Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Anerkennung von Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung für die Erziehung ihres Sohnes S. B.
sowie von Kindererziehungszeiten bzw. Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung für die Erziehung ihres Sohnes C. P ...
Die 1953 im ehemaligen Jugoslawien geborene Klägerin zog am 1973 von Belgrad nach S., wo sie am 1975 den deutschen Staatsbürger
P. P. heiratete, der der Vater ihres am 1974 in S. geborenen Sohnes C.P. ist. Sie hat außerdem drei weitere Kinder S.B., geboren
am 1972 in Belgrad, D. und Da.P., beide geboren 1991 in W.). Am 1988 erhielt die Klägerin eine Aufenthaltsberechtigung für
die Bundesrepublik Deutschland. Am 30. März 2001 erhielt sie die deutsche Staatsangehörigkeit.
Am 18. Oktober 2012 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Kontenklärung und begehrte die Feststellung von
Kindererziehungszeiten bzw. Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung. Sie gab dabei an, sie habe ihren Sohn S.B. in der
Zeit vom 11. April 1972 bis zu ihrem Zuzug nach Deutschland im Ausland erzogen. Ab dem 1. September 1973 sei er zunächst bei
ihrer Mutter in Belgrad verblieben, von wo sie ihn ungefähr an Weihnachten 1973 nach Deutschland nachgeholt habe. Ausweislich
einer von der Beklagten eingeholten Auskunft der Stadt S. wurde S.B. erstmals am 1. Februar 1976 in Deutschland einwohnermelderechtlich
erfasst. Zu diesem Zeitpunkt sei der Zuzug aus Belgrad erfolgt.
Mit Bescheid vom 20. März 2014 lehnte die Beklagte u.a. die Vormerkung von Kindererziehungszeiten für das Kind S.B. in der
Zeit vom 1. Mai 1972 bis 30. April 1973 ab, weil das Kind in dieser Zeit im Ausland erzogen worden sei. Die Zeit vom 11. April
1972 bis 31. Januar 1976 könne auch nicht als Berücksichtigungszeit vorgemerkt werden, weil das Kind in dieser Zeit ebenfalls
im Ausland erzogen worden sei. Auch die Zeit vom 1. Februar 1976 bis 10. April 1982 könne nicht als Berücksichtigungszeit
vorgemerkt werden, weil während der Erziehung der Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland nicht auf einem zukunftsoffenen
Aufenthaltstitel beruht habe und deshalb kein gewöhnlicher Aufenthalt im Inland vorliege. Für das Kind C.P. könne die Zeit
vom 1. September 1974 bis 31. August 1975 nicht als Kindererziehungszeit vorgemerkt werden, weil während der Erziehung der
Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland nicht auf einem zukunftsoffenen Aufenthaltstitel beruht habe und deshalb kein
gewöhnlicher Aufenthalt im Inland vorliege. Aus diesem Grund könne auch die Zeit vom 31. August 1974 bis 30. August 1984 nicht
als Berücksichtigungszeit festgestellt werden. Für das Kind De.P. könne die Zeit vom 1. Juli 1991 bis 30. Juni 1992 nicht
als Kindererziehungszeit vorgemerkt werden, weil während der Erziehung der Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland nicht
auf einem zukunftsoffenen Aufenthaltstitel beruht habe und deshalb kein gewöhnlicher Aufenthalt im Inland vorliege. Aus dem
gleichen Grund könne für die Zeit vom 1. Juli 1991 bis 30. Juni 1992 keine Berücksichtigungszeit festgestellt werden. Die
Zeit vom 30. März 2001 bis 24. Juni 2001 werde als Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung vorgemerkt. Der andere Elternteil
habe bestätigt, dass er das Kind nicht überwiegend erzogen haben. Gleiches gelte auch hinsichtlich der Berücksichtigung von
Versicherungszeiten für das Kind Da.P.
Hiergegen erhob die Klägerin am 14. April 2014 Widerspruch und führte zur Begründung an, sie könne die Ablehnung der Kindererziehungszeiten
bzw. Berücksichtigungszeiten nicht akzeptieren. Bei ihr habe eine Aufenthaltsberechtigung bestanden. Nachweise für die Zeit
vor 1988 lägen jedoch nicht mehr vor. Ihr Sohn S.B. sei ausschließlich im Zeitraum April 1972 bis Dezember 1974 im Ausland
erzogen worden, im Anschluss daran sei die Erziehung im Inland erfolgt.
