Anspruch auf Beschädigtenversorgung nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz; Kein entschädigungspflichtiger Angriff
bei bloßem Heimaufenthalt
Tatbestand
Die Beteiligten streiten wegen einer Beschädigtenversorgung nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG).
Der am 21. Mai 1952 geborene Kläger hatte mehrere Studiengänge belegt, wobei er einen mit einem Diplom abschlossen; er ist
jedoch nie einer Erwerbstätigkeit nachgegangen. Wegen der Festnahme seiner mittlerweile im August 2014 verstorbenen Mutter
am 2. April 1955 und deren anschließender Inhaftierung in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) war er ab
diesem Datum bis längstens 20. November 1958 in einem Kinderheim in P. untergebracht. Danach befand er sich, bis zur Entlassung
seiner Mutter im Jahre 1959, in der Obhut seiner Großmutter, die zuvor ebenfalls inhaftiert war. Die Einweisung in das Kinderheim
wurde durch Beschluss des Landgerichts P. vom 30. September 2010 (Az. BRH 97/09) für rechtsstaatswidrig erklärt und aufgehoben.
Wegen des Freiheitsentzuges erhält der Kläger eine besondere Zuwendung nach § 17a des StrRehaG in Höhe von monatlich 250 €, beginnend mit dem 1. Dezember 2010 (Bescheid des Präsidenten des Landgerichts P. vom 13. Dezember
2011).
Am 9. Juni 2009 beantragte der Kläger beim Beklagten unter anderem die Gewährung einer Beschädigtenversorgung nach dem StrRehaG mit der Begründung, wegen der ihm in dem Kinderheim zugefügten Behandlung sowie wegen der Isolierung und Traumatisierung
habe er bleibende psychische Schäden erlitten, die sich sein ganzes weiteres Leben hindurch negativ ausgewirkt hätten. Da
er deswegen nie zu einer festen Berufsausübung gelangt sei, erscheine ihm eine "Opferpension" angemessen.
Nach dem Schreiben der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR vom 11. Januar
2011 hätte sich aus den maßgeblichen Unterlagen kein Hinweis auf Ausschließungsgründe nach § 16 Abs. 2 StrRehaG ergeben.
Auf schriftliche Anfrage des Beklagten bei P. T., der zur selben Zeit wie der Kläger im selben Kinderheim untergebracht war,
teilte dieser mit, dass er nur gute Erinnerungen an den Aufenthalt habe. Alle Erzieher hätten stets versucht, das Leben der
Heimkinder so normal wie möglich zu gestalten. Sie seien immer für die Kinder ansprechbar gewesen, hätten die Freizeit mit
ihnen verbracht und diesen bei Schulaufgaben geholfen. In den Ferien sei viel mit den Kindern unternommen worden, etwa Zelten,
Baden, Wandern, Schlittschuhlaufen, Rodeln und Reisen im Austausch mit anderen Kinderheimen. Nach seiner Erinnerung seien
die Kinder alle gleich gut behandelt worden und untergebracht gewesen. Diese seien medizinisch mittels Vorsorgeuntersuchungen,
Zahnarztbehandlungen und notwendigen Therapien sehr gut betreut worden. Sie hätten auch genügend zu trinken und zu essen bekommen.
Der Beklagte ließ sich Berichte über stationäre Aufenthalte des Klägers im Psychiatrischen Landeskrankenhaus E. (heute: Zentrum
für Psychiatrie E.) vom 22. Dezember 1975 (stationär vom 31. Oktober bis 7. November 1975 bei hebephrener Psychose und LSD-Abusus),
vom 1. März 1977 (stationär vom 26. Dezember 1976 bis 9. Januar 1977 bei Verdacht auf maniforme Psychose und schwere neurotische
Entwicklungsstörung), vom 3. Januar 1979 (stationär vom 27. September bis 9. November 1978 bei Hebephrenie) und vom 27. April
1992 (stationär vom 12. bis 13. März 1992 bei aggressivem Erregungszustand bei bekannter Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis)
vorlegen. Unterlagen über einen stationären Aufenthalt des Klägers in der Kinderklinik des Universitätsklinikums F. Anfang
der 1960er Jahre waren nach dortiger Auskunft bereits nach dreißig Jahren entsorgt worden.
Weiterhin zog der Beklagte ein nervenärztliches Gutachten von Dr. S. vom 7. April 1988 für die Erste Strafkammer des Landgerichts
L. bei, welches auf eine stationäre Untersuchung des Klägers in der P. L. vom 11. bis 16. März 1988 sowie Befragung seiner
Mutter hin erstattet worden war. In dem Gutachten wurde auf ein Gutachten des P. Landeskrankenhauses E. vom 25. Februar 1979
verwiesen, wonach beim Kläger mit Sicherheit eine Hebephrenie vorliege. Weiterhin wurde Bezug genommen auf eine ärztliche
Stellungnahme von dort vom 16. September 1982, wonach Personen, die an Erkrankungen aus der Gruppe der Schizophrenien litten,
insbesondere von der Ausprägungsart, wie sie beim Kläger vorhanden sei, zu Chronizität und zur Ausbildung irreparabler Persönlichkeitsdefekte
neigten. Trotz für die Zeit von Dezember 1984 bis Anfang 1985 angegebener depressiver Verstimmungszustände und insbesondere
für die Zeit einer Reise durch das Königreich Marokko geschilderter Angst- und Verfolgungsideen kam Dr. S. zu dem Ergebnis,
der Kläger leide seit Jahren an einer chronisch produktiven Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis.
