Keine Anerkennung eines Arbeitsunfalls bei der Verrichtung der Notdurft in der betrieblichen Toilettenanlage in der gesetzlichen
Unfallversicherung
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung eines Ereignisses vom 05.05.2009 als Arbeitsunfall, die Feststellung von Unfallfolgen
und die Gewährung einer Verletztenrente.
Die 1967 geborene Klägerin ist in der T. geboren und im ersten Lebensjahr in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Nach
dem Besuch der Sonderschule arbeitete sie 21 Jahre in einem Betrieb als Maschinenführerin. Seit 24.01.2007 ist sie bei der
A.-E.-I GmbH in G. als ungelernte Produktionsmitarbeiterin (Bl. 34 Berufsgenossenschafts[BG]-Akte), Monteurin und Verpackerin
in der Produktion von Bodenheizungen bzw. Einzelteilen von Heizkörpern, im Wechsel von Sitzen und Stehen, mit gelegentlicher
Überkopfarbeit und Hebe-/Tragetätigkeit von bis zu 15 kg (Bl. 102 BG-Akte) beschäftigt.
Am 05.05.2009 gegen 8.30 Uhr befand sich die Klägerin in der Damentoilette des Bereichs Fertigung an der Tür in der Absicht,
die Toilettenanlage zu verlassen und ihren Arbeitsplatz wieder aufzusuchen. Sie hatte die Türklinke der sich nach innen öffnenden
Stahltür bereits ganz nach unten gedrückt, als ihre "indirekte Vorgesetzte" J. F. die Tür von außen mit Schwung öffnete, um
einzutreten, so dass sie sich zunächst am Finger verletzte. Sie klagte anschließend über eine eingeschränkte Bewegungsfunktion
und stellte die Arbeit sofort ein. Äußere Verletzungen waren nicht sichtbar (Unfallanzeige vom 16.07.2009, Bl. 1 BG-Akte).
Bei der Klägerin wurde eine Distorsion des Handgelenks festgestellt (Bl. 215 BG-Akte). Sie war anschließend arbeitsunfähig,
unterbrochen vom 08.06. bis 17.06.2009. Sie bezog vom 25.06.2009 bis 09.08.2010 Verletztengeld (Bl. 138, 204 BG-Akte).
Der am selben Tag aufgesuchte D-Arzt Dr. H. stellte die Diagnose Handwurzelverletzung und prognostizierte Arbeitsfähigkeit
ab 08.05.2009. Die Klägerin berichtete über Schmerzen im Handwurzelbereich radialseits der linken Hand und einen umschriebenen
Druckschmerz auf der Tabatiere. Er fand die Sensibilität ohne Befund (o. B.) und die Beweglichkeit nicht eingeschränkt. Das
Röntgenbild ergab einen altersentsprechenden Befund, keine Fraktur, keine Luxation. Dr. H. machte einen Salbenverband mit
elastischer Binde (Bl. 3 BG-Akte). Im Verlaufsbericht befand Dr. H. die Klägerin am 11.05.2009 weiterhin arbeitsunfähig wegen
persistierender Schmerzen im rechten (wohl Schreibfehler) Handgelenk am 19.05.2009 wegen Druckschmerz am Daumenballen und
am distalen Radius radialseitig. Er verordnete eine Unterarmschiene. Die auf seinen Vorschlag durchgeführte Vorstellung bei
Prof. Dr. H. in der Handchirurgie am 20.05.2009 ergab den Verdacht auf (V. a.) ein akutes Karpaltunnelsyndrom. Es erfolgte
eine Überweisung in die Neurologie. Die linke Hand war inspektorisch unauffällig, ohne Druckschmerz in der Tabatiere, Watson-Test
negativ, Handgelenk in Flexion und Extension frei, radial und ulnar mit wenig Schmerzen, kein negativer Fovea-Test, Pro- und
Suspination frei, Kribbelparästhesien im Bereich der palmarseitigen Langfinger, Hoffmann-Tinel-Zeichen negativ, Phalen-Test
positiv. Das Röntgen ergab ein altersgerechtes Handwurzelskelett ohne Anhalt auf Fraktur, SLD, nebenbefundlich leichte radiokarpale
Arthrose (Bl. 7 BG-Akte). Am 29.05.2009 stellte Prof. Dr. H. die Diagnose schwere Handgelenksprellung links, und schloss ein
Kartpaltunnelsyndrom links aus. Die neurologische Abklärung ergab eine normale motorische Latenz des Nervus medianus distal
(Befundbericht Arzt für Neurologie B. vom 23.07.2009, Bl. 19 BG-Akte). Die Klägerin klage weiterhin über Schmerzen bei Druck
auf das Skaphoid. Ein erneutes Anschauen der Röntgenbilder in extenso ergebe weder einen Anhalt für eine skapholonuäre Disloziation
noch den V. a. eine Skaphoid-Fraktur (Bl. 9 BG-Akte). Die Klägerin solle die Hand normal einsetzen und sei aus ärztlicher
Sicht ab 08.06.2009 arbeitsfähig, ansonsten sei die Vorstellung in der BG-Unfallklinik empfohlen worden. Dr. H. stellte am
17.06.2009 nach Arbeitsaufnahme am 08.06.2009 erneut Arbeitsunfähigkeit fest, weil persistierende Schmerzen im Bereich der
linken Hand durch die Arbeit verstärkt worden seien. Die BG-Unfallklinik L. schlug eine diagnostische Arthroskopie vor. Bei
der Vorstellung am 01.07.2009 habe die Klägerin Schmerzen und Parästhesien im linken Handgelenk präsentiert, in Ruhe und zunehmend
bei Belastung. Die Bewegung sei schmerzbedingt eingeschränkt mit Extension-Flexion 70-0-70°, Ulnar/Radialabduktion 30-0-30°,
Pronation/Supination 90-0-90° bei intaktem Faustschluss und Extension der Finger. Ein Druckschmerz über dem Skaphoid mit Ausstrahlung
nach palmar und zum Unterarm links lasse sich eruieren. Fovea negativ, kein Druckschmerz über der Tabatiere, negativer Watson-Test.
