Wirtschaftlichkeitsprüfung in der vertragsärztlichen Versorgung; Regress wegen Verordnung von Sprechstundenbedarf
Gründe:
I
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Regresses wegen der Verordnung von Sprechstundenbedarf.
Der als Praktischer Arzt im Bezirk der zu 1. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) zur vertragsärztlichen Versorgung
zugelassene Kläger bezog im Jahr 2001 in erheblichem Umfang "Hydroxyäthylstärke (HAES) steril 6 %" im Wege der Verordnung
von Sprechstundenbedarf (SSB). HAES-Infusionslösungen werden zB bei Hörsturz und Tinnitus eingesetzt.
Die zu 2. beigeladene Krankenkasse (KK, hier: AOK) beantragte, nachdem sie am 24.7.2002 die Kostenstatistiken für das letzte
Quartal des Jahres 2001 erhalten hatte, beim Prüfungsausschuss (PA), dass dieser gegen den Kläger wegen Überschreitung des
durchschnittlichen Aufwands der Fachgruppe beim SSB um mehr als das Doppelte einen Regress festsetze (Antrag vom 24.9.2002;
Begründung vom 16.12.2002). Antrag und Begründung wurden dem Kläger zugeleitet mit dem Hinweis, dass die beantragte Prüfung
nach Durchschnittswerten nur durchgeführt werde, wenn für den Prüfzeitraum keine Prüfung nach Richtgrößen stattfinde. Nachdem
diese nicht stattgefunden hatte, nahm der PA eine Überprüfung anhand von Durchschnittswerten vor mit dem Ergebnis, dass eine
Maßnahme gegen den Kläger nicht veranlasst sei (Bescheid vom 22.12.2005): Zwar lägen seine Aufwendungen für den SSB, die durch
die HAES-Infusionen im Umfang von 3975 DM verursacht seien, deutlich über dem Durchschnitt der Fachgruppe. Ihm seien aber
Einsparungen durch den Bezug der Infusionen in Großgebinden und bei den allgemeinen Arzneikosten zugute zu halten.
Die Beigeladene zu 2. legte Widerspruch ein. Sowohl dieser als auch die nachgereichte Widerspruchsbegründung wurden dem Kläger
zugeleitet. Der beklagte Beschwerdeausschuss setzte - unter Aufhebung des Bescheids des PA - einen Regress von 3799,75 Euro
fest (Bescheid vom 27.11.2006): Dem Kläger sei im SSB-Bereich eine Überschreitung des durchschnittlichen Verordnungsaufwandes
der Fachgruppe um 211,6 % anzulasten. Dabei werde eine Berechnung über das gesamte Jahr zugrunde gelegt, weil nur dies sachgerecht
sei, da in den vier Quartalen eines Jahres sehr unterschiedliche Materialanforderungen festzustellen seien. Eine Rechtfertigung
der Überschreitungen durch medizinische Besonderheiten sei nicht ersichtlich. SSB-Verordnungen seien nur für die Akutbehandlungen
von Hörsturz und Tinnitus gerechtfertigt, für die weiteren Infusionen müsse der Arzt Einzelverordnungen für den konkreten
Patienten ausstellen. Teilweise habe der Kläger HAES-Infusionslösungen auch bei anderen Krankheiten verordnet, bei denen dies
nicht indiziert sei. Die Überschreitung der Durchschnittsverordnungskosten liege eindeutig im Bereich des sog offensichtlichen
Missverhältnisses. Minderkosten bei den Verordnungen von Arznei- und Verbandmitteln könnten mangels kausalen Zusammenhangs
mit den Mehrkosten beim SSB nicht als kompensierende Einsparungen anerkannt werden. Von den HAES-Verordnungen sei nur ein
Anteil von 14 % = ca 1291 DM für Akutbehandlungen von Hörsturz und Tinnitus gerechtfertigt. Demnach belaufe sich der unwirtschaftliche
Anteil auf ca 7931 DM. Ausgehend von dem SSB-Gesamtverordnungsvolumen des Klägers von 14 677,06 DM, das den Fachgruppendurchschnitt
pro Fall um mehr als das Doppelte überschreite, ergebe sich - bei Zubilligung einer Überschreitung um 45 % und nach Abzug
des Apothekenrabatts von 5 % - ein Regress in Höhe von 7431,66 DM = 3799,75 Euro.
Das vom Kläger angerufene SG hat den Regressbescheid aufgehoben und den Beklagten verurteilt, über den Widerspruch der Beigeladenen zu 2. erneut zu entscheiden.
Der angefochtene Bescheid sei teilweise rechtswidrig. Allerdings habe der Beklagte die Bestimmung der Prüfvereinbarung eingehalten,
wonach die Prüfung längstens für die letzten vier zurückliegenden Quartale, für die statistische Unterlagen vorlägen, beantragt
werden könne (§ 14 Abs 3 Prüfvereinbarung [PrüfV]). Diese Frist sei durch den Prüfantrag vom 25.9.2002 gewahrt worden; der
KK hätten die Kostenstatistiken für das Quartal IV/2001 erst am 24.7.2002 vorgelegen. Die Vier-Jahres-Frist für den Erlass
des Prüfbescheids sei dagegen nur teilweise eingehalten worden. Diese beginne im Falle von Verordnung(sregress)en mit Erlass
des Honorarbescheids für dasjenige Quartal, in dem der Arzt die Verordnung ausgestellt habe. Hiernach sei diese Frist durch
den Bescheid vom 22.12.2005 bezogen auf die Quartale III und IV/2001 gewahrt worden, allerdings nicht hinsichtlich der Quartale
I und II/2001, weil der Erlass der Honorarbescheide für diese bereits mehr als vier Jahre zurückgelegen habe. Der gesonderten
Betrachtung jedes einzelnen Quartals stehe nicht entgegen, dass bei SSB-Verordnungen alle vier Quartale eines Jahres zusammen
überprüft würden; denn auch in diesem Fall bleibe der Zusammenhang jeder Verordnung mit dem konkreten Quartal ihrer Ausstellung
bestehen. Deshalb sei für einen Regress hinsichtlich der Quartale I und II/2001 kein Raum mehr, sodass der Beklagte zur Neubescheidung,
beschränkt auf die Quartale III und IV/2001, verpflichtet sei.
