Kein Anspruch auf Befreiung von der Teilnahme am vertragsärztlichen Notdienst neben einer belegärztlichen Tätigkeit
Gründe:
I
Der Kläger begehrt die Befreiung von der Teilnahme am ärztlichen Bereitschaftsdienst.
Der Kläger nimmt als Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie an der vertragsärztlichen Versorgung im Bezirk der
beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) teil. Gleichzeitig ist er als Belegarzt der Abteilung Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie
des Diakonie Krankenhauses in B. tätig. Laut Belegarztvertrag (§ 4) vom 3.6.2002 stehen ihm dort drei Betten zur Verfügung.
Nach seinen Angaben gegenüber dem LSG ist im Durchschnitt ein Bett belegt, zeitweise werden drei Patienten betreut. Zudem
nimmt der Kläger als Zahnarzt an der vertragszahnärztlichen Versorgung teil. Von der Teilnahme am vertragszahnärztlichen Notdienst
ist er im Hinblick auf seine belegärztliche Tätigkeit befreit.
Mit Schreiben vom 18.10.2011 beantragte der Kläger die Befreiung von der Pflicht zur Teilnahme am ärztlichen Notdienst. Er
führe die Belegabteilung im Krankenhaus der Diakonie allein und es bestehe für ihn keine Möglichkeit, gleichzeitig in Präsenz-
oder Rufbereitschaft für die Beklagte und in entsprechender Erreichbarkeit für seine Belegabteilung tätig zu sein. Eine doppelte
Diensttätigkeit könnte ihm im Streitfall als Organisationsverschulden angelastet werden. Die Honorare aus seiner vertragsärztlichen
Tätigkeit seien so gering, dass auch eine Ausgleichszahlung für ihn wirtschaftlich keinen Sinn machen würde. Die Einnahmen
des Klägers aus seiner vertragsärztlichen Tätigkeit liegen unter dem Durchschnitt der Fachgruppe und betrugen im Quartal I/2011
7704,55 Euro, im Quartal II/2011 5921,05 Euro, im Quartal III/2011 11 935,55 Euro und im Quartal IV/2011 7718,97 Euro. Die
Beklagte wies darauf hin, dass geprüft werden müsse, ob dem Kläger nach seiner Honorarsituation eine Vertreterbeschäftigung
für den Bereitschaftsdienst zumutbar sei und bat um Vorlage von Belegen über die Honorare aus seiner zahnärztlichen Tätigkeit.
Dies lehnte der Kläger ab und machte geltend, seine Honorare aus der vertragszahnärztlichen Tätigkeit hätten mit seiner vertragsärztlichen
Tätigkeit nichts zu tun.
Mit Bescheid vom 19.1.2012 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab und führte zur Begründung aus, eine Befreiung nach
§ 10 der Bereitschaftsdienst-Ordnung (BD-O) komme nur in Betracht, wenn gesundheitliche oder vergleichbare Belastungen zu
einer deutlichen Einschränkung der Praxistätigkeit des Arztes führten und ihm zudem aufgrund geringer Einkünfte aus der ärztlichen
Tätigkeit nicht mehr zugemutet werden könne, den Bereitschaftsdienst auf eigene Kosten durch einen Vertreter wahrnehmen zu
lassen. Da der Kläger keinen dieser Gründe nachgewiesen habe, könne eine Befreiung nicht erfolgen. Es stehe ihm jedoch frei,
auf eigene Kosten einen Vertreter für den Bereitschaftsdienst zu beschäftigen. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies
die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 7.9.2012 zurück und führte aus, als schwerwiegender Grund für eine Befreiung gelte
zwar unter bestimmten Voraussetzungen auch eine belegärztliche Tätigkeit. Im Hinblick auf die geringe Anzahl der Belegbetten
liege aber ein schwerwiegender Grund hier nicht vor. Dem Kläger dürfe es aufgrund seines gesamten Honorarumsatzes - auch aus
vertragszahnärztlicher Tätigkeit - zugemutet werden, den Bereitschaftsdienst auf eigene Kosten durch einen Vertreter wahrnehmen
zu lassen.
