Anspruch auf Insolvenzgeld
Berücksichtigungsfähigkeit einer unregelmäßigen freiwilligen Jahresgratifikation bzw. Jahressonderzahlung bei der Bemessung
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Insolvenzgeldes streitig.
Der im Jahr 1954 geborene Kläger schloss am 26.05.2010 mit der A. B. einen auf ein am 01.07.2010 beginnendes und bis zum 30.06.2011
befristetes Arbeitsverhältnis gerichteten Arbeitsvertrag, dessen § 4 folgende Regelung enthielt:
"Weitere Vergütungsbestandteile
Jahresgratifikation ist eine freiwillige Leistung. Durch die Zahlung wird kein Rechtsanspruch für die kommenden Jahre begründet,
auch nicht durch wiederholte Leistung. Die Jahresgratifikation kann nach Auftragslage jederzeit widerrufen werden. Bei Gewährung
einer Gratifikation kann diese für jeden Monat, für die Elternzeit genommen wird, um 1/12 gekürzt werden."
Der zwischen dem Kläger und der A. B. geschlossene und auf ein am 01.07.2011 beginnendes unbefristetes Arbeitsverhältnis gerichtete
Arbeitsvertrag enthält in § 4 folgende Regelung:
"Weitere Vergütungsbestandteile
Vermögenswirksame Leistungen in Höhe von 26,00 € nach Ablauf der Probezeit. Voraussetzung ist die Vorlage eines entsprechenden
Vermögensbildungsvertrages seitens des Arbeitnehmers.
Jahresgratifikation ist eine freiwillige Leistung. Durch die Zahlung wird kein Rechtsanspruch für die kommenden Jahre begründet,
auch nicht durch wiederholte Leistung. Die Jahresgratifikation kann nach Auftragslage jederzeit widerrufen werden. Bei Gewährung
einer Gratifikation kann diese für jeden Monat, für die Elternzeit genommen wird, um 1/12 gekürzt werden."
Der Kläger erhielt von der A. B. neben der monatlich gewährten Vergütung Weihnachtsgeld in Höhe von 300,00 € im Dezember 2010,
von 950,00 € im November 2011 und von 950,00 € im Dezember 2011 sowie eine Sonderzahlung in Höhe von 300,00 € im November
2013. Mit Beschluss vom 01.12.2014 eröffnete das Amtsgericht Konstanz das Insolvenzverfahren über das Vermögen der A. B..
Der Kläger beantragte am 05.12.2014 die Gewährung von Insolvenzgeld. Der Insolvenzverwalter gab in der Insolvenzbescheinigung
vom 05.12.2014 an, es ergebe sich ein rückständiges Netto-Arbeitsentgelt in Höhe von 2.800,97 € für September 2014, von 2.855,46
€ für Oktober 2014 und von 2.730,75 € für November 2014, wobei das rückständige Netto-Arbeitsentgelt für September und Oktober
2014 von der X. Bank AG vorfinanziert worden sei, so dass lediglich das Netto-Arbeitsentgelt für November 2014 nicht ausgezahlt
worden sei. Mit Bescheid vom 15.12.2014 setzte die Beklagte das Insolvenzgeld auf 8.387,18 € fest und bewilligte nach Abzug
des Anspruchs der X. Bank AG eine Auszahlung an den Kläger in Höhe von 2.730,75 €.
Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, bei der Berechnung des Insolvenzgeldes sei das Weihnachtsgeld nicht berücksichtigt
worden. Auf Anfrage der Beklagten wurde von Seiten des Insolvenzverwalters ausgeführt, in der Insolvenzbescheinigung sei kein
Weihnachtsgeld aufgenommen worden, da einerseits keine klare Formulierung im Arbeitsvertrag zu finden und andererseits in
der Vergangenheit bei unterjährigem Ausscheiden auch kein Weihnachtsgeld anteilsmäßig ausbezahlt worden sei, so dass davon
ausgegangen worden sei, dass das Weihnachtsgeld unter diesen Umständen nicht insolvenzfähig sei. Ferner wurden Angaben zu
den bisherigen Weihnachtsgeld- und Sonderzahlungen gemacht sowie ausgeführt, nach Auskunft der A. B. sei seit Anfang des Jahres
2014 klar gewesen, dass kein Weihnachtsgeld gezahlt werden könne, was so im Herbst 2014 an die Mitarbeiter weitergegeben worden
wäre, wenn es nicht zur Insolvenz gekommen wäre. Mit Widerspruchsbescheid vom 26.02.2015 wies die Beklagte den Widerspruch
zurück. Weihnachtsgeld könne bei der Berechnung des Insolvenzgeldes nicht berücksichtigt werden. Nach § 4 des Arbeitsvertrages
sei die Jahresgratifikation eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers, durch deren Zahlung kein Rechtsanspruch für kommende
Jahre begründet werde. Eine Regelung über Höhe und Fälligkeit sei nicht getroffen worden.
