von Amts wegen und
somit ohne Verstoß gegen §
163 SGG zu berücksichtigen sind generelle und solche Tatsachen, die für die Zulässigkeit der Revision von Bedeutung sind, sowie solche,
deren Nichtbeachtung zu einem fortwirkenden Verstoß gegen einen im öffentlichen Interesse liegenden verfahrensrechtlichen
Grundsatz führt (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer aaO § 163 RdNr 5b und 7 mwN). Zu letzteren zählen ua die Prozessvoraussetzungen
betreffende Tatsachen. Daher hat der Senat den KK-Wechsel insoweit zu berücksichtigen, als dieser für die Zulässigkeit der
gegen die Beklagte gerichteten Klage (dazu unter C.) und somit für das streitgegenständliche Rechtsverhältnis von Bedeutung
ist, nicht hingegen in Bezug auf ein neues und bisher nicht streitgegenständliches Rechtsverhältnis.
C. Das mit dem zweiten Hilfsantrag verfolgte Klagebegehren ist als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig (dazu unter 1.
und 2.) und begründet (dazu unter 3.).
1. Mit dem KK-Wechsel haben sich die angefochtenen Bescheide der Beklagten auf andere Weise erledigt (§
131 Abs
1 Satz 3
SGG iVm § 39 Abs 2 SGB X), weil die Beklagte aufgrund der Regelung des §
19 Abs
1 SGB V ab dem 1.7.2010 rechtlich nicht mehr zur Erbringung der von der Klägerin begehrten Leistung verpflichtet ist (vgl unter A.).
Daher ist mit dem KK-Wechsel das für die Fortführung der ursprünglich zulässigen Anfechtungs- und Leistungsklage notwendige
Rechtsschutzbedürfnis entfallen. Dem hat die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat durch eine Umstellung
der Klageanträge Rechnung getragen. Die Umstellung einer Anfechtungs- und Leistungsklage auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage
ist keine Klageänderung und daher auch im Revisionsverfahren statthaft - §
99 Abs
3 Nr
3 iVm §
168 Satz 1 Alt 1
SGG (vgl dazu BSGE 99, 145 = SozR 4-2500 §
116 Nr
4, RdNr
14 mwN). §
131 Abs
1 Satz 3
SGG gilt entsprechend für die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (BSGE 78, 243, 249 = SozR 3-2500 § 109 Nr 2 S 18).
2. Das für die Fortsetzungsfeststellungsklage erforderliche besondere Interesse der Klägerin an der Feststellung der Rechtswidrigkeit
des Bescheides vom 1.2.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.7.2006 besteht unter dem Gesichtspunkt der Präjudizialität
und der Wiederholungsgefahr. Auf diese Aspekte kann ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse gestützt werden, wenn die begehrte
Feststellung unmittelbar bindend für ein anderes gerichtliches oder behördliches Verfahren ist (rechtliche Präjudizialität
- vgl dazu Kopp/Schenke,
VwGO, 16. Aufl 2009 §
113 RdNr 140) bzw ihr eine natürliche Autorität für ein anderes Rechtsverhältnis zukommt (tatsächliche Präjudizialität - Kopp/Schenke
aaO; vgl auch BFHE 108, 92, 95) oder wenn die hinreichend bestimmte Gefahr besteht, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen
Umständen eine gleichartige Entscheidung ergeht (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 4 RdNr 7 mwN). Auf diese Weise sollen erreichte Verfahrenergebnisse gesichert und Folgeprozesse vermieden werden (Kopp/Schenke
aaO RdNr 96). Vorliegend kann durch die begehrte Feststellung mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Folgeprozess über den Versorgungsanspruch
vermieden werden, denn die im hiesigen Verfahren streitige materiellrechtliche Frage ist auch für das gegenüber der neuen
KK bestehende Mitgliedschaftsverhältnis von Bedeutung. Unerheblich ist dabei, dass infolge des erledigenden Ereignisses nunmehr
eine andere Behörde für die Entscheidung über einen künftigen Antrag zuständig ist (so auch BVerwG Urteil vom 27.9.1993 -
1 B 73/93 - Buchholz 310 §
113 VwGO Nr 261; BVerwG Urteil vom 31.3.1987 - 1 C 32/84 - NJW 1987, 2179). Vielmehr ist angesichts der Bedeutung höchstrichterlicher Entscheidungen für die Rechtsfortbildung davon auszugehen, dass
sich die neue KK als an Recht und Gesetz gebundene Körperschaft des öffentlichen Rechts (§
4 Abs
1 SGB V iVm Art
20 Abs
3 GG) den Gründen eines obsiegenden Feststellungsurteils nicht verschließen wird. Darüber hinaus haben die Vorinstanzen in Bezug
auf den klägerischen Anspruch Tatsachen ermittelt, die als "erworbene Prozessfrüchte" nicht verloren gehen, sondern die Grundlage
für eine mit entsprechender "natürlicher Autorität" ausgestatteten Entscheidung bilden sollen.