Mit seiner Revision macht der Beklagte geltend, das SG habe zu Unrecht angenommen, die Vier-Jahres-Frist beginne für jedes einzelne Quartal gesondert. Die Frist habe vielmehr auch
für die Quartale I und II/2001 erst nach dem Quartal IV/2001 zu laufen begonnen, sodass der Prüfbescheid vom 22.12.2005 sie
noch gewahrt habe. Dies folge daraus, dass gemäß der SSB-Vereinbarung die Wirtschaftlichkeit von SSB-Verordnungen nur insgesamt
für vier aufeinanderfolgende Quartale geprüft werde. Offenbleiben könne, ob die Vier-Jahres-Frist schon sogleich nach Ablauf
des vierten Quartals oder erst ab dem Erlass des Honorarbescheids für dieses Quartal oder gar erst ab Eingang der Kostenstatistiken
für dieses Quartal beginne; denn in jedem dieser Fälle sei sie durch den Prüfbescheid vom 22.12.2005 gewahrt worden. Dieser
habe nicht früher erlassen werden können, weil zunächst habe abgewartet werden müssen, ob Richtgrößenprüfungen durchgeführt
würden, was die Möglichkeit einer Prüfung anhand von Durchschnittswerten gehindert hätte.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 28. Januar 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er verteidigt das Urteil des SG. Es habe mit der Annahme, die Vier-Jahres-Frist sei, bezogen auf die Quartale I und II/2001, abgelaufen, die Rechtsprechung
des BSG konsequent fortgeführt. Anhaltspunkte dafür, dass bei der Prüfung von SSB die Frist wegen der Gesamtüberprüfung mehrerer
Quartale erst nach Ablauf des letzten Quartals beginne, seien nicht normativ vorgegeben und auch nicht durch die Rechtsprechung
des BSG vorgezeichnet. Diese Auffassung laufe auch der Intention der SSB-Vereinbarung zuwider, die mit der Vorgabe jahresbezogener
Prüfungen die Ärzte begünstigen wolle. Im Übrigen habe die Regelung über die jahresbezogene Prüfung nur den Rang von Landesrecht,
was den aus Bundesrecht abzuleitenden, für jedes Quartal gesonderten Fristbeginn nicht ändern könne.
Die Beigeladene zu 2. schließt sich, ohne selbst einen Antrag zu stellen, den Ausführungen des Beklagten an. Sie führt ergänzend
aus, nach ihrer Ansicht sei für die Vier-Jahres-Frist im Verordnungsbereich die Verjährungsregelung des §
45 Abs
1 SGB I maßgebend. Die Frist beginne erst ab Zugang der Verordnungsstatistiken und bei jahresbezogenen Prüfungen auch nur einheitlich
für alle Quartale mit Vorliegen der Statistiken für das letzte Quartal des Jahres. Daher habe der Bescheid des Prüfungsausschusses
die Frist noch gewahrt.
Die übrigen Beigeladenen äußern sich im Revisionsverfahren nicht.
II
Die Revision des Beklagten hat im Sinne der Zurückverweisung des Rechtsstreits an das SG Erfolg. Die Revision ist ungeachtet der Mängel der Entscheidung des SG über die Zulassung der Sprungrevision zulässig (unten 1.). Sie betrifft vom Streitgegenstand her nur die Quartale I und II/2001,
denn nur insoweit hat das SG einen Ablauf der Vier-Jahres-Frist angenommen und nur insoweit ist dessen Urteil mit der Revision angefochten worden (unten
2.). Die Revision des Beklagten ist erfolgreich, denn das angefochtene Urteil ist fehlerhaft. Das SG hat zu Recht die Rechtsgrundlage für den Bescheid in §
106 SGB V gesehen (unten 3.), aber zu Unrecht angenommen, die für Verordnungsregresse geltende vierjährige Ausschlussfrist sei im Zeitpunkt
des Erlasses des Prüfbescheids vom 22.12.2005, bezogen auf die Quartale I und II/2001, bereits verstrichen gewesen (unten
4.). Für die abschließende Beurteilung, ob der Bescheid rechtmäßig oder rechtswidrig ist, bedarf es allerdings noch weiterer
Klärungen durch das SG, an das der Rechtsstreit deshalb zurückverwiesen wird (unten 5.).
1. Der Zulässigkeit der Revision steht nicht entgegen, dass das SG allein durch seinen Berufsrichter - ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter - die Revision unmittelbar gegen sein Urteil
zugelassen hat. Dies ist zwar fehlerhaft; ungeachtet dieses Mangels ist der Zulassungsbeschluss aber wirksam und das Revisionsgericht
an die Zulassung der Sprungrevision gebunden (vgl BSG [Großer Senat] BSGE 51, 23, 26 ff = SozR 1500 § 161 Nr 27 S 54 ff; BSGE 64, 296, 297 f = SozR 1500 § 161 Nr 33 S 69 f; BSG vom 11.12.2007 - B 8/9b SO 13/06 R - Juris RdNr 9).
2. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 27.11.2006, der gegen den Kläger einen
Regress in Höhe von 3799,75 Euro festsetzte und den Prüfbescheid des Zulassungsausschusses vom 22.12.2005 aufhob, der von
Maßnahmen gegen den Kläger abgesehen hatte (zur Anfechtung nur des Widerspruchsbescheids des Beschwerdeausschusses vgl zB
BSG vom 3.2.2010 - B 6 KA 37/08 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 15 mwN). Allerdings ist der Bescheid des Beklagten vom 27.11.2006 nur insoweit Gegenstand,
als die im Urteil des SG enthaltene Verpflichtung zur Neubescheidung Vorgaben enthält, die für den Beklagten nachteilig sind. Denn das Urteil des
SG ist nur unter diesem Aspekt angefochten worden; nur der Beklagte hat Revision eingelegt.
Soweit die Vorgaben nachteilig für den Kläger sind, sind diese mangels Revisionseinlegung durch ihn nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens.
Sie sind vielmehr bestandskräftig und damit bindend geworden (zu Differenzierungen hinsichtlich der Bestandskraft und Überprüfbarkeit
von Neubescheidungsurteilen siehe eingehend BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 22 mwN; vgl auch zB BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 7 f; BSGE 92, 87 = SozR 4-2500 § 85 Nr 8, RdNr 4; BSG vom 23.6.2010 - B 6 KA 4/09 R - RdNr 10, zur Veröffentlichung in SozR 4-2500 § 85 vorgesehen). Dementsprechend ist Gegenstand des hier anhängigen Revisionsverfahrens
die Rechtmäßigkeit des Bescheids des Beklagten vom 27.11.2006 ausschließlich unter dem Gesichtspunkt, ob mit ihm ein Regress
wegen SSB-Verordnungen auch noch bezogen auf die Quartale I und II/2001 festgesetzt werden durfte oder ob dem die Vier-Jahres-Ausschlussfrist
entgegenstand.