Im anschließenden Klageverfahren hat der Kläger auf Anfrage des Gerichts mitgeteilt, eine Vertretungsregelung für den belegärztlichen
Dienst gebe es nicht. Er sei im weiteren Umland der einzige belegärztlich tätige Mund-Kiefer-Gesichtschirurg. Im Jahr 2011
habe er 45, im Jahr 2012 41 Patienten belegärztlich behandelt. Er hat eine Bescheinigung des Diakonie Krankenhauses vom 28.3.2014
vorgelegt, wonach er im Rahmen seiner Rufbereitschaft als Belegarzt außerhalb der regulären Dienstzeiten die fachärztliche
Versorgung der Patienten sicherstelle. Die Beklagte hat vorgetragen, nach dem Landeskrankenhausplan 2010 sei für das Diakonie
Krankenhaus und die Fachrichtung Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie lediglich ein Belegbett ausgewiesen gewesen. Der Kläger habe
im Durchschnitt 2,4 Patienten pro Quartal als Belegarzt behandelt.
Mit Urteil vom 16.7.2014 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es könne offenbleiben, ob es sich bei der belegärztlichen Tätigkeit des
Klägers um einen schwerwiegenden Grund im Sinne des § 10 Abs 1 Satz 2 BD-O handele. Die Befreiung von der Teilnahmepflicht
könne jedenfalls auch davon abhängig gemacht werden, ob dem Vertragsarzt aufgrund seines Honorarumsatzes nicht mehr zugemutet
werden könne, den Bereitschaftsdienst auf eigene Kosten von einem Vertreter wahrnehmen zu lassen. Der zu berücksichtigende
Honorarumsatz beschränke sich nicht allein auf die vertragsärztliche Tätigkeit; der Kläger erziele darüber hinaus Einkünfte
aus der vertragszahnärztlichen und der belegärztlichen Tätigkeit. Da der Kläger entsprechende Unterlagen nicht vorgelegt habe,
sei das Vorliegen eines Befreiungsgrunds nicht nachgewiesen.
Das LSG hat die Berufung mit Urteil vom 18.12.2014 zurückgewiesen. Als zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassener Mund-Kiefer-Gesichtschirurg
sei der Kläger zur Teilnahme am Bereitschaftsdienst verpflichtet. Der belegärztliche Bereitschaftsdienst sei nicht anderen
Bereitschaftsdiensten gleichzusetzen und könne nur zu einer Befreiung führen, wenn die belegärztliche Tätigkeit im Hinblick
auf die Anzahl der Belegbetten, einer kooperativen Ausübung der Belegarzttätigkeit, des Vorliegens einer Gemeinschaftspraxis/Einzelpraxis
und der Dienstfrequenz im Bereitschaftsdienst-Bereich im Einzelfall unzumutbar sei. Unter Berücksichtigung der geringen Anzahl
der Patienten und des Gesichtspunkts einer kooperativen Ausübung der Belegarzttätigkeit spreche einiges dafür, dass vorliegend
die belegärztliche Tätigkeit nicht als schwerwiegender Grund im Sinne des § 10 Abs 1 Satz 2 Buchst e BD-O zu werten sei. Letztlich
könne dahinstehen, ob es organisatorisch möglich sei, trotz der belegärztlichen Tätigkeit am ärztlichen Bereitschaftsdienst
teilzunehmen, weil eine Befreiung schon nach der Regelung des § 10 Abs 3 BD-O nicht in Betracht komme. Es sei davon auszugehen,
dass es dem Kläger aufgrund seines Honorarumsatzes zugemutet werden könne, den Bereitschaftsdienst auf eigene Kosten von einem
Vertreter wahrnehmen zu lassen. Der dabei zu berücksichtigende Honorarumsatz umfasse nach Wortlaut, Sinn und Zweck der Regelung
auch das Honorar des Klägers aus seiner vertragszahnärztlichen Tätigkeit. Da der Kläger die Feststellungslast dafür trage,
dass ein schwerwiegender Grund für eine Befreiung vorliege, und er trotz rechtlichen Hinweises nicht bereit sei, sein Honorar
aus seiner vertragszahnärztlichen Tätigkeit offenzulegen, könne ein Befreiungsgrund nicht bejaht werden.
