Eintritt der Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a SGB V in der gesetzlichen Krankenversicherung nur bei Leistungen aus dem Leistungskatalog; Keine Kostenerstattung für die Behandlung
von Morbus Crohn mit Medizinal-Cannabisblüten
Gründe
I.
Der Kläger begehrt die Erstattung von Kosten für die Behandlung mit Medizinal-Cannabisblüten in Höhe von € 11.218,66 sowie
die zukünftige Versorgung mit Medizinal-Cannabisblüten zur Behandlung von Morbus Crohn.
Der Kläger ist am 1978 geboren und bei der Beklagten krankenversichert. Ihm wurde die Erlaubnis nach § 3 Abs. 2 Betäubungmittelgesetz (BtMG) zum Erwerb von Cannabis (medizinal-Cannabisblüten) erteilt. Mit Schreiben vom 5. September 2013 beantragte der Kläger die
Kostenübernahme für das Medikament Cannabis flos Bedrocan bei der Beklagten. Er legte ein Schreiben des Facharztes für Anästhesiologie
und spezielle Schmerztherapie Dr. Sc. (Poliklinik E.) vom 21. August 2013 vor. Danach leidet der Kläger seit 2008 an einer
schweren Form des Morbus Crohn. Die schulmedizinische Behandlung sei in einer renommierten M. Praxis für Gastroenterologie
(Dres. H. und F.) erfolgt. Alle praktizierten schulmedizinischen Behandlungsversuche seien bislang fehlgeschlagen. Azathioprin
löse eine Pankreatitis aus. Eine Behandlung mit Methotrexat sei wegen Erfolglosigkeit abgebrochen worden. Humira sei nach
längerfristigem Einsatz nicht wirksam gewesen. Bezüglich Remicade sehe er bei noch nicht abgeschlossener Familienplanung Bedenken.
Außerdem sei eine erfolgreiche Wirkung des TNF-Antikörpers bei Versagen von Humira in aller Regel nicht zu erwarten. Nur durch
Konsum von Cannabisblüten könne der Kläger einigermaßen Lebensqualität erreichen. Es gehe vor allem um die appetitanregende
und antispastische Wirkung der Alkaloide. Bei Krankheitsschüben stünden die Tenesmen, der Ekel vor dem Essen und zahlreiche
schmerzhafte Stuhlabgänge im Vordergrund. Ein wichtiger Aspekt sei die Erhaltung der Arbeitskraft. Die gute Cannabiswirksamkeit
im speziellen Fall des Klägers sei nachzuvollziehen. Es gehe um Lebensqualität und um die Erhaltung der Arbeitskraft.
Auf Anfrage der Beklagten teilte Dr. P. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Bayern unter dem 14. November
2013 mit, dass aus den übersandten Unterlagen nicht hervorgehe, dass der Kläger gastroenterologisch ausbehandelt wäre. Empfohlen
werde eine Mitbehandlung in einer gastroenterologischen Ambulanz einer Universitätsklinik oder eines größeren Lehrkrankenhauses.
Cannabis-Alkaloide seien in der beantragten Anwendungsform indikationsbezogen nicht zugelassen. Es liege kein Beschluss des
Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) vor, gemäß dem Cannabis-Alkaloide in dem nicht zugelassenen Anwendungsgebiet (Off-Label-Use)
im Rahmen der Anlage 6 der Arzneimittelrichtlinien (AMR) verordnungsfähig seien. Eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich
verlaufene Erkrankung liege nicht vor; der Eintritt einer irreversiblen schwerwiegenden Behinderung bestehe nicht. Die Lebensqualität
werde möglicherweise auf Dauer nachhaltig beeinträchtigt. Eine seltene nicht erforschbare Krankheit liege nicht vor.
Mit Bescheid vom 14. November 2013 lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten für das Medikament Flos Bedrocan ab. Dieses
Arzneimittel sei in Deutschland und auch in der gesamten Europäischen Union nicht zugelassen, könne daher nur in besonderen
Ausnahmefällen verordnet werden. Eine Kostenübernahme für nur im Ausland zugelassene Arzneimittel sei grundsätzlich - vor
allem wegen der arzneimittelrechtlichen Zulassung und möglicher Gesundheitsrisiken - nicht möglich. Eine Ausnahmesituation
im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) oder des Bundessozialgerichts (BSG) liege nicht vor. Aus der eingeholten Stellungnahme des MDK gehe hervor, dass es für den Kläger vertragliche Behandlungsalternativen
gebe. Der MDK empfehle die Mitbehandlung in einer gastroenterologischen Ambulanz. Eventuell wäre auch eine Rehabilitationsmaßnahme
oder Ernährungsberatung indiziert. Außerdem stünden vertragliche Arzneimittel wie z.B. Prednison zur Verfügung.
Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 1. Dezember 2013 Widerspruch. Alle schulmedizinischen Therapien seien ohne Erfolg
getestet worden. Einzig Remicade lehne er wegen möglicher Genveränderung im Hinblick auf eine nicht abgeschlossene Familienplanung
ab. Es gebe zahlreiche Studien zur Wirksamkeit von Cannabis. Die Beklagte trage ohne Probleme eine Therapie mit Humira, die
€ 1.800,00 im Monat gekostet habe und ihm nichts gebracht habe. Eine Cannabis-Therapie, die nicht einmal ein Drittel der Kosten
verursache und die zahlreiche Aspekte seiner Krankheit verbesserten, würde ihm jedoch versagt. Der Kläger legte ein ärztliches
Attest "zur Vorlage bei der Bundesopiumstelle" der Ärztin für Allgemeinmedizin, Naturheilkunde und klassische Homöopathie
Dr. Re. vom 12. Mai 2011 vor. Danach befinde sich der Kläger seit dem 9. Dezember 2010 in ihrer hausärztlichen Behandlung.
Er leide seit drei Jahren unter einem Morbus Crohn mit erheblichen abdominellen Beschwerden und rezidivierenden Durchfällen,
die zu starker Gewichtsabnahme mit Schlaflosigkeit, Schwäche und teils unerträglichen Schmerzen mit Arbeitsunfähigkeit führten.
Der Kläger habe sich allen üblichen schulmedizinischen diagnostischen und therapeutischen Behandlungen unterzogen sowie auch
einer homöopathischen Behandlung. Es hätten sich leider allenfalls vorübergehende Besserungen ergeben. Seit Dezember 2010
rauche der Kläger aus therapeutischen Gründen immer wieder Cannabis, was als einziges Medikament zu deutlichem Wohlbefinden,
der Besserung des Allgemeinzustandes, des Schlafes und der Schmerzen geführt habe. Aus ihrer Sicht sei dringend eine Erlaubnis
für die Therapie mit Cannabis zu erteilen. Nur so sei dem Kläger ein einigermaßen lebenswertes und erträgliches Leben und
Arbeitsfähigkeit möglich. Der Kläger legte weiter einen Arztbrief des Dr. F. vom 17. Januar 2011 über eine Ileokoloskopie
vom 25. März 2010 vor, bei der ein mittelgradig bis hochgradig aktiver Morbus Crohn diagnostiziert worden sei. Der Kläger
sei seit Juni 2009 in seiner Behandlung, ab September 2009 sei eine Behandlung Azathioprin begonnen worden, die wegen Auftretens
einer Pankreatitis habe abgesetzt werden müssen. Von Oktober 2009 bis Januar 2010 sei dann eine Behandlung mit Methotrexat
durchgeführt worden, die wegen Wirkungslosigkeit ebenfalls habe beendet werden müssen. Ab April 2010 sei dann eine Behandlung
mit Humira durchgeführt worden, die ebenfalls längerfristig nach initialem Ansprechen aber nicht wirksam gewesen sei. Überbrückend
zu den anderen Behandlungen habe der Kläger immer wieder Entocort-Tabletten erhalten. Eine vollständige Unterbrechung des
Rauchens sei ihm leider nicht möglich gewesen. Eine vorgeschlagene Behandlung mit Remicade habe er ebenfalls nicht durchführen
wollen. Er sehe die Indikation für Remicade oder Humira gegeben. Bezüglich der Applikationsart wäre Humira für den Kläger
angenehmer. Mit der Therapie werde umgehend nach Ausschluss von Kontraindikationen und Durchführung einer Impfung mit Pneumovax
begonnen.