Nach dem versorgungsärztlichen Gutachten nach Aktenlage von Dr. V. vom 17. Juni 2011 sei beim Kläger spätestens seit dem 16.
Lebensjahr eine schwere psychiatrische Erkrankung in Form einer hebephrenen Schizophrenie beschrieben worden. Zusätzlich werde
im weiteren Lebensverlauf immer wieder von einem Missbrauch verschiedenster Suchtmittel berichtet. Nach der aktuellen wissenschaftlichen
Literatur werde hinsichtlich der Entstehung der psychiatrischen Erkrankung von einer multifaktoriellen Genese ausgegangen.
Ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang mit der Unterbringung in dem Kinderheim könne aus versorgungsärztlicher Sicht nicht
hergestellt werden.
Daraufhin stellte der Beklagte mit Bescheid vom 24. August 2011 fest, dass der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung von Beschädigtenversorgung
nach dem StrRehaG hat. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang der vom Kläger beklagten Gesundheitsstörungen
mit der Unterbringung in dem Kinderheim nach den Ausführungen des Versorgungsarztes nicht hergestellt werden könne. Die beim
Kläger beschriebene Psychose sei eine solche, die typischerweise im Jugendalter beginne. Aus den vorliegenden Berichten gehe
hervor, dass der Kläger als Kind Verhaltensauffälligkeiten gezeigt habe. Seine Mutter habe von einem "Knick" im sechzehnten
Lebensjahr berichtet. Spätestens seit dieser Zeit leide der Kläger an einer schweren psychiatrischen Erkrankung in Form einer
hebephrenen Schizophrenie. Zusätzlich werde im weiteren Lebensverlauf immer wieder von einem Missbrauch verschiedenster Suchtmittel
berichtet. Daher könne weder die frühe Trennung von der Mutter noch der Kinderheimaufenthalt als wesentliche Ursache für die
vorliegende Psychose angesehen werden.
Hiergegen erhob der Kläger am 12. September 2011 mit der Begründung Widerspruch, es könne nicht einfach darüber hinweggegangen
werden, dass seine schon in der DDR von seiner Großmutter und den dortigen Ärzten festgestellten traumatischen Schädigungen,
die er zweifellos durch den Heimaufenthalt erlitten habe, mit jenen Faktoren in Zusammenhang stünden, die später zum Ausdruck
der für ihn klar dokumentierten Erkrankungen führten. Wegen Schulschwierigkeiten, sozialen Angstsyndromen, Bettnässen und
unangepasstem Sozialverhalten sei schon Anfang der 1960er Jahre ein zweiwöchiger Aufenthalt in der Kinderklinik des Universitätsklinikums
F. erforderlich geworden. Zu diesem Zeitpunkt sei er nicht sechzehn, sondern allenfalls neun Jahre alt gewesen. Es widerspreche
im Übrigen allen Erfahrungssätzen der Psychotherapie, insbesondere der Psychoanalyse, und den meisten psychiatrischen Theorieansätzen,
beim Ausbruch einer so schweren Psychose, wie sie bei ihm vorliege, eine frühkindliche Genese der Ursachenfaktoren einfach
zu negieren. Es handele es sich nicht um eine Störung, die erst im Erwachsenenalter aufgetreten sei, sondern um eine Symptomatik,
die sich kontinuierlich seit seiner Entlassung aus dem Kinderheim entwickelt habe.
Daraufhin holte der Beklagte ein psychiatrisches Gutachten bei Dr. S. vom 18. September 2012 ein, welches diese auf ambulante
Untersuchungen des Kläger am 23. und 30. März 2012 hin erstattete. Im Hinblick auf die vielen lebensgeschichtlichen Belastungen
sei das bestehende Krankheitsbild als multifaktoriell anzusehen. Über die ersten Lebensjahre des Klägers sei wenig bekannt.
Erinnerungen an diese Zeit habe er verständlicherweise keine. Auch an die erste Zeit im Kinderheim könne er sich nicht erinnern,
erst an diejenige, in der die Großmutter ihn dort besucht habe. Die Erinnerungen an Geschehnisse davor stammten aus Überlieferungen.
Negative Erzählungen oder Erinnerungen an den Kinderheimaufenthalt gebe es keine. Der Kläger habe, soweit er dies habe in
Erfahrung bringen können, keine körperlichen oder seelischen Misshandlungen erfahren. Die Erziehungspersonen seien gutwillig
und bemüht, aber auch überfordert und überlastet gewesen. Geschlafen worden sei in großen Schlafsälen mit bis zu zwanzig Betten.