Hiergegen hat der Kläger am 26.03.2015 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Die im Arbeitsvertrag enthaltene Verknüpfung eines Freiwilligkeitsvorbehalts mit einem Widerrufsvorbehalt sei rechtswidrig
und habe zur Folge, dass ihm Weihnachtsgeld zustehe. Hierzu hat die Beklagte ausgeführt, der im vorliegenden Arbeitsvertrag
enthaltene Hinweis, dass auch bei wiederholter Zahlung kein Rechtsanspruch für die Zukunft begründet werde, könne den Rechtsanspruch
einer zukünftigen Zahlung des Weihnachtsgeldes ausschließen. Dieser Hinweis in Kombination mit der Tatsache, dass der Kläger
ab Beschäftigungsbeginn nicht für jedes Kalenderjahr Weihnachtsgeld erhalten habe, habe auch für den Kläger deutlich machen
müssen, dass kein Rechtsbindungswille des Arbeitgebers für die Zukunft bestehe.
Mit Urteil vom 04.08.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Weder aus § 4 des Arbeitsvertrages noch aus einer betrieblichen Übung ergebe sich ein Anspruch auf Zahlung einer Gratifikation dem Grunde
nach.
Gegen das ihm am 15.08.2016 zugestellte Urteil des SG hat der Kläger am 15.09.2016 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg erhoben. Er vertritt weiterhin die
Ansicht, aus dem im Arbeitsvertrag enthaltenen Widerrufsvorbehalt ergebe sich zwingend, dass zunächst dem Grunde nach ein
Anspruch auf Jahresgratifikation habe bestehen müssen, da andernfalls die dortige Regelung eines Widerrufsrechts für den Arbeitgeber
keinen Sinn mache. Mithin seien der Freiwilligkeitsvorbehalt und der Widerrufsvorbehalt aufgrund ihrer Verknüpfung unwirksam.
Dies habe indes nicht zur Konsequenz, dass plötzlich der gesamte Anspruch auf die Jahresgratifikation entfallen könne. Denn
durch diese Regelung habe der Arbeitgeber beim Arbeitnehmer eine Vergütungserwartung geweckt. Er schaffe gerade durch den
Freiwilligkeitsvorbehalt einen Anreiz für besonders gute Arbeitsleistungen des Arbeitnehmers. Dem könne sich der Arbeitgeber
im Falle eines unwirksamen Freiwilligkeitsvorbehaltes nicht einseitig entziehen. Dem stehe auch nicht entgegen, dass die Höhe
der Jahresgratifikation vertraglich nicht festgelegt worden sei. In einer solchen Fallkonstellation sei die Höhe der Leistung
nach billigem Ermessen zu bestimmen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 4. August 2016 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 15. Dezember 2014 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Februar 2015 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm weiteres Insolvenzgeld
in Höhe von 950,00 € zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, die Berufung sei unzulässig, da der Beschwerdewert nicht erreicht sei. Selbst unter Zugrundelegung der
Rechtsauffassung des Klägers ließe sich lediglich eine durchschnittliche Jahresgratifikation in Höhe von 625,00 € errechnen.
Im Übrigen lasse sich anhand der vertraglichen Vereinbarungen nicht feststellen, ob es sich um eine Jahressondervergütung
mit reinem Entgeltcharakter, als reine Belohnung der Betriebstreue oder mit Mischcharakter handele. Die Sonderzahlung sei
in diesem Zweifelsfällen allenfalls zu 3/12 durch das Insolvenzgeld gesichert. Mithin sei auch unter dieser Prämisse der Beschwerdewert
vorliegend nicht erreicht. Die Berufung sei jedoch auch nicht begründet. Zwar könne bei einer Verknüpfung von Freiwilligkeitsvorbehalt
und Widerrufsvorbehalt in einem Arbeitsvertrag eine Mehrdeutigkeit gesehen werden. Der vorliegende im Arbeitsvertrag geregelte
Vorbehalt mit dem Hinweis, dass auch bei einer wiederholten Zahlung kein Rechtsanspruch für die Zukunft begründet würde, schließe
aber einen Rechtsanspruch auf zukünftige Zahlung aus. Ferner sei in dem Arbeitsvertrag darauf hingewiesen worden, dass die
Zahlung einer Jahresgratifikation von der Auftragslage abhänge. Dass der Arbeitnehmer eine solche Zahlung in jedem Fall erhalte,
insbesondere bei guter Arbeitsleistung, gehe aus der Regelung gerade nicht hervor.