3. Rechtsgrundlage des Arzneikostenregresses ist §
106 Abs
2 SGB V (hier zugrunde zu legen in der Fassung des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 vom 22.12.1999, BGBl I 2626, die im Jahr 2001
galt; zur Maßgeblichkeit des §
106 Abs
2 SGB V vgl BSG SozR 4-2500 §
106 Nr
21 und MedR 2010, 276, jeweils RdNr 14 mwN; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 17 und BSG vom 5.5.2010 - B 6 KA 5/09 R - RdNr 14 mwN, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Danach wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung unter anderem
durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen, entweder nach Durchschnittswerten oder am Maßstab
von Richtgrößenvolumina (aaO Satz 1 Nr 1) und/oder anhand von Stichproben (aaO Satz 1 Nr 2), geprüft. Über diese Prüfungsarten
hinaus können die Landesverbände der KKn mit den KÄVen gemäß §
106 Abs
2 Satz 4
SGB V andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren (vgl BSG SozR 4-2500 §
106 Nr 17 RdNr 12 f mwN; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 14). Diese PrüfVen ermächtigen regelmäßig auch zu Einzelfallprüfungen
(vgl BSG vom 5.5.2010 aaO RdNr 14 mwN).
Die PrüfVen enthalten regelmäßig auch Bestimmungen zur Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnung von SSB. Auch in
der hier einschlägigen PrüfV von 1993 (die bis Oktober 2005 weitergalt) waren Regelungen speziell für die Überprüfung der
Wirtschaftlichkeit von SSB-Verordnungen getroffen worden (siehe zB §
10, §
14 Abs
3, § 15 Abs 3 PrüfV; vgl dazu §
162 SGG betr Nicht-Revisibilität der Feststellung und Auslegung des Inhalts von Landesrecht, hierzu zB - betr PrüfV - BSG vom 5.5.2010
- B 6 KA 5/09 R - RdNr 14, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; BSG vom 5.5.2010 - B 6 KA 6/09 R - RdNr 30 f, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Zur Frage, welche Arzneimittel im Wege der Verordnung als
SSB bezogen werden dürfen, enthalten die SSB-Vereinbarungen nähere Regelungen; auch dies sind landesrechtliche Vorschriften,
deren Anwendung und Auslegung den LSGen vorbehalten ist (§
162 SGG, vgl dazu BSG SozR 4-2500 §
106 Nr 6 RdNr 13).
4. Die Fristen, die für den Erlass eines Regressbescheids wegen unzulässiger oder unwirtschaftlicher Verordnung von SSB gelten,
sind gewahrt worden. Dem Regress kann weder der Ablauf der (a) Frist für die Stellung des Prüfantrags noch der Ablauf der
(b) Frist für den Erlass des Prüfbescheids entgegengehalten werden.
a) Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, scheitert die Regressfestsetzung nicht daran, dass die zu 2. beigeladene KK die Überprüfung der
SSB-Verordnungen des Klägers zu spät beantragt hätte.
Zum einen ist die Frist, die in der PrüfV für Prüfanträge bei SSB-Verordnungen normiert ist, eingehalten worden: Anträge auf
Überprüfung von SSB-Verordnungen können gemäß § 14 Abs 3 PrüfV "längstens für die letzten vier zurückliegenden Quartale, für
die statistische Unterlagen vorliegen, gestellt werden". Der zu 2. beigeladenen KK haben die Kostenstatistiken für das Quartal
IV/2001 erst am 24.7.2002 vorgelegen, wie im Urteil des SG zugrunde gelegt und von keinem der Beteiligten in Frage gestellt worden ist (§
163 SGG; vgl vorliegend auch §
161 Abs
4 SGG). Im Urteil des SG ist dazu festgestellt, dass es sich im Zeitpunkt des Antrags der Beigeladenen zu 2. - am 24./25.9.2002 - bei den Quartalen
I bis IV/2001 um die letzten vier handelte, für die statistische Unterlagen vorlagen. Auf dieser Grundlage hat das SG folgerichtig den Schluss gezogen, dass die in § 14 Abs 3 PrüfV für die Prüfung normierte Frist eingehalten war.
Zum anderen kommt es auf die Einhaltung der Frist des § 14 Abs 3 PrüfV ohnehin nicht an. Wie der Senat in seinem Urteil vom
3.2.2010 (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 19 bis 22) klargestellt hat, dient die Prüfantragsfrist (nur) dem Interesse der
Verfahrensbeschleunigung, aus deren Versäumnis nicht ein Hindernis, das Verfahren überhaupt durchzuführen, abgeleitet werden
kann. Dem Interesse des Vertragsarztes, nicht damit rechnen zu müssen, dass noch nach Jahr und Tag ein Prüf- und Regressverfahren
gegen ihn durchgeführt wird, dient eine andere Frist, nämlich die Vier-Jahres-Frist (hierzu siehe unten b; - diese Rspr fortsetzend
BSG vom 5.5.2010 - B 6 KA 20/09 R - Juris RdNr 29 bis 31). Hat mithin die Nichteinhaltung der Frist für die Stellung des Prüfantrags nicht die Wirkung eines
Verfahrenshindernisses, so kommt dieser - hier ohnehin eingehaltenen - Frist im vorliegenden Zusammenhang keine Bedeutung
zu.
b) Dem Regressbescheid kann auch nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, die für Regressfestsetzungen geltende Vier-Jahres-Frist
sei nicht gewahrt worden.
Das SG vertritt die Auffassung, der Prüfbescheid vom 22.12.2005 habe die Vier-Jahres-Frist lediglich bezogen auf die Quartale III
und IV/2001 gewahrt, nicht aber hinsichtlich der Quartale I und II/2001, weil seit deren Ende - bzw seit dem Erlass der Honorarbescheide
für diese Quartale - bereits mehr als vier Jahre verstrichen waren, als der Prüfungsausschuss seinen Bescheid vom 22.12.2005
erließ. Die Frist habe für diese Quartale nicht etwa deshalb erst später begonnen, weil die Überprüfung von SSB-Verordnungen
in Frage stehe und diese sich grundsätzlich auf alle vier Quartale eines Jahres zusammen erstrecke. Auch bei SSB-Verordnungen
bleibe der Zusammenhang der Verordnungen mit jeweils einem konkreten Quartal bestehen, sodass die Vier-Jahres-Frist gesondert
für jedes Quartal beginne.