Der einzige Rückzugsort sei das Bett gewesen. Diese Darstellung werde im Großen und Ganzen bestätigt durch eine andere Person,
die dort zeitgleich betreut worden sei. Nach der Haftentlassung von Mutter und Großmutter habe der Kläger zunächst mit beiden
in P. gelebt. Es sei wohl zunehmend zu Auseinandersetzungen zwischen der Mutter und der Großmutter gekommen, weshalb der Kläger
mit seiner Mutter in die Nähe von F. gezogen sei, wo auch die Einschulung stattgefunden habe. Die Großmutter sei zwei Jahre
später ebenfalls umgezogen und zwar in die Nähe von Heidelberg. Sie habe weiter großen Einfluss auf den Kläger und dessen
Mutter gehabt. Letztere habe Schwierigkeiten mit dem Kläger beschrieben, die nach seiner Rückkehr aus dem Kinderheim aufgetreten
seien, insbesondere nächtliches Einnässen. Er habe angegeben, an diesem Problem bis zum dreizehnten Lebensjahr gelitten zu
haben; aus einem Klinikbericht ergebe sich demgegenüber eine Dauer bis zum sechzehnten Lebensjahr. Zwischen dem Kläger und
seiner Mutter werde in den Berichten des Psychiatrischen Landeskrankenhauses E. eine ambivalente Symbiose beschrieben. Während
der Schulzeit sei der Kläger Außenseiter gewesen. In der Schule sei er nicht gut gewesen. Er habe sich geprügelt. Auf dem
Gymnasium habe er eine Klasse wiederholen müssen. Die Mutter beschreibe einen "Knick", den der Kläger im sechzehnten Lebensjahr
gehabt habt. Er sei in die "Szene" nach F. gezogen. Trotz einer langen behandlungsbedürftigen Tuberkulose, die es ihm nicht
ermöglicht habe, sich gut auf das Abitur vorzubereiten, habe er dieses schlussendlich bestanden. Die Beziehung zur Mutter
sei ambivalent geblieben. Sie habe ihn mehrfach in das Psychiatrische Landeskrankenhaus E. einweisen lassen, aber auch immer
wieder für seine Entlassung gesorgt. In dieser Zeit sei es zu erheblichem Drogen- und Alkoholkonsum sowie zu psychotischem
Erleben gekommen, was als hebephrene Schizophrenie interpretiert worden sei. Der Kläger habe schließlich sein Studium mit
der Diplomarbeit erfolgreich abgeschlossen. Eine dauerhafte Stelle, die ihm finanzielle Sicherheit geboten hätte, habe er
allerdings nicht gefunden. In diese Zeit fielen eine Eheschließung und die Geburt seiner zwei Töchter, zu denen es allerdings
nicht gelungen sei, einen stabilen Kontakt aufzubauen. Ebenso wenig habe er eine stabile Partnerbeziehung führen können, wobei
der Kläger als Grund für alles widrige Umstände und Intrigen, die gegen ihn gesponnen worden seien, angeführt habe. Nach dem
Tod der Großmutter sei einzig die ambivalente, nur bedingt verlässliche Beziehung zur Mutter geblieben, die bis aktuell andauere.
Der Kläger sei wegen Drogendelikten im Hinblick auf seine Schuldfähigkeit im April 1988 psychiatrisch im P. L. begutachtet
worden. Bei den Testungen sei eine überdurchschnittliche Intelligenz festgestellt worden. Dem Kläger sei es gleichwohl bis
aktuell nicht gelungen, langfristig einer Tätigkeit nachzugehen, die ihn ernähre. Es fänden sich viele Brüche sowie angefangene
und nicht abgeschlossene Projekte. Einzig ein Enthüllungsbuch mit der eigenen verschlüsselten Lebensgeschichte, welches der
Kläger unter Pseudonym geschrieben habe, sei von ihm beendet worden. Aktuell lebe er von Sozialhilfe und Gelegenheitsjobs.