Nach zwei Wochen Physiotherapie sei eine dezente Besserung eingetreten. (Bl. 16 BG-Akte). Am 13.07.2009 wurde in der BG-Unfallklink
L. eine diagnostische Handgelenksarthroskopie links mit Diskusstraffung und Cortisoninjektion durchgeführt. Freie Gelenkkörper
wurden nicht gefunden (Bl. 46 BG-Akte). Die Verlaufskontrolle am 01.09.2009 ergab die Entwicklung eines posttraumatischen
Ganglions, Handgelenksschmerzen bei Druck und Druckschmerz am 1. Strahl, angegebener Druckschmerz am Handgelenk bei Extension/Flexion
gegen Widerstand (Bl. 44 BG-Akte).
Die von der Klägerin trotz Aufklärung, dass sie zu keiner Befundbesserung führen werde, ausdrücklich gewünschte zweite Arthroskopie
ergab eine degenerative Diskusauffaserung und eine mäßige Synovialitis, vor allem ulnocarpal. Das scapholunäre Band war intakt,
ebenso das lunato-triquetale, das jedoch schlaff ausgebildet war. Ein freier Gelenkkörper konnte mit Sicherheit ausgeschlossen
werden (Bl. 100 BG-Akte).
Der ausführliche Befundbericht der interdisziplinären Schmerzdiagnostik der BG-Unfallklinik L. vom 10.09.2009 gab die Schmerzschilderungen
der Klägerin wieder. Es bestehe ein Dauerschmerz im linken Handgelenk mit Ausstrahlung in den linken Unterarm und die linke
Hohlhand, die Intensität (auf einer Skala von 0 bis 10) sei in Ruhe 6/10, bei Belastung 7/10. der Dauerschmerz sei drückend,
unter Belastung stechend. Ca. dreimal am Tag träten stechende Schmerzattacken für Sekunden auf. Es bestünden auch brennende
Schmerzen an manchen Tagen für 3 bis 5 Minuten im Daumen und im Tenar. Zeitweilig bestünden Kribbelparästhesien an allen Langfingern.
Handgelenk, Hohlhand und alle Fingergelenke, vor allem die Grundgelenke seien druckschmerzhaft. Der Nachtschlaf sei schmerzbedingt
eingeschränkt. Sie schlafe jeden 2. Tag durch, ansonsten wache sie ca. dreimal pro Nacht auf. Schmerzlindernd wirkten Ablenkung
und Eigenmassage. Diagnostisch sei die Hand in Durchblutung, Temperatur, Trofik und Hautfeuchte unauffällig. Dorsalseitig
finde sich über dem Handgelenksspalt unmittelbar neben dem Processus styloideus ulnae, an der Stelle der Arthroskopienarbe,
eine haselnussgroße fluktuierende Schwellung. Die Feinmotorik sei gestört, die grobe Kraft um 30 % gemindert. Pinzettengriff,
Fingerspreizen und Faustschluss gelängen uneingeschränkt. Beweglichkeit von Handgelenk und Fingern, einschließlich dem Daumen,
seien unauffällig. Es bestehe keine Temperaturdifferenz, keine Schwellung, kein vermehrtes Haar- oder Fingernagelwachstum,
kein Anhalt auf ein florides chronisches regionales Schmerzsyndrom (CRPS) der linken Hand. An den Langfingern bestehe palmarseitig
ein sensibles Defizit. Die Fingergelenke sowie das Handgelenk, vor allem die Fingergrundgelenke, seien druckschmerzhaft.
Die Wiedervorstellung am 22.09.2009 ergab die Operationsindikation für das postoperative Ganglion und die Diagnose gemischt
nozizeptiv-neuropathischer Schmerz der linken Hand (Bl. 53 BG-Akte). Die Operation (Ganglionextirpation und Denervierung des
Nervus interosseus anterior und posterior) wurde am 21.10.2009 durchgeführt (Bl. 63 BG-Akte, stationärer Aufenthalt vom 19.
bis 24.10.2009). Zuvor war der Schmerz unter Medikation auf 2/10 zurückgegangen (Bl. 66 BG-Akte). Dr. T. bezeichnete in seiner
beratungsärztlichen Stellungnahme vom 24.11.2009 den Verlauf als unbefriedigend, aber nicht zu ändern. Der nach Schmerztherapie
erreichte Zustand werde sich wahrscheinlich nicht mehr wesentlich ändern (Bl. 80 BG-Akte). Bei der Wiedervorstellung am 05.11.2009
berichtete die Klägerin, die Schmerzen seien nach der Operation stärker geworden, Dauerschmerz im linken Handgelenk, linken
Unterarm und der linken Hohlhand im Bereich des Mittelhandknochens (MHK) 4, außerdem Schmerzen an der Operationsnarbe. Der
Nachtschlaf sei schmerzbedingt stark eingeschränkt, sie schlafe nur eine Stunde am Stück, insgesamt 2 bis 3 Stunden pro Nacht.
Nach dem klinischen Befund sei die Beweglichkeit gut, Temperatur seitengleich, lediglich leichte Schwellung im Bereich des
Handrückens. Die Klägerin berichte starkes häufiges Anschwellen der Hand, insbesondere bei Belastung.