Mit Teilabhilfebescheid vom 22. Oktober 2014 merkte die Beklagte die Zeit vom 25. Juni 1991 bis 29. März 2001 für die Kinder
De.P. und Da.P. als Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung vor. Mit weiterem Teilabhilfebescheid vom 18. November 2015
merkte die Beklagte die Zeit vom 1. Juli 1991 bis 30. Juni 1992 sowie vom 1. Juli 1992 bis 30. Juni 1993 jeweils als Kindererziehungszeit
für die Kinder De.P. und Da.P. vor.
Mit Widerspruchsbescheid vom 8. Januar 2016 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück, soweit er über die Teilabhilfebescheide
vom 22. Oktober 2014 und 18. November 2015 hinausging. Grundvoraussetzung für die Anerkennung von Kindererziehungszeiten und
Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung sei, dass der Erziehende das Kind während der maßgeblichen Zeit im Geltungsbereich
des Sozialgesetzbuches erzogen und sich mit ihm dort gewöhnlich aufgehalten habe. Von einem gewöhnlichen Aufenthalt sei bei
Ausländern dann auszugehen, wenn ihnen ein Aufenthaltstitel erteilt worden sei, der ihren Aufenthalt materiell-rechtlich billige
und nicht nur vorübergehend- und damit nicht rechtlich beständig - gestatte. Rechtlich beständig sei ein Aufenthalt, wenn
und solange er nicht auf Beendigung angelegt, also zukunftsoffen sei. Die Klägerin habe sich mit dem Kind S.B. bis zum 11.
September 1973 in Belgrad aufgehalten. Aus den vorliegenden Unterlagen ergebe sich, dass sich S.B. auch in der Zeit vom 11.
April 1972 bis 31. Januar 1976 in Belgrad aufgehalten habe und zuletzt bei der Großmutter wohnhaft gewesen sei. Nach seinem
Zuzug ins Bundesgebiet am 1. Februar 1976 bestehe kein Anspruch auf Vormerkung von Berücksichtigungszeiten, da ein Nachweis
bezüglich eines zukunftsoffenen Aufenthaltstitels erst ab dem 17. März 1988 vorgelegt worden sei. Letzteres sei auch der Grund,
warum für das Kind C.P. keine Vormerkung von Kindererziehungszeiten bzw. Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung erfolgen
könne.
Am 21. Januar 2016 hat die Klägerin hiergegen Klage bei dem Sozialgericht (SG) Konstanz erhoben und zur Begründung angeführt, zwar könnten für die streitgegenständlichen Zeiten die maßgeblichen Aufenthaltstitel
nicht mehr aufgefunden werden, für die Definition des gewöhnlichen Aufenthalts sei jedoch auch auf tatsächliche Anknüpfungspunkte
wie Wohnung, Familie und Arbeit zurückzugreifen. Hinsichtlich der materiellen Rechtmäßigkeit des Aufenthalts müsse berücksichtigt
werden, dass die Klägerin und ihre Kinder eingebürgert worden seien. Die Einbürgerung setze voraus, dass zuvor keine aufenthaltsbeende
Maßnahme getroffen worden sei. Sie hat zudem die Abstammungsurkunden der Kinder mit Dokumentation der Meldeverhältnisse und
Wohnorte sowie Nachweise über ihre Arbeitszeiten in Deutschland vorgelegt.