Zur Begründung seiner Revision trägt der Kläger erneut vor, er sei allein für den Bereitschaftsdienst in seiner Belegabteilung
zuständig. Auch außerhalb der regulären Dienstzeiten habe er im Rahmen der Rufbereitschaft die fachärztliche Versorgung der
Patienten sicherzustellen. Darüber hinaus müsse er auch Notfall- und Traumapatienten behandeln, die auf anderen Abteilungen
des Diakonie-Krankenhauses eingeliefert würden. Es sei organisatorisch nicht zu bewerkstelligen, sowohl den Notdienst im Rahmen
der vertragsärztlichen Versorgung als auch für das Krankenhaus wahrzunehmen. Es könne ihm auch nicht zugemutet werden, einen
Vertreter zu organisieren. Da er ständig Rufbereitschaft für die Klinik habe, könne nicht von ihm verlangt werden, für den
vertragsärztlichen Notdienst prophylaktisch einen Vertreter zu bestellen. Die Honorarumsätze für die vertragszahnärztlichen
Leistungen müssten außer Betracht bleiben, weil es sich um eine rechtlich und wirtschaftlich von der vertragsärztlichen Tätigkeit
getrennte Tätigkeit handle.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des LSG Rheinland-Pfalz vom 18.12.2014 und des SG Mainz vom 16.07.2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19.01.2012
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.09.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Kläger von der Pflicht
zur Teilnahme am ärztlichen Bereitschaftsdienst zu befreien.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 19.1.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 7.9.2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger meint, weder zur persönlichen Dienstleistung
noch zur Bestellung eines Vertreters herangezogen werden zu dürfen. Dem kann in Übereinstimmung mit dem LSG im Ergebnis nicht
gefolgt werden.
1. Rechtsgrundlage für die Heranziehung des Klägers zum Bereitschaftsdienst ist die BD-O der Beklagten, nach der alle als
Vertragsärzte zugelassenen Ärzte zur Teilnahme am Bereitschaftsdienst verpflichtet sind (§ 9 Abs 1 Buchst a bzw ab 2016 §
8 Abs 1 Buchst a BD-O). Die BD-O in der Fassung des Beschlusses der Vertreterversammlung der KÄV Rheinland-Pfalz vom 2.9.2009,
geändert durch Beschluss der Vertreterversammlung am 16.6.2010, hat sich seit der Antragstellung des Klägers durch weitere
Beschlüsse der Vertreterversammlung vom 20.11.2013 und 18.11.2015 geändert. In allen drei Versionen heißt es - bis Ende 2015
in § 10, danach in § 9 - zur Befreiung von der Verpflichtung zur Teilnahme am Bereitschaftsdienst gleichlautend:
"(1) In besonders gelagerten Einzelfällen kann der niedergelassene Arzt von der Verpflichtung zur Teilnahme am (§ 9: vertragsärztlichen)
Bereitschaftsdienst befreit werden. Eine Befreiung kann erfolgen, wenn ein schwerwiegender Grund vorliegt und (dadurch) die
Sicherstellung der Patientenversorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten im (§ 9: vertragsärztlichen) Bereitschaftsdienst
nicht gefährdet ist. Als schwerwiegende Gründe in diesem Sinne gelten insbesondere:
a) schwere Erkrankungen oder körperliche Behinderungen, die auf Dauer oder für einen längeren Zeitraum der Einteilung zum
Bereitschaftsdienst entgegenstehen,
b) Mutterschaft/Erziehungsurlaub
...
c) die Teilnahme an einem auf der Grundlage anderer Bestimmungen vorzuhaltenden (§ 9: vertragsärztlichen) Bereitschaftsdienst
mit Akutversorgung (gilt nicht für belegärztliche Tätigkeit),
d) sonstige vergleichbar schwerwiegende Gründe, welche die Teilnahme am (§ 9: vertragsärztlichen) Bereitschaftsdienst auf
Zeit oder dauernd unzumutbar erscheinen lassen, e) eine belegärztliche Tätigkeit, wenn diese im Hinblick auf die Anzahl der
Belegbetten, einer kooperativen Ausübung der Belegarzttätigkeit, des Vorliegens einer Gemeinschaftspraxis (§ 9: Berufsausübunsgemeinschaft)/Einzelpraxis
und der Dienstfrequenz im Bereitschaftsdienstbereich im Einzelfall unzumutbar erscheint.