In seiner Lebensgeschichte fänden sich erhebliche belastende Faktoren. Begonnen mit dem Vorhandensein psychischer Erkrankungen
in der Familie als Vulnerabilitätsfaktor für psychische Erkrankungen, seien ein bereits vor Geburt nicht mehr existenter Vater,
der ihn ablehne, eine enge, aber auch symbiotische Großmutter-, Mutter- und Enkel-Beziehung sowie eine ambivalente, nur bedingt
verlässliche Mutter-Sohn-Beziehung, in der der Kläger wegen der Probleme und psychischen Verfassung der Mutter nur eingeschränkt
emotionale Geborgenheit, Schutz sowie wohlwollende, stabile Grenzen und Sicherheit habe erfahren können, hinzugekommen. Dies
habe die zeitweise enge Beziehung zur Großmutter nur bedingt kompensieren können. Ab etwa dem sechzehnten Lebensjahr sei eine
beginnende psychotische Entwicklung, eventuell im Zusammenhang mit Drogenerfahrungen, die zumindest im weiteren Leben eine
Rolle gespielt hätten, zu erkennen. Als weitere erhebliche Belastung sei die Unterbringung in einem Kinderheim im dritten
bis siebten Lebensjahr aufgrund der Haftstrafen von Mutter und Großmutter zu nennen. Wegen dieser vielen lebensgeschichtlichen
Belastungen sei das bestehende Krankheitsbild als multifaktoriell anzusehen. Deswegen könne im Kinderheimaufenthalt weder
die alleinige noch die wahrscheinlichste Ursache für das Beschwerdebild gesehen werden. Mit Sicherheit sei der Aufenthalt
im Kinderheim, bei der angegebenen Sauberkeitserziehung bis zum dritten Lebensjahr, eine wesentliche Ursache für das nächtliche
Einnässen gewesen. Jedoch sei die Dauer des Einnässens bis zum dreizehnten beziehungsweise sechzehnten Lebensjahr wiederum
multifaktoriell bedingt gewesen. Eine Anerkennung von Schädigungsfolgen nach dem StrRehaG könne nicht empfohlen werden.
Der Widerspruch wurde, gestützt auf die Ausführungen im Gutachten von Dr. Schlecker, mit Widerspruchsbescheid vom 10. April
2013 zurückgewiesen.
Hiergegen hat der Kläger am 8. Mai 2013 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Dort ist ihm am 15. Oktober 2013 Akteneinsicht gewährt worden. Zur Begründung seiner Klage hat er ausgeführt, das
Gutachten, worauf sich der Beklagte zur Ablehnung einer Beschädigtenversorgung nach dem StrRehaG stütze, sei unzulänglich. Wichtige Tatbestände und Umstände hätten von ihm nicht genannt und eingebracht werden können, die
aber zur Ergänzung des psychologischen Gutachtens erforderlich gewesen wären. Denn er leide sein ganzes Leben lang an einer
posttraumatischen Belastungsstörung nach einem fast vierjährigen Aufenthalt in einem Kinderheim in der ehemaligen DDR im Alter
zwischen zwei und sechseinhalb Jahren, der wichtigsten Entwicklungsepoche für ein Kind. Auch zu einer ab dem Alter von sieben
Jahren einsetzenden Übertragungspsychose von Seiten seiner Mutter, die extrem beschädigt aus mehrjähriger Haft zurückgekehrt
sei, sei in diesem Kontext offenbar nichts eruiert, reflektiert oder bedacht worden. Dokumente, die ihre dominanten Eingriffe
in all seine Lebensumstände belegten, seien nicht herangezogen worden. Seine Mutter sei wegen einer psychischen Störung seit
1978 vom Dienst als Lehrerin an einer Grund- und Hauptschule suspendiert und in der Folge frühpensioniert worden. Die ablehnende
Verwaltungsentscheidung, gegen die er sich wende, habe sich auf frühere Aussagen seiner Mutter gestützt, wobei unklar bleibe,
welchen Akten diese entnommen und welchen Zeiträumen diese zugeordnet worden seien. Außer Betracht geblieben sei, dass gerade
seine Mutter in der symbiotischen Doppelbindung, in der sie zueinander gestanden hätten, die frühkindlichen Schädigungen ausgeweitet
und weiter verfestigt habe. Seine Mutter, die nach außen ständig die rationale Akademikerin herausgekehrt habe, habe sich
seit Ende der 1960er Jahre sozial dadurch geschützt, dass sie behauptete, er sei drogenkrank. In Wahrheit sei seine Sozialisation
nach dem siebzehnten Lebensjahr in Frankfurt am Main unter Aufsicht seiner evangelischen Patentante drogenfrei verlaufen und
habe auch geradlinig zum Abitur an einem humanistischen Gymnasium geführt, obwohl er wegen einer Tuberkulose längere Zeit
stationär behandelt worden sei und in der Oberstufe ein halbes Jahr nicht habe am Unterricht teilnehmen können. Trotz dieser
Fakten sei er bei diversen Klinikaufenthalten und in psychiatrischen Gutachten seit Mitte der 1970er Jahre als drogenabhängig
eingestuft worden. Daraus sei dann eine hebephrene Schizophrenie konstruiert worden. Diese schon ehedem unzureichende und
mangelhafte Diagnose sei in die aktuelle Bewertung eingeflossen.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat darauf hingewiesen, dass für das Begehren des Klägers nur schädigende
Einwirkungen während des Aufenthaltes im Kinderheim maßgeblich seien. Der Kläger sei dort im dritten bis siebten Lebensjahr
untergebracht gewesen. Nach versorgungsärztlicher Beurteilung sei die seit dem sechzehnten Lebensjahr beschriebene schwere
psychiatrische Erkrankung in Form einer hebephrenen Schizophrenie multifaktoriell entstanden. Selbst wenn die frühe Trennung
von der Mutter und der Aufenthalt im Kinderheim mit dazu beigetragen hätten, dass der Kläger später eine Psychose entwickelt
habe, an deren Symptomen er bis heute leide, könnten diese Umstände nicht als wesentliche Mitursachen angesehen werden.