Mit Urteil vom 16. April 2018 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe die Feststellung von Kindererziehungszeiten bzw. Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung
für die Zeit vom 1. Februar 1976 bis 10. April 1982 für das Kind S.B. sowie für die Zeit vom 1. September 1974 bis 30. August
1984 für das Kind C.P. zutreffend abgelehnt. Die Klägerin erfülle die Voraussetzungen des §
56 Abs.
1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) nicht. Es fehle an einem gewöhnlichen Aufenthalt. Es lasse sich nicht feststellen, ob sich die Klägerin zukunftsoffen in
der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten habe. Weder habe die Klägerin Unterlagen über ihren Aufenthaltsstatus vorlegen
können noch sei es möglich gewesen, solche von der Stadt S. bzw. W. beizuziehen. Es lasse sich daher nicht mehr ermitteln,
auf welcher Grundlage der damalige Aufenthalt erfolgt sei. Allein der von der Klägerin vorgenommene Rückschluss aus ihrer
Einbürgerung im Jahr 2001 genüge dem Gericht für die Prognose nicht. Die Nichterweisbarkeit gehe zu Lasten der Klägerin.
Gegen das ihr am 14. Mai 2018 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 18. Mai 2018 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg
eingelegt und zur Begründung vorgetragen, sie sei aufgrund der "Vereinbarung mit der sozialistischen föderativen Republik
Jugoslawien über die Regelung der Vermittlung jugoslawischer Arbeitnehmer nach und ihrer Beschäftigung in der Bundesrepublik
Deutschland" nach Abschluss eines deutschen Arbeitsvertrages 1973 unter Aushändigung einer Legitimationskarte in die Bundesrepublik
eingereist. Seitdem habe sie sich in Deutschland aufgehalten. Ihre Einbürgerung im Jahr 2001 lasse den Schluss zu, dass in
den streitigen Zeiträumen auch ohne konkreten Nachweis von einem berechtigten ergebnisoffenen Aufenthalt auszugehen sei. Die
Einbürgerung setze acht Jahre berechtigten Aufenthalt voraus. Diese Voraussetzung sei nur dann erfüllt, wenn nicht zuvor eine
Ausreisepflicht bestanden habe. Damit habe seit der Einreise ein gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland im Sinne des §
30 Abs.
3 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB I) bestanden. Wäre sie irgendwann einmal während ihres Aufenthalts ausreisepflichtig geworden, hätte sie in der Folge keinen
Aufenthaltstitel mehr erlangen können, der die Voraussetzungen für die Einbürgerung geschaffen hätte.
Im laufenden Berufungsverfahren hat die Beklagte der Klägerin mit Rentenbescheid vom 21. Dezember 2018 eine Regelaltersrente
ab 1. Januar 2019 in einer laufenden monatlichen Höhe von 264,42 Euro bewilligt. Der Versicherungsverlauf entspricht hinsichtlich
der streitigen Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten dem Vormerkungsbescheid vom 20. März 2014 in der Fassung der
Teilabhilfebescheide vom 22. Oktober 2014 und 18. November 2015 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 8. Januar 2016.
Die Klägerin beantragt sinngemäß gefasst,
das Urteil des Sozialgericht Konstanz vom 16. April 2018 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Rentenbescheides
vom 21. Dezember 2018 zu verurteilen, ihr ab 1. Januar 2019 eine höhere Regelaltersrente unter Berücksichtigung der Zeit vom
1. Februar 1976 bis 10. April 1982 als Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung für das Kind S. B. und der Zeiten vom 1.
September 1974 bis 28. Februar 1977 als Kindererziehungszeit sowie vom 1. September 1974 bis 30. August 1984 als Berücksichtigungszeit
wegen Kindererziehung für das Kind C. P. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid vom 21. Dezember 2018 abzuweisen.
Neben einem faktischen dauerhaften Inlandsaufenthalt sei die materiell-rechtliche Rechtmäßigkeit des Aufenthalts für die Begründung
eines gewöhnlichen Aufenthalts notwendig. Nachweise dafür lägen jedoch nicht vor.