Der Befundbericht des Neurologen B. vom 12.02.2010 ergab den Ausschluss einer objektivierbaren Armnervenstörung links. Die
Klägerin klage über nach Absetzen der zuvor eingenommenen Morphine wieder attackenartig einschießende elektrisierende Schmerzen
im Bereich der linken Hohlhand, ausgehend vom linken Handgelenk (Bl. 106 BG-Akte). Die Wiedervorstellung in der BG-Unfallklinik
L. am 11.12.2009 (Bl. 108 BG-Akte) ergab eine Schmerzzunahme auf 5/10, leichte Schwellung der Finger, leichte Morgensteifigkeit,
Dysästhesien, Nachtschlaf unter Medikation gut. Die Klägerin führte zwei ambulante Schmerztherapien in der BG-Unfallklinik
L. vom 04.01.2010 bis 29.01.2010 und vom 10.02.2010 bis 03.03.2010 durch (Bl. 115 BG-Akte). Die Beweglichkeit war nicht wesentlich
eingeschränkt, Faustschluss möglich, Fingerstreckung, Pinzettengriff ebenfalls. Neben Fortführung der physio- und ergotherapeutischen
Behandlung wurde eine psychologische bzw. psychosomatische Behandlung empfohlen. Eine MdE in rentenberechtigendem Ausmaß erscheine
aus handchirurgischer Sicht nicht wahrscheinlich. Funktionseinschränkungen auf psychologischem/psychosomatischem Fachgebiet
müssten abgeklärt werden. Dr. H. vermutete im Arztbrief vom 24.03.2010 ebenfalls ein psychisch überlagertes Geschehen (Bl.
125 BG-Akte).
Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. fand in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 30.03.2010 keinen psychischen
Primärschaden, einen unkomplizierten Heilungsverlauf, Schmerzen und psychische Beschwerden keine Unfallfolgen, keine erforderliche
Behandlung (Bl. 140 BG-Akte). Dr. H. beurteilte die Klägerin am 07.04.2010 auf nicht absehbare Zeit weiter arbeitsunfähig
wegen Schmerzangabe, psychischer Überlagerung bei reizlosen Narben, freier Beweglichkeit, leicht eingeschränkter grober Kraft
links (Bl. 148 BG-Akte). Hausarzt O. Sch. berichtete am 01.04.2010, die Klägerin habe vor Jahren sehr viele Körperängste und
somatoforme Störungen gehabt, die nach längerer Ergotherapie für viele Jahre weitgehend gebessert worden seien (Bl.149 BG-Akte).
Eine Untersuchung am 11.06.2010 zeigte an beiden Armen gleiche Umfangmaße, annähernd seitengleiche Beweglichkeit, keine vegetative
Fehlregulation, und führte zum Ausschluss eines CRPS. Der Zwischenbericht von Prof. Dr. W. vom 17.06.2010 ergab eine völlig
freie Beweglichkeit des Handgelenks, keine Anzeichen einer vegetativen Begleitreaktion, seitengleich unauffällige Fingerfunktion
in allen Ebenen und Qualitäten, keine Muskelumfangsdifferenzen, keine Weichteilschwellungen oder Farbänderungen im Bereich
der oberen Extremitäten in Ruhe oder Belastung. Auffällig seien der von der Klägerin angegebene Ruheschmerz von 3 bis 4 gewesen,
der sich bei Belastung auf 9 bis 10 steigere und ebenso die Tatsache, dass sie angebe, keine Schmerzmedikamente mehr zu nehmen,
da sie so gut zurecht komme. Sie lehne die Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit vehement ab. Für die neurologisch-psychiatrische
Begutachtung solle sie alte Behandlungsberichte über eine psychiatrische Krise vor ca. 13 Jahren vorlegen (Bl. 191 BG-Akte).
Prof. Dr. W. erstattete im Auftrag der Beklagten das unfallchirurgische Zusammenhangsgutachten vom 13.08.2010. In der vierwöchigen
schmerztherapeutischen Behandlung sei eine Mobbing-Situation am Arbeitsplatz aufgefallen. Die behandelnde Ergotherapeutin
Frau Sch. habe ein dem posttraumatischen Belastungssyndrom ähnliches Syndrom festgestellt. Sie habe die Klägerin bereits vor
15 Jahren über mehrere Jahre nach einer schweren psychischen Krise begleitet. Diese klage aktuell, mit der linken Hand nichts
machen zu können. Schon das Heben einer Sprudelflasche verursache heftigste Schmerzen an Hand, Ellenbogen und Schulter. Sie
habe keine Kraft, könne nichts im Haushalt machen. Sie sei jetzt ein Wrack und das nur wegen der anderen Frau. Diese habe
sich nicht bei ihr entschuldigt und werde ihr das Leben zur Hölle machen, wenn sie wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren
müsse.
Die Klägerin gehe mit zügigem Schritt und entkleide sich selbständig, aber mit deutlicher verbaler und mimischer Schmerzäußerung,
sobald die linke Hand eine Funktion übernehmen müsse. Im Bereich der Schultern zeige sich ein spärliches Muskelrelief ohne
Fehlhaltung. Die Arme zeigten seitengleiche Achshaltung, Färbung und Weichteilverteilung, keine Muskelatrophien. Die Handfärbung
sei absolut seitengleich, keine Schwellneigung, kein Seitunterschied bei längerem Herabhängen, an beiden Händen kaum Beschwielung,
insgesamt äußerst schlaffer Muskeltonus. Die Klägerin gebe bei Funktionsprüfungen mehrfach heftigste Schmerzen an, ordne aber
mehrfach ihre Haare sponten beidseitig bei völlig unauffälliger Handfunktion. Bei Tests demonstriere die Klägerin Unfähigkeit,
eine 5 kg schwere Holzkiste beidhändig heben zu können und vollführe keinen Faustschluss, obwohl dieser auf Aufforderung hin
ebenso wie der Pinzettengriff problemlos möglich sei.
