Honorierung vertragsärztlicher Leistungen; Zulässigkeit der Einbeziehung von Leistungen in das Regelleistungsvolumen; Statthaftigkeit
von Honorarkürzungen bei Fallwertsteigerungen
Gründe:
I
Im Streit steht die Höhe vertragsärztlichen Honorars für die Quartale III/2005 und IV/2005.
Der Kläger ist als Facharzt für Innere Medizin zur vertragsärztlichen Versorgung in F. zugelassen und nimmt an der fachärztlichen
Versorgung teil. Mit Honorarbescheid vom 12.8.2006 setzte die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) das Honorar des Klägers
für das Quartal III/2005 und mit weiterem Bescheid vom 28.11.2006 für das Quartal IV/2005 fest. Dabei wandte sie ihren Honorarverteilungsvertrag
(HVV) an, welcher zeitgleich mit dem neu gefassten Einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) zum 1.4.2005
in Kraft getreten war. Dieser HVV enthielt ua in Ziffer 7.5 eine "Regelung zur Vermeidung von Honorarverwerfungen nach Einführung
des EBM 2000plus". Danach erfolgte nach Feststellung der Punktwerte und Quoten gemäß Ziffer 7.2 HVV ein Vergleich des für
das aktuelle Abrechnungsquartal berechneten fallbezogenen Honoraranspruchs der einzelnen Praxis mit der fallbezogenen Honorarzahlung
im entsprechenden Abrechnungsquartal des Jahres 2004 (beschränkt auf Leistungen, die dem budgetierten Teil der Gesamtvergütung
unterliegen). Zeigte der Fallwertvergleich eine Fallwertminderung oder -erhöhung von jeweils mehr als 5 %, so erfolgte eine
Begrenzung auf den maximalen Veränderungsrahmen von 5 % (Ziffer 7.5.1 HVV). Zudem sah Ziffer 6.3 HVV eine Vergütung der Leistungen
innerhalb von Regelleistungsvolumina (RLV) vor: Dies betraf auch die vom Kläger erbrachten Leistungen nach den Nr 01600, 01601
und 01602 EBM-Ä. Unter Anwendung der Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV kam es im Quartal IV/2005 - nicht jedoch im Quartal
III/2005 - zu einer Honorarkürzung in Höhe von 121,34 Euro.
Während die Widersprüche des Klägers erfolglos blieben, hat das SG auf seine Klage die Beklagte unter Abänderung ihrer Bescheide zur Neubescheidung nach Maßgabe seiner - des SG - Rechtsauffassung verpflichtet (Urteil des SG vom 22.10.2008). Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil des LSG vom 24.6.2009). Zur Begründung hat
es ausgeführt, die Honorarbescheide seien zunächst insoweit rechtswidrig, als die Beklagte die nicht dem RLV unterliegenden
Leistungen nach den Nr 01600, 01601 und 01602 EBM-Ä entgegen den Vorgaben in Teil III 4.1 des Beschlusses des Bewertungsausschusses
(BewA) zur Festlegung von RLV durch die KÄVen gemäß §
85 Abs
4 SGB V vom 29.10.2004 (nachfolgend als BRLV bezeichnet) innerhalb des RLV vergütet habe. Den vom BewA gemäß §
85 Abs
4a Satz 1 iVm Abs
4 Satz 7
SGB V zu beschließenden bundeseinheitlichen Vorgaben komme im Falle divergenter Regelungen der Vorrang zu. Die Vertragspartner
des HVV seien hieran in der Weise gebunden, dass sie rechtswirksam keine abweichenden Regelungen treffen könnten. Zu den in
Teil III 4.1 BRLV aufgeführten Leistungen, die nicht den RLV unterlägen, gehörten auch die streitgegenständlichen. Die Herausnahme
bestimmter Leistungen aus den RLV durch den BRLV sei mit höherrangigem Recht vereinbar. RLV seien nicht die einzige Gestaltungsmöglichkeit
für mengenbegrenzende Regelungen, wie sich aus der einleitenden Formulierung "insbesondere" in §
85 Abs
4 Satz 7
SGB V ergebe. Der BewA habe auch den Grundsätzen der Honorarverteilungsgerechtigkeit und der Leistungsgerechtigkeit der Honorarverteilung
Rechnung zu tragen. Daher sei er nicht verpflichtet gewesen, alle Leistungen dem RLV zu unterwerfen.
Der Honorarbescheid für das Quartal IV/2005 sei auch insoweit rechtswidrig, als eine auf Ziffer 7.5 HVV gestützte Honorarkürzung
erfolgt sei. Diese Regelung verstoße gegen zwingende Vorgaben des BRLV und sei nicht durch die Ermächtigungsgrundlage in §
85 Abs
4 SGB V iVm Art
12 GG gedeckt. Nach Sinn und Zweck der Neufassung des §
85 Abs 4
SGB V durch das GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) sei die Gestaltungsfreiheit der KÄVen und ihrer Vertragspartner bei der Honorarverteilung
nunmehr insoweit eingeschränkt, als RLV nach arztgruppenspezifischen Grenzwerten und eine Vergütung der den Grenzwert überschreitenden
Leistungen mit abgestaffelten Punktwerten für alle HVV verbindlich vorgegeben worden seien. Die in Ziffer 7.5 HVV geregelte
Honorarkürzung sei nicht mit dem in §
85 Abs
4 SGB V idF des GMG sowie im BRLV als Teil des HVV verbindlich vorgegebenen System der RLV vereinbar und stelle auch keine zulässige
Ergänzung dieses Systems dar. Zum einen bewirke die Regelung für die von Kürzungen betroffenen Praxen praktisch eine Vergütung
nach einem praxisindividuellen Individualbudget; Individualbudgets seien jedoch mit dem System der RLV nicht vereinbar. Zum
anderen sei eine Honorarverteilungsregelung, durch die der Honoraranspruch bei Praxen mit hohem Fallwert vermindert werde,
wegen des alleinigen Anknüpfens an den Fallwert durch §
85 Abs
4 SGB V nicht gedeckt. Auch §
85 Abs
4 Satz 6
SGB V biete keine Rechtsgrundlage dafür, dass von besonders ertragreichen Praxen ein bestimmter Übermaßbetrag abgezogen und anderen
Praxen zugewiesen werde; vielmehr solle durch die gesetzliche Vorgabe bereits das Entstehen solcher Übermaßbeträge durch übermäßige
Ausdehnung der Tätigkeit des Arztes verhindert werden.