3. Das zulässige Fortsetzungsfeststellungsbegehren ist auch begründet. Die Klägerin hatte unter Zugrundelegung der vom LSG
festgestellten Tatsachen bis zum 30.6.2010 einen gegen die Beklagte gerichteten Anspruch auf Versorgung mit einem Rollstuhl-Bike
als Hilfsmittel der GKV. Der diesen Anspruch ablehnende Bescheid der Beklagten vom 1.2.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 11.7.2006 war daher rechtswidrig.
a) Rechtsgrundlage für das klägerische Begehren ist §
33 Abs
1 SGB V in der zum Zeitpunkt der Erledigung (zur maßgebenden Sach- und Rechtslage bei einer Fortsetzungsfeststellungsklage vgl Keller
in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer aaO § 131 RdNr 10i; Kopp/Schenke aaO § 113 RdNr 124, 147) geltenden Fassung des Art 1 Nr 17a Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung - GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) vom 26.3.2007 (BGBl I 378). Danach haben Versicherte einen Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen
und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden
Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände
des täglichen Lebens anzusehen oder nach §
34 Abs
4 SGB V ausgeschlossen sind. Dabei besteht ein Anspruch auf Versorgung im Hinblick auf die "Erforderlichkeit im Einzelfall" nur,
soweit das begehrte Hilfsmittel geeignet, ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist und das Maß des Notwendigen nicht
überschreitet; darüber hinausgehende Leistungen darf die KK gemäß §
12 Abs
1 SGB V nicht bewilligen.
Ein gegen die Beklagte gerichteter Anspruch auf Versorgung mit einem Rollstuhl-Bike als Hilfsmittel der GKV (dazu unter b)
bestand bis zum 30.6.2010 unter dem Gesichtspunkt des Behinderungsausgleichs (dazu unter d), so dass über die Frage der Erforderlichkeit
des Hilfsmittels zur Sicherung des Erfolges einer Krankenbehandlung nicht abschließend entschieden werden muss (dazu unter
c).
b) Dem Rollstuhl-Bike kann in Bezug auf erwachsene Versicherte nicht bereits - wie vom LSG angedeutet, aber mangels Entscheidungsrelevanz
offen gelassen - die Eigenschaft als Hilfsmittel abgesprochen werden. Hilfsmittel iS von §
33 Abs
1 Satz 1
SGB V sind alle sächlichen Mittel, die den Erfolg einer Krankenbehandlung sichern, einer drohenden Behinderung vorbeugen oder eine
bestehende Behinderung ausgleichen, selbst dann, wenn ihre Anwendung durch den Versicherten selbst sicherzustellen ist (BSGE
88, 204 = SozR 3-2500 § 33 Nr 41; BSGE 87, 105, 108 f = SozR 3-2500 § 139 Nr 1 S 5; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 39 S 220). Diese Voraussetzungen erfüllt das Rollstuhl-Bike, denn die Hilfsmitteleigenschaft wird allein nach objektiven
Kriterien bestimmt. Personenbezogene Merkmale - wie zB das Alter des Versicherten - sind hierfür nicht maßgeblich. Gegenteiliges
ergibt sich auch nicht aus der Senatsentscheidung vom 16.9.1999 (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 31), wonach "ein Rollstuhl-Bike für Personen im Erwachsenenalter kein Hilfsmittel der gesetzlichen KV" ist. Mit dieser
Aussage wollte der Senat nicht die Hilfsmitteleigenschaft des Rollstuhl-Bikes für erwachsene Versicherte in Frage stellen,
sondern dessen Eignung und Erforderlichkeit zur Erreichung der Versorgungsziele des §
33 SGB V im Einzelfall beurteilen.
c) Ob das Rollstuhl-Bike als Hilfsmittel zur Sicherung des Erfolges einer Krankenbehandlung (§
33 Abs
1 Satz 1 Variante 1
SGB V) erforderlich war, kann anhand der vom LSG getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden.
