Abfindung einer Unfallrente der landwirtschaftlichen Unfallversicherung; Ermessensausübung des Unfallversicherungsträgers
bei einem Abfindungsantrag des Insolvenzverwalters
Gründe:
Die Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht den Antrag des Klägers auf Bewilligung
von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Klageverfahren abgelehnt.
Gemäß §
73 a Sozialgerichtsgesetz (
SGG) i. V. m. §§
114 ff.
Zivilprozessordnung (
ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht,
nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende
Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Denn die Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Dies
hat das Sozialgericht im angegriffenen Beschluss unter Bezugnahme auf die ausführlichen und zutreffenden Ausführungen im die
Klage des Insolvenzverwalters auf Abfindung der Unfallrente des Versicherten und Auszahlung von EUR 38.887,20 abweisenden
Gerichtsbescheid vom 02.01.2009 dargelegt; hierauf wird verwiesen (§
142 Abs.
2 Satz 3
SGG). Ergänzend ist mit Blick auf das Beschwerdevorbringen des Klägers folgendes auszuführen:
Zwar hat ein Rechtsschutzbegehren in aller Regel dann i. S. des §
114 Satz 1
ZPO hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung einer schwierigen, bislang
ungeklärten Rechtsfrage abhängt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.03.1990 - 2 BvR 94/88 - BVerfGE 81, 347 ff. = NJW 1991, 413 ff.). Indes liegt eine solchermaßen schwierige Rechtsfrage hier nicht vor. Denn die vom Kläger insoweit aufgeworfene Frage
der Rechtmäßigkeit der - die von ihm beantragte Abfindung der Unfallrente des Versicherten ablehnenden - Ermessensentscheidung
der Beklagten lässt sich ohne Weiteres beantworten.
Allerdings sieht §
221a Abs.
1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VII) als Sollvorschrift - bei hier unstreitigem Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der Regelung - auf der Rechtsfolgenseite
eine antragsgemäße Kapitalabfindung von Renten für den Regelfall zwingend vor und ist der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft
nur in atypischen Sonderfällen Ermessen eröffnet (vgl. zu alledem Seewald in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht,
Rdnr. 7 zu §
39 SGB I; Ricke in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Rdnr. 6 zu §
221a SGB VII). Ein solcher atypischer Sachverhalt liegt hier aber nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers vor.
Nach der amtlichen Begründung zum Gesetzentwurf (BT-Drucks. 16/6520 S. 38 f.) muss jede Abfindung einer Verletztenrente neben
dem Interesse der Solidargemeinschaft an einer nachhaltigen finanziellen Entlastung auch die Interessen der Versicherten berücksichtigen,
weshalb es bei etwaigen Anhaltspunkten für besondere Fallgestaltungen - etwa dann, wenn der Berufsgenossenschaft bekannt ist,
dass Antragsteller Empfänger von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB II bzw. SGB XII) sind
- im Einzelfall notwendig sein kann, Antragsteller auf die Folgen der Erlangung des Abfindungskapitals hinzuweisen.
Demgemäß ging der Gesetzgeber auch vom Vorliegen eines atypischen Sonderfalls aus, wenn dem Träger bei Antragstellung bereits
konkrete und erhebliche Anhaltspunkte für eine drohende Hilfebedürftigkeit bekannt sind. Denn in der amtlichen Begründung
ist hierzu ausgeführt, ein Anspruch auf Abfindung nach der Soll-Bestimmung des §
221a Abs.
1 Satz 1
SGB VII bestehe lediglich dann, wenn die Voraussetzungen für eine Abfindung nach dem zuvor beschriebenen vereinfachten Verfahren
erfüllt seien. Das damit in Bezug genommene vereinfachte Verfahren betrifft aber gerade diejenigen Fälle nicht, in denen eine
Überprüfung der Angewiesenheit des Versicherten auf die laufende Rente wegen dem Träger bei Antragstellung bereits bekannten
konkreten und erheblichen Anhaltspunkten für eine drohende Hilfebedürftigkeit erforderlich ist (vgl. auch hierzu die amtlichen
Begründung zum Gesetzentwurf aaO.).