Im Auftrag der Beklagten erstellte Dr. L. vom MDK Baden-Württemberg unter dem 9. Dezember 2013 eine kurze sozialmedizinische
Fallberatung. Danach seien die medizinischen Voraussetzungen für die beantragte Leistung nicht erfüllt. Der Kläger habe keine
aussagekräftigen Berichte vorgelegt, die die Diagnose eines Morbus Crohn bestätigten und die Ausschöpfung aller hierfür etablierten
Therapien belegen würden.
Im Auftrag der Beklagten erstellte Dr. B. vom MDK Baden-Württemberg unter dem 10. Februar 2014 ein sozialmedizinisches Gutachten
nach Aktenlage. Die Voraussetzungen für die Kostenübernahme lägen nicht vollständig vor. Zwar liege eine schwerwiegende, die
Lebensqualität nachhaltig beeinflussende Krankheit vor. Es könne aber nicht bestätigt werden, dass es eine lebensbedrohliche
Erkrankung oder gleichzustellende Erkrankung sei. Weiterhin könne nicht bestätigt werden, dass in der vertragsärztlichen Versorgung
keine Therapiealternativen mehr bestünden. Es stünde zunächst eine Anbindung an eine wohnortnahe gastroenterologische Fachpraxis
oder Universitätsambulanz im Vordergrund. Für die Behandlung des Morbus Crohn durch Cannabidiol seien bislang keine Evidenzen
gefunden worden.
Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 15. Mai 2014 zurück.
Flos Bedrocan habe keine Zulassung in Deutschland. Lediglich in den Niederlanden bestehe eine Zulassung für den Arzneimittelverkehr.
Ein nur im Ausland zugelassenes Arzneimittel sei grundsätzlich nicht so zu behandeln wie ein im Inland bereits zulässigerweise
im Handel befindliches Medikament, das außerhalb seines in Deutschland arzneimittelrechtlich festgelegten Zulassungsrahmens
also zum Off-Label-Use, verordnet werde. Die hierfür erforderlichen Kriterien, nach denen ausnahmsweise eine zulassungsüberschreitende
Verordnung möglich sei, könnten grundsätzlich nicht auf Arzneimittel angewendet werden, die lediglich im Ausland zugelassen
seien. Nur ausnahmsweise sehe das BSG nach seinem Urteil vom 19. Oktober 2004 (B 1 KR 27/02 R - [...]) einen Anspruch auf Versorgung mit einem nur im Ausland zugelassenen Arzneimittel, das dann auf Grund einer ärztlichen
Verschreibung im Rahmen einer Einzelbestellung rechtmäßig importiert werden könne, vor. Ein Leistungsanspruch könne nach dieser
Rechtsprechung des BSG angenommen werden, wenn es sich um eine derart seltene Erkrankung handele, dass die systematische Erforschung der Behandlungsmöglichkeiten
praktisch ausscheide, es sei denn, es bestünden begründete Zweifel an der Qualität der im Ausland durchgeführten Arzneimittelprüfung.
Auch der zulassungsüberschreitende Arzneimitteleinsatz sei dann nicht ausgeschlossen, wenn die Einzigartigkeit der Erkrankung
verallgemeinerungsfähige Aussage zur Therapie nicht zulasse. Bei dem Krankheitsbild des Klägers handle es sich nicht um eine
selten erforschbare Erkrankung und auch nicht um eine lebensbedrohliche Erkrankung. Weiterhin stünden vertragliche Alternativen
zur Verfügung wie die Anbindung an eine wohnortnahe gastroenterologische Fachpraxis oder Universitätsambulanz. Zudem seien
für die Behandlung des Morbus Crohn durch Cannabidiol keine Evidenzen gefunden worden. Auch der Hinweis, dass die beantragte
Medikation möglicherweise viel kostenintensivere Arzneimittel vermeiden würden, erlaube keine andere Entscheidung. Hypothetisch
entstehende Kosten dürften auf die Leistungsentscheidung keine Auswirkungen haben.
Hiergegen erhob der Kläger am 12. Juni 2014 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG). Er wiederholte und vertiefte sein bisheriges Vorbringen. Im Zeitraum von September 2013 bis August 2015 seien ihm insgesamt
Kosten für Cannabis-Medizinalblüten in Höhe von € 11.218,66 entstanden. Alle regelmäßig praktizierten schulmedizinischen Behandlungsversuche
seien fehlgeschlagen. Soweit bekannt, handele es sich bei dem Arzneitmittel Flos Bedrocan um kein Fertigarzneimittel, so dass
die Frage, inwieweit eine arzneimittelrechtliche Zulassung erforderlich sei und ob es an einer europarechtlichen Genehmigung
fehle, nicht weiter erörtert werden müsse. Für zulassungsfreie Rezepturarzneimittel wie dem streitgegenständlichen sei das
in §
135 Abs.
1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) festgelegte Verbot mit Erlaubnisvorbehalt zu beachten. Nach Nr. 1 dieser Norm dürften neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden
in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkasse nur erbracht werden, wenn der GBA
Empfehlungen abgegeben habe für die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren
medizinischen Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit - auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachten Methoden
- nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnissen der jeweiligen Therapierichtung. Die Verordnung als Rezepturarzneimittel
sei wie der Einzelimport nach § 73 Abs. 3 Arzneimittelgesetz (AMG) unter Beachtung des BtMG betäubungsmittelrechtlich zulässig und diesbezüglich habe er ohnehin eine Genehmigung zur Medikamentation mit Cannabis von