Die in Ziffer 7.5 HVV geregelte Honorarkürzung entspreche auch nicht den inhaltlichen Anforderungen an eine wirksame Berufsausübungsregelung.
So könne nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass ein erheblich über dem Durchschnitt liegender Fallwert ein Indiz
dafür sei, dass der betreffende Arzt seine Leistungen über das medizinisch Erforderliche hinaus ausgedehnt habe. Das ausschließliche
Anknüpfen an die Höhe der durchschnittlichen Vergütung pro Behandlungsfall führe auch zu einer Stützung von Praxen mit hoher
Fallzahl, sofern die Punktzahl je Behandlungsfall unter dem Durchschnitt der Fachgruppe gelegen habe, und umgekehrt zu weiteren
Honorarbegrenzungen bei Praxen mit geringer Fallzahl, bei denen der Fallwert wegen Spezialisierung über dem Durchschnittswert
gelegen habe, ungeachtet der möglicherweise schlechteren Ertragssituation. Zudem griffen derartige Regelungen in den freien
Wettbewerb zwischen den Ärzten ein. Die Beklagte könne sich auch nicht auf den "Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses
nach §
87 Abs.
4 SGB V in seiner 9. Sitzung am 15. Januar 2009 zur Umsetzung und Weiterentwicklung der arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumen
nach §
87b Abs.
2 und
3 SGB V mit Wirkung zum 1. Januar 2009" (DÄ 2009, A 308 f; nachfolgend als "Beschluss vom 15.1.2009" bezeichnet) berufen, wonach
die KÄVen und die Krankenkassenverbände im Rahmen einer so genannten "Konvergenzphase" eine schrittweise Anpassung der RLV
beschließen könnten, denn der Beschluss sei weder im Hinblick auf seinen Geltungszeitraum noch inhaltlich auf den vorliegenden
Sachverhalt anwendbar. Die Regelung könne schließlich auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Anfangs- und Erprobungsregelung
Geltung beanspruchen.
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung von Bundesrecht. Die Einbeziehung der Leistungen nach den Nr 01600, 01601
und 01602 EBM-Ä in die RLV sei rechtmäßig. Rechtswidrig sei vielmehr die Vorgabe in Teil III 4.1 BRLV, bestimmte Leistungen
nicht dem RLV zu unterwerfen. Der BewA sei zwar gesetzlich ermächtigt, mengensteuernde Maßnahmen, insbesondere RLV, einzuführen,
nicht jedoch dazu, zwischen Leistungen zu differenzieren, die dem RLV unterfielen bzw nicht unterfielen. Nach §
85 Abs
4 Satz 7
SGB V seien für sämtliche vertragsärztlichen Leistungen arztgruppenspezifische Grenzwerte festzulegen; einzige Ausnahme stellten
Leistungen dar, die keiner Mengenausweitung zugänglich seien. Diese Sichtweise lege auch die Regel-Ausnahme-Systematik des
SGB V nahe, da das Gesetz selbst Ausnahmen vorsehe, wenn es Leistungen nicht den Maßgaben der budgetierten Gesamtvergütung unterwerfe.
Die streitgegenständlichen Leistungen seien als typische Folgeleistungen zu ärztlichen Hauptleistungen zumindest mittelbar
der Mengenausweitung zugänglich. §
85 Abs
4a SGB V enthalte keine Ermächtigung des BewA zur Förderung bestimmter Leistungen im Wege der Konstituierung von Ausnahmen zu Mengenbegrenzungsregelungen.
Sie - die Beklagte - sei auch nicht zur ausnahmslosen Umsetzung der im BRLV enthaltenen Vorgaben verpflichtet gewesen, weil
der Beschluss in seinem Teil III 2.2 den KÄVen die Möglichkeit eröffne, andere Steuerungsinstrumente anzuwenden, die in ihren
Auswirkungen mit der gesetzlichen Regelung in §
85 Abs
4 SGB V vergleichbar seien. Dies sei, wie noch ausgeführt werde, bei ihr der Fall gewesen. Im Übrigen stellten die Regelungen im
BRLV lediglich Empfehlungen, jedoch keine verbindlichen Vorgaben dar, da der Beschluss den Vertragspartnern des HVV Handlungsspielräume
eröffne. Schließlich sei die Einbeziehung der streitbefangenen Leistungen in das RLV zumindest unter dem Gesichtspunkt einer
Anfangs- und Erprobungsregelung gerechtfertigt. Der ihr - der Beklagten - eingeräumte erweiterte Gestaltungsspielraum werde
obsolet, wenn sie trotz zahlreicher Abweichungsklauseln und Neuregelungen derart konkret gebunden wäre, dass sie bestimmte
Leistungen vom RLV auszunehmen hätte.
Auch die Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV sei rechtmäßig; insbesondere verstoße sie nicht gegen zwingende Vorgaben des
BewA. Dies werde durch den Beschluss des BewA vom 15.1.2009 bestätigt, der den Partnern der Gesamtverträge die Möglichkeit
eröffne, im Rahmen eines sogenannten Konvergenzverfahrens eine schrittweise Anpassung des RLV zu beschließen und prozentuale
Grenzwerte für die Höhe der Umsatzveränderungen im Vergleich zum Vorjahresquartal festzustellen, sofern durch die Umstellung
der Mengensteuerung auf die neue Systematik Honorarverluste begründet worden seien. Dass der Beschluss für die Konvergenzphase
einen Zeitraum vom 1.4.2009 bis 31.12.2010 vorsehe, stehe einer Anwendung auch für den Zeitraum ab dem Quartal II/2005 nicht
entgegen, da Sinn und Zweck einer solchen Konvergenzphase die schrittweise Anpassung der vertragsärztlichen Vergütung an die
RLV sei. Inhaltlich gehe es, wie der Beschluss ausdrücklich klarstelle, um die "Umstellung der Mengensteuerung auf die neue
Systematik". Diese Umstellung sei bei ihr - der Beklagten - früher als bei anderen KÄVen bereits im Quartal II/2005 erfolgt.
