Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen und Säumniszuschlägen; Zulässigkeit der Anhörungsrüge gemäß § 178a SGG; Erbringung einer Sicherheitsleistung im Rahmen der Anordnung der aufschiebenden Wirkung
Gründe
I.
Streitig ist im Hauptsacheverfahren eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen samt Säumniszuschlägen durch die Antragsgegnerin
(Ag) von der Antragstellerin (Ast) in einer Gesamthöhe von 112.823,25 EUR für die Zeit vom 01.10.2010 bis zum 31.12.2013.
Mit Beschluss vom 05.08.2015 ordnete das Sozialgericht München die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Ast gegen den
Nachforderungsbescheid der Ag vom 24.06.2015 an. Über den Widerspruch ist bislang nicht entschieden.
Auf die Beschwerde der Ag änderte der Senat mit Beschluss vom 16.11.2015 die Entscheidung des Sozialgerichts dahingehend ab,
dass es zwar bei der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs verbleibe, die Ast jedoch eine Sicherheitsleistung
in Höhe des Nachforderungsbetrags zu leisten habe.
Gegen den Beschluss des Senats erhob die Ast Anhörungsrüge. Die Sicherheitsleistung sei überraschend. Die Ast habe sich im
Vorfeld des Beschlusses des Senats nicht zu ihren wirtschaftlichen Verhältnissen äußern können. Aus den nunmehr vorgelegten
Unterlagen ergäbe sich, dass die Ast die Sicherheitsleistung nicht erbringen könne.
Die Ag weist darauf hin, dass bei einem Eilverfahren stets mit einer Sicherheitsleistung zu rechnen sei.
II.
Die Anhörungsrüge ist zulässig und begründet.
Der gerügte Beschluss des Senats vom 16.11.2015 wird gemäß §
178a Abs.
5 Satz 4
SGG i. V. m. §
343 Satz 2
Zivilprozessordnung (
ZPO) aufgehoben. Das Beschwerdeverfahren L 7 R 707/15 B ER wird fortgeführt.
Die Anhörungsrüge ist gemäß §
178a Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) statthaft, weil gegen den Beschluss vom 16.11.2015 wegen §
177 SGG kein anderer Rechtsbehelf gegeben ist. Sie wurde gemäß §
178a Abs.
2 SGG schriftlich und innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis des Beschlusses vom 22.08.2014 erhoben. Die angegriffene Entscheidung
wurde bezeichnet und das Vorliegen der in §
178a Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGG genannten Voraussetzungen dargelegt.
Die Anhörungsrüge ist auch begründet, weil das Gericht im Ergebnis den Anspruch der Ast auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher
Weise unzureichend beachtet hat. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs besagt, dass der Beteiligte zum jeweiligen Verfahren
herangezogen werden und Gelegenheit haben muss, sich vor Erlass der Entscheidung zum Prozessstoff zu äußern und gehört zu
werden (vgl. Keller in Meyer-Ladewig,
Sozialgerichtsgesetz, 10. Auflage 2012, §
62 Rn. 2). Für die Entscheidungserheblichkeit genügt, dass die Möglichkeit bestanden hat, dass die gerügte Entscheidung für
den betroffenen Beteiligten günstiger ausgefallen wäre.
Zwar ist im Rahmen eines Eilverfahrens grundsätzlich damit zu rechnen, dass eine Sicherheitsleistung verlangt wird, wie auch
die Ag meint. Jedoch ist aufgrund der besonderen Umstände (vgl. BSG Beschluss vom 11.11.2015, B 1233 KR 14/15 B Rz 11) und den nachträglich glaubhaft vorgetragenem Versäumnis der Ast, ihre
wirtschaftlichen Verhältnisse im Eilverfahren darzulegen, hier davon auszugehen, dass bei entsprechender Anhörung durch das
Gericht der Bevollmächtigte der Ast die Notwendigkeit, sich zur möglichen Sicherheitsleistung zu äußern, erkannt und mit einem
entsprechenden Vortrag reagiert hätte (vgl. BVerfG Beschluss vom 20.01.2004, 2 BvR 2321/03 Rz 10).
Die Entscheidung über die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts vom 05.08.2015 ist im Ergebnis nach der erfolgreichen
Anhörungsrüge einem weiteren Beschluss vorbehalten, bei dem abschließend auch über die Kosten der Anhörungsrüge entschieden
wird.
Dieser Beschluss ist gemäß §
178a Abs.
4 Satz 3
SGG unanfechtbar.