Kostenübernahme für Behandlungen von Therapeuten ohne Approbation nach dem Psychotherapeutengesetz durch die gesetzliche Krankenversicherung
Einem Therapeuten, der zwar über eine Erlaubnis zur Ausübung der Psychotherapie nach dem Heilpraktikergesetz verfügt, nicht aber über eine Approbation nach dem Psychotherapeutengesetz, fehlt die generelle Qualifikation zur Ausübung der Heilkunde im Bereich der Psychotherapie. Versicherte der Gesetzlichen
Krankenversicherung (GKV) haben deshalb keinen Anspruch auf Übernahme von Kosten der Behandlung bei einem solchen Therapeuten
(vgl BSG 10.02.2004, B 1 KR 107/03 B).
Einem Therapeuten, der zwar über eine Erlaubnis zur Ausübung der Psychotherapie nach dem Heilpraktikergesetz verfügt, nicht aber über eine Approbation nach dem Psychotherapeutengesetz, fehlt die generelle Qualifikation zur Ausübung der Heilkunde im Bereich der Psychotherapie. Versicherte der Gesetzlichen
Krankenversicherung (GKV) haben deshalb keinen Anspruch auf Übernahme von Kosten der Behandlung bei einem solchen Therapeuten.
[Amtlich veröffentlichte Entscheidung]
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Erstattung von Kosten für psychotherapeutische Behandlungen, die von einem Therapeuten durchgeführt
werden, der weder über eine Approbation nach dem Psychotherapeutengesetz noch über eine Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung verfügt.
Der 1961 geborene Kläger ist Mitglied der beklagten Krankenkasse. Vom 17.02. bis 17.03.2009 nahm er an einer vom Rentenversicherungsträger
bewilligten stationären Rehabilitationsmaßnahme in der Rehabilitationsklinik K. teil. Im Entlassungsbericht vom 17.03.2009
wurde auf psychiatrischem Fachgebiet eine mittelgradige depressive Episode mit begleitender Angstsymptomatik diagnostiziert.
Die Rehabilitationsklinik empfahl die Fortführung der vom Kläger bereits begonnenen ambulanten Psychotherapie (kognitive Verhaltenstherapie).
Allerdings wünsche der Kläger aus persönlichen Gründen einen Wechsel des Therapeuten.
Der Kläger beantragte am 05.05.2009 die Kostenübernahme für eine private Psychotherapie bei Dr. M.. Dieser verfügt über eine
Erlaubnis zur Ausübung der Psychotherapie nach dem Heilpraktikergesetz, nicht aber über eine Approbation nach dem Psychotherapeutengesetz. Diesen Antrag lehnte die Beklagte nach Einholung einer Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK),
der die beantragte Maßnahme nicht befürwortet hatte, mit Bescheid vom 18.06.2009 ab.
Dagegen legte der Kläger am 30.06.2009 Widerspruch ein. Er verwies darauf, dass er sich bei über 20 Psychotherapeuten telefonisch
gemeldet habe und die gleiche Anzahl von Briefen geschrieben habe. Hierauf habe er lediglich eine Rückmeldung erhalten, in
der ihm mitgeteilt worden sei, dass die Wartezeit sechs bis acht Monate dauern werde. Darauf habe er sich entschlossen, einen
privaten Psychotherapeuten aufzusuchen. Er legte ein Attest des Arztes für Neurologie Dr. B. vor, der dem Kläger eine chronische
Angststörung bescheinigte und darum bat, ausnahmsweise die Kosten für einen nicht zugelassenen Psychotherapeuten zu übernehmen.
Auch der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. St. befürwortete im Hinblick auf die in der Rehabilitationsklink erfolgte Diagnostik
eine Kostenübernahme. In seiner Stellungnahme vom 21.07.2009 stellte der MDK zusammenfassend fest, dass es dem Kläger aufgrund
der vorliegenden Unterlagen durchaus zumutbar sei, auf einen Therapieplatz bei einem Vertragsbehandler zu warten. Zur Überbrückung
sei eine psychiatrische Behandlung erforderlich. Nach einer Anhörung des Klägers zum Ergebnis dieser Stellungnahme wies der
Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 05.11.2009 als unbegründet zurück.