Die Notwendigkeit einer Anpassungs- bzw Übergangsregelung habe daher in ihrem Bereich bereits im Jahr 2005 bestanden und nicht
erst - wie bei der Mehrzahl der KÄVen - im Jahr 2009. Es sei rechtmäßig und einzig praktikabel, die Konvergenzphase an dem
Zeitpunkt der Einführung der RLV zu orientieren, da eine schrittweise Anpassung nur in diesem Zusammenhang Sinn mache. Es
liege für sie - die Beklagte - nahe, dass die aus der neuen Systematik resultierenden Verwerfungen vom BewA zunächst nicht
in vollem Umfang bedacht und daher im BRLV nicht geregelt worden seien. Dies stelle eine planwidrige Regelungslücke in den
Beschlüssen des BewA dar und spreche für einen von den Vertragspartnern des HVV rechtskonform genutzten Gestaltungsspielraum
zur Einführung von Ausgleichsregelungen.
Bei der Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV handele es sich nicht um eine Honorarbegrenzungsregelung zum Zwecke der Mengensteuerung,
sondern um eine Maßnahme, die die Auswirkungen des zum Quartal II/2005 eingeführten EBM-Ä für bereits bestehende Praxen habe
abfedern und den Arztpraxen eine Umstellung auf die neuen Honorarstrukturen habe ermöglichen sollen. Ausgleich und Kürzung
dürften nicht losgelöst voneinander betrachtet werden; vielmehr sei eine mit der Ausgleichsregelung verfolgte Vermeidung von
Honorarverwerfungen sowohl im Falle eines Ausgleichs als auch im Falle einer Kürzung denkbar. Ein Widerspruch zum Beschluss
des BewA könne somit bereits aufgrund unterschiedlicher Regelungsziele nicht vorliegen. Die Ausgleichsregelung sei im Übrigen
auch mit den Vorgaben des BRLV vereinbar, denn dieser sehe in Teil III 2.2 für eine Übergangszeit bis zum 31.12.2005 die Fortführung
bereits vorhandener, in ihren Auswirkungen mit der gesetzlichen Regelung in §
85 Abs
4 SGB V vergleichbarer Steuerungsinstrumente vor. Arztgruppenspezifische Grenzwerte auf der Grundlage praxisindividueller Punktzahl-Obergrenzen
genügten diesen Anforderungen, so dass keinesfalls vergleichbare Bestimmungen über eine (abgestaffelte) Regelleistungsvergütung
hätten eingeführt werden müssen. Entscheidend sei, dass es sich bei den vor dem 1.4.2005 geltenden Steuerungsinstrumenten
um solche gehandelt habe, die in ihren Auswirkungen vergleichbar gewesen seien. Es genüge eine Orientierung am gesetzgeberischen
Ziel der Punktwertstabilisierung und Kalkulationssicherheit; einzig diese Zielsetzung sei entscheidend.
Des weiteren sei die Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV - auch soweit Honorarkürzungen vorgesehen seien - zumindest unter
dem Gesichtspunkt einer Anfangs- und Erprobungsregelung rechtmäßig. Der Honorarverteilung ab dem Quartal II/2005 hätten aufgrund
des Inkrafttretens des EBM-Ä 2005 neue Rahmenbedingungen zugrunde gelegen, deren Auswirkungen nur schwer einzuschätzen gewesen
seien. Dies gelte umso mehr, als zeitgleich die Vorgaben des BRLV betreffend die RLV in Kraft getreten seien. Sie - die Beklagte
- sei auch ihrer Verpflichtung zur Beobachtung und ggf Nachbesserung der Regelung mit Wirkung für die Zukunft dadurch nachgekommen,
dass der HVV ab dem 1.4.2007 im Falle von Fallwertveränderungen nur noch eine Honorarstützung vorsehe. Die Ausgleichsregelung
sei schließlich bereits dem Grunde nach nicht mit der "Segeberger Wippe" vergleichbar, weil ihr eine gänzlich andere Systematik
zugrunde liege; insbesondere stelle sie durch den Rückgriff auf praxisindividuelle Werte in der Vergangenheit keine Subvention
dar.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 24. Juni 2009 sowie des Sozialgerichts Marburg vom 22. Oktober 2008 aufzuheben
und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Bindungswirkung des Beschlusses des BewA und dessen diesbezügliche Befugnis sei durch das Urteil des entscheidenden Senats
vom 3.2.2010 (B 6 KA 31/08 R) bestätigt worden. Der Beschluss sei auch mit §
85 SGB V vereinbar. Hier gehe es ebenfalls um Leistungen, die einer Mengenausweitung prinzipiell nicht zugänglich seien. Sowohl nach
seinem Wortlaut als auch nach der Ermächtigungsgrundlage sei der Beschluss bindend. Die Beklagte habe keinen Gestaltungsspielraum,
der es ihr erlaube, eine abweichende Entscheidung zu treffen. Eine restriktive Auslegung des Beschlusses des BewA sei nicht
zulässig. Beschlüsse des BewA seien keiner Auslegung zugänglich, wie sie etwa für Gesetzesnormen gelte; abzustellen sei vielmehr
auf den Wortlaut. Die Beklagte habe auch vor dem Quartal II/2005 keine RLV eingeführt, die eine Abweichung von Beschlüssen
des BewA nach dem 1.4.2005 rechtfertigten. Anfangs- und Erprobungsregelungen kämen nur dann und insoweit in Betracht, als
dem entsprechenden Gremium ein Entscheidungsspielraum eingeräumt worden sei. Vorliegend räume das Gesetz der Beklagten jedoch
keinen derartigen Spielraum ein, sondern es ermächtige den BewA, zwingende Vorgaben zu formulieren, an die sich jeder HVV
zu halten habe. Ziel des EBM-Ä 2005 sei es gewesen, bestimmte Leistungen höher, andere niedriger zu bewerten sowie durch Einführung
von Zeitprofilen bestimmte Leistungen in der Anzahl zu begrenzen. Das Ergebnis dieses Reformprozesses komme bei Praxen, die
davon profitieren sollten, nicht oder nur mit Verspätung an, wenn man zugleich die Ausgleichsregelung anwende.
II
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.