der Bundesopiumstelle. Fraglich sei also, ob in Richtlinien nach §
92 Abs.
1 Satz 2 Nr.
5 SGB V eine Empfehlung für die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens ausgesprochen worden sei oder ob es andere
Ausnahmetatbestände gebe. Vom GBA sei für das rezeptpflichtige Arzneimittel Sativex, ein Fertigarzneimittel, das als Wirkstoffkombination
Delta-9-Tetrahydrocannabinol und Cannabinol verwende, eine entsprechende Bewertung vorgenommen worden mit Zulassung insbesondere
im Bereich der Multiple Sklerose, so dass sich hier die weitere Frage stelle, ob ein Ausnahmefall, in dem trotz fehlender
Empfehlung des GBA eine neuartige Therapie nach der gesetzlichen Konzeption beansprucht werden könne, vorliege. Dies sei bei
einem sogenannten Seltenheitsfall oder bei einem sogenannten Systemversagen anzunehmen. Zwar handle es sich bei seiner Erkrankung
nicht um eine Seltenerkrankung. Jedoch sei es selten, wenn hier sämtliche anerkannten Behandlungsmethoden keine Wirksamkeit
entfalteten. In einem solchen Fall bleibe nur die Möglichkeit, ein lebenswertes Leben zu erhalten, wenn mit der Cannabis-Therapie
die Schmerzzustände beeinflusst werden könnten. Diese besondere Ausgestaltung könne mit den vom BSG ins Auge gefassten Ausnahmefällen durchaus vergleichbar sein, da im vorhandenen medizinischen Versorgungssystem für ihn keine
Behandlungsmöglichkeit existiere. Außerdem sei der Beschluss des BVerfG vom 6. Dezember 2005 (1 BvR 347/98 - [...]) zu berücksichtigen. Zwar liege sicherlich keine lebensbedrohliche Erkrankung vor. Eine die Lebensqualität auf Dauer
nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung sei aber mit Sicherheit zu bejahen, die, da andere Therapiemöglichkeiten nicht bestünden,
nur mittels des cannabinoiden Wirkstoffes wirksam behandelt werden könnten. Hier drohe bei unverändertem Entzündungszustand
der nicht kompensierbare Verlust des Darmes, also eines der wichtigeren Organe mit herausgehobener Körperfunktion, wie dies
nach der Rechtsprechung des BSG einer lebensbedrohlichen Erkrankung gleichgestellt werde.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Eine Leistungsoption wäre nur erkennbar, wenn es sich im Falle des Klägers um eine derart
seltene Erkrankung handeln würde, dass die systematische Erforschung der Behandlungsmöglichkeiten praktisch ausscheide oder
wenn die Voraussetzung des §
2 Abs.
1a SGB V kumulativ vorliegen würden. Es handle sich jedoch weder um eine singuläre Erkrankung noch liege eine lebensbedrohliche oder
regelmäßig tödliche Erkrankung oder eine zumindest wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung vor.
Das SG befragte behandelnde Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. F. berichtete unter dem 23. September
2014, dass sich der Kläger bei ihm vom 23. Juni 2009 bis zum 19. Dezember 2010 in Behandlung befunden habe. Es bestehe bei
ihm eine chronische entzündliche Darmerkrankung im Sinne eines Morbus Crohn. Es sei immer wieder periodisch zu einer Verschlechterung
des Befindens mit Zunahme von Bauchschmerzen und Durchfällen trotz verschiedener versuchter Behandlungsformen gekommen. Den
Feststellungen des MDK vom 9. Dezember 2013 und vom 10. Februar 2014 sei aus gastroenterologischer Fachkenntnis zuzustimmen.
Dr. Sc. berichtete unter dem 23. September 2014 über eine intensive schmerztherapeutische Beratung und Führung zwischen Juni
2013 und dem 19. September 2014. Der Kläger sei von ihm ausschließlich schmerztherapeutisch beraten worden. Den Feststellungen
des MDK vom 19. Dezember 2013 und vom 10. Februar 2014 könne er nicht zustimmen. Nur durch die engagierte Initiative der Dr.
Reif sei es zu einer Erlaubnis zum Bezug von Cannabisblüten gekommen. Nur unter dieser Therapie sei für den Kläger eine Teilhabe
am gesellschaftlichen und am Arbeitsleben gesichert. Auf Nachfrage des SG übersandte Dr. Sc. am 5. August 2015 die zwischen dem 14. November 2013 und 23. September 2014 erhobenen Befunde. Dr. Re.
teilte unter dem 28. September 2014 mit, dass sie den Feststellungen des MDK nicht zustimme. Der Kläger habe sich sogar einer
sechsmonatigen Therapie im Universitätsklinikum Regensburg mit Schweinebandwurm unterzogen, die ihn Überwindung und zeitintensive
Fahrten von München nach Regensburg und zurück gekostet habe und sein Befinden leider nur vorübergehend verbessert habe. Auf
Nachfrage des SG nannte Dr. Re. unter dem 11. August 2015 die Behandlungstage in der Zeit vom 5. April 2013 bis 11. April 2014
Das SG wies die Klage mit Urteil vom 27. August 2015 ab. Der Kläger habe keinen Sachleistungsanspruch auf Versorgung mit Medizinal-Cannabisblüten
und damit auch keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Beschaffung von Medizinal-Cannabisblüten in der Vergangenheit.
Es fehle insoweit an der erforderlichen befürwortenden Entscheidung des GBA. Ein Leistungsanspruch des Klägers ergebe sich
auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Systemversagens oder eines Seltenheitsfalles. Eine Leistungspflicht der Beklagten
folge auch nicht aus §
2 Abs.
1a Satz 1
SGB V. Beim Kläger könne nicht von einer notstandsähnlichen Situation ausgegangen werden. Der Morbus Crohn des Klägers stelle keine
akut lebensbedrohliche Erkrankung dar. Wenngleich die mit der Erkrankung einhergehenden Symptome den Kläger unstreitig in
seiner Lebensqualität erheblich beeinträchtigten, fehle es an der für einen Leistungsanspruch geforderten Wahrscheinlichkeit
eines tödlichen Verlaufes innerhalb eines kürzeren überschaubaren Zeitraums.
Gegen das ihm am 17. September 2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16. Oktober 2015 Berufung eingelegt. Er wiederholt
und vertieft sein bisheriges Vorbringen. Für das hier in Streit stehende Medikament Flos Bedrocan bedürfe es keiner arzneimittelrechtlichen
Zulassung und auch betäubungsmittelrechtlich sei die Versorgung auf Grund der Ausnahmegenehmigung der Bundesopiumstelle zulässig.
Der GBA habe für das rezeptpflichtige Arzneimittel Sativex den therapeutischen Nutzen bei Multiple Sklerose anerkannt. Damit
sei ein Medikament auf Cannabisbasis für eine bestimmte Therapieform zugelassen worden. Zwar betreffe die Empfehlung des GBA
nicht sein Krankheitsbild, es sei jedoch in den Auswirkungen durchaus mit dem zugelassenen Therapieansatz zu vergleichen.
Auch seine Erkrankung gehe mit sehr starken Schmerzzuständen einher und schränke ihn erheblich ein. Schon unter diesem Gesichtspunkt
habe er Anspruch auf Übernahme der Kosten. Darüber hinaus habe die Rechtsprechung Ausnahmefälle geschaffen, in denen trotz
fehlender Empfehlung des GBA bei einer neuartigen Behandlungsmethode nach der gesetzlichen Konzeption Anspruch auf Versorgung
anzunehmen sei. Zwar handele es sich bei seiner Erkrankung nicht um eine seltene Erkrankung, gleichwohl sei hier jedoch besonders,
dass sämtliche schulmedizinischen Behandlungsmethoden wirkungslos seien, so dass nur in der streitgegenständlichen Cannabis-Therapie
die Möglichkeit bestehe, ein lebenswertes Leben zu erhalten. Diese besondere Ausgestaltung seines Krankheitsbildes könne mit
dem vom BSG ins Auge gefassten Ausnahmefällen durchaus verglichen werden, da im vorhandenen medizinischen Versorgungssystem für ihn keine
Behandlungsmöglichkeit existiere. Das SG habe verkannt, dass wegen der seltenen Problematik bei seinem Krankheitsbild wissenschaftlich begründete Aussagen nicht getroffen
werden könnten, was gerade bei seltenen Krankheitsbildern immer zu Lasten des von der Krankheit Betroffenen gehe, ein Umstand,
der nach der Rechtsprechung insbesondere des BVerfG verhindert werden solle. Angesichts des vom GBA für die Behandlung von
Multiple Sklerose zugelassenen Medikaments Sativex könne die Wirksamkeit von Arzneimitteln auf Cannabisbasis gerade bei Schmerzzuständen
nicht von der Hand gewiesen werden. Schließlich sei auch die Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss vom 6. Dezember 2015, a.a.O.)
zu berücksichtigen. Zwar liege bei ihm eine unmittelbar lebensbedrohliche Erkrankung nicht vor, eine Lebensqualität auf Dauer
nachhaltig beeinträchtigende medizinische Einschränkung sei jedoch mit Sicherheit anzunehmen, da allgemeine Therapiemöglichkeiten
nicht bestünden und nur eine Behandlung mit dem cannabinoiden Wirkstoff möglich sei. Die jüngere Rechtsprechung der Landessozialgerichte,
z.B. des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen-Bremen vom 22. September 2015 (L 4 KR 276/15 B-ER - [...]) halte z.B. eine notstandsähnliche Situation für gegeben, wenn eine schwerste chronische Schmerzerkrankung vorliege.