Im Ergebnis stellte der Gutachter fest, die Klägerin habe am 05.05.2009 eine Handgelenksverrenkung erlitten. Eine Prellung
könne ausgeschlossen werden, weil sie die Hand bereits vollständig an der Türklinke gehabt habe. Zu keinem Zeitpunkt hätten
bei der Klägerin Unfallfolgen verifiziert werden können. Auch die zwei Arthroskopien hätten keine unfallabhängig Pathologika
erbracht. Es lägen lediglich unfallunabhängige leichte degenerative Veränderungen im Radiocarpalgelenk vor. Als Unfallfolge
verbleibe eine folgenlos ausgeheilte Handgelenksverrenkung. Bereits drei Wochen nach dem Unfall bestünden keine Folgen mehr.
Die geklagten Beschwerden seien zu keinem Zeitpunkt durch ein morphologisches Korrelat belegbar, höchst wechselhaft und blickabhängig.
Sie sei sofort vollschichtig arbeitsfähig (Bl. 214 ff BG-Akte).
Die Evaluation der funktionellen Leistungsfähigkeit nach S. Isernhagen (EFL) ergab eine nicht nachvollziehbare Selbstlimitierung
ohne funktionelle Ausweichbewegungen. Das Schmerzverhalten habe sich auf verbale Schmerzäußerung, Seufzen, weinerliche Grundhaltung
begrenzt mit deutlicher Diskrepanz zum Verhalten in scheinbar unbeobachteten Situationen, wo der Bewegungsradius der linken
oberen Extremität in der Gestik völlig frei gewesen sei (Bl. 225 ff BG-Akte).
Im Auftrag der Beklagten erstattete Prof. Dr. St. ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten zur Zusammenhangsfrage vom 02.09.2010.
Auf die Frage nach psychischen Beschwerden gebe die Klägerin an, die Schmerzen machten sie verrückt, damit meine sie, sie
müsse manchmal weinen vor Schmerzen. Manchmal laufe sie hin und her, bis die Schmerzen aufhörten. Der Schlaf sei seit dem
letzten stationären Aufenthalt in der BG-Unfallklinik L. gut. Sie sei von ihrer Heilpraktikerin betreut worden, nachdem ihre
damals 3-jährige Tochter und ihre 8-jährige Schwester von einem Schwager sexuell missbraucht worden seien. Eine Gesundheitsstörung
sei weder auf neurologischem noch auf psychiatrischem Fachgebiet festzustellen. Der Beschwerdevortrag sei nach den organischen
Befunden nicht nachvollziehbar, wobei die psychologische Untersuchung Hinweise für bewusstseinsnahe Ausgestaltung ergebe.
Es bestehe somit der Verdacht, dass die Krankenrolle eingenommen werde, obwohl keine Krankheit bestehe. Gewiss bestehe ein
Vermeidungsverhalten dem Arbeitsplatz gegenüber, indem sie einen zwischenmenschlichen Konflikt mit der unfallverursachenden
Kollegin schildere. Ein ursächlicher Zusammenhang der geltend gemachten Beschwerden zum Ereignis am 05.05.2009 sei nicht zu
erkennen. Für ein CRPS bestünden keine Hinweise. Vor dem Ereignis habe bereits eine depressive Episode bestanden, die zu viermonatiger
Arbeitsunfähigkeit geführt habe. Derzeit ergäben sich keine Hinweise für eine depressive Episode oder für eine in der Psyche
liegende Schadensanlage. Die Auseinandersetzung mit der Kollegin sei eine unfallfremde Belastung. Eine psychische Störung
bestehe nicht. Der geschilderte Geschehensablauf sei nach aktuellen medizinischen Erkenntnissen generell nicht geeignet gewesen,
die jetzt geltend gemachten Beschwerden herbeizuführen. Dem Ereignis zurechenbare Gesundheitsstörungen hätten nach der Akte
auch in der Vergangenheit nicht bestanden. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit habe neurologisch-psychiatrisch
zu keinem Zeitpunkt bestanden. Er habe auch Zweifel, ob unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit auf chirurgischem Fachgebiet vorgelegen
habe, denn ein Erstschadensbefund sei nicht dokumentiert. Die unfallbedingte MdE sei neurologisch-psychiatrisch mit 0 v. H.
einzuschätzen.
Das psychologische Zusatzgutachten der Dipl.-Psych. Th. vom 03.08.2010 (Bl. 252 ff BG-Akte) führte zum Nachweis unzureichender
Leistungsmotivation, da in mehreren Tests unplausible Ergebnisse erzielt worden seien. Der Test der Reaktionszeit ergab einen
Wert, mit dem das freie Bewegen im Raum nicht möglich wäre. Die Selbstbeurteilungsbögen wiesen eine unplausibel hohe Zahl
von Symptomen auf, die weder mit dem psychischen Befund noch mit irgendeiner bekannten psychischen Erkrankung vereinbar seien.
Der Selbsteinschätzungsbogen zur Ermittlung von Simulationstendenzen ergab Hinweise auf massive Aggravation. Dipl.-Psych.