Auf Nachfrage des Senats hat die Klägerin mitgeteilt, dass das Kind C.P. zunächst aufgrund gesetzlicher Vermutung als Sohn
des J. B. gegolten habe, von welchem sie am 13. Februar 1974 schieden worden sei. Knapp ein Jahr nach der Geburt des Kindes
habe sie dessen Vater, den deutschen Staatsbürger P. P. geheiratet, wodurch das Kind ehelich geworden sei. Am 18. April 1983
habe ihr damaliger Mann, von dem sie seit 1985 verwitwet sei, die Vaterschaft gegenüber dem Standesamt S. anerkannt. Nach
ihrer Auffassung sei die Staatsangehörigkeit des C.P. zunächst während der vermeintlichen Ehelichkeit der des jugoslawischen
Vaters, in der anschließenden rechtlichen Unehelichkeit der der jugoslawischen Mutter und schon mit Eheschließung am 11. Juli
1975 spätestens jedoch mit der Vaterschaftsanerkennung im Mai 1983 der des deutschen Vaters gefolgt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte
der Beklagten, der Verfahrensakte des SG und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß §
124 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) entscheiden kann, hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
1. Die Berufung der Klägerin ist unter Beachtung der Form- und Fristvorschriften des §
151 Abs.
1 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§
143 SGG).
2. Die Berufung der Klägerin ist auch überwiegend begründet. Die nach Erlass des Rentenbescheides auf Gewährung einer höheren
Rente gerichtete Klage ist begründet, soweit die Klägerin die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten bzw. Berücksichtigungszeiten
wegen Kindererziehung für die Zeit ab Juli 1975 begehrt, im Übrigen ist sie unbegründet.
Gegenstand der vorliegend statthaften kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage ist der Rentenbewilligungsbescheid vom
21. Dezember 2018, mit welchem die Beklagte der Klägerin eine Regelaltersrente für die Zeit ab dem 1. Januar 2019 bewilligt
hat, wobei der Versicherungsverlauf dem Bescheid vom 20. März 2014 in der Fassung der Teilabhilfebescheide vom 22. Oktober
2014 und 18. November 2015 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 8. Januar 2016 entspricht. Der Rentenbewilligungsbescheid
vom 21. Dezember 2018 ist gemäß §
96 Abs.
1 SGG Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits geworden und hat den ursprünglich angegriffenen Bescheid vom 20. März 2014 in der
Fassung der Teilabhilfebescheide vom 22. Oktober 2014 und 18. November 2015 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 8.
Januar 2016 gegenstandslos werden lassen. Nach §
96 Abs.
1 SGG wird ein neuer Verwaltungsakt nach Klageerhebung dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides
ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Vorliegend sind die streitbefangenen Feststellungen
von Tatbeständen rentenrechtlicher Zeiten in dem ursprünglich angegriffenen Vormerkungsbescheid während des laufenden Klageverfahrens
durch den Rentenbewilligungsbescheid vom 21. Dezember 2018 im Sinne von §
96 Abs.
1 SGG ersetzt worden. Zwar handelt es sich bei der Feststellung des Tatbestands einer rentenrechtlichen Zeit einerseits und der
Rentenwertfestsetzung unter Berücksichtigung auch dieser Zeit andererseits nicht um Verwaltungsakte mit identischem Regelungsgehalt,
doch stehen beide hinsichtlich ein und desselben Rechtsverhältnisses in einem Verhältnis sachlicher und zeitlicher Exklusivität
zueinander. Während nämlich der Rentenversicherungsträger erstmals mit der "Feststellung einer Leistung" über Anrechnung und
Bewertung der im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten entscheiden (§
149 Abs.
5 S. 3
SGB VI) und den Rentenwert bestimmen darf, bedarf es mit diesem Zeitpunkt umgekehrt keines diese Entscheidung nur vorbereitenden
Verfahrens über die Feststellung einzelner wertbestimmender Umstände mehr. Hierzu ergangene Verwaltungsakte erledigen sich
ungeachtet ihrer Anfechtung "auf andere Weise" (§ 39 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X)) und dürfen durch weitere Feststellungen einzelner wertbestimmender Elemente von vornherein nicht mehr ersetzt werden. Das
insofern anhängige Klageverfahren findet indessen seine Fortsetzung im Streit über dasjenige Rechtsverhältnis, dessen vorbereitender
Klärung die bisher ergangenen Verwaltungsakte gerade gedient hatten. Auf die Ersetzung in diesem Sinne findet §
96 Abs.
1 SGG unmittelbar Anwendung mit der Folge, dass der Verwaltungsakt über die Rentenhöhe als unmittelbar kraft Gesetzes angegriffen
gilt, soweit diese ihrerseits auf den bereits ursprünglich streitigen Feststellungen beruht (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 14. Dezember 2011 - B 5 R 36/11 R - juris Rdnr. 12).