Der Sicherung des Erfolges einer Krankenbehandlung dient ein sächliches Mittel, soweit es spezifisch im Rahmen der ärztlich
verantworteten Krankenbehandlung eingesetzt wird, um zu ihrem Erfolg beizutragen. Dabei kommt nur solchen Maßnahmen zur körperlichen
Mobilisation ein Bezug zur ärztlich verantworteten Krankenbehandlung iS von §
27 SGB V zu, die in einem engen Zusammenhang zu einer andauernden, auf einem ärztlichen Therapieplan beruhenden Behandlung durch ärztliche
oder ärztlich angeleitete Leistungserbringer stehen und für die gezielte Versorgung iS der Behandlungsziele des §
27 SGB V als erforderlich anzusehen sind (BSG vom 7.10.2010 - B 3 KR 5/10 R - Therapiedreirad - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, RdNr 21). Diese Voraussetzungen liegen bei einer Hilfe zur körperlichen
Betätigung vor, wenn der Versicherte aufgrund der Schwere der Erkrankung dauerhaft Anspruch auf Maßnahmen der physikalischen
Therapie hat und die durch das beanspruchte Hilfsmittel unterstützte eigene körperliche Betätigung diese Therapie entweder
wesentlich fördert oder die Behandlungsfrequenz infolge der eigenen Betätigung geringer ausfallen kann (BSG aaO). Bei der Klägerin bestehen neben der Gehbehinderung degenerativ bedingte Beschwerden und Funktionsstörungen im Bereich
der oberen Extremitäten, die krankengymnastisch behandelt werden. Die Frage, ob diese Krankengymnastik durch die Verwendung
eines Rollstuhl-Bikes wesentlich gefördert oder die Behandlungsfrequenz reduzieren wird, kann anhand der getroffenen Feststellungen
nicht abschließend beantwortet werden. Zwar hat das LSG festgestellt, dass die verordnete Krankengymnastik im Vergleich zu
den mit der Nutzung des Rollstuhl-Bikes verbundenen gesundheitlichen Vorteilen ausreichend und sogar besser geeignet ist,
um Verbesserungen der körperlichen und seelischen Verfassung eines behinderten Menschen zu erreichen. Allerdings bleibt offen,
auf welche medizinische Tatsachen das LSG diese Feststellung stützt, zumal sie im Widerspruch zu den gutachterlichen Feststellungen
steht. Nach Auffassung des Sachverständigen ersetzt ein Rollstuhl-Bike zwar nicht die aufgrund der degenerativen Erkrankung
der oberen Extremitäten erforderliche Krankengymnastik, ermöglicht aber wegen der Verringerung der Schmerzsituation im Bereich
des Schultergürtels dessen intensivere krankengymnastische Beübung und kann ein Fortschreiten der Veränderungen erheblich
verringern. Soweit das LSG diesen medizinischen Tatsachen offensichtlich nicht folgt, wären weitere Ermittlungen erforderlich
gewesen.
d) Diese unzureichenden Ermittlungen führen gleichwohl nicht zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG zur erneuten
Verhandlung und Entscheidung, weil der von der Klägerin geltend gemachte Versorgungsanspruch unter dem Gesichtspunkt des Behinderungsausgleichs
(§
33 Abs
1 Satz 1 Variante 3
SGB V) begründet ist. Zwar ist ein Rollstuhl-Bike grundsätzlich nicht zum Ausgleich einer Behinderung erforderlich, weil es dem
Versicherten eine Mobilität ermöglicht, die über den durch Leistungen der GKV zu gewährleistenden Bereich der medizinischen
Rehabilitation hinausgeht. Allerdings bestand gleichwohl ein entsprechender Versorgungsanspruch, weil die Behinderung im vorliegenden
Einzelfall nicht auf andere Weise zumutbar ausgeglichen werden kann.
aa) Der Behinderungsausgleich nach §
33 Abs
1 Satz 1 Variante 3
SGB V umfasst zwei Zielrichtungen:
Im Vordergrund steht der Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion selbst. Bei diesem sog unmittelbaren
Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits und zwar unter Berücksichtigung
des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts (stRspr, BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 24 RdNr 18 mwN - Badeprothese). Dabei kann die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel
nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich
der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem nicht behinderten Menschen erreicht ist (BSG aaO; vgl auch BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 4 mwN - C-leg-Prothese). Die Prüfung, ob mit der vorgesehenen Verwendung ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen
Lebens betroffen ist, entfällt in den Fällen der Erst- und Ersatzausstattung, weil sich die unmittelbar auszugleichende Funktionsbeeinträchtigung
selbst immer schon auf ein Grundbedürfnis bezieht; die Erhaltung bzw Wiederherstellung einer Körperfunktion ist als solche
ein Grundbedürfnis (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 24 RdNr 18 - Badeprothese).
