Anspruch auf Beitragszuschuss für privat krankenversicherte Alg II- und Sozialgeldbezieher
Gründe:
I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, in welcher Höhe die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens
die Kosten des Antragstellers für die private Kranken- und Pflegeversicherung zu tragen hat.
Der 1967 geborene Kläger war als selbständiger Fahrzeugaufbereiter bei der A. Krankenversicherungs AG privat kranken- und
pflegeversichert. Mit Beschluss des Amtsgerichts S. vom 02.07.2009 ist das Insolvenzverfahren über sein Vermögen wegen Zahlungsunfähigkeit
eröffnet worden.
Vom 02.11.2007 bis zum 02.06.2009 bezog der Antragsteller Krankengeld. Am 02.06.2009 stellte er bei der Antragsgegnerin den
Antrag auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Bescheid vom 18.06.2009 bewilligte ihm die Antragsgegnerin
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 02.06.2009 bis 31.12.2009. Darin enthalten
ist u.a. ein Zuschuss nach § 26 SGB II zur Krankenversicherung in Höhe von 125,22 EUR und zur Pflegeversicherung in Höhe von
17,20 EUR für den Monat Juni 2009 und in Höhe von 124,32 EUR für die Krankenversicherung und 17,79 EUR für die Pflegeversicherung
für die Zeit von Juli bis Dezember 2009. Zur Begründung wird ausgeführt, den Restbetrag bis zur Versicherungsrate von 253,66
EUR habe der Antragsteller selbst zu tragen.
Hiergegen hat dieser Widerspruch eingelegt mit dem Antrag, die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in voller Höhe
zu übernehmen. Mit Widerspruchsbescheid vom 29.07.2009 hat die Antragsgegnerin den Widerspruch zurückgewiesen mit der Begründung,
der bewilligte Beitragszuschuss entspreche der gesetzlichen Regelung in § 26 SGB II i.V.m. § 12 Abs. 1c Sätze 5 und 6 Versicherungsaufsichtsgesetz
(VAG). Hiergegen hat der Antragsteller am 12.08.2009 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben.
Bereits zuvor hat der Antragsteller am 24.07.2009 beim SG beantragt, die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, seine Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge
in voller Höhe sowie den prozentualen Anteil für seine Medikamente zuzüglich einer Selbstbeteiligung von 300,00 EUR pro Jahr
zu übernehmen.
Mit Bescheid vom 06.07.2009 hat die A. S.-B. eine Kranken- und Pflegeversicherung des Antragstellers, der Antrag auf Gewährung
von Rente wegen Erwerbsminderung gestellt hat, wegen Nichterfüllung der Vorversicherungszeit abgelehnt.
Den Antrag vom 21.07.2009 auf Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt (Übernahme des nicht durch das JobCenter gedeckten Beitrages
zur privaten Krankenversicherung) nach den Bestimmungen des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) hat das Bezirksamt
Z. mit Bescheid vom 10.08.2009 abgelehnt mit der Begründung, der Antragsteller habe als erwerbsfähige Person dem Grunde nach
Ansprüche nach dem SGB II, so dass gemäß § 21 Satz 1 SGB XII kein Anspruch nach dem SGB XII bestehe.
Die A. AG hat mitgeteilt, der Basistarif für die Krankenversicherung betrage 569,63 EUR zuzüglich der Pflegepflichtversicherung
in Höhe von 25,10 EUR.
Ausweislich des Versicherungsscheins über die private Kranken- und Pflegeversicherung bei der A. hat der Kläger monatlich
Beiträge für die Krankenversicherung in Höhe von 208,21 EUR zusätzlich eines Beitragszuschlags von 20,82 EUR, für die Pflegepflichtversicherung
23,83 EUR sowie für eine Reise-Plus-Versicherung 0,80 EUR zu entrichten.
Im Erörterungstermin vor dem SG hat der Antragsteller vorgetragen, seine Krankenversicherung verrechne derzeit die von ihm eingereichten Arztrechnungen mit
offenen Beitragsschulden. Hierzu hat er ein entsprechendes Erstattungsschreiben der A. AG vorgelegt, im welchem diese den
Erstattungsbetrag mit offenen Beiträgen verrechnet hat.