Th. führte aus, geistig behinderte 7-jährige und AlzH.erpatienten in fortgeschrittenem Stadium erzielten bessere Ergebnisse
als die Klägerin. Die leichten Aufgaben seien weitgehend schlechter als die schwierigen erledigt worden. Dieses Leistungsmuster
sei bei keiner neurologischen oder psychiatrischen Erkrankung bekannt.
Auf Nachfrage ließ die Arbeitsgeberin der Klägerin mit Schreiben vom 22.09.2010 mitteilen, der Unfall habe sich im Sanitätsbereich
zugetragen, als die Klägerin diesen verlassen wollte.
Mit Bescheid vom 26.10.2010 lehnte die Beklagte den Anspruch auf Rente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls ab (Bl. 304 BG-Akte).
Die Voraussetzungen für einen Rentenanspruch lägen nicht vor. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit
habe bis zum 26.05.2009 bestanden. Die Erwerbsfähigkeit sei nicht über die 26. Woche nach Eintritt des Arbeitsunfalls bzw.
nach dem Ende des Verletztengeldanspruchs um 20 v. H. gemindert. Der Arbeitsunfall habe zu einer Handgelenksverrenkung links
geführt, die folgenlos ausgeheilt sei. Unabhängig vom Arbeitsunfall liege eine Auffaserung des Diskus (Knorpelscheibe im Handgelenk)
und eine mäßige Synovialitis (Schleimhautentzündung) vor. Die Entscheidung zu den Unfallfolgen und der MdE stütze sich auf
die Gutachten von Prof. Dr. W. Die Klägerin erhob Widerspruch (Bl. 269 BG-Akte).
Mit weiterem Bescheid vom 26.10.2010 lehnte die Beklagte die Feststellung eines Arbeitsunfalls ab. Der Unfall habe sich im
Sanitärbereich ereignet, in dem kein Versicherungsschutz bestehe, weil der Aufenthalt dort zu den eigenwirtschaftlichen, unversicherten
Tätigkeiten zähle (Bl. 264 BG-Akte). Dieser Bescheid wurde der Klägerin nicht übermittelt (Bl. 302 BG-Akte).
Mit Schreiben vom 21.07.2011 hörte die Beklagte die Klägerin zur Rücknahme des Bescheides, mit dem ein Rentenanspruch abgelehnt
wurde, an. Dieser sei zu Unrecht ergangen. Zutreffend sei der Bescheid vom 26.10.2010, mit dem festgestellt worden sei, dass
ein Arbeitsunfall nicht vorliege.
Mit Bescheid vom 20.12.2011 nahm die Beklagte den Bescheid vom 26.10.2010, mit dem ein Arbeitsunfall anerkannt worden sei,
gemäß § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) mit Wirkung für die Zukunft zurück. Die Ermittlungen hätten ergeben, dass die Anerkennung unrichtig gewesen sei. Die Rücknahme
sei nur mit Wirkung für die Zukunft möglich. Die Klägerin könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen, weil keine besonderen
Gründe für den rechtswidrigen Fortbestand des Verwaltungsaktes erkennbar seien, denn es seien keine Rentenleistungen ausgesprochen
worden. Es überwiege das öffentliche Interesse an Einhaltung und gleichmäßiger Anwendung der Rechtsordnung und der sachgerechten
und sparsamen Verwendung der Mittel der Solidargemeinschaft. Auch Ermessensgründe, aus denen von einer Rücknahme Abstand zu
nehmen sei, seien nicht erkennbar. Es sei nicht zu Rentenleistungen gekommen, auf die die Klägerin ihre Lebensführung hätte
einrichten können. Somit könnten keine auf die wirtschaftlichen Verhältnisse bezogenen Ermessensgründe vorliegen. Die Klägerin
erhob Widerspruch und trug vor, die private Verrichtung der Notdurft sei abgeschlossen gewesen, da sie sich durch Öffnen der
Tür bereits angeschickt habe, den Sanitärbereich zu verlassen. Auch habe die Arbeitnehmerin, die die Tür geöffnet habe, sich
noch im Produktionsbereich befunden, weil sie die Tür noch nicht von innen geschlossen habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13.04.2012 wies die Beklagte die Widersprüche gegen die Bescheide vom 26.10.2010 und 20.12.2011
zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 11.05.2012 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, die Beklagte habe zu Recht einen Arbeitsunfall anerkannt, aber die Unfallfolgen
unvollständig beschrieben und daher zu Unrecht die Gewährung einer Rente abgelehnt. Sie könne den gesamten linken Arm, einschließlich
der linken Hand, nicht benutzen und leide unter stärksten Schmerzen. Maßgeblich sei die Krafteinwirkung aus dem versicherten
Bereich gewesen. Sie müsse so gestellt werden, als hätte sie die Toilette bereits verlassen gehabt.
Das SG hat die Klage nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 20.12.2013 abgewiesen. Der Bescheid vom 26.10.2010 in
der Fassung des Rücknahmebescheides vom 20.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.04.2012 sei rechtmäßig.
Der Bescheid vom 26.10.2010, mit dem die Beklagte den Arbeitsunfall abgelehnt habe, sei mangels Bekanntgabe nicht wirksam
geworden. Die Beklagte habe den Bescheid innerhalb der 2-Jahresfrist zurücknehmen dürfen, denn Gesichtspunkte, die einen das
öffentliche Interesse überwiegenden Vertrauensschutz rechtfertigten, lägen nicht vor. Der begünstigende Bescheid vom 26.10.2010
sei rechtswidrig, denn ein Arbeitsunfall liege nicht vor. Die Klägerin sei unstreitig innerhalb des Toilettenraumes verunfallt.
Die Grenze, bei deren Erreichen der Unfallversicherungsschutz entfalle, sei die Tür zum Zugang der Toilettenräumlichkeit.