Daneben können Hilfsmittel den Zweck haben, die direkten und indirekten Folgen der Behinderung auszugleichen. Im Rahmen dieses
sog mittelbaren Behinderungsausgleichs geht es nicht um einen Ausgleich im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich
unbegrenzten Möglichkeiten eines gesunden Menschen. Denn Aufgabe der GKV ist in allen Fällen allein die medizinische Rehabilitation
(vgl §
1 SGB V, §
6 Abs
1 Nr
1 iVm §
5 Nr
1 und
3 SGB IX), also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des
Behandlungserfolges, um ein selbständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber
hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme (zum mittelbaren
Behinderungsausgleich zuletzt: BSG Urteil vom 7.10.2010 - B 3 KR 13/09 R - Scalamobil, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen, RdNr 18 mwN). Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich
ist daher von der GKV nur zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder
mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft (stRspr, zuletzt BSG Urteil vom 10.3.2011 - B 3 KR 9/10 R - Barcodelesegerät, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, RdNr 13 ff mwN). Nach stRspr gehören zu den allgemeinen Grundbedürfnissen
des täglichen Lebens das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnehmen, Ausscheiden, die elementare
Körperpflege, das selbständige Wohnen sowie die Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums (vgl zuletzt
BSG Urteil vom 10.3.2011 aaO und Urteil vom 7.10.2010 - B 3 KR 13/09 R aaO, jeweils mwN).
Nach Maßgabe dieser Grundsätze handelt es sich im vorliegenden Fall um den mittelbaren Behinderungsausgleich, weil durch das
begehrte Hilfsmittel nicht das Gehen selbst ermöglicht wird, sondern lediglich die Folgen einer Funktionsbeeinträchtigung
der Beine - hier in Form des eingeschränkten Geh- und Stehvermögens - ausgeglichen werden sollen.
bb) Das hier betroffene Grundbedürfnis auf Erschließung eines körperlichen Freiraums umfasst die Bewegungsmöglichkeit in der
eigenen Wohnung und im umliegenden Nahbereich (BSG Urteil vom 7.10.2010 - B 3 KR 13/09 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen, RdNr 20 ff mwN - Scalamobil). Anknüpfungspunkt für die Reichweite des
Nahbereichs ist der Bewegungsradius, den ein Nichtbehinderter üblicherweise zu Fuß zurücklegt (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 27 RdNr 15 - Elektrorollstuhl). Dies entspricht dem Umkreis, der mit einem vom behinderten Menschen selbst betriebenen
Aktivrollstuhl erreicht werden kann (vgl zu diesem Maßstab BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 28 S 163 - Therapie-Tandem II; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 25 S 141 - Therapie-Tandem I; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 7 S 26 - Rollstuhl-Boy). Die in früheren Entscheidungen angedeutete Möglichkeit, dass "zwischen dem durch einen Selbstfahrrollstuhl
regelmäßig eröffneten Freiraum und den Entfernungen, die ein Gesunder auch bei eingeschränktem Gesundheitszustand vor allem
im ländlichen Bereich zu Fuß zurücklegt, eine Lücke besteht, die ebenfalls noch den Grundbedürfnissen zuzurechnen ist" (so
noch BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 7 S 27 - Rollstuhl-Boy), hat der Senat nicht weiter verfolgt (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 31 S 187 - Rollstuhl-Bike II).
cc) Für die Bestimmung des Nahbereichs gilt ein abstrakter, von den Besonderheiten des jeweiligen Wohnortes unabhängiger Maßstab
(BSGE 102, 90 = SozR 4-2500 § 33 Nr 21, RdNr 14 - Kraftknoten; BSGE 98, 213 = SozR 4-2500 § 33 Nr 15, RdNr 17 - behinderungsgerechter Pkw). Dem steht weder entgegen, dass nach §
33 Abs
1 Satz 1
SGB V Hilfsmittel zu gewähren sind, wenn sie "im Einzelfall erforderlich sind", noch dass nach §
33 SGB I bei der Ausgestaltung von Rechten nach dem SGB "die persönlichen Verhältnisse des Berechtigten" berücksichtigt werden müssen.
Die Frage, ob ein Hilfsmittel der Sicherung menschlicher Grundbedürfnisse dient, betrifft dessen Eignung und Erforderlichkeit
zur Erreichung der in §
33 Abs
1 Satz 1
SGB V genannten Versorgungsziele. Diese Eignung und Erforderlichkeit zählt ebenso wie die Hilfsmitteleigenschaft und das Nichtvorliegen
der in §
33 Abs
1 Satz 1 Halbs 2
SGB V formulierten Ausschlusstatbestände zu den objektiven, dh unabhängig vom konkreten Einzelfall zu beurteilenden Anspruchsvoraussetzungen.