Das SG hat ein psychiatrisches Gutachten nach Aktenlage bei Prof. Dr. E., Universitätsklinikum F. vom 11. April 2014 eingeholt.
Nach den Darstellungen in den Akten und den Symptombeschreibungen bliebe als Diagnose nach aktuell üblichen Diagnosesystemen,
also auch nach der internationalen Klassifikation psychischer Störungen der Weltgesundheitsorganisation, der ICD-10, nur die
Diagnose einer Schizophrenie, am ehesten vom Subtyp der Hebephrenie. Es würden seit etwa 1975 und zuletzt noch 2012 immer
wieder Denkzerfahrenheit, Wahneinfälle und Beziehungsideen, Verhaltensauffälligkeiten, negative Symptome sowie auch eine Affektverflachung
beschrieben. Der Kläger selbst bezweifle auch nicht das Vorliegen dieser Symptome. Die Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung,
also sich wiederaufdrängende Wiedererlebnisse früherer traumatischer Ereignisse, seien weder beschrieben noch vom Kläger jemals
angegeben worden. Demgegenüber habe er kundgetan, sich an die Zeit im Kinderheim nicht erinnern zu können. Der angegebene
Drogenkonsum könne eine Rolle bei der Entwicklung der Schizophrenie gespielt haben, es handele sich aber nicht um eine Schizophrenie
im Rahmen einer Drogenabhängigkeit. Nach Aktenlage habe die Schizophrenie vielmehr einen eigenständigen Verlauf genommen.
Die Symptomatik sei nicht auf die Einwirkung einer psychotropen Substanz beschränkt.
Es bleibe zu prüfen, ob die Schizophrenie, die, abgesehen vom Bettnässen sowie den Ängsten oder Phobien im Kindes- und Jugendalter,
welche allerdings nicht mehr vorlägen, alle beschriebenen und beklagten Symptome erkläre, überhaupt Folge des Heimaufenthaltes
sein könne. Zunächst sei festzuhalten, dass es sich bei der Schizophrenie um eine körperlich begründbare, also eine organische
Störung handele. Diese sei nach heutigem Kenntnisstand so konzipiert, dass es sich nicht um eine Erkrankung handele, die durch
eine Fehlverarbeitung von Ereignissen, einen psychodynamischen Prozess oder ein fehlerhaftes Lernen ausgelöst werde. Eine
Schizophrenie bedürfe keines äußeren Ereignisses, also keiner Belastung. Eine genetische Belastung werde postuliert, wofür
die meisten Untersuchungen sprächen; etwa Zwillingsuntersuchungen, wonach über 80 % der eineiigen Zwillinge gleichsinnig oder
konkordant erkrankten, während dies bei zweieiigen Zwillinge seltener der Fall sei. Nach den Akten sei eine genetische Belastung
nicht ganz ausgeschlossen, wobei die erwähnte Haftpsychose der Mutter und deren Halluzinationen nicht sicher diagnostisch
eingeordnet werden könnten. Die Meinung, dass frühkindliche traumatische Erlebnisse zu einer Schizophrenie führen könnten,
gelte epidemiologisch als widerlegt. Dies treffe genauso für psychoanalytische Theorien zu. Auch wenn gelegentlich solche
Meinungen vertreten würden, so sei nie eine entsprechende Häufung der typischen Schizophrenien bei solchen Traumata angegeben
worden, nicht einmal bei der Untersuchung psychischer Folgen bei Kriegsbelastungen oder Lagerhaft. Unabhängig von der fehlenden
statistischen und epidemiologischen Absicherung, fehle auch der theoretische Hintergrund für eine solche Gehirnveränderung
durch Erlebnisse. Dies wäre aber für eine als wissenschaftlich begründet zu bezeichnende Kausalbeziehung erforderlich, um
nicht rein spekulativ vorzugehen oder mit geisteswissenschaftlich- interpretatorischen Maßnahmen zu versuchen, ein Krankheitsbild
wie die Schizophrenie zu verstehen. Im Ergebnis sei daher in psychiatrischer Hinsicht die Diagnose der Schizophrenie zu stellen,
am ehesten vom Subtyp der Hebephrenie. Ein früherer Substanzmissbrauch könne zusätzlich erwähnt werden, eventuell auch eine
frühere Angstsymptomatik und das Einnässen im Kindesalter. Die zuletzt angeführten Diagnosen seien aktuell aber nicht mehr
zu stellen. Der Aufenthalt in dem Kinderheim in der ehemaligen DDR gegen Ende des dritten bis zum beginnenden siebten Lebensjahr
stelle nicht mit Wahrscheinlichkeit eine rechtlich wesentliche Ursache für das Krankheitsbild der Schizophrenie dar. Dies
gelte auch für die Annahme einer Abhängigkeit oder eines Missbrauchs von psychotropen Substanzen. Bei der Schizophrenie handele
es sich, wie dargestellt, um eine Gehirnerkrankung mit postulierten neurobiologischen Veränderungen, zu der es keine ausreichend
begründete und widerspruchsfrei formulierte Theorie gebe, wie es aufgrund von psychosozialen Belastungen, wie sie ein Kinderheimaufenthalt
darstelle, zu solch einer Erkrankung kommen könne. Es seien vorliegend auch keine Belastungen nachgewiesen, die über diejenigen
des Heimaufenthaltes, des Verlustes der Eltern und der ungünstigen psychosozialen Umstände hinausgingen.
