Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde im sozialgerichtlichen Verfahren
Bezeichnung einer Divergenz zu Rechtssätzen des BSG zu den Erfordernissen an einen besonderen Versorgungsauftrag als Voraussetzung für die Anerkennung einer Praxisbesonderheit
in der vertragsärztlichen Versorgung
Gründe:
I
Der Kläger nimmt als Facharzt für Nuklearmedizin an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Für die Quartale I/2009 bis IV/2010
erkannte die Beklagte den Bereich der "onkologischen Diagnostik" als Praxisbesonderheit an und gewährte Zuschläge auf den
RLV-Fallwert. Den Antrag des Klägers auf Anerkennung von Praxisbesonderheiten auch für die Zeit ab dem Quartal I/2011 lehnte
die Beklagte ab. Der dagegen eingelegte Widerspruch blieb zunächst ebenso wie der beantragte Erlass einer einstweilige Anordnung
(Beschluss des SG vom 20.8.2012 - S 65 KA 585/11 ER; Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen vom 27.8.2013 - L 3 KA 76/12 B ER) ohne Erfolg. Im anschließenden Klageverfahren erkannte sie die Behandlung von onkologisch erkrankten Patienten auf
Zuweisung von onkologisch verantwortlichen Ärzten für die Quartale I/2011 bis IV/2012 als Praxisbesonderheit an und erweiterte
diese Anerkennung schließlich auf die onkologische Diagnostik auf Zuweisung von Hämatologen/Onkologen.
Mit seiner Klage hat der Kläger darüber hinausgehend die Anerkennung von Praxisbesonderheiten aufgrund einer Spezialisierung
im Bereich der nuklearmedizinisch-kardiologischen Diagnostik geltend gemacht. Das SG hat die Klage abgewiesen. Das LSG hat die Berufung des Klägers im Wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, dass eine
die Anerkennung von Praxisbesonderheiten rechtfertigende Spezialisierung im Bereich der nuklearmedizinisch-kardiologischen
Diagnostik nicht bestehe, weil es sich bei den entsprechenden Leistungen der GOP 17330 bis 17333 und 17363 EBM-Ä nicht um spezielle, sondern um fachgruppentypische Leistungen des Nuklearmediziners handele.
Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG macht der Kläger Rechtsprechungsabweichungen
(Zulassungsgrund gemäß §
160 Abs
2 Nr
2 SGG) geltend.
II
Die Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg. Sie ist unbegründet, weil die geltend gemachte Divergenz nicht vorliegt.
1. Der Zulassungsgrund einer Rechtsprechungsabweichung (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) ist nicht erfüllt. Hierfür ist erforderlich, dass das LSG seiner Entscheidung tragend einen Rechtssatz zugrunde gelegt hat,
der einem Rechtssatz in einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG widerspricht. Eine Divergenz iS der genannten Vorschrift liegt nicht schon vor, wenn das LSG
einen Rechtssatz aus einer höchstrichterlichen Entscheidung nicht beachtet oder unrichtig angewandt hat, sondern erst dann,
wenn es diesem Rechtssatz widersprochen, also einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt und seiner Entscheidung zugrunde gelegt
hat. Nicht die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall, sondern nur die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet
die Zulassung einer Revision wegen Divergenz (stRspr, vgl BSG Beschluss vom 9.5.2017 - B 13 R 240/16 B - Juris RdNr 18 mwN).
Eine Divergenz in dem genannten Sinne liegt hier nicht vor.
a) Der Kläger macht geltend, dass sich aus der Rechtsprechung des BSG der folgende Rechtssatz ergebe: "Ein besonderer Versorgungsauftrag als Voraussetzung für die Anerkennung einer Praxisbesonderheit
erfordert, dass eine im Leistungsangebot der Praxis zum Ausdruck kommende Spezialisierung und eine von der Typik der Arztgruppe
abweichende Praxisausrichtung vorliegen, die messbaren Einfluss auf den Anteil der im Spezialisierungsbereich abgerechneten
Punkte im Verhältnis zur Gesamtpunktzahl haben. Es genügt nicht, lediglich ein 'Mehr' an fachgruppentypische[n] Leistungen
abzurechnen. Vielmehr müssen in besonderem Maße spezielle Leistungen erbracht werden. Dabei wird es sich typischerweise um
arztgruppenübergreifend erbrachte spezielle Leistungen handeln, die eine besondere (Zusatz-)Qualifikation und eine besondere
Praxisausstattung erfordern. Deutliches Indiz für einen solchen speziellen Leistungsbereich ist die entsprechende Ausweisung
dieser Leistungen im EBM-Ä."