Hierfür ist allein die Zielsetzung des §
33 SGB V und somit die Abgrenzung der Leistungspflicht der GKV von der anderer Träger nach einem abstrakt-aufgabenbezogenen Maßstab
ausschlaggebend. Die Erforderlichkeit der Hilfsmittelversorgung "im Einzelfall" ist dagegen - ebenso wie deren Wirtschaftlichkeit
- eine subjektbezogene Anspruchsvoraussetzung, die nach einem konkret-individuellen Maßstab beurteilt wird. Der in §
33 SGB I normierte Individualisierungsgrundsatz ist für den die Anspruchsvoraussetzungen des §
33 SGB V betreffenden Nahbereich bereits deshalb ohne Bedeutung, weil er ausschließlich für die Ausgestaltung sozialer Rechte gilt,
seine Anwendung mithin auf die Rechtsfolgenseite einer im SGB geregelten Anspruchsgrundlage beschränkt ist (BSG SozR 4-7610 § 362 Nr 1 RdNr 11 f).
dd) Der Nahbereich wurde in der bisherigen Senatsrechtsprechung nicht im Sinne einer Mindestwegstrecke bzw einer Entfernungsobergrenze
festgelegt, sondern lediglich beispielhaft im Sinne der Fähigkeit konkretisiert, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und
die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder um die - üblicherweise im Nahbereich
der Wohnung liegenden - Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind (stRspr, erstmals BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 31 S 187 - Rollstuhl-Bike II; zuletzt BSG Urteil vom 10.3.2011 - B 3 KR 9/10 R -, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, RdNr 15 - Barcodelesegerät), wobei allerdings die Fähigkeit, eine Wegstrecke
von 100 m (BSG Urteil vom 21.11.2002 - B 3 KR 8/02 R, RdNr 16 - Therapie-Tandem IV) bzw 200 m (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 12 RdNr 15 f - Liegedreirad) zurückzulegen, nicht als ausreichend zur Erschließung des Nahbereichs angesehen worden ist.
Dagegen umfasst der von der GKV zu gewährleistende Basisausgleich nicht die Fähigkeit, weitere Wegstrecken, vergleichbar einem
Radfahrer, Jogger oder Wanderer, zu bewältigen (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 31 S 186 - Rollstuhl-Bike II). An diesen Grundsätzen hält der Senat weiterhin fest. Eine weitere Konkretisierung des Nahbereichs
im Sinne einer Mindestwegstrecke ist vor dem Hintergrund des sich wandelnden Mobilitätsverhaltens (vgl Kurzfassung des Ergebnisberichts
"Mobilität in Deutschland 2008", abrufbar unter www.mobilitaet-in-deutschland.de - recherchiert am 16.5.2011) weder tatsächlich
möglich noch zur sachgerechten Anwendung des §
33 Abs
1 Satz 1
SGB V notwendig.
ee) Für die Bestimmung des durch Hilfsmittel der GKV zu erschließenden Nahbereichs ist allein der Zweck des §
33 Abs
1 Satz 1
SGB V maßgebend. Dieser liegt in der Sicherstellung der in Satz 1 formulierten Versorgungsziele. Dabei soll mit dem Versorgungsziel
des Behinderungsausgleichs (§
33 Abs
1 Satz 1 Variante 3
SGB V) grundsätzlich eine Gleichstellung des behinderten Menschen mit Nichtbehinderten erreicht werden, wobei allerdings im Bereich
des mittelbaren Behinderungsausgleichs kein Gleichziehen mit den nahezu unbegrenzten Möglichkeiten zu gewährleisten ist, sondern
lediglich ein Aufschließen zu den Grundbedürfnissen eines nicht behinderten Menschen (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 31 S 185 - Rollstuhl-Bike II), um die Zuständigkeit der GKV von der anderer Träger abzugrenzen. Von dieser Zielsetzung
ausgehend sind dem der Zuständigkeitsabgrenzung der GKV von anderen Rehabilitationsträgern dienenden Nahbereich beim mittelbaren
Behinderungsausgleich solche Wege zuzuordnen, die räumlich einen Bezug zur Wohnung und sachlich einen Bezug zu den Grundbedürfnissen
der physischen und psychischen Gesundheit bzw der selbständigen Lebensführung aufweisen. In räumlicher Hinsicht ist der Nahbereich
auf den unmittelbaren Umkreis der Wohnung des Versicherten beschränkt (vgl zum Zusammenhang zwischen dem Grundbedürfnis auf
Mobilität und dem Grundbedürfnis des selbständigen Wohnens: BSG Urteil vom 10.3.2011 - B 3 KR 9/10 R - Barcodelesegerät - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, RdNr 15). Diese ist Ausgangs- und Endpunkt der zum Nahbereich
zählenden Wege, so dass die Mobilität für den Hin- und Rückweg durch Leistungen der GKV sicherzustellen ist. Hierfür sind