In dieser Entscheidung sei auch eine positive Wirksamkeitsprognose angenommen worden, wenn in der Vergangenheit die Therapie
mit dem Cannabisprodukt zu einer erheblichen Therapieverbesserung geführt habe. Letzteres sei bei ihm, belegt durch die Befundberichte
seiner Ärzte, ebenfalls anzunehmen. Schließlich habe das SG auch die Vorschrift des §
13 Abs.
3a SGB V und die darin enthaltene Fiktionswirkung nicht berücksichtigt. Diese Regelung sei anzuwenden, da er den Antrag am 5. September
2013 gestellt habe. Die Beklagte habe über seinen Antrag jedoch erst mit Bescheid vom 14. November 2013 also später als die
von Gesetzes wegen für erforderlich erachteten fünf Wochen entschieden, so dass eine Genehmigungsfiktion angenommen werden
müsse. Der Kläger hat auf den Beschluss des LSG Schleswig-Holstein vom 20. Januar 2016 (L 5 KR 238/15 B-ER - [...]) zur Genehmigungsfiktion verwiesen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 27. August 2015 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides
vom 14. November 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Mai 2014 zu verurteilen, ihm die in der Zeit von September
2013 bis August 2015 entstandenen Kosten für die Behandlung mit Medizinal-Cannabisblüten in Höhe von € 11.218,66 zu erstatten
und ihn zukünftig mit Medizinal-Cannabisblüten zu versorgen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass der Hinweis des Klägers auf die Zulassung des Arzneimittels Sativex seinen Anspruch nicht
begründe. Es gehe im vorliegenden Verfahren nicht um die Frage der Kostenübernahme eines zugelassenen Arzneimittels, sondern
um eine bisher nicht anerkannte Behandlungsmethode nach §
135 Abs.
1 SGB V. Zudem sei Sativex nicht zur Behandlung einer Schmerzproblematik bei Multipler Sklerose zugelassen, sondern ausschließlich
zur Zusatzbehandlung für eine Verbesserung von Symptomen bei Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Spastik auf Grund von
Multiple Sklerose, die nicht angemessen auf eine andere antispastische Arzneimitteltherapie angesprochen hätten und die eine
klinischerhebliche Verbesserung von mit der Spastik verbundenen Symptomen während eines Anfangstherapieversuches aufzeigten.
Insoweit könne hieraus eben kein Anspruch des Klägers auf Kostenübernahme abgeleitet werden. Wenn der Kläger auf einen ähnlichen
Wirkstoff verweise, sei darauf hinzuweisen, dass cannabinoidhaltige Rezepturarzneimittel entsprechend den Urteilen des BSG vom 27. März 2007 (B 1 KR 30/06 R - [...]) und vom 13. Oktober 2010 (B 6 KA 48/09 R - [...]) als neue Behandlungsmethoden im Sinne des §
135 SGB V anzusehen seien und eine Leistungspflicht verneint worden sei. Morbus Crohn sei auch unbestritten keine seltene Erkrankung.
Auch ein Systemmangel liege nicht vor. Der Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen vom 22. September 2015 beruhe auf einer
reinen Abwägungsentscheidung. Auch eine Genehmigungsfiktion liege nicht vor. Eine Genehmigungsfiktion würde sich schon nach
dem Wortlaut auf erforderliche Leistungen auswirken. Die Vorschrift bezwecke nach der Gesetzesbegründung lediglich, die Versicherten
im Falle der verzögerten Antragsbearbeitung so zu stellen, als hätte die Krankenkasse die Sachleistung rechtzeitig zur Verfügung
gestellt. Insoweit orientiere sich die Regelung an der Erstattungsregelung in §
13 Abs.
3 SGB V, der sie auch systematisch zugeordnet sei. Der Erstattungsanspruch könne also nicht weitergehen als ein Sachleistungsanspruch.
Die Beklagte hat auf den Beschluss des LSG Nordrhein-Westfalen vom 26. Mai 2014 (L 16 KR 154/14 B-ER - [...], Rn. 26 ff.) verwiesen.
Der Berichterstatter hat die Beteiligten auf das Urteil des Senats vom 27. Februar 2015 (L 4 KR 3786/13 - [...]) und die Übertragbarkeit der dortigen Aussagen auf das vorliegende Verfahren hingewiesen. Er hat außerdem auf die
Medieninformation Nr. 6/16 des BSG vom 8. März 2016 zum Urteil vom selben Tag im Verfahren B 1 KR 25/15 R hingewiesen, wo darauf abgestellt werde, dass die Begleittherapie nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskataloges der
gesetzlichen Krankenversicherung liege. Der Berichterstatter hat schließlich auf die Absicht des Senats, die Berufung durch
Beschluss zurückzuweisen, hingewiesen und den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Der Kläger hat vorgebracht,
dass ihn das Urteil des Senats vom 27. Februar 2015 nicht überzeuge. Medizinal-Cannabisblüten seien zudem nicht als außerhalb
des Leistungskataloges der Krankenkassen anzusehen. Auch dürfte nicht ausgeblendet werden, dass sich die Rechtslage angesichts
der jüngsten Entscheidungen, gerade auch des Bundesverwaltungsgerichtes (BVerwG), doch in einem Wandel befinde. Auch das Oberlandesgericht
(OLG) Karlsruhe habe bereits am 24. Juni 2004 (3 Ss 187/03) die Auffassung vertreten, dass die Verwendung ansonsten illegaler Cannabisprodukt bei schweren Erkrankungen, deren Symptome
mit therapeutischen Möglichkeiten nicht ausreichend behandelbar seien, durchaus gerechtfertigt sein könne. Er hat weiter auf
Entscheidungen des BVerwG vom 19. Mai 2005 (3 C 17/04 - [...]) und vom 6. April 2016 (3 C 10.14 - noch nicht veröffentlicht), des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Nordrhein-Westfalen vom 7. Dezember 2012 (13 A 414/11 - [...]) sowie des BVerfG vom 11. Februar 2015 (2 BvR 1694/14 - [...]) verwiesen. Schließlich handle es sich bei dem streitgegenständlichen Arzneimittel nicht um eine Leistung, die offensichtlich
nicht im Leistungskatalog der Krankenkassen ihren Niederschlag gefunden habe, wie der Vergleich zu dem zugelassenen Arzneimittels
Sativex deutlich mache. Die Beklagte hat sich nicht geäußert.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge auf die beigezogene
Akte der Beklagten Bezug genommen.