Das SG und das LSG haben in der Sache zu Recht entschieden, dass die Beklagte erneut über den Honoraranspruch des Klägers zu entscheiden
hat. Die angefochtenen Honorarbescheide der Beklagten sind rechtswidrig, weil die ihnen zugrunde liegenden Bestimmungen des
HVV in der hier maßgeblichen, ab dem 1.4.2005 geltenden Fassung - soweit sie im Streit stehen - unwirksam sind. Dies gilt
zum einen für die Regelungen im HVV, die eine Einbeziehung auch solcher Leistungen in das RLV vorsehen, die nach Teil III
4.1 BRLV hiervon ausgenommen sind (1.). Zum anderen betrifft dies die Regelung in Ziffer 7.5 HVV, soweit diese bei der Überschreitung
von Fallwertsteigerungsgrenzen Honorarkürzungen vorsieht (2.).
1. Die Bestimmungen im HVV, die die Zuordnung zu einem RLV auch für die Leistungen vorsahen, die nach Teil III 4.1 BRLV dem
RLV nicht unterliegen, waren mit den im BRLV normierten vorrangigen Vorgaben des BewA nicht vereinbar.
a) In den Regelungen des HVV, den die Beklagte und die Krankenkassen zum 1.4.2005 vereinbart hatten, wurden die streitbefangenen
Leistungen nach den Nr 01600, 01601 und 01602 EBM-Ä den RLV zugeordnet (vgl § 6 HVV betreffend Honorar[unter]gruppe B 2.13
iVm Anlage zu Ziffer 6.2 HVV).
aa) Diese Regelung verstieß gegen die Vorgaben des BewA, die dieser - gemäß der ihm nach §
85 Abs
4a Satz 1 letzter Teilsatz
SGB V übertragenen Aufgabe - am 29.10.2004 mit Wirkung für die Zeit ab 1.1.2005 beschlossen hatte (BRLV - DÄ 2004, A 3129). Gemäß
Teil III Nr 2.1 iVm Nr 3 dieses Beschlusses waren die KÄVen verpflichtet, in der Honorarverteilung RLV in der Weise festzulegen,
dass arztgruppeneinheitliche Fallpunktzahlen vorzusehen waren, aus denen durch Multiplikation mit individuellen Behandlungsfallzahlen
praxisindividuelle Grenzwerte zu errechnen waren, in deren Rahmen die Vergütung nach einem festen Punktwert (sogenannter Regelleistungspunktwert)
zu erfolgen hatte. Unter Teil III Nr 4.1 des Beschlusses waren tabellarisch die aus dem Arztgruppentopf zu vergütenden Leistungen
aufgeführt, die dem RLV nicht unterlagen. Darin waren unter anderem - unter 1.6 - die Leistungen nach den Nr 01600 bis 01623
EBM-Ä aufgeführt ("Schriftliche Mitteilungen, Gutachten").
bb) Diese Regelungen des BewA gehen denjenigen des HVV vor, wie der Senat bereits mit Urteil vom 3.2.2010 (B 6 KA 31/08 R - BSGE 105, 236 = SozR 4-2500 § 85 Nr 53) entschieden hat. Dies folgt daraus, dass in §
85 Abs
4 Satz 6 bis 8 iVm Abs
4a Satz 1 letzter Teilsatz
SGB V vorgesehen ist, dass "der Bewertungsausschuss ... den Inhalt der nach Absatz 4 Satz 4, 6, 7 und 8 zu treffenden Regelungen"
bestimmt. Zudem ist in §
85 Abs
4 Satz 10
SGB V normiert, dass "die vom Bewertungsausschuss nach Absatz 4a Satz 1 getroffenen Regelungen ... Bestandteil der Vereinbarungen
nach Satz 2" sind. Durch diese beiden Bestimmungen ist klargestellt, dass der Inhalt des HVV sich nach den vom BewA normierten
Vorgaben zu richten hat und dass diese Regelungen des BewA Bestandteil des HVV sind. Aus beidem folgt jeweils, dass die Bestimmungen
des HVV nachrangig gegenüber den Vorgaben des BewA sind, sodass der HVV zurücktreten muss, soweit ein Widerspruch zwischen
ihm und den Vorgaben des BewA vorliegt, es sei denn, dieser hätte Spielräume für die Vertragspartner des HVV gelassen.
cc) Wie der Senat ebenfalls mit Urteil vom 3.2.2010 (aaO unter RdNr 22 f) entschieden hat, ließen die Regelungen des BewA
keine Spielräume für abweichende Regelungen zu, sondern waren von den Partnern des HVV strikt zu beachten. Dies gilt nicht
nur in Bezug auf Dialyseleistungen, deren Einbeziehung in das RLV in jenem Verfahren strittig war, sondern gleichermaßen für
die streitbefangenen Leistungen. Die Regelungen unter Teil III 4. des Beschlusses bestimmten ausdrücklich, dass die dort aufgeführten
Leistungen, Leistungsarten und Kostenerstattungen nicht dem RLV unterlagen, und sahen Abweichungen (Rückausnahmen) von den
dort geregelten Ausnahmen nicht vor (4.: "Von der Anrechnung auf das Regelleistungsvolumen ausgenommen sind..."; 4.1: "...,
die dem Regelleistungsvolumen nicht unterliegen").
Ausdrückliche Abweichungen von den Vorgaben des BewA waren nur insoweit gestattet, als die Übergangsregelung in Teil III Nr
2.2 des Beschlusses vom 29.10.2004 zuließ, dass bisherige Steuerungsinstrumente fortgeführt wurden, deren Auswirkungen mit
den Vorgaben des §
85 Abs
4 SGB V vergleichbar waren. Die in dem HVV enthaltene, vom BRLV abweichende Einbeziehung der Leistungen nach den Nr 01600 bis 01623
EBM-Ä stellte indessen keine gemäß Nr 2.2 aaO zulässige Abweichung dar.