(2) Die Teilnahme an einem von der KV RLP anerkannten fachärztlichen (§ 9: vertragsärztlichen) Bereitschaftsdienst gemäß §
8 (§ 9: § 7) entbindet den teilnehmenden Arzt ohne weiteres vom allgemeinen (§ 9: vertragsärztlichen) Bereitschaftsdienst,
es muss kein entsprechender Antrag gestellt werden.
(3) Ein schwerwiegender Grund liegt in der Regel jedoch dann nicht vor, wenn seitens des Antragstellers eine Praxistätigkeit
in nicht deutlich eingeschränktem Umfang aufrechterhalten wird. Die Befreiung von der Teilnahmepflicht kann auch (§ 9: wird
davon abhängig gemacht) davon abhängig gemacht werden, ob dem Vertragsarzt aufgrund seines Honorarumsatzes nicht mehr zugemutet
werden kann, den (§ 9: vertragsärztlichen) Bereitschaftsdienst auf eigene Kosten von einem Vertreter wahrnehmen zu lassen."
Der BD-O der Beklagten liegt die Auffassung zugrunde, dass alle Vertragsärzte grundsätzlich verpflichtet sind, am Bereitschaftsdienst
teilzunehmen. Das entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats (zuletzt Urteil vom 19.8.2015 - B 6 KA 41/14 R - SozR 4-2500 § 75 Nr 15 - zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen -, RdNr 15 unter Hinweis auf BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 11 RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 7 RdNr 13; BSGE 44, 252, 256 = BSG SozR 2200 § 368n Nr 12 S 34). Die grundsätzliche Verpflichtung eines jeden Vertragsarztes zur Teilnahme am Bereitschaftsdienst
folgt aus seinem Zulassungsstatus (BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 14 RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 11 RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 7 RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 5 RdNr 10; BSG Urteil vom 12.10.1994 - 6 RKa 29/93 - Juris RdNr 10; BSG Urteil vom 11.6.1986 - 6 RKa 5/85 - MedR 1987, 122, 124; BSGE 44, 252, 256 = SozR 2200 § 368n Nr 12 S 34).
Diese Verpflichtung trifft auch die Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen, die über eine Doppelzulassung als Vertragsarzt und -zahnarzt
verfügen (vgl dazu BSGE 85, 145 = SozR 3-5525 § 20 Nr 1). Zum gewachsenen Berufsbild des Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen gehört es, dass er in seiner Praxis
ärztliche und zahnärztliche Tätigkeiten anbietet und ausübt. Die Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie verbindet die Bereiche der
Chirurgie und der Zahnheilkunde zu einem einheitlichen Beruf (näher dazu BSGE 85, 145, 147 = SozR 3-5525 § 20 Nr 1 S 3 f mwN). Dem wird im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung auf der Ebene der Zulassung
grundsätzlich dadurch Rechnung getragen, dass Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen typischerweise sowohl zur vertragsärztlichen als
auch zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen werden. Damit treffen den Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen grundsätzlich
auch in vollem Umfang die Rechte und Pflichten aus beiden Zulassungen. Allein der Umstand, dass bei Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen
die ärztliche und die zahnärztliche Tätigkeit als Einheit gesehen werden, rechtfertigt keine Privilegierung durch Einschränkung
des vertrags(zahn)ärztlichen Pflichtenkreises.