II.
1. Der Senat entscheidet über die Berufung des Klägers gemäß §
153 Abs.
4 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) durch Beschluss, da er die Berufung des Kläger einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich
hält. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher
Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise
hat der Senat die Beteiligten angehört.
2. Die gemäß §
143 SGG statthafte und gemäß §
151 Abs.
1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist auch im Übrigen zulässig. Sie bedurfte auch nicht der Zulassung, denn der
Kläger begehrt Kostenerstattung in Höhe von (mindestens) € 11.218,66 und die zukünftige Versorgung mit Medizinal-Cannabisblüten,
so dass der Beschwerdewert von € 750,00 (§
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG) überschritten ist.
3. Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 14. November 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 15. Mai 2014 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der Kosten für die Behandlung
mit Medizinal-Cannabisblüten zwischen September 2013 und August 2015 in Höhe von € 11.218,66 und die zukünftige Versorgung
mit Medizinal-Cannabisblüten.
Der Senat geht davon aus, dass der Kläger auch nach August 2015 Medizinal-Cannabisblüten erwarb und ihm deshalb Kosten entstanden
sind, so dass der Betrag des Kostenerstattungsanspruches höher als € 11.218,66 ist. Da jedoch die Voraussetzungen eines Sachleistungsanspruchs
und damit auch eines Kostenerstattung nicht gegeben sind, sieht der Senat davon ab, insoweit auf eine ergänzende Bezifferung
des Klageantrags hinzuwirken.
a) Da mangels entsprechender Anhaltspunkte davon auszugehen ist, dass der Kläger nicht nach §
13 Abs.
2 SGB V anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung gewählt hat, kommt, soweit er die Erstattung von ihm aufgewendeter
Kosten für die Beschaffung von Medizinal-Cannabisblüten begehrt, als Anspruchsgrundlage nur §
13 Abs.
3 Satz 1
SGB V in Betracht. Die Regelung bestimmt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder
hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden,
sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Der Anspruch aus
§
13 Abs.
3 Satz 1
SGB V reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse. Er setzt daher
im Regelfall voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in
Natur als Sach- oder Dienstleistung (§
2 Abs.
2 Satz 1
SGB V) zu erbringen haben (ständige Rechtsprechung des BSG; vgl. z.B. BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006 - B 1 KR 8/06 R - [...], Rn. 9; BSG, Urteil vom 26. September 2006 - B 1 KR 3/06 R - [...], Rn. 13, Urteil vom 7. Mai 2013 - B 1 KR 8/12 R - [...], Rn. 8).
Nach §
27 Abs.
1 Satz 1
SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre
Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst nach §
27 Abs.
1 Satz 2 Nr.
3 SGB V u.a. die Versorgung mit Arzneimitteln. Nach §
31 Abs.
1 Satz 1
SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach §
34 SGB V oder durch Richtlinien nach §
92 Abs.
1 Satz 2 Nr.
6 SGB V ausgeschlossen sind. Nach §
2 Abs.
2 Satz 1
SGB V erhalten die Versicherten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen. Der Anspruch eines Versicherten auf Behandlung unterliegt
nach §
27 Abs.
1 Satz 2 Nr.
1 SGB V den sich aus §
2 Abs.
1 und §
12 Abs.
1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Nach diesen Vorschriften müssen die Leistungen der Krankenkassen ausreichend, zweckmäßig und
wirtschaftlich sein und sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich
sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen
(§
12 Abs.
1 SGB V). Außerdem müssen Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse
entsprechen (§
2 Abs.
1 Satz 3
SGB V).
Für zulassungsfreie Rezepturarzneimittel wie die vom Kläger begehrten Cannabis-Medizinalblüten ist das in §
135 Abs.
1 Satz 1
SGB V festgelegte Verbot mit Erlaubnisvorbehalt zu beachten. Nach Nr. 1 dieser Vorschrift dürfen neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden
in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der
GBA auf Antrag eines Unparteiischen nach §
91 Abs.
2 Satz 1
SGB V, einer Kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer Kassenärztlichen Vereinigung oder des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen
in Richtlinien nach §
92 Abs.
1 Satz 2 Nr.
5 SGB V Empfehlungen abgegeben hat über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren
medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit - auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachten Methoden
- nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung. Die Verordnung als Rezepturarzneimittel
ist - wie der Einzelimport nach § 73 Abs. 3 Arzneimittelgesetz (AMG) - unter Beachtung des BtMG zwar betäubungsmittelrechtlich zulässig. Neuartige Therapien mit einem Rezepturarzneimittel, die vom GBA nicht empfohlen
sind, dürfen die Krankenkassen jedoch grundsätzlich nicht gewähren, weil sie an das Verbot des §
135 Abs.1 Satz 1
SGB V und die das Verbot konkretisierenden Richtlinien des GBA gebunden sind (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG, Urteil vom 27. März 2007 - B 1 KR 30/06 R - [...], Rn. 12; Urteil des Senats vom 15. April 2011 - L 4 KR 4903/10 - [...], Rn. 23; Urteil des Senats vom 27. Februar 2012 - L 4 KR 3786/13 - [...], Rn. 37).
b) Von diesen rechtlichen Vorgaben ausgehend hat der Kläger keinen Anspruch auf Versorgung mit Medizinal-Cannabisblüten durch
die Beklagte und damit auch keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten, die ihm in der Vergangenheit für die Anschaffung von
Medizinal-Cannabisblüten entstanden sind.
(1) Die Beklagte ist nicht verpflichtet, dem Kläger Medizinal-Cannabisblüten in Form eines Rezepturarzneimittels als Sachleistung
zur Verfügung zu stellen. Denn insoweit fehlt es an der nach §
135 Abs.
1 Satz 1
SGB V erforderlichen befürwortenden Entscheidung des GBA (Urteil des Senats vom 27. Februar 2012 - L 4 KR 3786/13 - [...], Rn. 40), ohne die - wie ebenfalls bereits ausgeführt - neue Behandlungsmethoden von den gesetzlichen Krankenkassen
nicht gewährt werden können.
Auf die Empfehlung des GBA kann auch nicht deshalb verzichtet werden, weil die behandelnden Ärzte des Klägers, Dr. Reif und
Dr. Sc., die Behandlung befürworten und empfehlen. Dies allein vermag die Empfehlung des GBA nicht zu ersetzen. Auch aus dem
Umstand, dass der Kläger über eine Ausnahmeerlaubnis nach § 3 Abs. 2 BtMG verfügt, wodurch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte bestätigt hat, dass die medizinische Versorgung
mit Cannabis im Einzelfall erforderlich ist, folgt nichts anderes. Diese Ausnahmeerlaubnis ersetzt nicht die vom GBA nach
§
135 Abs.
1 Satz 1
SGB V zu treffende Empfehlung, welche Voraussetzungen für eine Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung ist (Urteil
des Senats vom 27. Februar 2012 - L 4 KR 3786/13 - [...], Rn. 41).
(2) Der Kläger hat auch nicht deshalb einen Anspruch darauf, dass die Beklagte ihm Medizinal-Cannabisblüten als Sachleistung
zur Verfügung stellt, weil ein Ausnahmefall des sogenannten Seltenheitsfalls oder des sogenannten Systemversagens vorliegt.