Wie der Senat in seinem Urteil vom 3.2.2010 (BSGE 105, 236 = SozR 4-2500 § 85 Nr 53, RdNr 23), das ebenfalls den hier maßgeblichen HVV der Beklagten in der ab dem 1.4.2005 geltenden
Fassung betraf, bereits im Einzelnen dargelegt hat, fehlte es bereits vom Inhalt der Honorarverteilungsregelungen her an der
Fortführung solcher "Steuerungsinstrumente, die in ihren Auswirkungen mit der gesetzlichen Regelung in §
85 Abs
4 SGB V vergleichbar sind": Die Honorarverteilung war bis Anfang 2005 auf der Grundlage praxisindividueller Punktzahl-Obergrenzen
geregelt, wie in dem vom BSG (aaO) in Bezug genommenen Urteil des Hessischen LSG vom 23.4.2008 (L 4 KA 69/07) zum HVV der Beklagten ausgeführt worden ist. Diese Regelungsstrukturen stellen keine Steuerungsinstrumente dar, deren Auswirkungen
mit den Vorgaben des §
85 Abs
4 SGB V vergleichbar sind. Überdies fehlte es auch an einer "Fortführung" von entsprechenden Steuerungsinstrumenten. Denn insgesamt
wurden zum Quartal II/2005 im Vergleich zu den vorher geltenden Honorarverteilungsregelungen sehr viele Änderungen vorgenommen,
wie sich aus der Zusammenstellung der Beklagten in ihrem Rundschreiben "Die Honorarverteilung ab dem 2. Quartal 2005" ergibt
(BSGE 105, 236 = SozR 4-2500 § 85 Nr 53 aaO unter Hinweis auf "info.doc" Nr 2, 2005, S 37-45).
dd) Waren die Bestimmungen des HVV der Beklagten also mit den Vorgaben, die der BewA in Ausübung seiner Kompetenz gemäß §
85 Abs
4a Satz 1 letzter Teilsatz
SGB V normiert hatte, nicht vereinbar, so folgt daraus entsprechend den allgemeinen Grundsätzen der Normengeltung und -hierarchie,
dass die im Verhältnis zu den höherrangigen Regelungen des BewA nachrangigen Bestimmungen des HVV rechtswidrig und damit unwirksam
waren (vgl BSGE 105, 236 = SozR 4-2500 § 85 Nr 53, RdNr 24; zur Normenhierarchie vgl auch die Rspr zum höheren Rang der vom BewA beschlossenen Regelungen
des EBM-Ä gegenüber Honorarverteilungsregelungen: zB BSGE 86, 16, 25 = SozR 3-2500 § 87 Nr 23 S 124; BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 51 mwN; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 17 RdNr 12).
Wenn sich die Beklagte demgegenüber auf die ihr (zusammen mit den Krankenkassenverbänden) als Normgeber zustehende Gestaltungsfreiheit
beruft, lässt sie unberücksichtigt, dass diese Gestaltungsfreiheit nur im Rahmen der gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben
besteht. Gestaltungsspielräume der KÄVen bestehen nur - von der Struktur her der konkurrierenden Gesetzgebung nach Art
72 Abs
1 GG ähnlich -, soweit und solange höherrangige Normgeber - insbesondere der Gesetzgeber, aber auch der BewA innerhalb der ihm
übertragenen Kompetenzen - die Materie nicht selbst geregelt haben.
b) Gegenüber dem Vorrang der BewA-Regelungen und der Unwirksamkeit der HVV-Bestimmungen greift nicht der Einwand der Beklagten
durch, der Beschluss des BewA über die Freistellung von Leistungen - namentlich solcher nach den Nr 01600, 01601 und 01602
EBM-Ä - von den RLV sei unwirksam, weil er gegen höherrangiges Recht verstoße.
aa) Die Ansicht, diese Freistellung verstoße gegen die "Leitlinie" des §
85 Abs
4 Satz 6 und 7
SGB V und stelle deshalb keine zulässige Inhaltsbestimmung gemäß §
85 Abs
4a Satz 1 letzter Teilsatz
SGB V dar, trifft nicht zu.
Der BewA hat im Rahmen der ihm gemäß §
85 Abs
4a Satz 1 letzter Teilsatz
SGB V übertragenen Aufgabe, den Inhalt der nach Abs 4 Satz 7 zu treffenden Regelungen zu bestimmen und dabei RLV vorzusehen, ein
gewisses Maß an Gestaltungsfreiheit (BSGE 105, 236 = SozR 4-2500 § 85 Nr 53, RdNr 26; zuletzt BSG Urteil vom 17.3.2010 - B 6 KA 43/08 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 54 RdNr 20 f, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Dies gilt sowohl für die Bestimmung derjenigen
Arztgruppen, die nicht dem RLV unterliegen (zB der Nephrologen, dazu BSGE 105, 236= SozR 4-2500 § 85 Nr 53, RdNr 26), als
auch für abweichende Regelungen bezüglich einzelner Leistungen. Einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung des BewA, bestimmte
Leistungen oder Leistungsgruppen aus den RLV herauszunehmen, hat es daher nicht bedurft.
Die Entscheidung, (ua) die streitgegenständlichen Leistungen nicht in die RLV einzubeziehen, hält sich auch im Rahmen dieser
Gestaltungsmöglichkeiten. Wie der Senat bereits entschieden hat (s BSGE 105, 236 = SozR 4-2500 § 85 Nr 53, RdNr
26), lässt sich der Bestimmung des §
85 Abs
4 Satz 7
SGB V nicht entnehmen, dass RLV flächendeckend ohne jede Ausnahme geschaffen werden müssten. Vielmehr reichen Vorschriften aus,
die für weite Bereiche RLV vorsehen. Dem hat der BewA Rechnung getragen, indem er in seinem Beschluss vom 29.10.2004 in Anlage
1 (zum Teil III Nr 3.1 Satz 1) die meisten Arztgruppen aufgeführt und somit vorgegeben hat, dass die HVV für diese Arztgruppen
RLV vorsehen müssen.
bb) Die Gestaltungsfreiheit des BewA ist allerdings durch das Gebot der Gleichbehandlung gemäß Art
3 Abs
1 GG begrenzt. Er darf nicht willkürlich einige Arztgruppen bzw Leistungen einbeziehen und andere unberücksichtigt lassen. Vielmehr
sind Ungleichbehandlungen nur insoweit zulässig, als sie durch sachliche Gründe gerechtfertigt sind (vgl hierzu zB BSG SozR
4-2500 § 85 Nr 38 RdNr 15 f mit BVerfG-Angaben; BSGE 105, 236= SozR 4-2500 § 85 Nr 53, RdNr 27).