2. Die KÄV ist indes nicht gezwungen, im Rahmen der ihr als Selbstverwaltungskörperschaft beim Erlass der Bereitschaftsdienstordnung
zustehenden Gestaltungsfreiheit, alle Mitglieder zum Bereitschaftsdienst heranzuziehen. Maßgeblich ist insoweit allein, dass
die KÄV ihrem Sicherstellungsauftrag nach §
75 Abs
1 Satz 2
SGB V nachkommen kann und das Gebot der Gleichbehandlung ihrer Mitglieder beachtet, das sachgerechten Differenzierungen nicht entgegensteht
(vgl BSG Urteil vom 19.8.2015 - B 6 KA 41/14 R - SozR 4-2500 § 75 Nr 15 - zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen -, RdNr 15; BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 14 RdNr 23 mwN). Regelungen in der BD-O, wonach bestimmte Arztgruppen wegen ihrer besonderen Behandlungsausrichtung oder
etwa besonderer anderweitiger Verpflichtungen im Rahmen des Sicherstellungsauftrags der KÄV vom Notfalldienst befreit werden
können, sind nicht ausgeschlossen, wenn die übrigen Vertragsärzte die zusätzliche Belastung tragen können oder diese durch
die Mitwirkung anderer Ärzte gemindert werden kann. Bundesrechtlich steht lediglich fest, dass die Mitwirkung aller zugelassenen
Ärzte am Bereitschaftsdienst das Regelmodell ist (vgl BSG Urteil vom 19.8.2015 - B 6 KA 41/14 R - SozR 4-2500 § 75 Nr 15 - zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen -, RdNr 15). Bei der näheren Ausgestaltung des Notdienstes
kommt der einzelnen KÄV ein weiter Gestaltungsspielraum zu (BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 5 RdNr 12). Allerdings ist zu beachten, dass Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen trotz ihrer doppelten Zulassung nur einen Versorgungsauftrag
haben. Auch bei einer zugelassenen Tätigkeit in zwei Fachgebieten handelt es sich stets um nur eine Zulassung - und ebenso
um nur insgesamt einen vollen Versorgungsauftrag (vgl BSG Beschluss vom 9.2.2011 - B 6 KA 44/10 B - Juris RdNr 10 mwN; BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 25 RdNr 23). Dementsprechend kommt auch eine doppelte Inpflichtnahme nicht in Betracht, der Mund-Kiefer-Gesichtschirurg
ist vielmehr als einzelner Leistungserbringer zu betrachten.
a) Es steht mit Bundesrecht in Einklang, dass die BD-O der Beklagten die Befreiung von der Teilnahme am Bereitschaftsdienst
im Fall der belegärztlichen Tätigkeit von der Anzahl der Belegbetten, einer kooperativen Ausübung der Belegarzttätigkeit,
dem Vorliegen einer Gemeinschaftspraxis/Einzelpraxis und der Dienstfrequenz im Bereitschaftsdienst-Bereich abhängig macht.
Im Hinblick auf die gebotene Gleichbehandlung aller Vertragsärzte rechtfertigt nicht jede belegärztliche Tätigkeit die Befreiung
vom vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst. Es ist vielmehr zu fragen, ob die Belegarzttätigkeit in ihrer konkreten Ausgestaltung
ausnahmsweise eine Teilnahme am vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst unzumutbar erscheinen lässt. Der Senat hat bereits
in einem Urteil vom 15.9.1977 entschieden, dass ein Kassenarzt, der belegärztlich tätig ist oder eine Privatklinik betreibt,
nicht allein deswegen beanspruchen kann, vom kassenärztlichen Notdienst und Bereitschaftsdienst befreit zu werden (BSGE 44,
260, 262 ff = SozR 2200 § 368n
RVO Nr 13; bestätigt mit Urteil vom 15.4.1980 - 6 RKa 8/78 - Juris RdNr 16). Eine belegärztliche Tätigkeit, die gegenüber der ambulanten Praxis von nebengeordneter Bedeutung sein müsse,
oder eine stationäre Behandlung außerhalb der Kassenpraxis dürfe die Erfüllung der Pflichten, die dem Arzt aus der Beteiligung
an der ambulanten kassenärztlichen Versorgung erwachsen, nicht beeinträchtigen. Nicht beanstandet hat der Senat eine Regelung,
die eine Befreiung vom Bereitschaftsdienst ermöglichte, wenn "der Arzt wegen belegärztlicher Tätigkeit für sein Gebiet im
Krankenhaus nur einmal vertreten ist und ein Assistent für eine Vertretung nicht zur Verfügung steht" oder wenn "dem Arzt
aus anderen von ihm darzulegenden schwerwiegenden Gründen eine Teilnahme nicht zugemutet werden kann" (Urteil vom 18.10.1995
- 6 RKa 66/94 - Juris RdNr 13). Die Regelung in § 10 bzw § 9 Abs 1 Buchst e BD-O wird den Anforderungen an eine gleichmäßige Heranziehung
zum vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst im Fall der belegärztlichen Tätigkeit gerecht. Sie stellt den Belegarzt nicht per
se vom Bereitschaftsdienst frei, sondern erlaubt eine Freistellung unter Berücksichtigung der tatsächlichen Beanspruchung
im Einzelfall.