Rechtsgrundlage des Anspruchs auf höhere Regelaltersrente (§§
35,
235 SGB VI) unter Einbeziehung von Kindererziehungszeiten sind §
56 Abs.
1 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) und §
249 Abs.
1 SGB VI i.V.m. §
55 Abs.
1 Satz 2, §
64 Nr.
1, §
66 Abs.
1 Nr.
1 und §
70 Abs.
2 SGB VI, unabhängig davon, dass die streitigen Zeiträume der Kindererziehung insgesamt vor dem erstmaligen Inkrafttreten dieser Normen
des
SGB VI zum 1. Januar 1992 liegen (vgl. §
300 Abs.
1 SGB VI). Gemäß dieser Regelungskette erhalten Kindererziehungszeiten im Sinne des §
56 SGB VI, für die nach §§
56 Abs.
1 Satz 1, §
249 Abs.
1 SGB VI in den ersten 30 Monaten Pflichtbeiträge als gezahlt gelten, bei der Ermittlung des Monatsbetrags der Rente für jeden Kalendermonat
0,0833 Entgeltpunkte (§
70 Abs.
2 SGB VI). Diese zusätzlich zu berücksichtigenden Entgeltpunkte führen zu entsprechend höheren persönlichen Entgeltpunkten (§
66 Abs.
1 SGB VI), die zusammen mit dem Zugangsfaktor (§
77 SGB VI) im Rahmen der Rentenformel die Höhe des Monatsbetrags der Rente beeinflussen (§
64 Nr. 1
SGB VI). Was die Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung (§
57 SGB VI) anbelangt, könnte die insoweit im Berufungsverfahren beanspruchte Einbeziehung in die Rentenberechnung lediglich im Rahmen
der Bestimmungen über die Gesamtleistungsbewertung (§
71 Abs.
3 Satz 1 Nr.
1 i.V.m. §
72 Abs.
1 SGB VI) zu zusätzlichen Entgeltpunkten führen (vgl. zum Ganzen Senatsurteil vom 11. Oktober 2018 - L 7 R 105/17 - n.v.).
Die Voraussetzungen für die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten für die Erziehung ihres Sohnes C.P. liegen bei der
Klägerin erst ab dem 12. Juli 1975 vor.
a) Kinderziehungszeiten sind Zeiten der Erziehung eines Kindes in den ersten drei Lebensjahren, bei Geburten - wie hier -
vor dem 1. Januar 1992, in den ersten 30 Kalendermonaten nach Ablauf des Monats der Geburt (§
56 Abs.
1 Satz 1 i.V.m. §
249 Abs.
1 SGB VI). Für einen Elternteil wird gemäß §
56 Abs.
1 Satz 2
SGB VI eine Kindererziehungszeit angerechnet, wenn die Erziehungszeit diesem Elternteil zuzuordnen ist, die Erziehung im Gebiet
der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist und der Elternteil nicht von der Anrechnung ausgeschlossen ist. Gemäß §
56 Abs.
2 Satz 1
SGB VI ist eine Erziehungszeit dem Elternteil zuzuordnen, der sein Kind erzogen hat. Nach §
56 Abs.
3 Satz 1
SGB VI ist eine Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt, wenn der erziehende Elternteil sich mit dem Kind dort
gewöhnlich aufgehalten hat.
Diese Voraussetzungen liegen bei der Klägerin für die Zeit ab dem 12. Juli 1975 vor, für die Zeit davor lassen sich die Voraussetzungen
hingegen nicht feststellen.
Mangels einer übereinstimmenden Erklärung der Eltern sind die Kinderziehungszeiten gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr.
1 i.V.m. §
56 Abs.
2 Satz 8, 9
SGB VI demjenigen zuzuordnen, der das Kind überwiegend erzogen hat. Dies ist hier die Klägerin. Ausschlussgründe i.S.d. §
56 Abs.
4 SGB VI sind nicht ersichtlich. Die Klägerin hat die Kinder in der Zeit ab dem 12. Juli 1975 auch im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland
erzogen, denn sie hatte hier ab diesem Zeitpunkt ihren gewöhnlichen Aufenthalt (§
56 Abs.
3 Satz 1
SGB VI).