Nach diesem Maßstab ist die - für den vorliegenden Rechtsstreit relevante - Nichteinbeziehung der Leistungen nach den Nr 01600,
01601 und 01602 EBM-Ä unbedenklich; denn in diesem Leistungsbereich bestehen Besonderheiten, die den BewA berechtigen - aber
nicht verpflichten -, diese Leistungen von der Einbeziehung in RLV freizustellen. Als derartige Besonderheit hat es der Senat
bereits in seinem Urteil vom 3.2.2010 (BSGE 105, 236 = SozR 4-2500 § 85 Nr 53, RdNr 28) gewertet, dass in einem Bereich eine Leistungs- und Mengenausweitung zwar nicht ausgeschlossen,
diese Gefahr aber geringer ist als in anderen ärztlichen Bereichen.
Dies gilt auch für die hier in Rede stehenden Leistungen. Wie das LSG zutreffend dargelegt hat, sind auch diese nur mittelbar
einer Mengenausweitung zugänglich. Zu einer mittelbaren Mengenausweitung kann es allein über eine Ausweitung der ihnen zugrunde
liegenden Leistungen kommen. Gegenstand der Leistungen nach Nr 01600 EBM-Ä ist ein "ärztlicher Bericht über das Ergebnis einer
Patientenuntersuchung" und der Leistungen nach Nr 01601 EBM-Ä ein "ärztlicher Brief in Form einer individuellen schriftlichen
Information"; die Nr 01602 EBM-Ä stellt eine "Gebühr für die Mehrausfertigung (z.B. Kopie) eines Berichtes oder Briefes" dar.
Ausgeschlossen war die Herausnahme der streitbefangenen Leistungen aus den RLV auch nicht etwa deshalb, weil eine derartige
Befugnis dem Gesetzgeber vorbehalten sei. Zwar trifft es zu, dass der Gesetzgeber in verschiedenen Fällen die Geltung von
Budgetierungen eingeschränkt hat (s § 85 Abs 2 Satz 4 und 5, Abs
2a, Abs
3a Satz 4, 6 und 7
SGB V). Hierin liegt aber keine abschließende Regelung, die es dem BewA verbieten würde, seinerseits Ausnahmen von der Geltung
der RLV vorzugeben. Diese Bestimmungen stehen selbstständig neben den Sonderregelungen für RLV in §
85 Abs
4 Satz 7 iVm Abs
4a Satz 1 letzter Teilsatz
SGB V (so bereits BSGE 105, 236 = SozR 4-2500 §
85 Nr 53, RdNr 30).
cc) Nach alledem waren die Vorgaben des BewA in seinem Beschluss vom 29.10.2004 über die Nichteinbeziehung von Leistungen
nach den Nr 01600 ff EBM-Ä in die RLV nicht zu beanstanden und daher wirksam.
c) Die diesen Vorgaben widersprechenden Regelungen des HVV lassen sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt von Anfangs- und
Erprobungsregelungen rechtfertigen. Denn das kommt nach der Rechtsprechung des Senats regelmäßig nicht in Betracht, wenn eine
Regelung schon von ihrer Struktur her mit höherrangigen Vorgaben nicht übereinstimmt (vgl BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 16 S 106
f; BSGE 88, 126, 137 f = SozR 3-2500 § 87 Nr 29 S 157; BSGE 96, 1 = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, RdNr 35; zuletzt BSGE 105, 236 = SozR 4-2500 § 85 Nr 53, RdNr 31; sowie BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 54 RdNr 29, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen).
Dies ist hier der Fall, wie der Senat bereits in seiner - die Einbeziehung von Dialyseleistungen in die RLV durch den HVV
der Beklagten betreffenden - Entscheidung vom 3.2.2010 (BSGE 105, 236 = SozR 4-2500 § 85 Nr 53, RdNr 31) festgestellt hat. Denn der Einbeziehung der streitbefangenen Leistungen in die RLV standen
- wie dargelegt - verbindliche Vorgaben des BewA entgegen. Die Beklagte verkennt insoweit, dass der ihr im Rahmen einer Anfangs-
und Erprobungsregelung eingeräumte erweiterte Gestaltungsspielraum nicht pauschal von der Beachtung der rechtlichen Vorgaben
entbindet (vgl BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 50 RdNr 24). Dieser besondere Gestaltungsspielraum wird entgegen der Auffassung der
Beklagten auch nicht dadurch obsolet, dass er nicht zum Erlass von Regelungen ermächtigt, die von vornherein den gesetzlichen
oder vertraglichen Bestimmungen zuwiderlaufen.
2. Ebenfalls zu Recht haben die Vorinstanzen entschieden, dass die Regelung in Ziffer 7.5 HVV unwirksam ist, soweit sie eine
Honorarkürzung bei einer Fallwerterhöhung im Vergleich zum Referenzquartal um mehr als 5 % bestimmt.
Die Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV entsprach insoweit weder den gesetzlichen Vorgaben nach §
85 Abs
4 SGB V noch den zu deren Umsetzung erlassenen Regelungen im BRLV. Der Gesetzgeber des GMG hat sich für das System der Vergütung
nach RLV entschieden, weil er dieses für sachgerecht gehalten hat. Die damit ggf verbundenen Vorteile für die Vertragsärzte
dürfen nicht ohne normative Grundlage im Bundesrecht durch die Partner der HVV so begrenzt werden, dass an Stelle der RLV
faktisch praxisindividuelle Budgets - bezogen auf die von den einzelnen Praxen im Referenzquartal erreichte Vergütung - zur
Anwendung kommen. Entsprechendes gilt für die mit der grundlegenden Umgestaltung des EBM-Ä ggf verbundenen Honorarzuwächse.
Eine zur Abweichung von diesen Vorgaben ermächtigende normative Grundlage liegt nicht vor.
a) Kernpunkt der gesetzlichen Neuregelung sind, wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 17.3.2010 (BSG SozR 4-2500 § 85
Nr 54 RdNr 14 ff, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen) dargelegt hat, nach §
85 Abs
4 Satz 7
SGB V nF zwei Vorgaben, nämlich die Festlegung arztgruppenspezifischer Grenzwerte und fester Punktwerte, sowie - gemäß §
85 Abs
4 Satz 8
SGB V - für darüber hinausgehende Leistungen abgestaffelte Punktwerte. Dabei kommt den festen Punktwerten besonderes Gewicht zu
(BSG aaO RdNr 15). Diesen Vorgaben entsprachen die - maßgeblich durch Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV geprägten - Honorarverteilungsregelungen
in dem ab 1.4.2005 geltenden HVV nicht.