Mit Beschluss vom 13.08.2009 hat das SG die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig einen monatlichen Zuschuss
zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 252,86 EUR unter Anrechnung bereits gewährter Leistungen sowie den jährlichen
Selbstbehalt von 300,00 EUR vom 24.07.2009 bis zum 31.12.2009 zu zahlen. Im Übrigen hat es den Antrag abgelehnt und der Antragsgegnerin
die Tragung von 4/5 der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers auferlegt. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, es liege sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund vor. Richtig sei zwar, dass der Wortlaut
der gesetzlichen Regelung des § 26 Abs. 2 SGB II i.V.m. § 12 Abs. 1c Sätze 5 und 6 VAG den von der Antragsgegnerin zu gewährenden
Zuschuss auf den für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragenden Betrag beschränke.
Der danach zu gewährende Zuschuss in Höhe von 125,22 EUR für die Krankenversicherung und 17,20 EUR für die Pflegeversicherung
führe angesichts eines vom Antragsteller zu zahlenden Beitrags in Höhe von 252,66 EUR zu einer regelmäßigen Bedarfsunterdeckung
in Höhe von monatlich 111,24 EUR. Dies widerspreche bereits der gesetzgeberischen Absicht, die der Änderung von §
5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) ab dem 01.01.2009 zugrunde gelegen habe. Der Gesetzgeber sei bei der Einfügung des §
5 Abs.
5a SGB V ausweislich der Gesetzesbegründung ersichtlich davon ausgegangen, dass mit der Einführung eines Basistarifs in der privaten
Krankenversicherung die Einbeziehung der Personengruppe der Selbständigen und bisher privat Krankenversicherten in die gesetzliche
Krankenversicherung nicht mehr erforderlich sei. Es liege deshalb eine gesetzgeberische Lücke in verfassungsrechtlichem Ausmaß
vor. Der Gesetzgeber habe zum einen den Versicherungsschutz in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht mehr für notwendig
gehalten, zum anderen jedoch durch die Neuregelung des Zuschusses eine Bedarfsunterdeckung verursacht. Der Gesetzesbegründung
zu § 12 Abs. 1c VAG könne nicht entnommen werden, dass dem Gesetzgeber die Folgen des Ausschlusses der privat versicherten
Alg II-Bezieher aus der gesetzlichen Krankenversicherung und die Neuregelung des § 26 Abs. 2 SGB II mit der Beschränkung des
Zuschusses auf den Beitrag für Leistungsbezieher in der gesetzlichen Krankenversicherung vor Augen gestanden habe. Es spreche
deshalb viel dafür, dass hier ein gesetzgeberisches Versehen vorliege.
Vorliegend sei die Sicherung des Existenzminimums betroffen mit der weiteren Folge, dass der Antragsteller trotz aktueller
Behandlungsbedürftigkeit nicht mehr von seinen Ärzten behandelt werde. Dieser Zustand stelle eine existenzielle, dem Antragsteller
nicht zumutbare Notlage dar, durch welche sowohl die körperliche Unversehrtheit gemäß Artikel
2 Grundgesetz (
GG) als auch der Anspruch auf Sicherung des Existenzminimums gemäß Artikel
1 GG i.V.m. Artikel
20 GG betroffen sei. Angesichts der betroffenen Rechtsgüter und der Folgen, die bei einer fortlaufenden Bedarfsunterdeckung entstünden,
sei die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, vorläufig ab Antragstellung die Beiträge zur
Kranken- und Pflegeversicherung zu übernehmen. Es sei auch insbesondere ein Anordnungsgrund gegeben, da bei einem Abwarten
bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens dem Antragsteller ein Ruhen seiner Krankenversicherung drohe. Der
Antrag sei lediglich insoweit abzuweisen, als auch die Übernahme der Kosten für den Versicherungsbestandteil Reise-Plus in
Höhe von monatlich 0,80 EUR geltend gemacht werde, da eine Auslandsreisekrankenversicherung nicht zur Gewährleistung des Existenzminimums
erforderlich sei. Auch für die Übernahme der Kosten für den Eigenanteil an den Medikamenten bestehe im SGB II keine rechtliche
Grundlage.
Gegen den am 13.08.2009 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am 28.08.2009 Beschwerde eingelegt mit dem Antrag,
den Beschluss des SG vom 13.08.2009 aufzuheben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, es bestehe eine ausdrückliche gesetzliche Regelung über die
Höhe der gemäß § 26 Abs. 2 SGB II zu übernehmenden Beiträge zur privaten Krankenversicherung eines erwerbsfähigen Hilfebedürftigen.