b) Ebenso wenig zu beanstanden ist die Regelung des § 10 Abs 3 bzw § 9 Abs 3 BD-O. Sie enthält die generelle Vermutung, dass
schwerwiegende Gründe, die die Teilnahme am Bereitschaftsdienst zeitweise oder dauerhaft unzumutbar erscheinen lassen, dann
nicht vorliegen, wenn eine Praxistätigkeit in nicht deutlich eingeschränktem Umfang aufrechterhalten wird. Darüber hinaus
kann die Befreiung von der Teilnahmepflicht (auch) davon abhängig gemacht werden, ob dem Vertragsarzt aufgrund seines Honorarumsatzes
nicht mehr zugemutet werden kann, den Bereitschaftsdienst auf eigene Kosten von einem Vertreter wahrnehmen zu lassen. Das
entspricht der Rechtsprechung des Senats, wonach eine vollständige Befreiung von der Teilnahme am Bereitschaftsdienst unter
dem Gesichtspunkt gleichmäßiger Belastung nur in Betracht kommt, wenn gesundheitliche oder vergleichbare Belastungen zu einer
deutlichen Einschränkung der Praxistätigkeit des Arztes führen und ihm zudem aufgrund geringer Einkünfte aus der ärztlichen
Tätigkeit nicht mehr zugemutet werden kann, den Notfalldienst auf eigene Kosten durch einen Vertreter wahrnehmen zu lassen
(vgl SozR 4-2500 § 75 Nr 7 RdNr 14 unter Hinweis auf BSG Urteil vom 11.6.1986 - 6 RKa 5/85 = MedR 1987, 122, 124 - insoweit unter Modifizierung der früheren Rechtsprechung, vgl BSGE 33, 165, 166 f = SozR Nr 3 zu BMV-Ärzte; BSGE 44, 252, 257 = SozR 2200 § 368n Nr 12 S 34). Danach hat der aus gesundheitlichen oder vergleichbar schwerwiegenden Gründen an der
persönlichen Notdienstleistung gehinderte Arzt grundsätzlich einen Vertreter zur Ableistung der ihm obliegenden Notfalldienste
zu stellen (vgl BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 7 RdNr 14). Erst wenn ihm dies aufgrund seines Honorarumsatzes nicht mehr zugemutet werden kann, kommt unter dem Gesichtspunkt
der Gleichbehandlung eine ersatzlose Freistellung vom Bereitschaftsdienst in Betracht (vgl BSG aaO).
3. Das LSG ist im Rahmen der Auslegung des § 10 BD-O zu dem Ergebnis gekommen, es spreche unter Berücksichtigung der geringen
Anzahl der Patienten und der Ausübung der Belegarzttätigkeit in Kooperation mit den anderen leitenden Krankenhausärzten einiges
dafür, dass die belegärztliche Tätigkeit nicht als "schwerwiegender Grund" für eine Befreiung von der Teilnahme am Bereitschaftsdienst
anzusehen sei. Jedenfalls sei aber davon auszugehen, dass dem Kläger aufgrund seiner Honorarsituation zugemutet werden könne,
den Bereitschaftsdienst auf eigene Kosten von einem Vertreter wahrnehmen zu lassen. Der zu berücksichtigende Honorarumsatz
umfasse auch das Honorar des Klägers aus seiner vertragszahnärztlichen Tätigkeit. Dieses Auslegungsergebnis ist für die revisionsgerichtliche
Prüfung bindend. Grundsätzlich ist das BSG an die Feststellung des Inhalts des Landesrechts und an dessen Auslegung durch das LSG gebunden (§
162 SGG; BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 11 RdNr 17; näher BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 3 RdNr 18). Landesrecht in diesem Sinne ist auch die BD-O; dass mit § 10 bzw § 9 BD-O identische Vorschriften in anderen
Notdienstordnungen enthalten sind und diese Übereinstimmung auf einer bewussten Angleichung der Regelungen durch die jeweiligen
Normgeber beruht (zu dieser Ausnahme von der Bindung an Landesrecht vgl BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 11 RdNr 17; BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 3 RdNr 18; BSGE 106, 110 = SozR 4-2500 §