Nach §
30 Abs.
3 Satz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB I) hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem
Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Dabei sind die mit dem Aufenthalt verbundenen Umstände des Einzelfalls
festzustellen; im Rahmen einer vorausschauenden Betrachtung (Prognoseentscheidung) sind alle für die Beurteilung der künftigen
Entwicklung im Zeitpunkt des Eintreffens am maßgeblichen Ort erkennbaren Umstände, nicht nur der Wille des Betroffenen, zu
würdigen und als hypothetische Tatsache festzustellen, und zwar auch dann, wenn - wie hier - der gewöhnliche Aufenthalt rückblickend
zu ermitteln ist (BSG, Urteil vom 24. März 2015 - B 8 SO 20/13 R - juris Rdnr. 13; Urteil vom 17. Dezember 2014 - B 8 SO 19/13 R - juris Rdnr.
15; Urteil vom 10. Dezember 2013 - B 13 R 9/13 R - juris Rdnr. 27 ff.). Die Prognose hat alle mit dem Aufenthalt verbundenen Umstände zu berücksichtigen; dies können subjektive
wie objektive, tatsächliche wie rechtliche sein (BSG, Urteil vom 16. Juni 2015 - B 13 R 36/13 R - juris Rdnr. 25). Zu diesen Umständen, aus denen sich für die Annahme eines gewöhnlichen Aufenthalts ergeben muss, dass
die Person nicht nur vorübergehend im Bundesgebiet verweilt, gehört ebenfalls der ausländerrechtliche Status, ohne dass dieser
aber allein Grundlage einer Prognose über die Dauer des Aufenthalts sein kann. Ein nicht nur vorübergehendes Verweilen i.S.d.
Gesetzesvorschrift setzt voraus, dass die Aufenthaltsposition des Ausländers ihm ermöglicht, zukunftsoffen "bis auf weiteres"
an dem Ort oder in dem Gebiet zu verweilen. Ist die Position hingegen auf Beendigung des Aufenthalts im Inland angelegt, steht
dies der Annahme eines gewöhnlichen Aufenthalts trotz faktisch andauerndem Verbleiben und einem entsprechendem Bleibewillen
entgegen; denn der Ausländer hat es dann nicht in der Hand, über die Dauer seines Aufenthalts im Inland frei zu bestimmen
(BSG, Urteil vom 18. Februar 1998 - B 5 RJ 12/97 R - juris Rdnr. 16). Die Aufenthaltsposition eines Ausländers wird dabei wesentlich durch den Inhalt der von der Ausländerbehörde
erteilten Bescheinigungen bestimmt, wie er sich nach der behördlichen Praxis und der gegebenen Rechtslage darstellt. Auf einen
bestimmten ausländerrechtlichen Titel kommt es hingegen nicht an (BSG, Urteil vom 18. Februar 1998 - B 5 RJ 12/97 R - juris Rdnr. 17). Zu den Tatsachen, die bei der Prognose im Rahmen des §
30 Abs.
3 Satz 2
SGB I zu berücksichtigen sind, gehören auch eventuelle Hindernisse, die der Abschiebung eines Ausländers entgegenstehen. Ein gewöhnlicher
Aufenthalt ist damit dann anzunehmen, wenn die jeweiligen Umstände ergeben, dass sich der Ausländer auf unbestimmte Zeit im
Bundesgebiet aufhalten darf (BSG, Urteil vom 4. November 1998 - B 13 RJ 9/98 R - juris Rdnr. 40; Urteil vom 16. Juni 2015 - B 13 R 36/13 R - juris Rdnr. 26; Pitz in jurisPK-
SGB I, 3. Aufl. 2018 (Stand: 13. August 2018), §
30 SGB I Rdnr. 57 f.).
Wie bei allen anderen Umständen, die bei Anwendung des §
30 Abs.
3 Satz 2
SGB I im Rahmen des §
56 Abs.
3 Satz 1
SGB VI zu würdigen sind, ist maßgeblich die Aufenthaltsposition des Ausländers, wie sie im Zeitraum der Kindererziehung vorlag (BSG, Urteil vom 27. Januar 1994 - 5 RJ 16/93 - juris Rdnr. 29; Urteil vom 18. Februar 1998 - B 5 RJ 12/97 R - juris Rdnr. 16).