Diesen Ausführungen des SG kann nur teilweise gefolgt werden. Die Auffassung des SG, dass für den hier streitbefangenen SSB-Regress eine Ausschlussfrist von vier Jahren gilt, trifft zu (unten aa und bb). Unzutreffend
ist hingegen dessen Ansicht, die Frist beginne gesondert für jedes einzelne Quartal mit Erlass des Quartalshonorarbescheids
und sei deshalb für die Quartale I und II/2001 bereits abgelaufen. Bei SSB-Verordnungen sind grundsätzlich vier aufeinander
folgende Quartale zusammen zu überprüfen, und die Vier-Jahres-Frist beginnt einheitlich nach Ablauf des letzten dieser Quartale
(unten cc). Der Fristlauf war im Übrigen auch schon gehemmt (unten dd).
aa) Wie der Senat in seinem Urteil vom 5.5.2010 - B 6 KA 5/09 R - klargestellt hat, unterliegt die Festsetzung von Regressen wegen der Verordnung von Arzneimitteln, die der Arzt nicht verordnen
durfte, keiner Verjährung, sondern einer Ausschlussfrist (BSG aaO RdNr 18 ff - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen - mit
Zusammenfassung seiner Rspr). Eine Verjährung gilt nur für Festsetzungen eines sog sonstigen Schadens, dem nur solche Regresse
wegen Fehlverordnungen zuzuordnen sind, bei denen Fehler in Frage stehen, die nicht speziell der Verordnung selbst anhaften,
sondern sich aus der Art und Weise der Verordnung ergeben (Urteil aaO RdNr 22 bis 26). Handelt es sich dagegen um Fehler,
die sich speziell aus der Verordnung selbst ergeben, wie zB bei Verordnungen unter Verstoß gegen die Arzneimittel-Richtlinie
bzw bei Verordnungen nicht verordnungsfähiger Arzneimittel, so liegen Fälle des §
106 SGB V vor, für die keine Verjährungs-, sondern nur eine Ausschlussfrist in Betracht kommt (aaO RdNr 22 f, 26, 27 ff).
Für die Verordnung von Arzneimitteln, die nicht patienten-, sondern praxisbezogen als SSB erfolgt, gilt nichts anderes. In
der Rechtsprechung des Senats ist seit langem geklärt, dass den Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung sowohl die Kontrolle
der Zulässigkeit von SSB-Verordnungen - im Sinne der Vereinbarkeit mit der jeweiligen SSB-Vereinbarung - wie auch die ihrer
Wirtschaftlichkeit im engeren Sinne - im Sinne einer Einzelfallprüfung der medizinischen Notwendigkeit oder im Vergleich mit
den durchschnittlichen Kosten der Arztgruppe - übertragen werden kann (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 6 RdNr 8; BSG SozR 4-2500
§ 106 Nr 7 RdNr 6; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 24 RdNr 14). Auch der Umstand, dass Regresse wegen vereinbarungswidriger oder
unwirtschaftlicher SSB-Verordnungen kein Verschulden des Vertragsarztes voraussetzen (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 7 RdNr 12),
weist auf die Zuordnung der gesamten SSB-Prüfung zur allgemeinen Wirtschaftlichkeitsprüfung iS des §
106 SGB V und nicht zur Sonderkonstellation der Verantwortung des Vertragsarztes für die Verursachung eines "sonstigen Schadens" bei
den KKn hin (so jüngst auch BSG vom 5.5.2010 - B 6 KA 5/09 R - RdNr 26, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, mit Hinweis auf BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 7 RdNr 5 ff betr fehlerhafte
Aufteilung des SSB zwischen Primär- und Ersatzkassen).
bb) Die Ausschlussfrist für Regressbescheide auf der Grundlage des §
106 SGB V beträgt nach der Rechtsprechung des BSG - in Anlehnung an die sonstigen ebenfalls vierjährigen Fristen zB in den Büchern
des SGB und auch bei sachlich-rechnerischen Richtigstellungen - vier Jahre. Mit dieser Festlegung hat das BSG der Notwendigkeit
zeitlicher Begrenzung von Prüfverfahren aufgrund des rechtsstaatlichen Gebots der Rechtssicherheit Rechnung getragen (vgl
oben RdNr 21 und zusammenfassend BSG vom 5.5.2010 aaO RdNr 28 mwN).
cc) Die Frage, ab welchem Zeitpunkt die Vier-Jahres-Frist beginnt, ist dahin zu beantworten, dass diese Frist für Verordnungsregresse
im Regelfall unmittelbar nach Ablauf des Quartals beginnt, dem die Verordnung kostenmäßig zugeordnet ist. Die kostenmäßige
Zuordnung von Verordnungen kann unterschiedlich gestaltet sein. Erfolgt die Zuordnung zu dem Quartal, in dem der Arzt die
Verordnung ausstellte, so ist der Ablauf dieses Quartals auch für den Beginn der Vier-Jahres-Frist maßgebend. Erfolgt die
kostenmäßige Zuordnung der Verordnung danach, in welchem Quartal die Verordnung eingelöst wurde - dh danach, wann die Kosten
entstanden -, so ist der Ablauf dieses Quartals maßgebend. Welche dieser beiden Varianten bei Auseinanderfallen des Verordnungs-
und des Einlösezeitpunkts einschlägig ist, kann in einer allgemein-abstrakten normativen Regelung, zB in der PrüfV, bestimmt
werden (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 23 RdNr 23; zu insoweit differenzierenden Regelungen vgl BSG vom 6.2.2008 - B 6 KA 57/07 B - RdNr 2, 3, 8; vgl auch unten RdNr 35). Besteht keine normative Festlegung, kann die Zuordnung sich aus der Verwaltungspraxis
der Prüfgremien ergeben.
Das Ergebnis ist durch die Regelung des §
106 Abs
2 Satz 7 Halbsatz 2
SGB V gesetzlich vorgezeichnet. Zwar betrifft diese Bestimmung als solche nur die Richtgrößenprüfung - und normiert insoweit eine
kürzere, zweijährige Frist -, hat aber mit dem Kriterium "Ende des geprüften Verordnungszeitraums" generelle Bedeutung. Bei
dem "Verordnungszeitraum" kann es sich - so der Regelfall - um ein Quartal handeln, sodass die Vier-Jahres-Frist nach Ablauf
dieses Quartals beginnt (unten RdNr 33 und 37), oder - in besonderen Fällen eines sachlich-veranlasst längeren Prüfzeitraums
- um einen Zeitraum mehrerer Quartale, sodass die Vier-Jahres-Frist nach Ablauf des letzten dazugehörenden Quartals beginnt
(unten RdNr 34). Im Fall von SSB-Verordnungen liegt in aller Regel eine solche besondere Konstellation vor (unten RdNr 35
iVm 38).