Der sogenannte Seltenheitsfall ist gegeben bei einer Krankheit, die weltweit nur extrem selten auftritt und die deshalb im
nationalen wie im internationalen Rahmen weder systematisch erforscht noch systematisch behandelt werden kann (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 8. September 2009 - B 1 KR 1/09 R - [...], Rn. 20; BSG, Urteil vom 19. Oktober 2004 - B 1 KR 27/02 R - [...], Rn. 29).
Ein Systemversagen ist zu bejahen, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode darauf
zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem GBA trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen
Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde. In solchen Fällen ist die in §
135 Abs.
1 SGB V vorausgesetzte Aktualisierung der Richtlinien rechtswidrig unterblieben. Deshalb muss dann die Möglichkeit bestehen, das
Anwendungsverbot erforderlichenfalls auf andere Weise zu überwinden (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 7. Mai 2013 - B 1 KR 44/12 R - [...], Rn. 17; BSG, Urteil vom 27. März 2007 - B 1 KR 30/06 R - [...], Rn. 13).
Hier liegen beide Ausnahmefälle nicht vor. Der beim Kläger vorliegende Morbus Crohn ist weltweit nicht so selten, dass er
weder systematisch erforscht noch systematisch behandelt werden könnten. Dies stellt der Kläger im Ausgangspunkt auch nicht
in Frage. Sein Hinweis darauf, dass beim ihm aber insoweit ein Seltenheitsfall vorliege, als seine Erkrankung nicht mit den
zugelassenen Arzneimitteln erfolgreich behandelt werden könnte, greift nicht durch. Denn insoweit ist nicht auf den Therapieerfolg
im konkreten Einzelfall abzustellen, sondern auf die Erforschung des Krankheitsbildes als solches.
Anhaltspunkte dafür schließlich, dass sich die antragsberechtigten Stellen (Kassenärztliche Bundesvereinigung, Kassenärztliche
Vereinigung oder Spitzenverband der Krankenkassen) oder der GBA aus sachfremden oder willkürlichen Erwägungen mit der Materie
nicht oder zögerlich befasst haben, sind nicht ersichtlich.
(3) Ein Leistungsanspruch des Klägers folgt auch nicht aus dem mit Art. 1 Nr. 1 Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen
in der Gesetzlichen Krankenversicherung vom 22. Dezember 2011 (BGBl I S. 2983) eingefügten §
2 Abs.
1a SGB V, mit dem der Gesetzgeber die Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss vom 6. Dezember 2005 - 1 BvR 347/98 - [...], Rn. 48 ff.) und die diese Rechtsprechung konkretisierenden Urteile des BSG (z.B. Urteil vom 4. April 2006 - B 1 KR 12/04 R - [...], Rn. 28 ff.; Urteil vom 4. April 2006 - B 1 KR 7/05 R - [...], Rn. 18 ff.) umgesetzt hat. Nach §
2 Abs.
1a Satz 1
SGB V können Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig
vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur
Verfügung steht, auch eine von §
2 Abs.
1 Satz 3
SGB V abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbar positive
Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht.
Eine für die Bejahung des Leistungsanspruchs unter diesem Gesichtspunkt erforderliche notstandsähnliche Situation liegt nur
dann vor, wenn ohne die streitige Behandlung sich ein tödlicher Krankheitsverlauf innerhalb eines kürzeren, überschaubaren
Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit verwirklichen wird oder ein nicht kompensierbarer Verlust eines wichtigen Sinnesorgans
oder einer herausgehobenen Körperfunktion akut droht (vgl. z.B. BVerfG, Nichtannahmebeschluss der 3. Kammer des Ersten Senats
vom 26. März 2014 - 1 BvR 2415/13 - [...], Rn. 14; BSG, Urteil vom 17. Dezember 2013 - B 1 KR 70/12 R - [...], Rn. 29). Anknüpfungspunkt ist das Vorliegen einer durch nahe Lebensgefahr gekennzeichneten individuellen Notlage
(BVerfG, Beschluss vom 10. November 2015 - 1 BvR 2056/12 - [...], Rn. 18). Das BSG hat insoweit weiter ausgeführt, dass mit den genannten Krankheitskriterien des BVerfG eine strengere Voraussetzung umschrieben
wird, als sie mit dem Erfordernis einer "schwerwiegenden" Erkrankung für die Eröffnung des "Off-Label-Use" formuliert ist.
Denn hieran knüpfen weitergehende Folgen. Ohne einschränkende Auslegung ließen sich fast beliebig vom Gesetzgeber bewusst
gezogene Grenzen überschreiten. Entscheidend ist, dass das vom BVerfG herangezogene Kriterium bei weiter Auslegung sinnentleert
würde, weil nahezu jede schwere Krankheit ohne therapeutische Einwirkung irgendwann auch einmal lebensbedrohende Konsequenzen
nach sich zieht. Das kann aber ersichtlich nicht ausreichen, das Leistungsrecht des
SGB V und die dazu ergangenen untergesetzlichen Regelungen nicht mehr als maßgebenden rechtlichen Maßstab für die Leistungsansprüche
der Versicherten anzusehen (vgl. BSG, Urteil vom 26. September 2006 - B 1 KR 3/06 R - [...], Rn. 34).
Bereits die Anforderungen an das Bestehen einer "schwerwiegenden" Erkrankung für einen "Off-Label-Use" sind hoch. Nicht jede
Art von Erkrankung kann den Anspruch auf eine Behandlung mit dazu nicht zugelassenen Arzneimitteln begründen, sondern nur
eine solche, die sich durch ihre Schwere oder Seltenheit vom Durchschnitt der Erkrankungen abhebt. Auch ein "Off-Label-Use"
bedeutet nämlich, Arzneimittel für bestimmte Indikationen ohne die arzneimittelrechtlich vorgesehene Kontrolle der Sicherheit
und Qualität einzusetzen, die in erster Linie Patienten vor inakzeptablen unkalkulierbaren Risiken für die Gesundheit schützen
soll. Ausnahmen können schon insoweit nur in engen Grenzen aufgrund einer Güterabwägung anerkannt werden, die der Gefahr einer
krankenversicherungsrechtlichen Umgehung arzneimittelrechtlicher Zulassungserfordernisse entgegenwirkt, die Anforderungen
des Rechts der gesetzlichen Krankenkassen an Qualität und Wirksamkeit der Arzneimittel (§
2 Abs.
1 und §
12 Abs.
1 SGB V) beachtet und den Funktionsdefiziten des Arzneimittelrechts in Fällen eines unabweisbaren, anders nicht zu befriedigenden
Bedarfs Rechnung trägt (so zum Ganzen BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006 - B 1 KR 12/06 R - [...], Rn. 18; BSG, Urteil vom 27. März 2007 - B 1 KR 17/06 R - [...], Rn. 21, mit zahlreichen Nachweisen; die Verfassungsbeschwerde gegen das letztere Urteil hat das BVerfG nicht zur
Entscheidung angenommen: Nichtannahmebeschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 30. Juni 2008 - 1 BvR 1665/07 - [...], Rn. 6 ff.). Verneint hat das BSG die qualifizierten Erfordernisse einer lebensbedrohlichen Krankheit im Sinne des Beschlusses des BVerfG vom 6. Dezember 2005
(a.a.O.) z.B. bei einem Prostata-Karzinom im Anfangsstadium (Urteil vom 4. April 2006 - B 1 KR 12/05 R - [...], Rn. 36), bei einer in 20 bis 30 Jahren drohenden Erblindung (Beschluss vom 26. September 2006 - B 1 KR 16/06 B - nicht veröffentlicht) sowie bei einer langsam progredient verlaufenden Friedreichschen Ataxie mit über Jahre hinweg möglichen
stabilen Symptomen (Urteil vom 14. Dezember 2006 - B 1 KR 12/06 R - [...], Rn. 21). Gerechtfertigt ist eine verfassungskonforme Auslegung der einschlägigen gesetzlichen Regelungen nur, wenn
eine notstandsähnliche Situation im Sinne einer in einem gewissen Zeitdruck zum Ausdruck kommenden Problematik vorliegt, wie
sie für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf typisch ist. Das bedeutet, dass nach den konkreten
Umständen des Falles bereits drohen muss, dass sich der voraussichtlich tödliche Krankheitsverlauf innerhalb eines kürzeren,
überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit verwirklichen wird. Ähnliches kann für den gegebenenfalls gleichzustellenden,
akut drohenden und nicht kompensierbaren Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion gelten
(vgl. BSG, Urteil vom 27. März 2007 - B 1 KR 17/06 R - [...], Rn. 23).