Zwar sah der HVV unter Ziffer 6.3 HVV die Bildung praxisindividueller RLV sowie unter Ziffer 6.4 HVV die Bewertung der innerhalb
des RLV liegenden Honoraranforderungen mit einem festen Punktwert vor. Diese in Erfüllung der gesetzlichen und vertraglichen
Vorgaben erlassenen Bestimmungen des HVV wurden jedoch durch die Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV korrigiert bzw konterkariert.
Danach erfolgte nach Feststellung der Punktwerte und Quoten gemäß Ziffer 7.2 HVV ein Vergleich der für das aktuelle Abrechnungsquartal
berechneten fallbezogenen Honoraranforderung der einzelnen Praxis mit der fallbezogenen Honorarzahlung im entsprechenden Abrechnungsquartal
des Jahres 2004, in dessen Folge Fallwertsteigerungen von mehr als 5 % gekappt und Fallwertverluste von mehr als 5 % ausgeglichen
wurden. Somit bestimmte sich die Höhe des der Arztpraxis zustehenden Honorars im Ergebnis nicht nach arztgruppenspezifischen
Grenzwerten und festen Punktwerten, sondern primär nach dem im Referenzquartal maßgeblichen praxisindividuellen Fallwert.
Je größer das durch die Ausgleichsregelung vorgegebene Ausmaß der Honorarkürzung im Falle einer Fallwertsteigerung war, desto
mehr entfernte sich der Honoraranspruch der einzelnen Arztpraxis von dem nach den gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben
ermittelten Anspruch. Die Ausgleichsregelung führte im Ergebnis dazu, dass die von einer Arztpraxis abgerechneten Leistungen
in einer Form vergütet wurden, die einem praxisindividuellen Individualbudget weitgehend vergleichbar war. Denn auch eine
Praxis, deren Leistungsumfang sich innerhalb des vorgegebenen RLV hielt, erhielt diese Leistungen nur dann mit dem vorgesehenen
festen Punktwert vergütet, wenn es - im Vergleich zum Referenzquartal - nicht zu einer Fallwertveränderung um mehr als 5 %
gekommen war. Eine Erhöhung des Fallwerts wirkte sich hingegen auf den Honoraranspruch der Praxis nicht aus, soweit der im
Referenzquartal erzielte Fallwert um mehr als 5 % überschritten war. Dann wurde das - im ersten Schritt nach RLV und festem
Punktwert berechnete - Honorar in einem zweiten Schritt um den übersteigenden Betrag gekürzt, mit der Folge, dass sich der
"feste" Punktwert faktisch entsprechend dem Ausmaß der durch die Ausgleichsregelung bedingten Honorarkürzung verringerte.
b) Das LSG hat zutreffend dargelegt, dass sich die Beklagte zur Rechtfertigung der Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV
nicht auf den Beschluss des Erweiterten BewA vom 15.1.2009 berufen kann. Die dort - in Teil A - den Partnern der Gesamtverträge
eingeräumte Möglichkeit einer schrittweisen Anpassung der RLV im Rahmen eines sogenannten "Konvergenzverfahrens" betrifft
zum einen inhaltlich allein die sich aus der gesetzlichen Umgestaltung des vertragsärztlichen Vergütungsrechts (§§ 87a ff
SGB V idF des GKV-WSG vom 26.3.2007, BGBl I 378) zum 1.1.2009 sowie den hierzu ergangenen Beschlüssen des BewA ergebenden Konsequenzen. Hinzu kommt,
dass sich die Ermächtigung zu einer schrittweisen Anpassung auf die RLV bezieht, nicht hingegen auf die Normierung von Ausgleichsregelungen
außerhalb der Vergütung nach RLV. Zum anderen ergibt sich aus Teil A Ziffer 1 des Beschlusses eindeutig, dass die Regelung
allein für die Zeit ab Inkrafttreten dieser gesetzlichen Änderungen (sowie begrenzt auf die Zeit bis Ende 2009) Geltung beansprucht.
Rückwirkung kommt dem Beschluss nicht zu (s hierzu schon BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 50 RdNr 25).
c) Eine Befugnis, an Stelle von RLV andere Steuerungsinstrumente vorzusehen, haben die Partner der HVV grundsätzlich nicht.
Wie bereits dargelegt (siehe unter 1. a bb), sind die im BRLV gemachten Vorgaben des BewA zur Bildung von RLV für die Beklagte
verbindlich.
Die Beklagte kann sich - wie ebenfalls bereits dargelegt (siehe unter 1. a cc) - auch nicht auf die Ausnahmeregelung nach
Teil III 2.2 BRLV berufen, da deren Voraussetzungen nicht gegeben sind. Im Übrigen steht der Annahme, die Beklagte habe mit
der Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV lediglich bisherige, vergleichbare Steuerungsinstrumente fortgeführt, schon entgegen,
dass der vorangegangene HVM keine derartige Ausgleichsregelung enthielt, sondern diese vielmehr in Reaktion auf die zum 1.4.2005
in Kraft getretenen Neuregelungen ausdrücklich neu geschaffen wurde.
d) Auch die Erwägung, die Kosten für die Stützung derjenigen Praxen, die infolge der RLV unzumutbare Honorareinbußen hinnehmen
müssen, seien von den Praxen aufzubringen, die von den RLV besonders profitieren, rechtfertigt die Regelung in Ziffer 7.5
HVV nicht. Zwar hält der Senat die Partner der HVV grundsätzlich für berechtigt, im HVV zumindest für eine Übergangszeit Vorkehrungen
zu treffen, dass die Umstellung der Vergütung auf das System der RLV nicht zu existenzbedrohenden Honorarminderungen für bestehende
Praxen trotz unveränderten Leistungsangebots führt. Außer Frage steht, dass eine KÄV aufgrund des ihr nach §
75 Abs
1 SGB V obliegenden Sicherstellungsauftrags berechtigt ist, zwar nicht an Stelle, jedoch ergänzend zu den RLV mit den Krankenkassenverbänden
im HVV Maßnahmen zu vereinbaren, die eine Stützung gefährdeter Praxen beinhalten (vgl schon BSGE 81, 86, 102 = SozR 3-2500 § 87 Nr 18 S 98). Ob die Grenze unzumutbarer Honorarminderungen schon bei 5 % zu ziehen ist, bedarf keiner
Entscheidung, weil die begünstigende Wirkung der Ziffer 7.5 HVV nicht Gegenstand des vorliegenden Revisionsverfahrens ist.