Solchermaßen erhebliche und konkrete Anhaltspunkte für eine drohende Hilfebedürftigkeit des Versicherten lagen im hier allein
in Betracht kommenden Zeitpunkt der Anbringung des Abfindungsantrages durch den Kläger als Insolvenzverwalter am 21.05.2008
vor. Denn zu dieser Zeit war der Beklagten die Privatinsolvenz des Versicherten bekannt. Zudem war im Zuge des weiteren Verfahrens
von Seiten des Klägers die Unpfändbarkeit der laufenden Rentenleistungen wegen Unterschreitens der Pfändungsfreigrenzen mitgeteilt
worden (vgl. hierzu die bei den Akten Beklagten befindliche Gesprächsnotiz vom 02.06.2008), so dass die konkrete Gefahr einer
Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II bzw. SGB XII im Raum stand. Darauf, ob die vom Kläger in der Klageschrift vom 24.10.2008
angegebene Hilfebedürftigkeit tatsächlich schon im Verlaufe des Verwaltungsverfahrens vorlag, kommt es nicht an. Denn wie
oben ausgeführt, liegt ein das Ermessen der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft eröffnender atypischer Sonderfall nach
§
221a Abs.
1 Satz 1
SGB VII schon dann vor, wenn entsprechende Anhaltspunkte für eine drohende Hilfebedürftigkeit bestehen; eines bereits eingetretenen
Hilfebedarfs bedarf es - anders als der Kläger offenbar meint - nicht.
Das ihr danach eingeräumte Ermessen hat die Beklagte fehlerfrei ausgeübt. Dabei ist es insbesondere nicht zu beanstanden,
dass sie dem - nach den oben gemachten Ausführungen - bereits vom Gesetzgeber als in besonderem Maße bedeutsam angesehenen
Interesse des Versicherten und der Allgemeinheit an einer Vermeidung (auch zusätzlicher) Hilfebedürftigkeit Vorrang vor den
vom Kläger vertretenen Gläubigerinteressen eingeräumt hat. Angesichts der Wertung des Gesetzgebers kommt im Rahmen des hier
in Rede stehenden Sozialrechtsverhältnisses aber auch dem öffentlichen Interesse an einer Begleichung der Kosten des Insolvenzverfahrens
einschließlich des beigeordneten Rechtsanwalts keine erhebliche Bedeutung zu. Auch ist eine vom Kläger in Bezug genommene
besondere Stellung des Insolvenzverwalters ohne Belang.
Soweit der Kläger auf vermeintliche inhaltliche Widersprüche des erstinstanzlichen Gerichtsbescheides abhebt, liegt dem ersichtlich
ein Missverständnis der in der Sache zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts auf Seiten des Empfängers (Verwechslung
von Kläger einerseits und Schuldner andererseits) zu Grunde. Dass und weshalb die Frage des Vorliegens eines atypischen Sachverhalts
hier keine hinreichende Erfolgsaussicht zu begründen vermag, ergibt sich aus den oben gemachten Ausführungen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
73a SGG i.V.m. §
127 Abs.
4 ZPO. Gerichtskosten fallen nicht an. Denn der Kläger unterfällt der Privilegierung des §
183 SGG, weil er als Insolvenzverwalter - und damit gesetzlicher Prozessstandschafter (vgl. BAG, BAG Urteil vom 17.01.2002, 2 AZR 57/01 m.w.N.) - eine weiterhin im Eigentum des Versicherten und Leistungsempfängers befindliche Forderung auf Verletztenrentenabfindung
geltend macht. Andernfalls würde gerade die Insolvenzmasse und damit zumindest mittelbar der Versicherte und Leistungsempfänger
mit Gerichtskosten belastet, der privilegiert werden soll (ebenso LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 02.02.2006, L 9 AL 76/05 für den Fall des vom Arbeitgeber geltend zu machenden Kurzarbeitergeldes).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
177 SGG).