allerdings nicht die konkreten Wohnverhältnisse des behinderten Menschen maßgebend, weil der Nahbereich ein allgemeines Grundbedürfnis
des täglichen Lebens konkretisiert und somit die Eignung und Erforderlichkeit des Hilfsmittels als objektive Anspruchsvoraussetzung
betrifft. Sachlich umfasst der Nahbereich gesundheitserhaltende Wege, Versorgungswege sowie elementare Freizeitwege. Zu den
gesundheitserhaltenden Wegen zählen Entfernungen, die zur Aufrechterhaltung der physischen und psychischen Existenz zurückgelegt
werden (zB Besuch von Ärzten und Therapeuten, Aufsuchen der Apotheke). Der Versorgungsweg umschreibt dagegen die Fähigkeit,
die Wohnung zu verlassen, um die für die Grundbedürfnisse der selbständigen Existenz und des selbständigen Wohnens notwendigen
Verrichtungen und Geschäfte (Einkauf, Post, Bank) wahrnehmen zu können. Die Mobilität für Freizeitwege ist in Abgrenzung zu
der durch andere Leistungsträger sicherzustellenden Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft jedoch nur durch Leistungen der
GKV abzudecken, wenn (und soweit) diese Wege von besonderer Bedeutung für die physische und psychische Gesundheit sind. In
diesem Sinne zählen zu den Freizeitwegen Entfernungen, die bewältigt werden, um die körperlichen Vitalfunktionen aufrechtzuerhalten
(kurzer Spaziergang an der frischen Luft) und um sich einen für die seelische Gesundheit elementaren geistigen Freiraum zu
erschließen (zB Gang zum Nachbarn zur Gewährleistung der Kommunikation, Gang zum Zeitungskiosk zur Wahrnehmung des Informationsbedürfnisses).
ff) Dagegen sind die zur rentenversicherungsrechtlichen Wegefähigkeit und zum Nachteilsausgleich "G" entwickelten Maßstäbe
aufgrund ihrer abweichenden Zweckbestimmung nicht geeignet, den für das Grundbedürfnis auf Erschließung eines körperlichen
Freiraums relevanten Nahbereich näher bzw in anderer Weise zu bestimmen.
Die Wegefähigkeit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung, dh das gesundheitliche Vermögen, viermal am Tag eine Wegstrecke
von 500 m in einem Zeitraum von 20 Minuten zurückzulegen (vgl BSG SozR 4-2600 § 43 Nr 8 RdNr 15; BSG Urteil vom 28.8.2002 - B 5 RJ 12/02 R - RdNr 13 und 15), ist ein wesentliches Kriterium für die Erwerbsfähigkeit. Sie betrifft Voraussetzungen für die Gewährung
der Versicherungsleistung Rente. Bereits aus diesem Grund ist der für die rentenversicherungsrechtliche Wegefähigkeit geltende
Maßstab nicht zur Bestimmung der Leistungspflicht im Bereich der GKV-Rehabilitationsleistungen geeignet. Soweit entsprechend
dem Grundsatz "Rehabilitation vor Rente" (§
9 Abs
1 Satz 2
SGB VI) zum Ausgleich einer eingeschränkten Wegefähigkeit Leistungen des Rentenversicherungsträgers zur (beruflichen) Rehabilitation
erbracht werden, dienen diese Leistungen dem Zweck, die Erwerbsfähigkeit zu erhalten bzw gesundheitlich bedingte Erwerbshindernisse
zu beseitigen, und verfolgen daher einen erwerbsbezogenen Rehabilitationsansatz (§
9 Abs
1 SGB VI; §
6 Abs
1 Nr
4 iVm §
5 Nr
1,
2 SGB IX). Dagegen liegt den von der GKV zu erbringenden Leistungen der medizinischen Rehabilitation ein gesundheitsbezogener Rehabilitationsansatz
zugrunde. Mit diesen Leistungen soll eine durch Krankheit bedingte Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abgewendet, beseitigt,
gemildert, ausgeglichen, ihre Verschlimmerung verhütet oder ihre Folgen gemildert werden (§
11 Abs
2 Satz 1
SGB V; §
6 Abs
1 Nr
1 iVm §
5 Nr
1 SGB IX). In diesem Sinne erschließen die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation dem Versicherten die Möglichkeiten - im Rahmen
des mittelbaren Behinderungsausgleichs allerdings nur in Bezug auf seine Grundbedürfnisse - eines nicht behinderten Menschen.
Maßstab ist daher weder der erwerbsfähige noch der aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen ggf an der Grenze zur aufgehobenen
Erwerbsfähigkeit stehende Versicherte, sondern der nichtbehinderte Mensch, so dass die Bestimmung des Nahbereichs anhand der
zur rentenversicherungsrechtlichen Wegefähigkeit entwickelten Kriterien den Leistungsumfang des §
33 Abs
1 Satz 1
SGB V in einer mit der Zweckrichtung der Norm nicht zu vereinbarenden Weise verkürzen würde.