Der Senat hat darauf hingewiesen, dass eine Entscheidung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung beabsichtigt sei. Die
Beteiligten haben Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu erhalten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß §
151 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) form- und fristgerecht erhobene Berufung, über die der Senat auf Grund dessen, dass das SG nicht durch Gerichtsbescheid entschieden hat und er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung
nicht für erforderlich hält sowie die Beteiligten hierzu vorher gehört hat, gemäß §
153 Abs.
4 SGG durch Beschluss entscheidet, ist statthaft im Sinne der §§
143 und
144 SGG. Insbesondere übersteigt vorliegend der Wert des Beschwerdegegenstandes den nach §
144 Abs.
1 Satz 1
SGG erforderlichen Betrag in Höhe von 750,00 €. Denn maßgeblich für die Bestimmung des Wertes des Beschwerdegegenstandes ist
nicht das, was der Kläger unter Zugrundelegung seiner Ausführungen nach Ansicht der Beklagten höchstens verlangen könnte,
sondern das, was das SG dem Kläger versagt hat und was von diesem mit seinem Berufungsantrag weiterverfolgt wird (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Auflage, §
144 Rn. 14), vorliegend also das von ihm begehrte Insolvenzgeld in Höhe von weiteren 950,00 €. Die auch im Übrigen zulässige
Berufung des Klägers ist unbegründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Aufhebung des Urteils des SG vom 04.08.2016, mit dem die nach sachgerechter Auslegung auf die Abänderung des Bescheides vom 15.12.2014 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2015 sowie die Verurteilung der Beklagten, höheres Insolvenzgeld in Höhe von 950,00 €
zu gewähren, gerichtete Klage abgewiesen worden ist. Der Kläger verfolgt seine prozessualen Ziele zulässigerweise gemäß §
54 Abs.
1 Halbsatz 1, Abs.
4 SGG mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung weiteren Insolvenzgeldes.
Rechtsgrundlage für sein Begehren ist §
165 Abs.
1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB III).
Nach §
165 Abs.
1 Satz 1
SGB III haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei einem Insolvenzereignis
für die vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Nach §
165 Abs.
1 Satz 2 Nr.
1 SGB III gilt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers als Insolvenzereignis.
Mithin wird der dreimonatige Insolvenzgeldzeitraum grundsätzlich durch das Insolvenzereignis festgelegt (zu §
183 SGB III a. F.: BSG, Urteil vom 01.07.2010 - B 11 AL 6/09 R - [...]) und endet grundsätzlich mit dem Tag, der dem Insolvenzereignis vorausgeht (BSG, Urteil vom 03.10.1989 - 10 RAr 8/89 - [...]). Da vorliegend mit Beschluss des Amtsgerichts Konstanz vom 01.12.2014 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der
Vielleber B. am 01.12.2014 eröffnet worden ist, umfasst der Insolvenzgeldzeitraum die Zeit vom 01.09.2014 bis zum 30.11.2014.
Zutreffend hat die Beklagte nach Abzug des von der X. Bank AG vorfinanzierten Betrages das noch an den Kläger auszuzahlende
Insolvenzgeld in Höhe des für November 2011 nicht ausgezahlten Nettoarbeitsentgelts von 2.730,75 € festgesetzt.
Weiteres Insolvenzgeld wegen eines etwaigen in den Insolvenzzeitraum fallenden Anspruchs auf eine Jahresgratifikation (vergleiche
Kühl in Brand,
SGB III, 7. Auflage, §
165 Rn. 60) war dem Kläger nicht zuzusprechen, da ihm kein Rechtsanspruch auf die Gewährung einer Jahresgratifikation zusteht.
Aus den Zahlungen der A. B. ist kein Anspruch aus betrieblicher Übung begründet worden.