Das Aufsuchen der Toilette bilde einen einheitlichen Vorgang. Abgrenzungskriterium könne nur das Durchschreiten der Toilettenaußentür
sein. Der unversicherte Bereich umfasse bei natürlicher Betrachtung nicht nur das Verrichten der Notdurft, sondern den gesamten
Aufenthalt in der Toilettenanlage. Diesen habe die Klägerin zum Ereigniszeitpunkt noch nicht verlassen gehabt.
Gegen den am 02.01.2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 05.02.2013 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg
eingelegt. Der vorliegende Sachverhalt sei nicht mit der vom SG angeführten ober- bzw. höchstrichterlichen Rechtsprechung vergleichbar. Insbesondere sei ihre Handlungstendenz zu beachten.
Sie habe sich bereits auf dem Weg zu ihrem Arbeitsplatz befunden, die Handlungstendenz sei eindeutig auf Fremdwirtschaftlichkeit
gerichtet gewesen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts falle der Weg von und zur Toilette ohne Zweifel unter
den Versicherungsschutz. Außerdem sei der Vorgang von sehr kurzer Dauer gewesen und es habe ein Zusammenhang zur fremdwirtschaftlichen
Tätigkeit bestanden. Der Unfall habe sich aufgrund einer Gefahrenquelle des Betriebes ereignet, es habe sich eine besondere
betriebliche Gefahr verwirklicht, denn sie habe sich an einer schweren Stahltür verletzt. Wäre es eine gewöhnliche Tür gewesen,
hätte sie sich möglicherweise nicht so erhebliche Verletzungen zugezogen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 20. Dezember 2013 sowie den Bescheid vom 20. Dezember 2011 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, unter Abänderung des Bescheides
vom 26. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2012 ihr aus Anlass des Arbeitsunfalls vom 5.
Mai 2009 eine Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 v. H. ab dem 27. Mai 2009 zu gewähren sowie als Verletzungsfolgen
anzuerkennen:
"Auffaserung des Diskus im linken Handgelenk, mäßige Synovialitis, Kraftlosigkeit der linken Hand, Schmerzsyndrom der linken
Hand",
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angegriffenen Entscheidungen für rechtmäßig.
Nach Hinweis auf die Verfristung hat die Bevollmächtigte angegeben, sie habe ausweislich des Poststempels auf dem Briefumschlag
den Berufungsschriftsatz am 31.01.2013 zur Post gegeben. Auf den Hinweis, dass der Wiedereinsetzungsantrag verfristet sei,
hat sie vorgetragen, der Hinweis des Senats vom 07.02.2013 sei ihr am 12.02.2013 zugegangen. Sie habe zwei Tage für Ermittlungen
zur Bestätigung des verspäteten Berufungseingangs benötigt. Der Wiedereinsetzungsantrag liege mithin innerhalb der Monatsfrist
und sei rechtzeitig. Mit Beschluss vom 03.03.2014 hat der Senat Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung
der Berufungsfrist gewährt.
Die Berichterstatterin hat den Rechtsstreit mit den Beteiligen in nichtöffentlicher Sitzung am 11.06.2015 erörtert. Die Beteiligten
haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die BG-Akten (2 Bände) verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die nach §
151 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere statthafte Berufung, über die der Senat im
Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§§
153 Abs.
1,
124 Abs.
2 SGG), ist unbegründet. Das SG hat die in objektiver Klagehäufung als kombinierte Anfechtungs-, Leistungs- und Feststellungsklage sowie isolierte Anfechtungsklage
erhobene und statthafte Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 26.10.2010 und 20.12.2011
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.04.2012 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Sie hat keinen Anspruch auf Verletztenrente.
Anspruchsgrundlage für die Gewährung von Verletztenrente ist §
56 Abs.
1 Satz 1 i. V. m. §§
7,
8 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VII). Danach haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens
20 v. H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente (§
56 Abs.
1 Satz 1
SGB VII). Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§
7 Abs.
1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§
2,
3 oder 6
SGB VII begründenden Tätigkeit (§
8 Abs.
1 Satz 1
SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder
zum Tod führen (§
8 Abs.
1 Satz 2
SGB VII).
Mit Bescheid vom 26.10.2010 hat die Beklagte das Ereignis vom 05.05.2009 zwar zunächst konkludent als Arbeitsunfall anerkannt,
denn sie hat neben den Feststellungen zu unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit sowie Unfallfolgen
und nicht unfallgedingte Gesundheitsstörungen ausgeführt, zu welchen Beeinträchtigungen der "Arbeitsunfall" geführt hat. Hieraus
kann die Klägerin jedoch keine Rechte herleiten, denn die Beklagte hat diesen Verwaltungsakt mit dem hier ebenfalls angegriffenen
Bescheid vom 20.12.2011 zum 01.01.2012 zurückgenommen.
Der weitere Bescheid vom 26.10.2010, mit dem die Beklagte die Feststellung eines Arbeitsunfalls abgelehnt hat, steht dem geltend
gemachten Anspruch allerdings nicht entgegen. Da der Verwaltungsakt gegenüber der Klägerin nicht gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB X bekanntgegeben worden ist, ist er nicht existent und damit nicht rechtswirksam (von Wulffen/Schütze, SGB X, Komm., 8. Aufl. 2014, Rn. 23 zu § 37).
Die Beklagte hat den Bescheid vom 26.10.2012 teilweise, soweit er die Feststellung eines Arbeitsunfalls betraf, zurückgenommen.