Der Wortlaut des § 12 Abs. 1c Nr. 6 VAG, auf den § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB II verweise, sei unmissverständlich, eine teleologische
Reduktion dahingehend, dass die ungedeckten Beiträge zu übernehmen seien, komme nicht in Betracht. Der Gesetzgeber habe die
Regelung auch bewusst getroffen. Dies zeige ein Vergleich zu den Regelungen des SGB XII, wonach gemäß § 32 Abs. 5 SGB XII
die angemessenen Beiträge zur privaten Krankenversicherung durch den SGB XII-Träger zu übernehmen seien. Dort fehle nämlich
der Verweis auf § 12 Abs. 1c Sätze 4 - 6 VAG.
Der Antragsteller hat sich nicht geäußert.
II. Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das SG hat im angefochtenen Beschluss zurecht die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller
vorläufig einen monatlichen Zuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe des von ihm zu entrichtenden Beitrages abzüglich
des Beitragsanteils für die Auslandskrankenversicherung zu gewähren. Hierzu wird auf die dortigen Ausführungen gem. §
142 Abs.
2 Satz 3
SGG verwiesen.
Ergänzend ist Folgendes auszuführen: Nach §
86 b Abs.
2 Satz 2
SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf
ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung).
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie
die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch)
und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§
86 b Abs.
2 Satz 4
SGG in Verbindung mit §
920 Abs.
2 der
Zivilprozessordnung). Besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens ergeben sich aus Artikel
19 Abs.
4 GG, wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen
können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Eine solche Fallgestaltung ist anzunehmen, wenn
es - wie hier - im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Sicherung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums
während eines gerichtlichen Hauptsacheverfahrens geht. Ist während des Hauptsacheverfahrens das Existenzminimum nicht gedeckt,
kann diese Beeinträchtigung nachträglich nicht mehr ausgeglichen werden, selbst wenn die im Rechtsbehelfsverfahren erstrittenen
Leistungen rückwirkend gewährt werden (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005, NVwZ 2005, 927, 928). Die Gerichte müssen in solchen Fällen, wenn sie sich an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren wollen, die
Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend prüfen (vgl. BVerfG NVwZ 2004, 95, 96). Dies gilt insbesondere, wenn das einstweilige Rechtsschutzverfahren vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens
übernimmt und eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung eines Beteiligten droht. Entschließen sich die Gerichte
zu einer Entscheidung auf dieser Grundlage, so dürfen sie die Anforderungen an die Glaubhaftmachung durch den Antragsteller
eines Eilverfahrens nicht überspannen. Die Anforderungen haben sich vielmehr am Rechtsschutzziel zu orientieren, das die Antragsteller
mit ihrem Begehren verfolgen (BVerfG aaO.). Ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren
nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Auch in diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange der
Antragsteller umfassend in die Abwägung einzubeziehen.
Auch zur Überzeugung des Senats liegt eine planwidrige Regelungslücke vor, die durch Übertragung einer für einen anderen Tatbestand
vorgesehenen Rechtsfolge zu schließen ist (BSGE 82, 68, 71 f.).
Nach dem Wortlaut des § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB II in der ab 01.01.2009 geltenden Fassung des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs
in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) vom 26.03.2007 (BGBl. I S. 378) gilt für Bezieher von Alg II, die in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht versicherungspflichtig sind und die für
den Fall der Krankheit bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert sind, § 12 Abs. 1c Satz 5 und 6 des VAG.
Nach § 12 Abs. 1c Satz 6 Zweiter Halbsatz VAG zahlt der zuständige Träger, wenn unabhängig von der Höhe des zu zahlenden Beitrags
Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II besteht, den Betrag, der auch für einen Bezieher von Alg II in der gesetzlichen Krankenversicherung
zu tragen ist.
Nach dem Wortlaut hat der Bezieher von Alg II den Differenzbetrag danach selbst zu tragen. Der Leistungsbezieher kann den
Beitrag jedoch nur aus der Regelleistung bestreiten. In dieser sind jedoch Leistungen für den Krankenversicherungsschutz -
jedenfalls in dieser Höhe - nicht enthalten (vgl. den tabellarischen Überblick des Gesetzgebers über den zu sichernden Bedarf,
BT-Drucks. 15/11516 S. 55; vgl. hierzu auch SG Karlsruhe, Urteil vom 10.08.2009 - S 5 AS 2121/09 - Rn. 53 - in juris). Nach der Konzeption des SGB II sind die Kosten der Kranken- und Pflegeversicherung nicht in der Regelleistung
enthalten.