Am 07.12.2009 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Ulm (SG) erhoben und weiterhin geltend gemacht, dass er aufgrund der bei ihm bestehenden Erkrankungen einen Anspruch darauf habe,
dass ihm die Kosten der bisherigen Behandlung bei Dr. M. erstattet werden und die Beklagte auch die Kosten für die weitere
Behandlung übernehmen müsse. Auf Nachfrage des SG hat Dr. M. mit Schreiben vom 08.07.2010 mitgeteilt, dass er den Kläger bislang vom 14.05.2009 bis zum 07.07.2010 behandelt
habe. In der mündlichen Verhandlung vor dem SG hat der Kläger beantragt, die bisher entstandenen Kosten für ambulante Psychotherapie in Höhe von 1.020 € und 720 € zu erstatten
und künftig psychotherapeutische Behandlung durch Dr. M. als Sachleistung zu gewähren. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 31.05.2011, dem Kläger zugestellt am 30.08.2011, abgewiesen; auf die Entscheidungsgründe wird
verwiesen.
Am 30.09.2011 hat der Kläger Berufung eingelegt, mit der er sein bisheriges Vorbringen wiederholt. Ergänzend führt er aus,
es könne ihm nicht vorgehalten werden, den Beschaffungsweg nicht eingehalten zu haben. Es sei ihm aufgrund seiner Krankheit
nicht möglich gewesen, eine Bescheidung seines Antrages durch die Beklagte abzuwarten. Das bei ihm angewandte Verfahren einer
begleitenden Psychotherapie sei erforderlich gewesen. Ohne Durchführung dieses Verfahrens wäre mit einem Suizid zu rechnen
gewesen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 31.05.2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 18.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 05.11.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die bisher entstandenen Kosten für ambulante Psychotherapie in
Höhe von 1.020 € und 720 € an den Kläger zu erstatten und künftig psychotherapeutische Behandlung durch Dr. M. als Sachleistung
zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die Entscheidung des SG für zutreffend.
Der Senatsvorsitzende hat mit Schreiben vom 28.12.2011 darauf hingewiesen, dass der Senat nach §
153 Abs
4 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) die Berufung auch ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss zurückweisen kann,
wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Verfahrensweise sei
auf Grund des derzeitigen Sach- und Streitstandes beabsichtigt. Der vom Kläger in Anspruch genommene Dr. M. sei als psychotherapeutischer
Heilpraktiker (HPG) tätig. Er verfüge damit weder über eine Approbation nach § 2 des Psychotherapeutengesetzes noch nach § 12 (Übergangsvorschriften) dieses Gesetzes. Er dürfe deshalb auch nicht die Berufsbezeichnung "Psychotherapeut" führen. Eine
Kostenübernahme nach §
13 Abs
3 SGB V dürfte daher bereits an §
28 Abs
3 SGB V scheitern. Darüber hinaus sei nicht feststellbar, dass Dr. M. ein nach der Psychotherapie-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses
anerkanntes Verfahren angewendet habe. Die von ihm im Schreiben vom 05.06.2009 (Bl. 6 der Verwaltungsakte) erwähnte "tiefenpsychologisch
orientierte Verhaltenstherapie" gehöre jedenfalls nicht dazu. Eine weitere Aufklärung des Sachverhalts werde derzeit nicht
für erforderlich gehalten. Dies gelte auch für die Behauptung, dass bei Nichtdurchführung der entsprechenden Behandlung mit
einem Suizid des Klägers zu rechnen gewesen wäre. Dafür gebe es nach den aktenkundigen Auskünften der behandelnden Ärzte keine
Hinweise. Im ärztlichen Entlassungsbericht vom 17.03.2009 der Reha-Klinik K. werde eine Eigengefährdung verneint (Bl. 2-5
des Berichts, letzter Absatz). Überdies wäre für die Behandlung einer akuten Suizidgefahr ohnehin die Inanspruchnahme ärztlicher
Hilfe erforderlich gewesen. Der Kläger erhalte Gelegenheit, zur Sache und zum beabsichtigten Verfahren Stellung zu nehmen.
Zu diesem Schreiben hat sich der Kläger nicht geäußert.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster
und zweiter Instanz sowie auf die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§
143,
151 Abs
1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf
Erstattung oder Übernahme der Kosten für die Behandlung bei Dr. M..
Der Senat entscheidet über die Berufung gemäß §
153 Abs
4 SGG durch Beschluss ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche
Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Kläger ist darauf hingewiesen worden, dass der Senat diese Verfahrensweise beabsichtigt.