Rechtsgrundlage für die Rücknahme ist § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach kann ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender
Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, unter den in Absätzen 2 bis 4 geregelten Einschränkungen ganz oder teilweise
mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Gemäß Absatz 2 der Vorschrift darf ein rechtswidriger
begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut
hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist
in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat,
die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Solche Gründe hat die Klägerin weder auf
das Anhörungsschreiben vom 21.07.2011 noch mit ihrer Widerspruchsbegründung und auch in beiden Instanzen des gerichtlichen
Verfahrens nicht vorgetragen. Eine Vertrauensbetätigung in diesem Sinn ist angesichts der Aufhebung nur für die Zukunft und
dem Umstand, dass der zurückgenommene Verwaltungsakt die Feststellung eines Ereignisses als Arbeitsunfall bedarf, nicht ersichtlich.
Die Rücknahmefrist nach § 45 Abs. 3 SGB X ist eingehalten. Danach kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nur bis zum Ablauf von zwei
Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Der Rücknahmebescheid vom 20.12.2011 wahrt die Frist. Das Ermessen ist
ausgeübt, indem die Beklagte festgestellt hat, dass auch mangels Gewährung von Rentenleistungen keine besonderen Gründe zugunsten
der Klägerin sprächen, so dass das öffentliche Interesse überwiege und auch sonst keine Ermessensgründe erkennbar seien, von
einer Rücknahme Abstand zu nehmen.
Der Bescheid vom 26.10.2010 war rechtswidrig. Das Ereignis vom 05.05.2009 war im Rechtssinn kein Arbeitsunfall.
Nach §
8 Abs.
1 Satz 1
SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§
2,
3 oder 6
SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach §
8 Abs.
1 Satz 2
SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen.
Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen
Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb "Versicherter" ist. Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes,
von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv
und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität; vgl. BSG, Urteile vom 15.05.2012 - B 2 U 16/11 R - SozR 4-2700 § 2 Nr. 21 und vom 24.07.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 44).
Die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung haben Schutz gegen Gefahren zu gewähren, die sich durch die ihre Verbandszuständigkeit,
den Versicherungsschutz und das Versichertsein des Verletzten von im jeweiligen Versicherungstatbestand konkret umschriebenen
Tätigkeiten realisieren können. Ihre Einstandspflicht besteht nur dann, wenn sich durch eine Handlung des Geschädigten, die
den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt, ein Risiko verwirklicht hat, gegen dessen Eintritt nicht
die Unfallversicherung "allgemein", sondern der jeweils durch die Handlung erfüllte Versicherungstatbestand schützen soll
(BSG, Urteil vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 46.).
Dabei ist nicht jede Tätigkeit am Arbeitsplatz im Verlauf eines Arbeitstages versichert. Unterschieden werden fremdwirtschaftliche
versicherte Tätigkeiten von eigen- oder privatwirtschaftlichen unversicherten Tätigkeiten.
Der Unfall der Klägerin ereignete sich nicht während einer versicherten Tätigkeit. Die Verrichtung der Notdurft dient eigenen
Interessen und ist eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit. Während des Aufenthalts in der betrieblichen Toilettenanlage als grundsätzlich
unversichertem Bereich besteht kein Unfallversicherungsschutz. Zwar besteht Versicherungsschutz auf dem Weg zu einem Ort in
der Betriebsstätte, an dem die Notdurft verrichtet werden soll, weil der Versicherte durch die Anwesenheit auf der Betriebsstätte
gezwungen ist, seine Notdurft an einem anderen Ort zu verrichten, als er dies von seinem häuslichen Bereich aus getan hätte
(BSG, Urteil vom 06.12.1989 - 2 RU 5/89 - SozR 2200 § 548 Nr. 97; Bereiter-H./Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Handkomm., Stand April 2014, § 8 Rn. 7.34). Zudem handelt es
sich um eine regelmäßig unaufschiebbare Handlung, die der Fortsetzung der Arbeit direkt im Anschluss daran dient und somit
auch im mittelbaren Interesse des Arbeitgebers liegt (BSG, a.a.O.). Entsprechendes gilt für den Rückweg von der Toilette auf dem Betriebsgelände. Der unversicherte Bereich umfasst
nach natürlicher Betrachtungsweise nicht nur das Verrichten der Notdurft selbst, sondern den gesamten Aufenthalt in der Toilettenanlage,
denn das Reinigen der Hände danach ist auch dem eigenwirtschaftlichen Bereich zuzurechnen. Die Grenze, bei deren Erreichen
ein Risikobereich verlassen und in einen neuen eingetreten wird, ist mit der Tür zum Zugang der Toilettenräumlichkeit zu ziehen.
Nicht maßgeblich ist, ob es sich um eine einzelne Toilettenkabine oder eine aus mehreren Räumen bestehende Toilettenanlage
handelt. Da das Aufsuchen der Toilette einen einheitlichen Vorgang bildet, endet der Versicherungsschutz mit dem Betreten
der zur Toilette zählenden Räumlichkeiten und lebt mit deren Verlassen wieder auf. Als Abgrenzungskriterium für die Unterscheidung
der Risikobereiche innerhalb der Toilettenräume und außerhalb der Toilettenräume kann dabei nur das Durchschreiten der Toilettenaußentür
als geeignet angesehen werden (Bay. LSG, Urteil vom 06.05.2003 - L 3 U 323/01 - zitiert nach [...]). Entsprechende Abgrenzungskriterien hat die Rechtsprechung auch für den Versicherungsschutz hinsichtlich
der ebenfalls eigenwirtschaftlichen Tätigkeit der Nahrungsaufnahme aufgestellt und auch hier nicht nur die Nahrungsaufnahme
selbst, sondern den Aufenthalt in der Kantine als grundsätzlich unversichert angesehen und die Grenze zum versicherten Weg
sowohl bei der Nahrungsaufnahme in der Kantine als auch außerhalb des Betriebes jeweils an der Außentür der Kantine bzw. der
Gaststätte gesehen (BSG, Urteil vom 02.07.1996 - 2 RU 34/95 - SozR 3-2200 § 550 Nr. 15; Urteil vom 24.03.2003 - B 2 U 24/02 R - zitiert nach [...]).