Auch den Gesetzesmotiven kann nicht entnommen werden, dass - entgegen der Konzeption des SGB II - der nicht gedeckte Teil
der Kosten für die private Kranken- und Pflegeversicherung aus Mitteln der Regelleistung zu tragen ist. Im Gesetzentwurf zum
GKV-WSG (BT-Drucks. 16/3100) vom 24.10.2006 war eine Änderung des § 26 SGB II noch nicht enthalten. § 12 Abs. 1c Satz 6 VAG war wie folgt gefasst: "Besteht unabhängig von der Höhe des zu zahlenden
Beitrags Hilfebedürftigkeit nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, zahlt der zuständige Träger den Betrag,
der auch für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen ist. Zur Begründung
der Neufassung von § 12 Abs. 1c VAG wird ausgeführt (S. 207), Abs. 1 c erweitere für den Basistarif die bisher für den Standardtarif
geltenden Regelungen zur Begrenzung der Prämienhöhe: Um die Bezahlbarkeit des Basistarifs zu gewährleisten, dürfe dessen Beitrag
den durchschnittlichen GKV-Höchstbeitrag nicht überschreiten. Würde die Bezahlung eines solchen Beitrags Hilfebedürftigkeit
im Sinne von SGB II oder SGB XII auslösen, stellten weitere Regelungen sicher, dass die Betroffenen nicht finanziell überfordert
würden. Eine Belastung mit Beiträgen für die Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von beinahe einem Drittel der Regelleistung
dürfte jedoch eine - nicht gewollte - finanzielle Überforderung darstellen. § 12 Abs. 1c S. 6 VAG konnte danach auch so gelesen
werden, dass eine Beitragspflicht in der privaten Krankenversicherung nur in Höhe des Betrages der gesetzlichen Krankenversicherung
für Alg II-Bezieher bestand.
Aufgrund der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit zum GKV-WSG (BT-Drucks. 16/4200) vom 31.01.2007 erfolgte eine Neufassung von § 26 Abs. 2 und 3 SGB II (Verweis auf § 12 Abs. 1c Sätze 5 und 6 VAG) sowie eine Änderung in § 12 Abs. 1c Satz 6 VAG in Form der
nachfolgenden Gesetzesfassung. In der Begründung des Ausschusses wird hierzu ausgeführt (BT-Drucks. 16/4247 S. 69), Satz 6
stelle klar, dass die Halbierung des Beitrags im Basistarif bei Entstehen oder Vorliegen von Hilfebedürftigkeit greife. Es
bleibe bei der vorgesehenen Beteiligung der Grundsicherungsträger und der vorgesehenen Begrenzung möglicher finanzieller Belastungen
der Versicherungsunternehmen in diesen Fällen. Eine Auseinandersetzung mit der Frage, in welcher Weise und aus welchen Mitteln
Alg II-Bezieher den Differenzbetrag aufzubringen hätten, hat danach ersichtlich nicht stattgefunden.
Es kann deshalb auch nicht daraus, dass der Gesetzgeber im SGB XII nicht auf die Regelungen des VAG Bezug genommen hat, geschlossen
werden, der Gesetzgeber habe im SGB XII bewusst von einer Bezugnahme abgesehen. Im Übrigen hat der 2. Senat des LSG Baden-Württemberg
(Beschluss vom 30.06.2009 - L 2 SO 2529/09 ER-B) nicht entschieden, ein Verweis auf § 12 Abs. 1c S. 4-6 VAG erfolge in § 32
SGB XII "ausdrücklich nicht", sondern ein solcher Verweis erfolge "nicht ausdrücklich".
Auch das BVerfG hat sich in seiner Entscheidung vom 10.06.2009 (1 BvR 706/08) mit der vorliegenden Problematik nicht auseinandergesetzt, sondern lediglich ausgeführt, die in § 12 Abs. 1c S. 4-6 VAG
vorgesehenen Beitragsbegrenzungen bei Hilfebedürftigen seien verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerfG, Rn. 184) und
in Rn. 195 der Entscheidung lediglich den Gesetzeswortlaut wiederholt.
Verfassungsrechtlich bedenklich hinsichtlich einer Ungleichbehandlung dürfte sein, dass sich ein unterschiedlicher Anspruch
nach § 12 Abs. 1c Satz 5 VAG und § 12 Abs. 1c Satz 6 VAG ergibt.