Eine solche notstandsähnliche Situation ist im vorliegenden Fall des Klägers nicht gegeben. Der Morbus Crohn stellt keine
akut lebensbedrohliche Erkrankung dar. Diese Erkrankung ist auch, trotz der erheblichen, vom Senat nicht verkannten Beeinträchtigungen
für die Lebensqualität des Klägers, einer solchen lebensbedrohlichen Erkrankung nicht gleichzustellen.
(4) Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass der Kläger auch die Versorgung mit einem ein ausschließlich Medizinal-Cannabisblüten
enthaltenden Fertigarzneimittel von der Beklagten nicht beanspruchen kann, da kein solches Fertigarzneimittel existiert, das
über die nach dem deutschen Arzneimittelrecht notwendige Zulassung verfügt und zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen
gehört (dazu noch näher Urteil des Senats vom 27. Februar 2012 - L 4 KR 3786/13 - [...], Rn. 36, 39). Zwar führt der Kläger zutreffend aus, dass das Cannabis enthaltende Fertigarzneimittel Sativex zugelassen
ist. Jedoch ist die Zulassung beschränkt auf die Zusatzbehandlung für eine Verbesserung von Symptomen bei Patienten mit mittelschwerer
bis schwerer Spastik, hervorgerufen durch eine Erkrankung des Nervensystems (Multiple Sklerose), die nicht angemessen auf
eine andere antispastische Arzneimitteltherapie angesprochen haben und die eine klinisch erhebliche Verbesserung von mit der
Spastik verbundenen Symptomen während eines Anfangstherapieversuchs aufzeigen (Urteil des Senats vom 27. Februar 2012 - L 4 KR 3786/13 - [...], Rn. 39). Für die Behandlung des beim Kläger vorliegenden Morbus Crohn ist es hingegen nicht zugelassen. Im Übrigen
handelt es sich bei Sativex zwar um ein Fertigarzneimittel, das Cannabis enthält, jedoch nicht um die vom Kläger begehrten
(naturbelassenen) Medizinal-Cannabisblüten. Eine Versorgung mit Sativex begehrt der Kläger auch nicht.
(5) Aus den vom Kläger angeführten Entscheidungen ergibt sich nichts anderes. Die angeführten verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen
betreffen die betäubungsmittelrechtliche Frage des Erwerbs von Cannabis (BVerwG, Urteil vom 19. Mai 2005 - 3 C 17/04 - [...], Rn. 12 ff.;) bzw. dessen Eigenanbau (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11. Juni 2014 - 13 A 414/11 - [...], Rn. 42 ff.; nachgehend BVerwG, Urteil vom 6. April 2016 - 3 C 10/14 - noch nicht veröffentlicht; Pressemitteilung des BVerwG Nr. 26/2016 vom 6. April 2016). Wechselwirkungen mit dem Leistungsrecht
der gesetzlichen Krankenversicherung bestehen insoweit nicht. Gleiches gilt für die im Urteil des OLG Karlsruhe vom 24. Juni
2004 (3 Ss 187/03 - NJW 2004, 3645 ff.) behandelte strafrechtliche Frage des Besitzes von Cannabisprodukten und für den einen strafprozessualen Kontext betreffenden
Beschluss des BVerfG vom 11. Februar 2015 (2 BvR 1694/14 - [...], Rn. 20 ff.). Der Beschluss des LSG Niedersachen-Bremen vom 22. September 2015 betrifft zwar das Leistungsrecht der
gesetzlichen Krankenkasse, beruht aber - worauf die Beklagte zu Recht hingewiesen hat - ausdrücklich auf einer bloßen Folgenabwägung
im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (L 4 KR 276/15 B ER - [...], Rn. 29) und damit gerade nicht auf der materiellen Rechtslage. Dem Urteil des Sozialgericht Dortmund vom 22.
Januar 2016 (S 8 KR 435/14 - [...], Rn. 20 ff. mit zahlreichen Nachweisen zum Streitstand) zum Anwendungsbereich des §
13 Abs.
3a SGB V folgt der Senat aus den oben dargestellten Gründen nicht. Das LSG Schleswig-Holstein schließlich hat in seinem Beschluss
vom 20. Januar 2016 (L 5 KR 238/15 B ER - [...], Rn. 29) diese Frage offen gelassen.
c) Ein Anspruch des Klägers folgt auch nicht aus §
13 Abs.
3a Satz 6
SGB V hinsichtlich der Sachleistung bzw. Satz 7 hinsichtlich der Kostenerstattung.
Gemäß §
13 Abs.
3a Satz 1
SGB V, der mit Wirkung zum 26. Februar 2013 durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten vom 20.
Februar 2013 (BGBl. I S. 277) eingefügt worden ist, hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen
nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des MDK, eingeholt wird, innerhalb
von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich
hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten (§
13 Abs.
3a Satz 2
SGB V). Der MDK nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung (§
13 Abs.
3a Satz 3
SGB V). Kann die Krankenkasse die Frist nach Satz 1 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der
Gründe rechtzeitig schriftlich mit (§
13 Abs.
3a Satz 5
SGB V). Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung gemäß §
13 Abs.
3a Satz 6
SGB V nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung
selbst, ist die Krankenkasse gemäß §
13 Abs.
3a Satz 7
SGB V zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet.
aa) Ein Antrag im Sinne des §
13 Abs.
3a Satz 1
SGB V lag mit dem Schreiben des Klägers vom 5. September 2013, das ausweislich eines Aktenvermerks spätestens am 16. September
2013 bei der Beklagten einging, vor. Die Frist des §
13 Abs.
3a Satz 1
SGB V begann damit spätestens am 17. Oktober 2014 zu laufen (§
26 Abs.
1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X] i.V.m. §
187 Abs.
1 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]; vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23. Mai 2014 - L 5 KR 222/14 B ER -[...], Rn. 6; Noftz, in: Hauck/Noftz [Hrsg.], §
13 SGB V Rn. 58i [März 2014]). Mit einem Antrag wird das Verwaltungsverfahren eröffnet (vgl. § 18 Satz 2 Nr. 1 SGB X), in dessen Rahmen dann die Behörde zur Sachaufklärung verpflichtet ist (§ 20 SGB X), wobei dem Versicherten eine Mitwirkungsobliegenheit zukommt (§§ 60 ff. Erstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB I], § 21 Abs. 2 SGB X).