Abweichend davon sehe das LSG die Ausweisung in einem speziellen Leistungsbereich des EBM-Ä als tatbestandliche Voraussetzung
für die Anerkennung von Praxisbesonderheiten an. In der Rechtsprechung des BSG sei die Ausweisung der speziellen Leistungen in einem speziellen Leistungsbereich ein typischer Anwendungsfall und damit
der Ebene der Subsumtion und nicht der normativen Ebene zugeordnet. Die Formulierungen in den Entscheidungsgründen des BSG ließen Raum für tatsächlich abweichende Sachverhalte und damit für die Anerkennung von Praxisbesonderheiten für spezielle
Leistungen, die nicht dem Leistungsbereich der arztgruppenübergreifenden Leistungen (Kapitel IV EBM-Ä) zugeordnet seien.
Die geltend gemachte Rechtsprechungsabweichung liegt nicht vor. Der Rechtssatz, dass die Anerkennung von Praxisbesonderheiten
allein für Leistungen in Betracht käme, die im EBM-Ä einem speziellen Bereich zugeordnet würden, ist der Entscheidung des
LSG nicht zu entnehmen. Vielmehr geht das LSG in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats (vgl BSG Urteil vom 29.6.2011 - B 6 KA 17/10 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 66 RdNr 22) davon aus, dass es sich bei speziellen Leistungen typischerweise um arztgruppenübergreifend
erbrachte Leistungen handelt. Zwar formuliert das LSG zunächst, dass für die Abgrenzung zwischen fachgruppentypischen und
speziellen Leistungen "darauf abzustellen" sei, ob die betroffenen Leistungen im EBM-Ä als spezielle Leistungen ausgewiesen
seien (S 9 des LSG-Urteilsumdrucks). Daraus kann aber nicht der Schluss gezogen werden, dass das LSG die Anerkennung von Praxisbesonderheiten
für Leistungen ausschließlich und allein von der Ausweisung dieser Leistungen in einem besonderen Kapitel des EBM-Ä abhängig
machen wollte. Bestätigt wird das durch den folgenden Satz und auch den nachfolgenden Absatz, in dem das LSG eindeutig zum
Ausdruck bringt, dass es sich bei dem Standort der Leistung im EBM-Ä um eines von mehreren Kriterien handelt. Deutlich wird
das in Wendungen wie: "Bei Berücksichtigung dieser Kriterien ..." oder: "Hierfür spricht, dass diese Leistungen im EBM keinem
besonderen Bereich zugewiesen sind ..." (S 10 des LSG-Urteilsumdrucks). Dabei geht das LSG - in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung
des Senats - davon aus, dass die Erbringung spezieller Leistungen typischerweise eine besondere (Zusatz-)Qualifikation und
eine besondere Praxisausstattung erfordern. Daneben hat der Senat der Frage Bedeutung beigemessen, wie hoch der Anteil der
zur Fachgruppe gehörenden Ärzte ist, der die Leistung ebenfalls abrechnet. Die genannten Gesichtspunkte hat das LSG in seiner
Entscheidung berücksichtigt und gegeneinander abgewogen.
b) Eine weitere Abweichung von der Rechtsprechung des BSG sieht der Kläger in Bezug auf die Definition fachgruppentypischer Leistungen, deren Erbringung keinen besonderen Versorgungsauftrag
als Voraussetzung für die Anerkennung von Praxisbesonderheiten begründen können. Dem Urteil des LSG liege folgender Rechtssatz
zugrunde:
"Leistungen, die definitionsgemäß zum Kernbestand des nuklearmedizinischen Leistungsspektrums gemäß Weiterbildungsordnung gehören, sind fachgruppentypisch."