Nach vorheriger Anhörung der Beteiligten zur Verfahrensweise hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 3. September 2014 mit der Begründung abgewiesen, nach dem medizinischen Beweisergebnis
lasse sich nicht sagen, dass die beim Kläger bestehende Erkrankung mit Wahrscheinlichkeit rechtlich wesentlich auf die dreieinhalb
Jahre andauernde Heimunterbringung zurückzuführen sei. Im Einklang mit der Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen
Prof. Dr. E. sei von einer psychischen Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis im Sinne einer Hebephrenie auszugehen.
Diese Gesundheitsstörung sei im zeitlichen Verlauf seit 1977 bei vielen Gelegenheiten diagnostiziert worden. Die aktenkundigen
ärztlichen Äußerungen beruhten durchgehend auf Erkenntnissen, die entweder während stationärer Behandlungen oder bei persönlichen
Untersuchungen im Rahmen einer Begutachtung gewonnen worden seien. Insbesondere die Gutachten von Dr. S. und Dr. S. enthielten
ausführliche und trotz des zeitlichen Abstandes im Wesentlichen übereinstimmende Angaben zur lebensgeschichtlichen Anamnese
und zur Entwicklung der Beschwerden, einschließlich einer detaillierten Beschreibung der psychopathologischen Befunde. Auf
dieser umfangreichen Grundlage habe Prof. Dr. E. nochmals überzeugend und im Einklang mit der Beurteilung vorbehandelnder
und vorbegutachtender Personen eine Schizophrenie im Sinne einer Hebephrenie diagnostiziert. Das Gericht habe keinen Zweifel
daran, dass diese Beurteilung zutreffe. Die vom Kläger in den Raum gestellte posttraumatische Belastungsstörung oder eine
relevante Depression als eigenständige Erkrankungen seien demgegenüber an keiner Stelle der umfangreichen medizinischen Unterlagen
erwähnt. Mangels jeglicher Anhaltspunkte in dieser Hinsicht sei von weiteren Ermittlungen insoweit abzusehen gewesen. Auch
hinsichtlich der Zusammenhangsbeurteilung sei Prof. Dr. E. zu folgen. Danach ließen sich Erkrankungen aus dem schizophrenen
Formenkreis nach medizinisch- wissenschaftlichen Grundsätzen nicht auf eine lebensgeschichtliche Belastung, wie sie ein Heimaufenthalt
darstellen könne, zurückführen. Vielmehr handele es sich um eine Gehirnerkrankung mit einer neurobiologischen Ursache. Das
Gericht gehe daher nicht von einer rechtlich wesentlichen Verursachung durch den Heimaufenthalt aus, zumal vorliegend eine
besondere psychische Belastung im Rahmen der Heimunterbringung gar nicht nachgewiesen sei. Der Kläger selbst habe angegeben,
sich an den Heimaufenthalt und die dortigen Zustände nicht erinnern zu können. Eine weitere Person, die auch in diesem Heim
untergebracht gewesen sei, habe den Heimaufenthalt in einem sehr positiven Licht geschildert. Unter diesen Umständen sei klar,
dass der Heimaufenthalt als Verursachungsbeitrag, sofern es sich überhaupt um eine multifaktorielle Erkrankung handele, in
Abwägung mit den anlagebedingten Ursachen einer Schizophrenie deutlich in den Hintergrund trete. Die vom Kläger angeführte
Übertragungspsychose durch die angeführte Schädigung der Mutter könne von vornherein nicht berücksichtigt werden, weil es
sich um ein nicht verfahrensgegenständliches anderes schädigendes Ereignis handele. Darüber hinaus könnten psychische Beeinträchtigungen
von nahen Familienangehörigen, die aufgrund veränderter Lebensumstände infolge ihrer Schädigung allmählich aufgetreten seien,
nach der Rechtsprechung nicht entschädigt werden.