106 Nr 27, RdNr 30, Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl 2014, §
162 RdNr 5a), ist nicht geltend gemacht worden. Das Auslegungsergebnis des LSG ist mit Bundesrecht vereinbar.
a) Die Bewertung der belegärztlichen Tätigkeit des Klägers steht im Einklang mit den abstrakten Anforderungen an die Befreiung
vom Bereitschaftsdienst aufgrund einer solchen Tätigkeit. Auch wenn es an konkreten Feststellungen zum Umfang der Beanspruchung
durch die belegärztliche Tätigkeit einerseits und zu der Häufigkeit der Heranziehung zum vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst
andererseits fehlt, tragen die von den Beteiligten vorgetragenen Tatsachen die Bewertung durch das LSG. Nach den Angaben des
Klägers beanspruchte er im Durchschnitt ein Belegbett, was den Angaben im Krankenhausplan 2010 entspricht. Selbst unter Zugrundelegung
der vom Kläger im Klageverfahren angegebenen Fallzahl von 45 im Jahr 2011 bei einer Verweildauer von ein bis fünf Tagen ist
nicht von einer dauerhaft erheblichen Beanspruchung durch die belegärztliche Tätigkeit auszugehen. Das gilt umso mehr, als
die vom Kläger vorgelegten Kennzahlen deutliche saisonale Unterschiede zeigen. Dass der Kläger nach dem Belegarztvertrag den
ärztlichen Bereitschaftsdienst für Belegpatienten zu versehen hat (§ 1 Abs 2 Nr 2 Belegarztvertrag), rechtfertigt eine Freistellung
vom vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst nicht. Es ist eine nicht untypische Situation im Belegarztwesen, dass ein Fachgebiet
mit geringen stationären Fallzahlen nur durch einen Vertragsarzt in einem Krankenhaus vertreten ist. Da eine durchgehende
Anwesenheit dieses Arztes in keinem Fall - schon wegen Urlaubs- und Krankheitszeiten - gewährleistet sein kann, ist auch insofern
eine Vertretungsregelung zu treffen. Dementsprechend sieht der Belegarztvertrag des Klägers eine vertrauensvolle Zusammenarbeit
mit den anderen leitenden Abteilungsärzten und den weiteren am Krankenhaus zugelassenen Belegärzten auch für die Sicherstellung
der durchgehenden ärztlichen Versorgung und Vertretung bei Abwesenheit vor (§ 11 Abs 1 und 2 Belegarztvertrag).
Dass die Bezirkszahnärztekammer den Kläger im Hinblick auf seine Belegarzttätigkeit von der Teilnahme am vertragszahnärztlichen
Notdienst befreit hat, ist für die Heranziehung zum vertragsärztlichen Notdienst nicht präjudiziell. Die Beklagte hat vielmehr
grundsätzlich eine eigene Entscheidung nach den für sie geltenden Vorgaben zu treffen. Dabei besteht kein Anspruch des Klägers,
nur in dem Umfang herangezogen zu werden, der dem Anteil des vertragsärztlichen Umsatzes am Gesamtumsatz seiner Praxis entspricht.
Die Beklagte hat aber den Umstand angemessen zu berücksichtigen, dass der Kläger zwar über eine volle vertragsärztliche Zulassung
verfügt, dies aber neben einer vertragszahnärztlichen Zulassung im Rahmen eines einheitlichen Versorgungsauftrags. Keinesfalls
darf die gleichzeitige Teilnahme eines Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen am vertragszahnärztlichen und vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst
diesen mit Bereitschaftsdiensten so belasten, als wäre er in vollem Umfang ärztlich und zahnärztlich tätig. Die Doppelzulassung
des Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen darf nicht dazu führen, dass er im Ergebnis doppelt so stark in Anspruch genommen wird wie
ein vertragsärztlich tätiger Chirurg oder ein vertragszahnärztlich zugelassener Oralchirurg. Gegebenenfalls bedarf es zur
Vermeidung unzumutbarer Belastungen einer Abstimmung zwischen KÄV und Kassenzahnärztlicher Vereinigung (KZÄV). Die Frage einer
überproportionalen Beanspruchung stellt sich hier jedoch nicht.