Die davon abweichende Definition fachgruppentypischer Leistungen in der Rechtsprechung des BSG, nach der zur Bestimmung der Fachgruppentypik darauf abzustellen sei, ob 50 % oder mehr der zur Fachgruppe gehörenden Ärzte
die Leistung abrechnen, werde im Urteil des LSG zwar zunächst wiedergegeben. In der weiteren Urteilsbegründung verwerfe das
LSG diesen Ansatz des BSG jedoch, um stattdessen vorrangig auf die Weiterbildungsordnung abzustellen und daraus den "Kernbestand des nuklearmedizinischen Leistungsspektrums" abzuleiten.
Auch insoweit liegt die geltend gemachte Rechtsprechungsabweichung nicht vor. Der von dem Kläger formulierte Rechtssatz kann
der Entscheidung des LSG nicht entnommen werden. Vielmehr hat das LSG die Zugehörigkeit der Leistungen nach den GOP 17332 und 17333 EBM-Ä zum Kernbestand des nuklearmedizinischen Leistungsspektrums nach der Weiterbildungsordnung nur als eines von mehreren Kriterien bei seiner Beurteilung berücksichtigt. Die Berücksichtigung dieses Gesichtspunktes steht
in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats, der davon ausgegangen ist, dass es sich bei den speziellen Leistungen,
deren besonders häufige Erbringung auf einen besonderen Versorgungsauftrag hinweisen kann, typischerweise um Leistungen handeln
wird, die eine besondere Zusatzqualifikation und eine besondere Praxisausstattung erfordern. Leistungen, die zum Kernbestand
des nuklearmedizinischen Leistungsspektrums nach der Weiterbildungsordnung gehören, erfordern im Regelfall gerade keine Zusatzqualifikation.
Den Umstand, dass die GOP 17332 und 17333 EBM-Ä im hier maßgeblichen Zeitraum nur von einer relativ geringen Zahl von Nuklearmedizinern abgerechnet
worden sind, hat das LSG nicht unberücksichtigt gelassen, diesem Gesichtspunkt im Ergebnis aber kein ausschlaggebendes Gewicht
beigemessen. Mit dieser einzelfallbezogenen Bewertung weicht das LSG nicht von Rechtssätzen aus einer Entscheidung des erkennenden
Senats ab. Der Senat hat in seiner Rechtsprechung (vgl die Urteile vom 29.6.2011 - B 6 KA 17/10 R, B 6 KA 18/10 R, B 6 KA 19/10 R, B 6 KA 20/10 R) nicht entschieden, dass die besonders häufige Erbringung von Leistungen, die von weniger als der Hälfte der Ärzte der Fachgruppe
abgerechnet werden, generell eine Praxisbesonderheit begründen würde. Das wäre auch nicht sachgerecht. Schließlich kann nicht
ausgeschlossen werden, dass sich die Ärzte einer Fachgruppe auf unterschiedliche Leistungen spezialisieren. Das kann zur Folge
haben, dass Leistungen, die ausschließlich von Ärzten der Fachgruppe erbracht und abgerechnet werden dürfen, dennoch jeweils
von weniger als 50 % der Fachgruppe erbracht werden. Wenn allein dieses Kriterium herangezogen werden dürfte, müssten in einer
solchen Konstellation alle Ärzte der Fachgruppe Praxisbesonderheiten geltend machen können. In Übereinstimmung mit der Entscheidung
des LSG sind jedoch weitere - in der Rechtsprechung des Senats entwickelte - Kriterien in die Beurteilung einzubeziehen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 S 1
SGG iVm §
154 Abs
2 VwGO. Danach trägt der Kläger die Kosten des von ihm ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels.
3. Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in §
197a Abs
1 S 1
SGG iVm §
63 Abs
2 S 1, § 52 Abs 1 und 2, § 47 Abs 1 und 3 GKG. Sie entspricht dem von der Vorinstanz festgesetzten Betrag, gegen den keiner der Beteiligten Einwendungen vorgebracht hat.