Bei Zahlung einer über das arbeitsvertraglich vereinbarte Gehalt hinausgehenden Vergütung ist durch Auslegung nach §§
133 und
157 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB) zu ermitteln, ob sich der Arbeitgeber nur zu der konkreten Leistung (beispielsweise Gratifikation im Kalenderjahr) oder
darüber hinaus auch für die Zukunft verpflichtet hat. Eine dauerhafte Verpflichtung kann sich insbesondere aus einem Verhalten
mit Erklärungswert wie einer betrieblichen Übung ergeben. Unter einer betrieblichen Übung versteht man die regelmäßige Wiederholung
bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder
Vergünstigung auf Dauer gewährt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den
Arbeitnehmern regelmäßig nach §
151 BGB stillschweigend angenommen wird, erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen für die Zukunft. Entscheidend
ist dabei nicht, ob der Erklärende einen Verpflichtungswillen hatte, sondern ob der Erklärungsempfänger die Erklärung oder
das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände dahin verstehen konnte und
durfte, der Arbeitgeber wolle sich zu einer über seine gesetzlichen, tarifvertraglichen und vertraglichen Pflichten hinausgehenden
Leistung verpflichten. Dies ist im Wege der Auslegung des Verhaltens des Arbeitgebers zu ermitteln. Die Anforderungen an den
Erklärungswert bestimmen sich nach der Art des Verhaltens des Vertragspartners, das eine betriebliche Übung begründen soll.
Eine vertragliche Bindung wird regelmäßig anzunehmen sein, wenn besondere Umstände ein schutzwürdiges Vertrauen der Arbeitnehmer
begründen. Dabei kommt dem konkreten Verhalten des Arbeitgebers, insbesondere dessen Intensität und Regelmäßigkeit, entscheidendes
Gewicht zu. Zwar gibt es keine allgemeinverbindliche Regel, ab welcher Zahl von Leistungen der Arbeitnehmer darauf vertrauen
darf, er werde die Leistung auch zukünftig erhalten. Allerdings gilt für jährlich an die gesamte Belegschaft geleistete Gratifikationen
die Regel, nach der eine zumindest dreimalige vorbehaltlose Gewährung zur Verbindlichkeit erstarkt, falls nicht besondere
Umstände hiergegen sprechen oder der Arbeitgeber bei der Zahlung einen Bindungswillen für die Zukunft ausgeschlossen hat (Bundesarbeitsgericht
[BAG], Urteil vom 08.12.2010 - 10 AZR 671/09 - [...]).
Die A. B. hat vorliegend lediglich unregelmäßige und der Höhe nach unterschiedliche Sonderzahlungen gewährt. Diese unregelmäßigen
Zahlungen konnten deshalb beim Kläger nicht die berechtigte Erwartung wecken, auch in den Folgejahren ein Weihnachtsgeld zu
erhalten. Aus seiner Sicht konnte und durfte der Kläger diese Zahlungen nicht als ein Angebot verstehen, mit dem sich die
A. B. dauerhaft und auch für die Zukunft zur Zahlung eines Weihnachtsgeldes verpflichten wollte.
Auch aus § 4 des auf das am 01.07.2011 beginnende unbefristete Arbeitsverhältnis gerichteten Arbeitsvertrages resultiert kein
Rechtsanspruch des Klägers auf Gewährung einer Jahresgratifikation. Dem steht schon der Freiwilligkeitsvorbehalt aus § 4 Abs.
2 Satz 1 des Arbeitsvertrags im Zusammenhang mit dem Hinweis in § 4 Abs. 2 Satz 2 des Arbeitsvertrages entgegen.
Bei den in § 4 des Arbeitsvertrages vorformulierten Vertragsbedingungen handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen
im Sinne des §
305 Abs.
1 BGB. Allgemeine Vertragsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von
verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden
werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders
zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner
Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend
darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen
ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag
verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele
gelten.
Der Arbeitgeber kann einen Rechtsanspruch des Arbeitnehmers grundsätzlich ausschließen und sich eine Entscheidung vorbehalten,
ob und in welcher Höhe er zukünftig Sonderzahlungen gewährt. Er bleibt grundsätzlich in seiner Entscheidung frei, ob und unter
welchen Voraussetzungen er zum laufenden Arbeitsentgelt eine zusätzliche Leistung erbringen will. Allerdings muss ein solcher
Freiwilligkeitsvorbehalt klar und verständlich im Sinne des §
307 Abs.
1 Satz 2
BGB formuliert worden sein, um den Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf eine Sonderzahlung eindeutig auszuschließen.