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe hatte die Klägerin für die Zeit ab dem 12. Juli 1975 ihren gewöhnlichen Aufenthalt
in der Bundesrepublik Deutschland.
Der Senat konnte insoweit feststellen, dass die Klägerin am 12. September 1973 zum Zwecke der Arbeitsaufnahme aufgrund der
Vereinbarung mit der sozialistischen föderativen Republik Jugoslawien über die Regelung der Vermittlung jugoslawischer Arbeitnehmer
nach und ihrer Beschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland (BGBl. II 1969, Nr. 33, S.1109) in die Bundesrepublik Deutschland
eingereist ist. Dabei hatte sie nach Art. 9 Abs. 2 der Vereinbarung bei der Ausländerbehörde eine Aufenthaltserlaubnis zu
beantragen. Ab März 1988 war die Klägerin im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung, im Jahr 2001 wurde sie eingebürgert. Ob
bereits zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes C.P. am 31. August 1974 ein zukunftsoffener Aufenthaltsstatus vorlag, konnte der
Senat hingegen nicht feststellen, nachdem weder von den Städten S. und W. noch von der Klägerin selbst hierzu entsprechende
Nachweise vorgelegt werden konnten. Anders als von der Klägerin angenommen, kann auch aus der im Jahr 2001 vorgenommenen Einbürgerung
nicht rückgeschlossenen werden, dass der Klägerin der Aufenthalt im Bundesgebiet bereits 1974 dauerhaft iSe Zukunftsoffenheit
gestattet war. Auch wenn sich die Klägerin bereits zu dieser Zeit rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten haben mag, wofür
spricht, dass sie ab dem 14. September 1973 versicherungspflichtig beschäftigt war, lässt sich nicht mehr aufklären, ob der
Aufenthalt der Klägerin zunächst möglicherweise auflösend befristet (Aufenthaltserlaubnis für eine von vornherein bestimmte
Zeit) oder auflösend bedingt (Aufenthaltserlaubnis für einen bestimmten Zweck) gestattet worden ist. In diesem Fall hätte
es an der für den gewöhnlichen Aufenthalt erforderlichen Dauerhaftigkeit gefehlt (vgl. BSG, Urteil vom 14. September 1994 - 5 RJ 10/94 - juris Rdnr. 16).
Ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht konnte die Klägerin auch nicht aus der Geburt ihres Sohnes C.P. ableiten, der zu diesem Zeitpunkt
bis zum Urteil des Amtsgericht S. vom 19. Februar 1981 rechtlich als eheliches Kind des jugoslawischen Ehemannes der Klägerin
galt und damit keine andere Aufenthaltsposition als die der Klägerin innehatte.
Hinreichende, d.h. im Sinne einer Glaubhaftmachung (vgl. §
249 Abs.
5 SGB VI) ausreichende tatsächliche Feststellungen, dass die Klägerin in der Zeit vom 1. September 1974 bis 11. Juli 1975 ihren gewöhnlichen
Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hatte, waren dem Senat damit nicht möglich. Eine Tatsache ist dann als glaubhaft
anzusehen, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken
sollen, überwiegend wahrscheinlich ist (§ 23 Abs. 1 Satz 2 SGB X). Zweifel - auch durchaus "vernünftige" - können danach noch bestehen bleiben, jedoch muss mehr dafür als dagegensprechen,
dass sich der fragliche Vorgang wie behauptet zugetragen hat (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27. Mai 2009 - L 4 R 1454/07 - juris Rdnr. 24). Dies kann vorliegend für den genannten Zeitraum zugunsten der Klägerin jedoch nicht angenommen werden.
Etwas anderes ergibt sich jedoch aus der am 11. Juli 1975 geschlossenen Ehe der Klägerin mit einem Deutschen. Zwar vermittelt
die Eheschließung mit einem deutschen Staatsangehörigen seit 1970 nicht ohne weiteres die deutsche Staatsangehörigkeit und
schützt einen ausländischen Staatsangehörigen damit auch nicht schlechthin vor Ausweisung. Mit Rücksicht auf Art.