Zwar muss der Antrag als solcher hinreichend bestimmt sein, um eine hinreichende Grundlage für die Genehmigungsfiktion des
§
13 Abs.
3a Satz 6
SGB V zu bilden (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23. Mai 2014 - L 5 KR 222/14 B ER - [...], Rn. 27). Dies bedeutet aber nicht, dass damit bereits bei Antragstellung alle Einzelheiten der begehrten Leistung
feststehen müssen, insbesondere nicht die Kosten der begehrten Leistung. §
13 Abs.
3a Satz 6
SGB V fingiert nämlich nur die Genehmigung der Leistung dem Grunde nach (im Ergebnis ähnlich Rieker, NZS 2015, 294 [297]). Eine Genehmigungsfiktion auch der Höhe nach würde erhöhte Anforderungen an die (wirksame) Antragstellung errichten
und damit die Anforderungen an den Versicherten in einer Weise erhöhen, denen dieser in der Regel nicht nachkommen kann. Die
Ermittlung der Höhe der Kosten der Leistung ist vielmehr der Antragstellung nachgelagert und Gegenstand der erwähnten Amtsermittlungspflicht
der jeweiligen Krankenkasse. Diese Trennung zwischen Genehmigungsfiktion dem Grunde nach und Kostenerstattungsanspruch der
Höhe nach entspricht der Konzeption des Gesetzes: Während §
13 Abs.
3a Satz 6
SGB V eine ansonsten nicht näher konditionierte Genehmigungsfiktion errichtet, bestimmt §
13 Abs.
3a Satz 7
SGB V als gesonderte Rechtsfolge, dass die Krankenkasse nach Ablauf der Frist (des §
13 Abs.
3a Satz 1
SGB V) dann, wenn sich der Versicherte eine erforderliche (!) Leistung selbst beschafft, zur Erstattung der hierdurch (!) entstandenen
Kosten verpflichtet ist.
bb) Der Anwendungsbereich des §
13 Abs.
3a SGB V ist indes nicht eröffnet.
(1) §
13 Abs.
3a SGB V greift nicht bei jeglichen Leistungsanträgen ein, sondern nur dann, wenn sich der Antrag auf Leistungen bezieht, die grundsätzlich
zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehören, von den Krankenkassen also allgemein als Sach- oder Dienstleistung
zu erbringen ist (so auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26. Mai 2014 - L 16 KR 154/14 B ER u.a. - [...], Rn. 26 ff.; Sozialgericht Dortmund, Beschluss vom 31. Januar 2014 - S 28 KR 1/14 ER - [...], Rn. 22 ff.; Sozialgericht Dortmund, Beschluss vom 16. Juli 2014 - S 40 KR 742/14 ER - [...], Rn. 19 ff.; Knispel, SGb 2014, 374 [375 f.]; Rieker, NZS 2015, 294 [297] m.w.N. auch zur Gegenansicht; ähnlich wohl BSG, Urteil vom 8. März 2016 - bislang nur in Form der Medieninformation Nr. 6/16 bekannt, wo darauf abgestellt wird, dass die
dort begehrte Therapie nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskataloges der gesetzlichen Krankenversicherung liegt; offen
gelassen von LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23. Mai 2014 - L 5 KR 222/14 B ER - [...], Rn. 10; a.A. etwa Sozialgericht Mannheim, Urteil vom 3. Juni 2014 - S 9 KR 3174/13 - [...], Rn. 27 ff.). Dies folgt zum einen aus der Ratio der Regelung. Die Vorschrift soll nämlich (nur) die Beschleunigung
der Bewilligungsverfahren bei den Krankenkassen bezwecken (so ausdrücklich die Begründung des Gesetzentwurfes auf Bundestags-Drucksache
17/10488, S. 32), nicht aber den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung erweitern. Hierfür streitet auch der
Wortlaut des §
13 Abs.
3a Satz 7
SGB V, der den Kostenerstattungsanspruch auf die "erforderliche" Leistung begrenzt. Der Gesetzgeber beabsichtigte mit der Genehmigungsfiktion
in §
13 Abs.
3a Satz 6
SGB V, es dem Versicherten zu erleichtern, sich die ihm "zustehende Leistung" zeitnah zu beschaffen (Bundestags-Drucksache 17/11710,
S. 30). Der Versicherte soll so gestellt werden, als hätte die Krankenkasse die Sachleistung rechtzeitig zur Verfügung gestellt
(Bundestags-Drucksache 17/10488, S. 32). Rechtzeitig zur Verfügung stellen kann eine Krankenkasse nur die Sachleistung, die
sie zu erbringen hat. Die Beschränkung des Kostenerstattungsanspruchs nach Satz 7 auf die "erforderlichen" Leistungen wäre
zudem wenig sinnvoll, wenn die Genehmigungsfiktion nach Satz 6 keinerlei materiellen Anforderungen unterläge.
Der eingeschränkte Anwendungsbereich des §
13 Abs.
3a SGB V wird auch durch ein systematisches Argument untermauert (hierzu auch Sozialgericht Dortmund, Beschluss vom 16. Juli 2014
- S 40 KR 742/14 ER - [...], Rn. 20). Denn grundsätzlich regeln die Vorschriften des §
13 SGB V nur Kostenerstattungsansprüche für selbst beschaffte Leistungen, die zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung
gehören (BSG, Urteil vom 25. September 2000 - B 1 KR 5/99 R - [...], Rn. 11; BSG, Urteil vom 4. April 2006 - B 1 KR 12/05 R - [...], Rn. 14 m.w.N.; BSG, Urteil vom 30. Juni 2009 - B 1 KR 19/08 R - [...], Rn. 10); ein Ausnahme bildet lediglich ein Teil des Anwendungsbereiches des §
13 Abs.
3 SGB V; nur in engen Grenzen kommt ein Kostenerstattungsanspruch für Leistungen außerhalb des Leistungskataloges in Betracht (dazu
etwa Helbig, in: jurisPK-
SGB V, 3. Aufl. 2016, §
13 Rn. 40 m.w.N.). Es handelt sich um eine enge und abschließende Ausnahmevorschrift. Es lässt sich weder dem Wortlaut des §
13 Abs.
3a SGB V noch den Gesetzesmaterialien entnehmen, dass der Gesetzgeber dies durch die Einfügung des Abs. 3a erweitern wollte (so auch
SG Dortmund, Beschluss vom 16. Juli 2014 - S 40 KR 742/14 ER - [...], Rn. 20; Knispel, SGb 2014, 374 [376]).
Dies gilt zumal, wenn man berücksichtigt, dass der Gesetzgeber sich bei der Schaffung des §
13 Abs.
3a SGB V an der Regelung des §
15 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IX) als Vorbild orientierte (Bundestags-Drucksache 17/10488, S. 32). Bei §
15 SGB IX ist indes anerkannt, dass die Norm das Bestehen eines Sachleistungsanspruchs voraussetzt (BSG, Urteil vom 7. Mai 2013 - B 1 KR 12/12 R - [...], Rn. 9; BSG, Urteil vom 7. Mai 2013 - B 1 KR 53/12 R - [...], Rn. 9; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22. Oktober 2013 - L 13 R 2947/12 - [...], Rn. 28).
(2) Medizinal-Cannabisblüten sind nach dem oben Dargelegten nicht vom Sachleistungsanspruch gegen die Krankenkassen umfasst,
so dass sie auch nicht Gegenstand einer Genehmigungsfiktion nach §
13 Abs.
3a Satz 6
SGB V werden können.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 Abs.
1 Satz 1, Abs.
4 SGG.
5. Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 SGG) liegen nicht vor.