Der für die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs mit dem Merkzeichen "G" geltende (Mobilitäts-)Maßstab kann aufgrund seiner
abweichenden Zweckbestimmung ebenfalls nicht zur Konkretisierung des Nahbereichs herangezogen werden. Das Merkzeichen "G"
wird zuerkannt, wenn infolge einer Einschränkung des Gehvermögens Wegstrecken im Ortsverkehr, die üblicherweise noch zu Fuß
zurückgelegt werden, nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder Gefahren bewältigt werden können (§
146 Abs
1 Satz 1
SGB IX), wobei die "Wegstrecken im Ortsverkehr" von der Rechtsprechung im Sinne einer Länge von bis zu 2 km bei einer Gehdauer von
30 Minuten konkretisiert worden sind (so schon BSGE 62, 273, 274 ff = SozR 3870 § 60 Nr 2 S 3 ff). Mit dem Merkzeichen "G" sollen Mehraufwendungen ausgeglichen werden, die einem gehbehinderten
Menschen dadurch entstehen, dass er öfter als ein nicht behinderter Mensch - nämlich auch für kürzere und üblicherweise zu
Fuß zu bewältigende Wegstrecken - auf die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel angewiesen ist (BT-Drucks 8/2453, S 11 zu §
59 SchwbG; BSGE 62, 273, 276 f = SozR 3870 § 60 Nr 2 S 4; Dreher, ZfS 1986, 65, 67). Maßstab für die Gewährung des Nachteilsausgleichs ist damit zwar - ebenso wie bei den von der GKV zu erbringenden Leistungen
- der nichtbehinderte Mensch. Allerdings gehen die mit der Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "G" verbundenen Vergünstigungen
(unentgeltliche Beförderung im Nahverkehr - §
145 iVm §
147 Abs
1 SGB IX) über den engeren Umkreis der Wohnung des behinderten Menschen hinaus, weil zum einen die den Ausgleich begründenden Wegstrecken
nicht zwingend von der eigenen Wohnung ausgehen bzw zu ihr hinführen (Dreher, ZfS 1986, 65, 67) und zum anderen mit dem Merkzeichen "G" nicht nur Mobilitätsdefizite im Nahbereich der Wohnung, sondern darüber hinaus
auch solche in Bezug auf Arbeitswege und Freizeitwege jeglicher Art ausgeglichen werden. Mit dem Merkzeichen "G" werden Nachteile
des behinderten Menschen im Hinblick auf die "nahezu unbegrenzten Möglichkeiten" und nicht nur die Grundbedürfnisse eines
nicht behinderten Menschen ausgeglichen. Für die Zuerkennung dieses Merkzeichens ist ein über den gesundheitsbezogenen Ansatz
des §
33 Abs
1 Satz 1
SGB V hinausgehender teilhabebezogener Rehabilitationsansatz maßgebend. Infolge dessen ist im Rahmen des Nachteilsausgleichs "G"
die Wegstrecke und somit die Entfernung im Sinne einer Mindestwegstrecke für die Leistungspflicht ausschlaggebend (Dreher,
ZfS 1986, 65, 68 f), während im Anwendungsbereich des §
33 Abs
1 Satz 1
SGB V die Wegeart, dh der mit der Zurücklegung des Weges verbundene Zweck im Sinne des Mobilitätsziels, leistungsrechtlich von
Bedeutung ist.
gg) Hiervon ausgehend eröffnet das Rollstuhl-Bike dem behinderten Menschen grundsätzlich eine dem Radfahren vergleichbare
und somit über den nach den dargelegten Grundsätzen (vgl unter ee) bestimmten Nahbereich hinausgehende Mobilität. Denn mit
dem Rollstuhl-Bike können nicht nur die im Nahbereich der Wohnung liegenden Ziele erreicht, sondern darüber hinaus auch Arbeits-
und Freizeitwege jeglicher Art bewältigt werden. Allerdings sind Hilfsmittel, die dem Versicherten eine über den Nahbereich
hinausgehende Mobilität ermöglichen, im Einzelfall gleichwohl von der KK zu gewähren, wenn besondere qualitative Momente dieses
"Mehr" an Mobilität erfordern. Solche besonderen qualitativen Momente liegen zB vor, wenn der Nahbereich ohne das begehrte
Hilfsmittel nicht in zumutbarer Weise erschlossen werden kann oder wenn eine über den Nahbereich hinausgehende Mobilität zur
Wahrnehmung eines anderen Grundbedürfnisses notwendig ist. So ist etwa die Erschließung des Nahbereichs ohne das begehrte
Hilfsmittel unzumutbar, wenn Wegstrecken im Nahbereich nur unter Schmerzen oder nur unter Inanspruchnahme fremder Hilfe bewältigt
werden können (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 27 RdNr 24 - Elektrorollstuhl) oder wenn die hierfür benötigte Zeitspanne erheblich über derjenigen liegt, die ein nicht
behinderter Mensch für die Bewältigung entsprechender Strecken zu Fuß benötigt. Andere Grundbedürfnisse, die eine über den
Nahbereich hinausgehende Mobilität erfordern, sind vom Senat in der Integration von Kindern und Jugendlichen in den Kreis
Gleichaltriger (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 10 RdNr 16 - Reha-Kinderwagen; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 46 S 258 f - Therapiedreirad; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 27 S 158 f - RollstuhlBike I) sowie in der Erreichbarkeit von Ärzten und Therapeuten bei Bestehen einer besonderen gesundheitlichen
Situation (BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7, RdNr 13 ff - schwenkbarer Autositz II) gesehen worden. Zur Beantwortung der Frage, ob besondere
qualitative Umstände ausnahmsweise die Gewährung eines Rollstuhl-Bikes erfordern, sind die Umstände des jeweiligen Einzelfalls
maßgebend.