Für die Zuordnung einer Verordnung zu einem bestimmten Quartal ist der Zeitpunkt, in dem der Honorarbescheid erlassen wird,
ohne Bedeutung. Der Honorarbescheid markiert den maßgebenden Zeitpunkt für den Beginn der Vier-Jahres-Frist nur insoweit,
als die Versagung oder Kürzung von Honorar in Rede steht, dh in Fällen sachlich-rechnerischer Prüfung, degressionsbedingter
Honorarminderung und der Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise (siehe zusammenfassend BSG vom 5.5.2010 -
B 6 KA 5/09 R - RdNr 31 - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen - mit umfangreichen Rspr-Nachweisen). In gleicher Weise im Verordnungsbereich
für den Beginn der Vier-Jahres-Frist auf den Erlass des Honorarbescheids abzustellen, wäre verfehlt. Die Prüfung der Wirtschaftlichkeit
der Verordnungsweise und die Überprüfung der Behandlungsweise betreffen zwei unterschiedliche Bereiche; eine "Gesamtprüfung"
findet nicht statt. Ein Sachgrund, durch Abstellen auf den Erlass des Honorarbescheids einen "Gleichklang" des Fristlaufs
im Honorar- und im Verordnungsbereich zu erreichen, besteht nicht. Dafür reicht nicht aus, dass in seltenen Fällen Anlass
zur Prüfung bestehen kann, ob ein Verordnungsmehraufwand durch einen Minderaufwand im Honorarbereich kompensiert wird, was
erst ab Erlass des Honorarbescheids fundiert beurteilt werden kann (zu dieser abweichenden Ansicht vgl Clemens in jurisPraxisKommentar
SGB V, 2008, §
106 RdNr 153, und in Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, 4. Aufl 2010, § 36 RdNr 105; ebenso im Ergebnis: Peikert in Schnapp/Wigge,
Handbuch des Vertragsarztrechts, 2. Aufl 2006, § 20 RdNr 17 aE; - zur Rechtsfigur kompensierender Einsparungen vgl Clemens
in Laufs/Kern aaO § 36 RdNr 71 bis 73 mwN; siehe auch RdNr 100 und RdNr 122 f). Zudem gibt es Fälle, in denen das Abstellen
auf den Erlass eines Honorarbescheids nicht möglich ist. Denn für das Quartal, dem die Verordnung zugeordnet wird, ergeht
nicht stets auch ein Honorarbescheid: Wenn zB ein Arzt eine Verordnung am 20.6. ausstellt, diese aber erst am 2.7. in der
Apotheke eingelöst wird, wird die Verordnung in der Regel kostenmäßig diesem dritten Quartal zugeordnet. In diesem sucht aber
möglicherweise der Patient den Arzt nicht wieder auf, oder der Arzt führt seine vertragsärztliche Tätigkeit jetzt nicht mehr
weiter. Dann ergeht für dieses Quartal, jedenfalls bezogen auf Leistungen des Arztes gegenüber diesem Patienten, kein Honorarbescheid.
Überzeugend ist auch nicht die Ansicht, bei Verordnungsregressen sei für den Beginn der Vier-Jahres-Frist auf den Zeitpunkt
abzustellen, in dem den KKn alle Unterlagen und Daten vorliegen, die für die fundierte Beurteilung erforderlich sind, ob ein
Regressantrag sinnvoll ist. Hiernach begänne die Vier-Jahres-Frist erst mit Eingang der Arzneikostenstatistiken. Bei diesem
Ausgangspunkt würde der Arzt, der durch den Lauf der Vier-Jahres-Frist geschützt werden und Rechtssicherheit erhalten soll
(hierzu vgl oben RdNr 21, 27), mit Risiken belastet, die dem Verantwortungsbereich der vertragsärztlichen Institutionen zuzurechnen
sind. Zu deren Aufgaben gehört die Organisation und die Bewältigung der verwaltungstechnischen Abläufe und damit auch die
kürzere oder längere Dauer der Unterlagen- und Datenbeschaffung (vgl dazu Clemens in jurisPraxisKommentar aaO RdNr 154). Durchgreifend
ist auch nicht der Gesichtspunkt, dass Richtgrößenprüfungen grundsätzlich vorrangig sind und deshalb erst nach Klärung von
deren Durchführbarkeit - was uU schwierige Fragen wie zB diejenige der Wirksamkeit der Richtgrößenvereinbarung implizieren
kann - die Durchschnittsprüfung in Angriff genommen werden kann. Auch bei kumulativer Berücksichtigung aller denkbaren Schwierigkeiten
bestehen keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass bei einer Gesamtfrist von vier Jahren in einer erheblichen Zahl der Fälle
die verbleibende Zeit zu knapp sein könnte für eine fundierte, dem Wirtschaftlichkeitsgebot Rechnung tragende Prüfung und
dass deshalb die Vier-Jahres-Frist erst mit Eingang der maßgeblichen Unterlagen und Daten bei den KKn beginnen dürfe.
Abzulehnen ist auch die Erwägung, die Vier-Jahres-Frist beginne für die einzelnen Quartale eines Jahres jeweils erst mit dem
Anfang des nächstfolgenden Kalenderjahrs, so wie dies im Zivilrecht in weitem Umfang geregelt ist (vgl §
199 Abs
1 BGB). Die Heranziehung von Verjährungsgrundsätzen, wie die Beigeladene zu 2. dies befürwortet, ist damit nicht vereinbar, dass
es sich bei der Vier-Jahres-Frist gerade um eine Ausschluss- und nicht um eine Verjährungsfrist handelt (vgl oben RdNr 25).
Das BSG hat es auch in anderen Fällen abgelehnt, für den Beginn von Ausschlussfristen auf den Ablauf des Kalenderjahres abzustellen
(vgl - aus dem Honorarbereich - BSG MedR 2008, 100, RdNr 21 und 23, sowie BSGE 98, 169 = SozR 4-2500 § 85 Nr 35, RdNr 21 und 23).
Nach alledem beginnt die Vier-Jahres-Frist für Verordnungsregresse stets am "Ende des geprüften Verordnungszeitraums" (vgl
§
106 Abs
2 Satz 7 Halbsatz 2
SGB V), dh in dem (Normal-)Fall, dass die Arzneimittelverordnungen eines Quartals auf ihre Sachgerechtigkeit und Wirtschaftlichkeit
überprüft werden, unmittelbar nach Ablauf des Quartals, dem die Verordnung kostenmäßig zugeordnet ist. Dies entspricht einer
schon bisher in Rechtsprechung und Schrifttum verbreiteten Ansicht (so zB SG Berlin vom 27.8.2008 - S 83 KA 74/07 - Juris RdNr 18 ff = GesR 2009, 255 f; Hartmannsgruber, ZMGR 2008, 124, 128; Dahm/Hofmayer in Rieger/Dahm/Steinhilper [Hrsg],
Heidelberger Kommentar Arztrecht, Krankenhausrecht, Medizinrecht, Beitrag Nr 5560 "Wirtschaftlichkeitsprüfung", RdNr 231,
Stand Einzelkommentierung August 2010; Scholz in Becker/Kingreen,
SGB V, 2. Aufl 2010, §
106 RdNr 26).
Liegen indessen besondere Umstände vor, die Anlass geben, mehrere aufeinander folgende Quartale zusammen zu überprüfen, so
bilden diese den "geprüften Verordnungszeitraum". Der Beginn der Vier-Jahres-Frist "nach Ende des geprüften Verordnungszeitraums"
bedeutet in einer solchen Konstellation, dass die Vier-Jahres-Frist erst nach Ablauf des Gesamtzeitraums beginnt, also erst
nach dem Ablauf des letzten dazugehörenden Quartals.