§ 12 Abs. 1c Satz 6 VAG regelt die Beitragshöhe und den Zuschuss für Personen, die unabhängig von der Höhe des zu zahlenden
Beitrags zur Krankenversicherung hilfebedürftig nach dem SGB II oder SGB XII sind. Nach dem Wortlaut von Satz 6 ist der Zuschuss
auf den für einen Bezieher von Alg II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragenden Beitrag beschränkt. Demgegenüber
besteht eine solche Beschränkung bei einem Anspruch nach Satz 5 nicht. Satz 5 hat folgenden Wortlaut: Besteht auch bei einem
nach Satz 4 verminderten Beitrag Hilfebedürftigkeit im Sinne des Zweites oder des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch, beteiligt
sich der zuständige Träger nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch auf Antrag des Versicherten im erforderlichen
Umfang, soweit dadurch Hilfebedürftigkeit vermieden wird. Danach ist folgende Konstellation denkbar. Der Berechtigte verfügt
über Einkommen in Höhe des Regelsatzes sowie seiner Kosten der Unterkunft und ist deshalb nicht hilfebedürftig nach dem SGB
II. Nach Satz 5 hat er Anspruch auf Beteiligung des zuständigen Trägers nach dem SGB II in erforderlichem Umfang, soweit dadurch
Hilfebedürftigkeit vermieden wird, somit in Höhe der notwendig anfallenden Kosten für die Kranken- und Pflegeversicherung,
somit maximal in Höhe des halben Basistarifs.
Der Anspruch auf Übernahme der Beiträge zur privaten Pflegeversicherung ergibt sich aus § 28 Abs. 3 Satz 1 SGB II. Danach
werden für Bezieher von Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld, die in der sozialen Pflegeversicherung nicht versicherungspflichtig
und nicht familienversichert sind, für die Dauer des Leistungsbezugs die Aufwendungen für eine angemessene private Pflegeversicherung
im notwendigen Umfang übernommen.
Der Antragsteller ist weder verpflichtet noch in der Lage, die Differenz zwischen der Höhe seines Krankenversicherungs- und
Pflegeversicherungsbeitrages und den Zuschuss durch die Antragsgegnerin aus der ihm bewilligten Regelleistung zu begleichen.
Diese dient gemäß § 20 Abs. 1 SGB II der Sicherung des Lebensunterhalts, insbesondere der Ernährung, Kleidung, Körperpflege,
Hausrat, Haushaltsenergie (ohne die auf die Heizung anfallenden Anteile), Bedarf des täglichen Lebens sowie vertretbarem Umfang
auch Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben. Die Regelleistung umfasst zwar auch Aufwendungen für
die Gesundheitspflege, und zwar im wesentlichen diejenigen Aufwendungen, die ein Versicherter nach dem SGB II selbst tragen
muss, wie z.B. die Kosten für die Praxisgebühr, Zuzahlungen oder die Kosten nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel.
Nicht von der Regelleistung umfasst sind dagegen die Aufwendungen für die Krankenversicherungsbeiträge (vgl. BT-Drucks. 15/1516,
Seite 55).
Dem Antragsteller ist auch ein Zuwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht zumutbar. Zwar verliert er bei Nichtzahlung
der vollständigen Beiträge nicht seinen Versicherungsschutz. Seit dem 01.01.2009 gilt für alle Personen, die weder gesetzlich
krankenversichert sind noch einem dritten Sicherungssystem angehören, eine Pflicht zum Abschluss und zur Aufrechterhaltung
einer Krankheitskostenversicherung bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen (§ 193 Abs. 3 Versicherungsvertragsgesetz - VVG -). Jede Kündigung einer Krankheitskostenversicherung, mit der die Pflicht nach § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG (also zum Abschluss einer substitutiven Krankheitskostenversicherung) erfüllt wird, durch den Versicherer ist ausgeschlossen
(§ 206 Abs. 1 Satz1 VVG). Dem Antragsteller droht jedoch, von der ärztlichen Behandlung ausgeschlossen zu sein, da er als Privatversicherter zunächst
die ärztliche Behandlung selbst bezahlen muss und auf den Weg der Kostenerstattung angewiesen ist. Mangels ausreichender finanzieller
Mittel ist ihm damit eine ausreichende medizinische Versorgung, die Teil des von Artikel
1 Abs.
1 und Artikel
20 Abs.
1 GG geschützten Existenzminimums (BSG, SozR 4-2005, § 62 Nr. 6 Rn. 31) ist, nicht möglich.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§
177 SGG).