hh) Im vorliegenden Fall kann offen gelassen werden, ob das vom LSG festgestellte gesundheitliche Vermögen der Klägerin, sich
mit dem vorhandenen Aktivrollstuhl etwa zehn Minuten in langsamen Fußgängertempo fortzubewegen und diese Fortbewegung nach
einer zwei- bis dreiminütigen Pause in entsprechender Weise fortzuführen, ausreicht, um den Nahbereich der Wohnung zu erschließen,
weil jedenfalls die Bedingungen, unter denen dies möglich ist, nicht zumutbar sind und somit besondere qualitative Momente
bestehen, die das mit der Gewährung eines Rollstuhl-Bikes verbundene "Mehr an Mobilität" in den Hintergrund treten lassen.
Ausgehend von den Feststellungen des LSG haben sich bei der Klägerin die degenerativen Veränderungen und die hierdurch bedingten
Funktionsstörungen und Beschwerden im Bereich der oberen Extremitäten in der Zeit zwischen der erst- und zweitinstanzlichen
Begutachtung verschlechtert. Nunmehr treten bereits nach einer zehnminütigen Fortbewegung mit dem Aktivrollstuhl Schmerzen
auf, die zur Einlegung einer Pause zwingen. Diese degenerativen Veränderungen werden nach den gutachterlichen Feststellungen
bei der weiteren Verwendung des Aktivrollstuhls fortschreiten und die dadurch bedingten Beschwerden zunehmen, wohingegen die
Progredienz der degenerativen Veränderungen durch die Verwendung des Rollstuhl-Bikes erheblich vermindert werden kann. Die
Wahrnehmung eines Grundbedürfnisses unter Inkaufnahme gesundheitlicher Einschränkungen und verbunden mit der Gefahr einer
Verschlechterung des Gesundheitszustandes ist nicht zumutbar. Aus diesem Grund erfordert die besondere gesundheitliche Situation
der Klägerin die Versorgung mit einem Rollstuhl-Bike.
ii) Das Rollstuhl-Bike ist auch nicht als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens (§
33 Abs
1 Satz 1, letzter Halbs
SGB V) von der Sachleistungspflicht der GKV ausgenommen. Es handelt sich um eine speziell für die Bedürfnisse behinderter Menschen
entwickelte Zusatzausrüstung für einen Aktivrollstuhl, die von gesunden Menschen nicht genutzt werden kann.
jj) Gegen die Versorgung der Klägerin mit einem Rollstuhl-Bike sprechen auch keine Kostengesichtspunkte. Es handelt sich um
eine wirtschaftliche Hilfsmittelversorgung (§
12 Abs
1 SGB V). Insbesondere kann die Klägerin nicht alternativ auf einen restkraftunterstützenden Greifreifenantrieb verwiesen werden.
Zwar bietet dieser möglicherweise dem Rollstuhl-Bike vergleichbare Erleichterungen, weil der behinderte Mensch in die Lage
versetzt wird, beim Auftreten von Schmerz- oder Erschöpfungszuständen individuell über eine Fernbedienung den zusätzlichen
Antrieb zuzuschalten. Aufgrund der bei voller Aufladung des Antriebs ermöglichten Reichweite von 25 km ist die Erschließung
des Nahbereichs in jedem Fall sichergestellt. Allerdings belaufen sich die Kosten für den Zusatzantrieb auf 3500 Euro zuzüglich
Mehrwertsteuer - bezogen auf einen Gewährleistungszeitraum von 60 Monaten - und liegen damit über den für ein Rollstuhl-Bike
aufzuwendenden Kosten. Zudem würde die Vergütungspauschale nach dem Ablauf des Gewährleistungszeitraums erneut anfallen.
D. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.