Die Voraussetzung, dass besondere Sachgründe Veranlassung zur Gesamtprüfung mehrerer aufeinander folgender Quartale geben,
ist in aller Regel bei der Überprüfung der Wirtschaftlichkeit von SSB-Verordnungen erfüllt. Denn bei SSB-Verordnungen sind
erhebliche Schwankungen von Quartal zu Quartal typisch; diese Verordnungen erfolgen en bloc für einen Vorrat von ca einem
Quartal. Hat der Arzt in einem Quartal den dafür angelegten Vorrat nicht verbraucht, so werden seine SSB-Verordnungen im nachfolgenden
Quartal geringer ausfallen. Ist sein Vorrat vorzeitig aufgebraucht, so muss er ggf ein weiteres Mal im selben Quartal SSB-Verordnungen
vornehmen. Durch solche Schwankungen sind uU in einzelnen Quartalen besonders hohe, in anderen Quartalen dagegen besonders
geringe oder gar keine SSB-Verordnungen zu verzeichnen, ohne dass dies als sachwidrig angesehen werden kann. In solchen Fällen
wäre eine auf nur einzelne Quartale beschränkte Prüfung problematisch. Solchen Besonderheiten wird nur eine Prüfung gerecht,
die mehrere Quartale zusammenfasst, und zwar im Falle des SSB möglichst vier aufeinanderfolgende Quartale (so schon BSG vom
6.2.2008 - B 6 KA 57/07 B - RdNr 2, 3, 8 - hier mit Hinweis auf teilweise normierte weitere Differenzierungen für die Zuordnung der Fälle bei Auseinanderfallen
von Verordnungs- und Einlösequartal; - vgl dazu Clemens in Laufs/Kern, aaO, § 36 RdNr 133). Eine Gesamtprüfung von vier aufeinander
folgenden Quartalen ist im Übrigen auch ausdrücklich in der für den vorliegenden Fall maßgeblichen SSB-Vereinbarung vorgeschrieben
(siehe deren Abschnitt V).
Der Senat hat bereits zu anderen Prüfungsbereichen ausgeführt, dass es notwendig sein kann, vier aufeinander folgende Quartale
zu einer Einheit zusammenzufassen und dass dann die Vier-Jahres-Frist erst ab Ablauf des letzten zu dieser Einheit gehörenden
Quartals beginnt. So hat er - im Honorarbereich - für degressionsbedingte Honorarminderungen (§
85 Abs
4b ff
SGB V), die jahresbezogen zu berechnen sind (§
85 Abs
4b ff
SGB V), in seinen Urteilen vom 28.3.2007 entschieden, dass ein Regressbescheid die vierjährige Ausschlussfrist noch "wahrt ...,
wenn er innerhalb von vier Jahren nach Erlass des letzten Honorarbescheids für den Degressionszeitraum bekannt gegeben worden
ist" (BSG MedR 2008, 100 RdNr 18 aE; ebenso - zur Änderung eines Degressionsbescheids - BSGE 98, 169 = SozR 4-2500 § 85 Nr 35 RdNr 18 aE).
Kein in dieser Weise besonderer Fall, in dem die Vier-Jahres-Frist erst nach Ablauf des letzten von mehreren Quartalen beginnt,
ist dagegen dann gegeben, wenn die Rechtmäßigkeit von Verordnungen zB bei umstrittenem Off-Label-Use zusammengefasst für mehrere
Quartale überprüft wird. In diesem Fall die gleichliegende Problematik mehrerer Quartale in einem Verfahren zusammenzufassen,
mag der Verwaltungsvereinfachung dienen und auch im Interesse des betroffenen Arztes liegen. In einer derartigen Konstellation
ist aber im Regelfall die Voraussetzung, dass nur bei Zusammenfassung mehrerer Quartale die Verordnungsweise sachgerecht beurteilt
werden kann, nicht erfüllt. Deshalb beginnt in solchen Fällen, ungeachtet der zusammenfassenden Prüfung, die Vier-Jahres-Frist
gesondert für jedes Quartal nach dessen Ablauf, so wie dies dem Normalfall entspricht (hierzu vgl oben RdNr 33).
Da vorliegend Gegenstand der Verordnungsprüfung die vom Kläger vorgenommenen Verordnungen von SSB waren und die SSB-Überprüfung
hier, wie es sachlich veranlasst ist (vgl oben RdNr 35) und auch der Sollvorgabe in der SSB-Vereinbarung entsprach (Abschnitt
V Satz 2), auf alle vier Quartale des Jahres 2001 erstreckt wurde (vgl oben RdNr 35), war das Ende des "geprüften Verordnungszeitraums"
der 31.12.2001. Mithin begann die Vier-Jahres-Frist für alle vier Quartale des Jahres 2001 am 1.1.2002, sodass der Bescheid
des Prüfungsausschusses vom 22.12.2005 die Frist wahrte.
dd) Die Vier-Jahres-Frist wurde im Fall des Klägers für den gesamten Verordnungszeitraum der Quartale I bis IV/2001 aber nicht
nur dadurch gewahrt, dass der Prüfbescheid vom 22.12.2005 noch vor Ablauf von vier Jahren seit dem Ablauf des letzten dazugehörenden
Quartals erlassen wurde, sondern der Lauf der Frist war zudem durch den Antrag der KK vom 24.9.2002 an den Prüfungsausschuss
auf Festsetzung eines Regresses gehemmt worden (siehe den Prüfantrag der Beigeladenen zu 2. vom 24.9.2002): Der Senat erkennt
in ständiger Rechtsprechung an, dass die Ausschlussfristen für sachlich-rechnerische Richtigstellungen und Wirtschaftlichkeitsprüfungen
durch einen Prüfantrag der KKn gehemmt werden, sofern auch der betroffene Arzt von dem Prüfantrag Kenntnis erlangt (vgl zusammenfassend
BSG vom 5.5.2010 - B 6 KA 5/09 R -, RdNr 33-35 iVm 40, 46, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Das war hier der Fall.