Nicht abzustellen ist hier auf die Handlungstendenz. Diese bezeichnet die subjektive Ausrichtung des objektiven konkreten
Handelns des Verletzten und ist eine innere Tatsache. Sie ist als objektivierte finale Ausrichtung heranzuziehen, wenn das
beobachtbare objektive Verhalten keine Subsumtion unter den Tatbestand der versicherten Tätigkeit erlaubt, diese aber auch
nicht ausschließt. Für die Abgrenzung zwischen eigen- und fremdwirtschaftlichen Risikobereichen innerhalb der Betriebsstätte
gibt sie nichts her. Ebenfalls nicht maßgeblich ist, dass der Aufenthalt in der Toilettenanlage nur kurz war, dass die Klägerin
sich bereits die Hände gewaschen und damit sozusagen wieder auf dem Weg an ihren Arbeitsplatz war und dass sie die Toilettenanlage
nur deswegen noch nicht verlassen hatte, weil die Tür nach innen und nicht nach außen aufschlug. Abzustellen ist hier allein
auf den räumlich definierten Risikobereich.
Ob eine besondere Gefahrenquelle im Sinne einer besonders gefahrenträchtigen Betriebseinrichtung zur ausnahmsweisen Bejahung
eines Versicherungsschutzes einer an sich eigenwirtschaftlichen Tätigkeit führt (so BSG, Urteil vom 10.10.2002 - B 2 U 6/02 R - SozR 3-2700 § Nr. 11; Urteil vom 31.10.1968 - 2 RU 173/66- zitiert nach [...]), kann vorliegend dahinstehen. Versicherungsschutz unter diesem Gesichtspunkt bei einem Unfall während
einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit kommt nur in Betracht, wenn durch die örtlichen Gegebenheiten eine besondere Gefahrenquelle
geschaffen wird, die wesentliche Ursache eines Unfalls ist. Nicht hierzu zählen solche, die einem in ihren speziellen Eigenarten
während des normalen Verweilens am Wohn- oder Betriebsort begegnen, z. B. die gewöhnliche Härte des Fußbodens, der Toilettenarmaturen
oder des Materials der Kabinenverschalung oder deren Tür (vgl. auch Urteil des Senats vom 20.09.2012 - L 6 U 2770/12 - rechtskräftig BSG, Beschluss vom 16.01.2013 B 2 U 2770/12 R). Vom BSG ausnahmsweise anerkannt worden ist eine Drehtür als ausnahmsweise objektiv gefährliche Betriebseinrichtung wegen der dem
Drehmoment und der besonderen Dynamik innewohnenden Gefahren, gerade im Gegensatz zu normalen Türen, die nicht im Ganzen drehbar
und in der Regel nicht von mehreren Personen gleichzeitig zu durchschreiten sind (BSG, Urteil vom 22.06.1976 - 8 RU 146/75 - SozR 2200 § 548 Nr. 20).
Eine solche besondere Gefahrensituation vermag der Senat in der schweren Stahltür vorliegend nicht zu erkennen. Der bloße
Umstand, dass eine solche Tür schwerer und härter ist als eine anderen Materials, führt nicht zu einer besonderen Gefahrensituation.
Auch das Ereignis und seine Folgen stützen die Argumentation der Klägerin nicht. Sie hat, weil sie die Hand bereits an der
Klinke hatte und diese nicht losließ, als die Tür von außen geöffnet wurde, eine Handgelenksdistorsion, also eine Verrenkung
erlitten. Diese wäre bei gleichem Geschehensablauf auch an einer Tür anderen Materials aufgetreten, weil maßgebend das Verharren
mit der Hand an der Klinke war. Eine Prellung, für die das Material und die hierdurch vermittelte Krafteinwirkung der Tür
von Bedeutung gewesen wäre, konnte nicht nur nicht festgestellt, sondern von Prof. Dr. W. in seinem Gutachten im Verwaltungsverfahren,
das der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwertet hat, ausdrücklich ausgeschlossen werden, weil die Klägerin nach ihrer
unstreitigen Schilderung des Geschehensablaufs die Hand bereits vollständig an der Türklinke hatte. Auch der Einwand, bei
einer anderen Tür wären nicht dieselben schweren Gesundheitsschäden eingetreten, geht fehl. Nach dem schlüssigen Gutachten
des Prof. Dr. W. konnten bei der Klägerin zu keinem Zeitpunkt Unfallfolgen verifiziert werden. Die Handgelenksverrenkung war
bereits drei Wochen nach dem Unfall folgenlos ausgeheilt, die geklagten Beschwerden zu keinem Zeitpunkt durch ein morphologisches
Korrelat belegbar. Auch die zwei Arthroskopien erbrachten nur unfallunabhängige leichte degenerative Veränderungen im Radiocarpalgelenk.
Mangels Arbeitsunfalls besteht somit kein Anspruch auf Feststellung von Unfallfolgen und Verletztenrente, abgesehen davon,
dass nach dem Gutachten von Prof. Dr. W. überhaupt keine Unfallfolgen vorliegen und die Feststellung einer rentenberechtigenden
MdE ohnehin ausscheidet.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen angesichts der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht vor, §
160 Abs.
2 SGG.