Das Vorbringen des anwaltlich vertretenen Klägers im Berufungsverfahren macht eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich,
der Kläger hat die Durchführung einer Verhandlung auch nicht verlangt.
Der Kläger verfolgt sein Begehren zutreffend mit einer Anfechtungs- und Leistungsklage (§
54 Abs
4 SGG). Allerdings hat er das Zahlungsbegehren für die Vergangenheit nicht im notwendigen Umfang beziffert. Ein Kostenerstattungsanspruch
hat stets die Zahlung eines bestimmten Geldbetrages zum Gegenstand und muss deshalb, wenn er sich - wie hier - auf laufend
durchzuführende Maßnahmen bezieht, für die Zeit bis zur letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz bzw dem Zeitpunkt
der Beschlussfassung beziffert werden (BSG 17.06.2010, B 3 KR 7/09 R, SozR 4-2500 § 37 Nr 11). Der Senat war dennoch nicht verpflichtet, auf eine Bezifferung des Klagantrags hinzuwirken, weil er den Anspruch
schon dem Grunde nach nicht für gegeben erachtet. Für die Zukunft ist es prozessual zulässig, einen Anspruch auf psychotherapeutische
Behandlung als Sachleistung zu erheben. Beide Formen der Leistungsklage sind durch den Klageantrag abgedeckt (BSG 17.06.2010 aaO.).
Ein Anspruch des Klägers auf Kostenerstattung (für die Vergangenheit) bzw Kostenübernahme (für die Zukunft) scheitert schon
daran, dass dem Therapeuten, den der Kläger in Anspruch genommen hat und weiter in Anspruch nehmen will, die generelle Qualifikation
zur Ausübung der Heilkunde im Bereich der Psychotherapie fehlt (vgl hierzu BSG 10.02.2004, B 1 KR 10703 B, juris). Nach §
28 Abs
3 SGB V wird die psychotherapeutische Behandlung einer Krankheit durch Psychotherapeuten, soweit sie zur psychotherapeutischen Behandlung
zugelassen sind, und durch Vertragsärzte durchgeführt. Psychotherapeuten sind nach der Legaldefinition in §
28 Abs
3 Satz 1
SGB V nur Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten. Dies sind Personen, denen nach den Vorschriften
des Psychotherapeutengesetzes die Approbation erteilt worden ist. Dazu gehört Dr. M. nicht. Er kann deshalb selbst in Fällen des Unvermögens oder der rechtswidrigen
Ablehnung einer Krankenkasse nicht von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch genommen werden (vgl
BSG 10.02.2004 aaO.). Insoweit kommt es auf die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Kosten einer Behandlung durch
approbierte, aber nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Psychotherapeuten von der Krankenkasse zu übernehmen
sind, nicht an (Urteil des Senats vom 26.06.2012, L 11 KR 3528/11, zur Kostenübernahme für die Behandlung durch einen Heilpraktiker). Dr. M. fehlt nicht nur die Zulassung zur vertragsärztlichen
Versorgung, sondern auch die Approbation nach dem Psychotherapeutengesetz.
Darüber hinaus ist nicht feststellbar, dass Dr. M. ein nach der Psychotherapie-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses
(GBA) anerkanntes Verfahren angewendet hat bzw anwendet. Die von ihm im Schreiben vom 05.06.2009 (Bl. 6 der Verwaltungsakte)
erwähnte "tiefenpsychologisch orientierte Verhaltenstherapie" gehört jedenfalls nicht dazu. Dies hat das SG zutreffend entschieden. Anerkannt sind nach der Psychotherapie-RL psychoanalytisch begründete Verfahren (§ 14 Psychotherapie-RL) iS von tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie (§ 14a Psychotherapie-RL) und analytischer Psychotherapie
(§ 14b Psychotherapie-RL) sowie Verhaltenstherapie (§
15 Psychotherapie-RL). Andere Verfahren bedürfen entsprechend dem auch für psychotherapeutische Verfahren geltenden §
135 SGB V (dazu vgl BSG 28.10.2009, B 6 KA 11/09 R, BSGE 105, 26-46 = SozR 4-2500 § 92 Nr 8 = juris Rdnr 30) zunächst der Anerkennung durch den GBA (§ 17 Psychotherapie-RL).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.