Ebenso ist die KÄV weiterhin nicht nur berechtigt, sondern - wie zuletzt im Urteil vom 3.2.2010 (B 6 KA 1/09 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 50 RdNr 13 ff) ausdrücklich zum hier in Rede stehenden HVV der Beklagten entschieden - sogar verpflichtet,
auch im Rahmen von RLV unterdurchschnittlich abrechnende Praxen wie auch sogenannter "Anfänger- oder Aufbaupraxen" zu stützen.
Allerdings ist die KÄV gehalten, sich die für einen Ausgleich benötigten Geldmittel in rechtlich zulässiger Form zu beschaffen.
Insofern greift das Argument der Beklagten zu kurz, dass die Ausgleichsregelung bei Fallwertminderungen nach Ziffer 7.5 HVV
zwingend die Rechtmäßigkeit der zu ihrer Finanzierung erforderlichen Regelung zur Honorarkappung bei Fallwertsteigerungen
bedinge. Eine Art "Schicksalsgemeinschaft" der von den RLV besonders begünstigten und besonders belasteten Praxen besteht
nicht. Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass deutliche Honorarzuwächse einzelner Arztgruppen oder Praxen infolge
der RLV vom Normgeber ausdrücklich gewollt sind, zB weil bestimmte Vergütungsanreize gesetzt werden sollten oder das bisherige
Honorarniveau als unzureichend angesehen wurde. Schon deshalb ist eine pauschale Inpflichtnahme aller "Gewinnerpraxen" zur
Finanzierung der von den Partnern des HVV für erforderlich gehaltenen Verlustbegrenzung ausgeschlossen.
Erst recht gilt dies, wenn - wie die niedrigen Eingreifschwellen von minus 5 % für Stützungsmaßnahmen und von plus 5 % für
Honorarkürzungen nahe legen - die Regelung eher den Charakter einer Bestandsschutzmaßnahme zugunsten etablierter Praxen denn
einer Stützungsmaßnahme zugunsten gefährdeter Praxen hatte. Die Auffüllbeträge und Honorarkürzungen nach Ziffer 7.5 HVV glichen
offenbar nicht nur extreme, ausreißerähnliche Verluste aus und begrenzten extreme Gewinne als Folge der neuen RLV bzw des
neuen EBM-Ä, sondern schrieben faktisch gewachsene Vergütungsstrukturen fort.
Die für die Stützung erforderlichen Auffüllbeträge müssen vielmehr gegebenenfalls aus der Gesamtvergütung - also zu Lasten
aller Vertragsärzte - aufgebracht werden. Die Beklagte hätte daher erforderlich werdende Ausgleichszahlungen durch entsprechende
Vorab-Einbehalte bei den Gesamtvergütungen bzw durch anteilige Honorarabzüge bei allen an der Honorarverteilung teilnehmenden
Vertragsärzten bzw Praxen finanzieren müssen. Hierzu wäre sie - ebenso wie zu Sicherstellungseinbehalten oder zur Bildung
von Rückstellungen im Falle von Rechtsstreitigkeiten (s hierzu BSG Urteil vom 9.12.2004, B 6 KA 84/03 R = USK 2004-146 S 1067) - auch berechtigt gewesen.
e) Schließlich ergibt sich eine Rechtfertigung auch nicht aus dem Gesichtspunkt einer Anfangs- und Erprobungsregelung, denn
eine den rechtlichen Vorgaben von vornherein zuwiderlaufende Regelung kann - wie bereits dargelegt (siehe 1. c) - auch nicht
für eine Übergangszeit toleriert werden. Dies gilt umso mehr, als die strittige Regelung nicht die einzige Möglichkeit für
die Beklagte darstellte, um die für die Ausgleichszahlungen erforderlichen Mittel zu generieren.
Im Übrigen war die Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV keineswegs als vorübergehende Regelung gedacht, sondern von vornherein
als Dauerregelung konzipiert. Dafür spricht auch, dass die Regelung hinsichtlich ihres belastenden Teils erst ab dem Quartal
II/2007 außer Kraft trat, und dies auch nur deswegen, weil durch die fortlaufende Absenkung der Eingriffsschwelle auf jeweils
95 % pro Quartal ein zu finanzierender Ausgleichsbedarf weitgehend entfallen ist. Die Beklagte hat sich erst im Zuge der rechtlichen
Auseinandersetzungen darauf berufen, dass es sich bei der Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV um eine zu erprobende Regelung
handele.
Die Beklagte kann sich - wie dargestellt - auch nicht darauf berufen, zu einer Modifizierung - vergleichbar den vom BewA getroffenen
Übergangsregelungen (etwa im Rahmen einer sogenannten "Konvergenzphase") - berechtigt gewesen zu sein. Denn der Gestaltungsspielraum
des vorrangigen Normgebers ist ein anderer als der eines nachrangigen - zur Umsetzung verpflichteten - Normgebers. Während
etwa dem BewA das Recht zuzugestehen ist, eine allmähliche Anpassung an die Vorgaben des §
85 SGB V genügen zu lassen und übergangsweise noch Abweichungen zu tolerieren (s hierzu BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 54 RdNr 21, auch zur
Veröffentlichung in BSGE vorgesehen), gilt dies nicht im gleichen Maße auch für die KÄVen, da andernfalls nicht sichergestellt
wäre, dass bundeseinheitlich geltende Vorgaben umgesetzt würden.
f) Da die Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV, soweit sie Honorarkürzungen bei Fallwerterhöhungen bestimmt, bereits aus
den dargestellten Gründen unwirksam ist, kann offenbleiben, ob dies auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des Senats
zur sogenannten "Segeberger Wippe" (BSGE 75, 37 = SozR 3-2500 § 85 Nr 7) der Fall wäre.
3. Nach der erforderlichen Anpassung des HVV wird die Beklagte neu über die Honoraransprüche des Klägers zu entscheiden haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1 Halbsatz 3
SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§
154 ff
VwGO. Danach hat die Beklagte die Kosten des erfolglos eingelegten Rechtsmittels zu tragen (§
154 Abs
2 VwGO).