b) Die Verneinung eines "schwerwiegenden Grundes" im Sinne des § 10 bzw § 9 Abs 3 BD-O ist bundesrechtlich ebenfalls nicht
zu beanstanden. Es kann offenbleiben, ob ein "schwerwiegender Grund" nicht bereits deshalb hätte verneint werden können, weil
der Kläger eine Praxistätigkeit in nicht deutlich eingeschränktem Umfang aufrechterhalten hat. Auch hierzu haben die Vorinstanzen
keine Feststellungen getroffen. Der Kläger hat aber zu keinem Zeitpunkt geltend gemacht, seine Praxis nur in eingeschränktem
Umfang zu betreiben. Da die ärztliche und die zahnärztliche Tätigkeit bei Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen als Einheit zu sehen
sind, wäre insofern auf den gesamten Praxisbetrieb einschließlich der vertragszahnärztlichen Tätigkeit abzustellen.
Das LSG hat jedenfalls rechtsfehlerfrei gebilligt, dass dem Kläger zugemutet werden kann, den Bereitschaftsdienst auf eigene
Kosten von einem Vertreter wahrnehmen zu lassen. Es kann dahinstehen, ob dies nicht bereits im Hinblick auf das vertragsärztliche
Honorar des Klägers der Fall ist. Allein der Umstand, dass das Honorar deutlich unterdurchschnittlich ist, schließt die Zumutbarkeit
der Finanzierung eines Vertreters nicht aus. Insofern fehlt es an Feststellungen zu den Kosten für einen Vertreter einerseits
und dem bei Wahrnehmung des Bereitschaftsdienstes zu erwartenden Honorar andererseits.
Jedenfalls widerspricht es nicht bundesrechtlichen Vorgaben, im besonderen Fall der Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen, die über
eine Doppelzulassung verfügen, in diesem Zusammenhang auch das Honorar aus vertragszahnärztlicher Tätigkeit zu berücksichtigen.
Zwar ist grundsätzlich unter dem Begriff des "Honorars" in von der KÄV erlassenen Normen nach dem systematischen Zusammenhang
das Honorar aus vertragsärztlicher Tätigkeit zu verstehen. Hiervon kann es jedoch Ausnahmen geben. Hier rechtfertigt sich
eine solche Ausnahme aus der Besonderheit der grundsätzlich systemfremden, ausnahmsweisen Doppelzulassung der Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen,
die zwangsläufig zu Abgrenzungsproblemen und Verwerfungen führt. Ärztliche und zahnärztliche Tätigkeit werden bei den Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen
aufgrund ihres Berufsbildes als Einheit betrachtet. Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen haben aufgrund ihrer Doppelzulassung in
gewissem Umfang Spielräume bei der Abrechnung ihrer Leistungen. Können Leistungen als ärztliche und zahnärztliche Leistungen
erbracht werden, kann ihre Abrechnung bei der KÄV oder der KZÄV erfolgen, je nachdem, wo ein höherer Punktwert gezahlt wird
(vgl dazu BSG SozR 4-2500 § 121 Nr 7 RdNr 16). Das nach Nr 4 der Allgemeinen Bestimmungen des Bewertungsmaßstabes für zahnärztliche Leistungen bestehende
Splittingverbot innerhalb eines einheitlichen Behandlungsfalles ändert hieran im Grundsatz nichts. Insofern handelt es sich
nicht, wie der Kläger meint, um wirtschaftlich voneinander unabhängige Tätigkeiten. Ist mithin die Verteilung des Honorarumsatzes
aus einer einheitlich zu betrachtenden Tätigkeit jedenfalls in Teilen steuerbar, entspricht es dem Gleichbehandlungsgrundsatz,
dass für die Frage der Zumutbarkeit der Bestellung eines Vertreters für den vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst auf eigene
Kosten bei den Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen auch das Honorar aus vertragszahnärztlicher Tätigkeit berücksichtigt wird. Da
mangels Offenlegung des zahnärztlichen Honorars eine Unzumutbarkeit nicht festgestellt werden konnte, hat das LSG die Ablehnung
der Befreiung von der Teilnahme am Bereitschaftsdienst zu Recht gebilligt.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 SGG iVm §
154 ff
VwGO. Danach hat der Kläger die Kosten des erfolglos eingelegten Rechtsmittels zu tragen (§
154 Abs
2 VwGO).