6 Abs.
1 Grundgesetz (
GG), nach dem Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen, genießen ausländische Ehegatten Deutscher
jedoch einen weitreichenden aufenthaltsrechtlichen Schutz (so schon Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 18. Juli
1979 - 1 BvR 650/77 - juris Rdnr. 32 ff.). Das Schutzgebot des Art.
6 GG gebietet die nachteiligen Auswirkungen ausländerbehördlicher Maßnahmen auf die Erhaltung von Ehe und Familie unter angemessener
Wahrung der Belange der Allgemeinheit im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren zu beschränken. Auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts
wirkt dieses Gebot deswegen vornehmlich dahin, dass die Ausländerbehörde den Willen der Ehepartner, ihre Ehe im Bundesgebiet
zu führen, in dem genannten Rahmen beachten muss. Ein Zwang für den deutschen Ehegatten, sein Heimatland aufzugeben oder die
Trennung der ehelichen Gemeinschaft hinzunehmen, soll möglichst vermieden werden, weil er grundsätzlich geeignet ist, die
Ehe zu erschüttern oder zu gefährden. Der Aufenthalt des ausländischen Ehepartners im Bundesgebiet darf daher nur verhindert
werden, wenn so gewichtige öffentliche Interessen gegen den Aufenthalt des Ausländers sprechen, dass sie die bei Versagung
der Aufenthaltserlaubnis zu erwartende Gefahr für den Bestand für Ehe und Familie eindeutig überwiegen (Bundesverwaltungsgericht
(BVerwG), Urteil vom 3. Juni 1982 - 1 C 241/79 - juris Rdnr. 11).
Damit hat sich die Aufenthaltsposition der Klägerin durch die Eheschließung am 11. Juli 1975 derart verfestigt, dass ab diesem
Zeitpunkt im Rahmen der erforderlichen Prognose von einem gewöhnlichen Aufenthalt auszugehen war.
Der Klägerin können daher für die Zeit vom 12. Juli 1975 bis 28. Februar 1977 Kindererziehungszeiten für die Erziehung ihres
Sohnes C.P., dessen Aufenthaltsposition der der Mutter folgt (vgl. Fichte in Hauck/Noftz, §
56 SGB VI Rdnr. 54), zugeordnet werden. Für die Zeit vom 1. September 1974 bis zum 11. Juli 1975 konnte der Senat einen gewöhnlichen
Aufenthalt der Klägerin hingegen nicht feststellen. Da die Klägerin hierfür die objektive Beweislast trägt, geht die Nichterweisbarkeit
zu ihren Lasten.
b.) Der Klägerin ist weiterhin die Zeit vom 12. Juli 1975 bis 30. August 1984 als Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung
für die Erziehung ihres Sohnes C.P. sowie die Zeit vom 1. Februar 1976 bis zum 10. April 1982 als Berücksichtigungszeit wegen
Kindererziehung für die Erziehung ihres Sohnes S.B., dessen Aufenthaltsposition ebenfalls der der Mutter folgt, zuzuordnen.
Die Zeit der Erziehung eines Kindes bis zu dessen vollendetem zehnten Lebensjahr ist bei einem Elternteil eine Berücksichtigungszeit,
soweit die Voraussetzungen für die Anrechnung einer Kindererziehungszeit auch in dieser Zeit vorliegen (§
57 Abs.
1 SGB VI). Dies ist im Hinblick auf beide Söhne der Fall, die obigen Ausführungen gelten insoweit entsprechend.
Die Klägerin hat damit einen Anspruch auf die Gewährung einer höheren Regelaltersrente unter Berücksichtigung weiterer Kindererziehungszeiten
bzw. Kinderberücksichtigungszeiten.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §193
SGG. Dabei war zu berücksichtigen, dass der Klägerin Kindererziehungszeiten erst ab einem späteren Zeitpunkt, als von ihr begehrt,
zuzuordnen waren.
4. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. §
160 Abs.
2 Nr.
1 und
2 SGG) nicht vorliegen.