Ein Freiwilligkeitsvorbehalt darf nicht mehrdeutig sein. Er darf insbesondere nicht in Widerspruch zu anderen Vereinbarungen
der Arbeitsvertragsparteien stehen. Gibt es einen solchen klar und verständlich formulierten Freiwilligkeitsvorbehalt, der
jeden Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf eine Sonderzahlung ausschließt, fehlt es an einer versprochenen Leistung im Sinne
des §
308 Nr. 4
BGB. In diesen Fällen wird eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Leistung der Sonderzahlung unabhängig von dem mit der Sonderzuwendung
verfolgten Zweck von vornherein nicht begründet.
Vorliegend liegt ein klar und verständlich formulierter Freiwilligkeitsvorbehalt vor.
Die Klausel in § 4 Abs. 2 Satz 1 des Arbeitsvertrags enthält den Hinweis, dass es sich bei der Jahresgratifikation um eine
"freiwillige" Leistung handelt.
Zwar könnte eine solche Klausel unklar und missverständlich sein, wenn sie allein mit einer Widerrufsmöglichkeit verbunden
ist. Einen solchen Widerrufsvorbehalt enthält auch § 4 Abs. 2 Satz 3 des Arbeitsvertrages, wonach "die Jahresgratifikation
... nach Auftragslage jederzeit widerrufen werden" kann. Denn bei einem Freiwilligkeitsvorbehalt entsteht schon gar kein Anspruch
auf die Leistung, während bei einem Widerrufsvorbehalt hingegen der Arbeitnehmer einen Anspruch hat, der Arbeitgeber sich
also vorbehält, die versprochene Leistung einseitig zu ändern, so dass die Kombination von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt
dazu führen könnte, dass für einen um Verständnis bemühten Vertragspartner nicht deutlich wird, dass ein Rechtsbindungswille
für die Zukunft ausgeschlossen bleiben soll (BAG, Urteil vom 08.12.2010 - 10 AZR 671/09 - [...]).
Vorliegend liegt aber nicht eine bloße Verknüpfung eines Freiwilligkeitsvorbehalts mit einem Widerrufsvorbehalt vor. Vielmehr
enthält § 4 Abs. 2 Satz 2 des Arbeitsvertrages darüber hinaus den weitergehenden Hinweis, dass "durch die Zahlung ... kein
Rechtsanspruch für die kommenden Jahre begründet" wird und dies auch "durch wiederholte Leistung" nicht der Fall ist. Ein
solcher Vorbehalt schließt einen Rechtsanspruch auf zukünftige Zahlung der begehrten Jahresgratifikation unmissverständlich
aus. Wegen dieser eindeutigen Regelung in § 4 Abs. 2 Satz 2 des Arbeitsvertrages kann die in § 4 Abs. 2 Satz 1 des Arbeitsvertrages
getroffene Bestimmung, nach der die Jahresgratifikation eine "freiwillige" Leistung ist, von einem um Verständnis bemühten
Arbeitnehmer im Zweifel nicht nur als Hinweis zu verstehen sein, dass sich der Arbeitgeber zur Zahlung einer Gratifikation
bereit erklärt, ohne dazu durch andere Regelungen gezwungen zu sein. Diese Klausel verstärkt nicht nur die Aussage der Freiwilligkeit
und betont nicht nur die fehlende rechtliche Verpflichtung des Arbeitgebers zu einer entsprechenden Zahlung, sondern zeigt
im Zusammenhang mit dem Hinweis in § 4 Abs. 2 Satz 2 des Arbeitsvertrages, dass eben gerade kein Rechtsanspruch auf die Gewährung
einer Jahresgratifikation begründet worden ist (BAG, Urteil vom 08.12.2010 - 10 AZR 671/09 - [...]). Insoweit unterscheidet sich dieser Sachverhalt grundlegend von demjenigen, welcher der Entscheidung des BSG vom 08.12.2010 (a.a.O.) zu Grunde lag.
Nach alledem hatte der Kläger keinen in den Insolvenzgeldzeitraum fallenden Rechtsanspruch auf Gewährung einer Jahresgratifikation.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG war somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 SGG nicht vorliegen.