Unschädlich ist, dass nach dem Prüfantrag, dessen Begründung und der Stellungnahme des Klägers vom 13.1.2003 zunächst während
zweieinhalb Jahren das Verwaltungsverfahren nicht erkennbar weiter betrieben wurde (der Prüfungsausschuss trat erst am 30.11.2005
zu seiner Sitzung zusammen). Ein Erfordernis derart, dass die hemmende Wirkung entfällt, wenn das Verfahren mehr als sechs
Monate lang nicht weiterbetrieben wird, besteht in Angelegenheiten des Vertragsarztrechts nicht, wie der Senat ausgeführt
hat (BSG aaO RdNr 49 ff). Im Übrigen hatte der Prüfungsausschuss den Kläger bei der Zuleitung sowohl des Prüfantrags der KK
als auch der Antragsbegründung jeweils darauf hingewiesen, dass die Durchführung des Prüfverfahrens zurückgestellt werde bis
zur Klärung, ob nicht eine Richtgrößenprüfung, die vorrangig wäre, durchgeführt werde. Das hierdurch eingetretene faktische
Ruhen des Verfahrens war auch nicht unangemessen lang.
ee) Nach alledem wurde zum einen durch den Prüfantrag der KK vom 24.9.2002 der Lauf der Vier-Jahres-Frist gehemmt, und zum
anderen erließ der Prüfungsausschuss seinen Bescheid vom 22.12.2005 innerhalb der ursprünglichen Vier-Jahres-Frist: Aus beiden
Gründen durfte das Verfahren auf Festsetzung eines Regresses gegen den Kläger wegen nicht sachgerechter bzw unwirtschaftlicher
SSB-Verordnungen weiterhin durchgeführt werden. Dies galt einheitlich für alle vier Quartale I bis IV/2001; für eine getrennte
Beurteilung einerseits der Quartale I und II/2001 und andererseits der Quartale III und IV/2001, wie das SG sie vorgenommen hat, ist - da es sich um eine einheitliche SSB-Gesamtüberprüfung handelte - kein Raum.
Der rechtlichen Wertung, dass der Bescheid des Prüfungsausschusses vom 22.12.2005 die Vier-Jahres-Frist wahrte, steht nicht
entgegen, dass seine Entscheidung "negativ" dahin lautete, gegen den Kläger seien k e i n e Maßnahmen veranlasst. Für die
Fristwahrung kommt es allein darauf an, dass die erste behördliche Entscheidung - mithin diejenige des Prüfungsausschusses
- fristgerecht erging. Unerheblich ist, ob sie einen den Arzt belastenden oder ihn "freisprechenden" Inhalt hatte. Der Senat
hat bereits in anderem Zusammenhang ausgeführt, dass eine einmal eingetretene Fristenhemmung in dem Sinne fortwirkt, dass
damit zugleich die Kompetenz zu weiteren Entscheidungen nachfolgender Instanzen gewahrt bleibt, die - sofern der Gegner einen
Rechtsbehelf einlegt - auch "verbösernde" Entscheidungen treffen dürfen (vgl BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 62 mwN; vgl auch zB BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 12 am Ende; BSG vom 5.5.2010 - B 6 KA 21/09 R - RdNr 44 mwN, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung konnte der weitere Bescheid
des Beklagten vom 27.11.2006 noch Wirksamkeit entfalten. Er durfte auch die Entscheidung des Prüfungsausschusses vom 22.12.2005
"verbösern"; das Verbot der reformatio in peius stand dem nicht entgegen, weil der Beschwerdeausschuss im selben Verwaltungsverfahren
als weitere Instanz entschied, nachdem die KK den ihr als Antragstellerin zustehenden Rechtsbehelf des Widerspruchs eingelegt
hatte.
5. Waren mithin die Vier-Jahres-Frist gewahrt und der Bescheid des Beklagten vom 27.11.2006 zulässigerweise ergangen, so ist
zu überprüfen, ob der Bescheid auch in sonstiger - formeller und materieller - Hinsicht rechtmäßig ist. Diese Beurteilung
kann revisionsgerichtlich allerdings nur teilweise erfolgen (unten a und b). Für die abschließende Entscheidung, ob der Bescheid
in materieller Hinsicht rechtmäßig oder rechtswidrig ist, bedarf es noch weiterer Klärungen durch das SG, an das der Rechtsstreit deshalb zurückzuverweisen ist (unten b).
a) Der Regressbescheid vom 27.11.2006 ist formell rechtmäßig. Die vom Kläger erhobene Beanstandung, gegen den Grundsatz "Beratung
vor Regress" sei verstoßen worden, greift nicht durch. Die Ansicht des Klägers, es hätte kein Regress, sondern - jedenfalls
zunächst - nur eine Beratung erfolgen dürfen, trifft nicht zu.
Wie der Senat bereits wiederholt ausgeführt hat, ist für Prüfungen der Wirtschaftlichkeit der Behandlungs- und Verordnungsweise
eine vorgängige Beratung gemäß §
106 Abs
5 Satz 2
SGB V dann nicht erforderlich, wenn dem Arzt ein Mehraufwand im Ausmaß eines sog offensichtlichen Missverhältnisses anzulasten
ist (vgl zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 23 mwN). Noch weniger ist eine vorgängige Beratung dann geboten, wenn nicht
Unwirtschaftlichkeiten durch einen zu hohen Aufwand, sondern Fälle gänzlich unzulässiger Verordnungen in Rede stehen, wenn
zB dem Arzt das Fehlen der Arzneimittelzulassung des verordneten Medikaments, ein unzulässiger Off-Label-Use, eine Verordnung
entgegen einem Verordnungsausschluss in der Arzneimittel-Richtlinie oder die Unvereinbarkeit einer Verordnung mit den Vorgaben
des §
135 Abs
1 SGB V angelastet wird. Zu solchen Fällen, die durch einen sogenannten Basismangel gekennzeichnet sind (vgl BSG aaO RdNr 23), gehört
auch die Konstellation, dass ein Regress festgesetzt wird, weil ein verordnetes Arzneimittel nicht in der SSB-Vereinbarung
zur Verordnung als SSB vorgesehen ist. Deshalb war im vorliegenden Fall - unabhängig davon, ob es sich um einen Regress aufgrund
einer Vergleichsprüfung wegen gravierender Überschreitung des durchschnittlichen Aufwandes der Fachgruppe, und/oder, ob es
sich um einen Regress wegen Verstoßes gegen die SSB-Vereinbarung handelte - keine vorgängige Beratung erforderlich.
Daran ändert der Hinweis auf § 22 Abs 2 bis 4 PrüfV nichts. Gemäß Abs 2 aaO "soll" zwar vorbehaltlich der Absätze 3 und 4
"in der Regel" eine Beratung vorausgehen. Aber zum einen handelt es sich nur um eine "Soll"-Vorschrift, und zum anderen enthält
Abs 4 ausdrücklich eine Ausnahme dahingehend, dass bei "Unwirtschaftlichkeit in besonders gravierendem Ausmaß" von einer vorrangigen
Beratung abgesehen werden kann. Entweder war ein solcher Fall gegeben oder - was dem wertungsmäßig gleich steht (vgl RdNr
45) - ein Verstoß gegen die SSB-Vereinbarung.
b) Ob der Regressbescheid auch in materiell-rechtlicher Hinsicht rechtmäßig ist, vermag der Senat indessen nicht abschließend
zu beurteilen.
Die vom Beklagten getroffene Wahl der sog statistischen Vergleichsprüfung anhand der Durchschnittswerte der Fachgruppe ist
nicht zu beanstanden. Die Wahl dieser Prüfmethode (zur insoweit bestehenden Auswahlfreiheit vgl zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr
17 RdNr 13 mwN) hat der Beklagte in seinem Bescheid mit ausreichender Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht (siehe die Formulierung
"Grundlage der statistischen Vergleichsprüfung ..." und die am Schluss des Bescheids befindliche "Vergleichsberechnung").
Nur der ergänzenden Erläuterung - um die Berechtigung der Regresshöhe von 7432 DM = 3800 Euro zu verdeutlichen - dienen seine
Ausführungen zu SSB-Verordnungen außerhalb von Akutbehandlungen und deren Summierung auf 7931 DM.
Eine abschließende revisionsgerichtliche Würdigung ist allerdings nicht möglich. Dem Regress liegt die Annahme zugrunde, Anlässe,
HAES-Infusionslösungen im Wege von SSB-Verordnungen zur Akut- und Notfallbehandlung zu beziehen (vgl Abschnitt I Nr 1 iVm
Anlage 1 Nr 6 der SSB-Vereinbarung), hätten beim Kläger in keinem weitergehenden Umfang bestanden als beim Durchschnitt der
Fachgruppe bzw als im Umfang von ca 14 % der HAES-Verordnungen (so sinngemäß der Bescheid S 4 f). Der Kläger hat hierzu allerdings
in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geltend gemacht, die Quote der ihm zugebilligten HAES-Akutbehandlungen sei zu
gering; bei seiner Patientenschaft habe es Indikationen für HAES-Akutbehandlungen über die Fälle von Hörsturz und Tinnitus
hinaus noch in weiteren Krankheitsfällen gegeben (vgl auch seine Klagebegründung vom 27.10.2008 S 7). Der Beklagte ist dem
entgegengetreten und hat insbesondere hervorgehoben, dass die Anerkennung einer Praxisbesonderheit nicht in Betracht komme,
weil keine greifbaren Anhaltspunkte für einen speziellen Zuschnitt der Patientenschaft des Klägers erkennbar seien. Das SG hat - von seinem Rechtsstandpunkt her folgerichtig - zu diesem Fragenkreis keine näheren Feststellungen getroffen, sodass
der Rechtsstreit an das SG zurückzuverweisen ist.
Für die weitere Würdigung durch das SG weist der Senat auf Folgendes hin:
Erfolglos ist der Einwand des Klägers, bei einem Regress wegen unzulässiger SSB-Verordnungen von HAES-Infusionslösungen müsse
im Wege der Gegenrechnung berücksichtigt werden, in welcher Höhe im Falle des Verzichts auf SSB-Verordnungen stattdessen Kosten
bei Einzelverordnungen für bestimmte Patienten angefallen wären. Diese Argumentation greift nicht durch. Die Zuerkennung der
Kosten, die bei rechtmäßigem Verhalten angefallen wären, hätte zur Folge, dass es auf die Beachtung der für die vertragsärztliche
Versorgung geltenden Bestimmungen nicht ankäme (vgl dazu zuletzt BSG vom 23.6.2010 - B 6 KA 7/09 R - RdNr 67 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Eine Gegenrechnung der Kosten, die im Falle rechtmäßiger
Einzelverordnungen angefallen wären, ist zudem deshalb ausgeschlossen, weil SSB-Verordnungen und Einzelverordnungen wegen
der zwischen ihnen bestehenden Unterschiede nicht austauschbar sind: SSB-Verordnungen erfolgen zu Lasten aller KKn, während
Einzelverordnungen allein die KK belasten, bei der der Patient versichert ist. Bei SSB-Verordnungen entstehen Kosten in voller
Höhe des Arzneimittels, während bei Einzelverordnungen die Patientenzuzahlungen kostenmindernd wirken (zur Nicht-Austauschbarkeit
vgl zB BSG vom 8.5.1985, SozR 2200 § 368n Nr 36 S 117; BSG vom 31.5.2006 - B 6 KA 10/06 B - Juris RdNr 11; BSG vom 23.6.2010 - B 6 KA 6/10 B - RdNr 7 aE). Dementsprechend können insoweit auch keine sog kompensierenden Einsparungen anerkannt werden (zu dieser Rechtsfigur
vgl Clemens in Laufs/Kern, aaO, § 36 RdNr 71 bis 73, 100).
Zurückzuweisen ist der von Seiten der KKn erhobene Einwand, die Kosten für die Verordnung von HAES-Infusionslösungen bei akutem
Hörsturz und Tinnitus seien deshalb nicht akzeptabel, weil ein Nutzen solcher Behandlungsmaßnahmen nicht durch Studien wissenschaftlich
belegt sei; solchen Behandlungen liege nur die vermeintliche Erfahrung zugrunde, sie trügen zur Linderung bzw Heilung bei
(vgl Widerspruchsbegründung der AOK vom 12.6.2006). Dieser Argumentation steht das Wesen der Prüfmethodik des Vergleichs mit
dem durchschnittlichen Aufwand der Fachgruppe entgegen: Eine Behandlungs- bzw Verordnungsweise, die - wie die Durchführung
von Infusionen zB bei Hörsturz - in der Fachgruppe grundsätzlich akzeptiert und tatsächlich Verbreitung gefunden hatte, darf
bei dem Vergleich mit dem Aufwand der Fachgruppe nicht bei dem geprüften Arzt - also nur auf einer Seite - als unzulässig
beanstandet werden. Dies kann auch nicht unter Rückgriff auf die sog Randzuständigkeit der Prüfgremien (vgl hierzu BSG SozR
4-2500 § 106 Nr 10 RdNr 13; BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15 RdNr 19; BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 3 RdNr 12) gerechtfertigt werden. Denn nach der Rechtsprechung
des Senats dürfen sachlich-rechnerische Richtigstellungen bei medizinisch umstrittenen Behandlungen nur erfolgen, wenn deren
Erbringung durch normative Vorschriften ausdrücklich ausgeschlossen ist - zB Fehlen einer gemäß §
135 SGB V erforderlichen Methodenanerkennung oder einer gemäß dem Arzneimittelgesetz erforderlichen Arzneimittelzulassung -, und sonst nur dann, wenn die Leistungserbringung in offenkundigem Widerspruch zum
Stand der medizinischen Wissenschaft steht oder ohne Weiteres erkennbar keinerlei Nutzen hat (BSG SozR 3-5533 Nr 3512 Nr 1
S 3 ff; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 1 RdNr 11, 13-15; BSG SozR 4-5533 Nr 653 Nr 1 RdNr 7 aE). Die hier in Rede stehende
Behandlungsweise, die Durchführung von Infusionen bei Hörsturz uÄ, hat indessen Verbreitung gefunden und kann nicht als offenkundig
im Widerspruch zum Stand der medizinischen Wissenschaft angesehen werden.
6. Das SG wird bei seiner erneuten Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.