Hiergegen hat der Kläger beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) am 30. September 2014 Berufung eingelegt und zur
Begründung einer posttraumatischen Belastungsstörung und einer klinisch- relevanten Depression, die wesentlich durch die Unterbringung
in dem Kinderheim verursacht worden seien, ein ärztliches Attest des Facharztes für Innere Medizin Dr. T. vom 24. September
2014 vorgelegt, wonach sich der Kläger seit Mitte 2008 bis Anfang 2014 wegen psychosomatischer Störungen, die seine Leistungsfähigkeit
und Lebensführung erheblich beeinträchtigten, in seiner ärztlichen Behandlung befunden habe. Darin ist weiter ausgeführt,
der Kläger habe über unspezifische, rezidivierende Symptome wie neuralgische Schmerzen in den Extremitäten und in der Halswirbelsäule,
chronische Ermüdungserscheinungen, erhebliche Schlafstörungen sowie ausgeprägte depressive und psychotische Stimmungslagen
geklagt. Konsekutiv habe dies zu einer allgemeinen Leistungsschwäche, Konzentrationsschwierigkeiten und einer erheblichen
Antriebsstörung, insbesondere am Morgen nach dem Erwachen, geführt. Nach regelmäßigen Gesprächstherapien sowie einer integrativen
Behandlung im Rahmen der traditionellen chinesischen Medizin habe die Erkrankung vorerst eine Stabilisierung erfahren. Die
Gesamtsituation habe sich als leicht gebessert dargestellt. Phasenweise sei es gleichwohl zu Rückfällen gekommen, die als
zyklisch rezidivierende depressive Störungen zu klassifizieren seien. Im weiteren Verlauf habe sich zudem herausgestellt,
dass der Kläger an neurotischen Störungen wie einer mittelschweren Agoraphobie und sozialen Phobien erkrankt sei. Ferner habe
er an weiteren Stressreaktionen gelitten. Zu nennen seien ein anlassloses Schwitzen, welches schon bei geringer physischer
oder psychischer Belastung auftrete, sowie gelegentliche Wahrnehmungsstörungen und eine Desorientiertheit. Insgesamt handele
es sich um eine posttraumatische Belastungsstörung. Diese sei Folge der Heimsituation während des dritten bis siebten Lebensjahres
des Klägers. Die über mehrere Jahre andauernde traumatische Lebenslage in einer der wichtigsten frühkindlichen Entwicklungsphasen
habe bis in die Gegenwart wirkende Störungen im Verhalten und bei der Kognition hervorgerufen. Hierdurch seien schwerwiegende
Folgen in Bezug auf die sozialpsychologische und physische Situation eingetreten.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 3. September 2014 sowie den Bescheid vom 24. August 2011 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 10. April 2013 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm Beschädigtenversorgung nach
dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz zu gewähren,
hilfsweise, Unterlagen der Kinderklinik des Universitätsklinikums F. im Breisgau über seinen vermutlich dreiwöchigen Untersuchungs-
und Behandlungsaufenthalt im Sommer 1961 zum Nachweis einer posttraumatischen Belastungsstörung beizuziehen,
hilfsweise, die Dienstakte seiner verstorbenen Mutter zum Nachweis der Tatsache, dass sie ihre eigene bipolare Störung an
ihm abgearbeitet und ihn zu Unrecht als schizophrenen Drogensüchtigen bezeichnet habe, beizuziehen,
hilfsweise, seinen Vetter J. H., H. (Schweden) und seine Stiefgroßmutter E. H., Seniorenwohnen, K., B. 15, H. A 708, M.,
als Zeugen zum Beweis der Tatsache, dass er nach der Heimentlassung einen stark beschädigten Eindruck gemacht habe, zu vernehmen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er erachtet die fachfremden Ausführungen des den Kläger behandelnden Internisten als nicht geeignet, das fachpsychiatrische
Gutachten von Prof. Dr. E. stichhaltig zu widerlegen, weshalb die Berufung nicht begründet sei.
Das Prozesskostenhilfegesuch für das Berufungsverfahren ist mit Beschluss des Senats vom 15. Januar 2015 abgelehnt worden.
Dem Kläger ist am Tag der mündlichen Verhandlung am 26. Februar 2015 beim LSG erneut Akteneinsicht gewährt und er ist angehört
worden. Hinsichtlich der Einzelheiten seiner Ausführungen wird auf die Niederschrift vom gleichen Tag Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider
Instanzen sowie die Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die nach §
151 Abs.
1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere statthafte Berufung (§§
143,
144 Abs.
1 Satz 2
SGG) des Klägers ist unbegründet. Die angefochtene Verwaltungsentscheidung vom 24. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 10. April 2013 ist rechtmäßig und verletzt ihn nicht in seinen Rechten. Das SG hat daher die zutreffend als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§
54 Abs.
1 und 4
SGG) erhobene Klage zu Recht abgewiesen.
Unabhängig davon, ob der Kläger mit seinem Antrag vom 9. Juni 2009 nicht nur Leistungen nach dem StrRehaG, sondern auch nach dem Häftlingshilfegesetz (HHG) geltend gemacht hat, ist vorliegend allein § 21 Abs. 1 Satz 1 StrRehaG maßgebend. Denn nach § 23 Abs. 1 StrRehaG wird, wenn Ansprüche aus § 21 StrRehaG mit Ansprüchen aus § 1 BVG oder aus anderen Gesetzen zusammentreffen, die - wie § 4 Abs. 1 HHG bei einer gesundheitlichen Schädigung infolge Gewahrsams - eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) vorsehen, die Versorgung unter Berücksichtigung des durch die gesamten Schädigungsfolgen bedingten Grades der Schädigungsfolgen
nach dem StrRehaG gewährt.
Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 StrRehaG erhalten Betroffene, die infolge der Freiheitsentziehung eine gesundheitliche Schädigung erlitten haben, wegen der gesundheitlichen
Folgen dieser Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung des BVG.
Die anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmale - eine in Folge der rechtsstaatswidrigen Freiheitsentziehung erlittene gesundheitliche
Schädigung und die gesundheitlichen Folgen dieser Schädigung - müssen nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren an die richterliche
Beweiswürdigung und Überzeugungsbildung zu stellenden Anforderungen voll bewiesen sein. Dagegen genügt nicht nur zur Anerkennung
einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung, also für die haftungsausfüllende Kausalität (§ 21 Abs. 5 Satz 1 StrRehaG), sondern auch bereits für die haftungsbegründende Kausalität zwischen der rechtsstaatswidrigen Freiheitsentziehung und der
gesundheitlichen (Erst-)Schädigung die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs (vgl. BSG, Urteil vom 15. Dezember 1999 - B 9 VS 2/98 R -, SozR 3-3200 § 81 Nr. 16; Rademacker, in Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 2012, § 21 StrRehaG Rz. 5 und Knickrehm, in dies., a.a.O., § 1 BVG Rz. 30 f.).
Vorliegend ist ein Zusammenhang zwischen dem Kinderheimaufenthalt des Klägers vom 2. April 1955 bis längstens 20. November
1958, der einzig für die tatbestandlich ausschließlich genannte Freiheitsentziehung als Ursache in Betracht kommt, und einer
von ihm geltend gemachten gesundheitlichen (Erst-)Schädigung, soweit sie wie die Schizophrenie überhaupt im Vollbeweis feststeht,
nicht wahrscheinlich. Der Senat folgt insoweit den zutreffenden Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheides des SG vom 3. September 2014 und sieht nach §
153 Abs.
2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
Soweit der Kläger im Berufungsverfahren ein Attest des Facharztes für Innere Medizin Dr. Thongbhoubesra vom 24. September
2014 zum Nachweis dafür vorgelegt hat, dass bei ihm eine Posttraumatische Belastungsstörung und eine klinisch relevante Depression
vorliegen, so sind diese psychischen Erkrankungen, nämlich eine derartige Belastungsstörung (ICD-10 F 43.1) und eine rezidivierende
depressive Störung (ICD-10 F 33.2) zwar von diesem - insoweit fachfremd - diagnostiziert worden. Diese Gesundheitsstörungen
stehen hingegen nicht im Vollbeweis fest.
Dr. T. hat geschildert, dass beim Kläger im therapeutischen Gespräch Erinnerungsspuren aufgetaucht seien und er sich in Albträumen
plastisch an Situationen erinnert habe, die mit Ängsten angefüllt gewesen seien, die ihn als Kleinkind erfasst hätten, nachdem
er im Kinderheim eingeliefert worden sei. Dadurch sei deutlich geworden, dass er auf die Heimeinlieferung mit extremen Verlust-
und Verlassenheitsängsten reagiert habe und ihm auch einige Gewalterfahrungen und Misshandlungen erinnerlich geworden seien.
Als Facharzt für Innere Medizin ist es Dr. T. mangels ausreichender Fachkunde allerdings nicht möglich, zu beurteilen, inwieweit
diese "Erinnerungen" auf tatsächlichem Erleben oder demgegenüber auf den Vorstellungen des Klägers, der seit Jahren seinen
Heimaufenthalt als Ursache seiner psychiatrischen Erkrankung ansieht, oder Erzählungen anderer Personen beruhen. Es fehlt
zudem eine kritische Auseinandersetzung damit, ob diese "Erinnerungen" möglicherweise Ausfluss eines psychotischen Erlebens
sind. Demgegenüber ist Prof. Dr. E. darin zuzustimmen, dass sich den in den Verwaltungs- und erstinstanzlichen Gerichtsakten
enthaltenen ärztlichen Unterlagen keine ausreichenden typischen Symptome einer Posttraumatischen Belastungsstörung, wie etwa
sich aufdrängende Wiedererlebnisse früherer traumatischer Ereignisse, entnehmen lassen. Vielmehr hat der Kläger immer wieder
vorgetragen, sich an die Zeit im Kinderheim nicht mehr erinnern zu können, was in Anbetracht seines damals jungen Alters nachvollziehbar
ist. Auch hat er diese Angabe noch gegenüber Dr. Schlecker bei der Untersuchung im März 2012 gemacht und damit während des
Zeitraumes seiner von Mitte 2008 bis Anfang 2014 dauernden Behandlung bei Dr. T.. So hat der Kläger ihm gegenüber angegeben,
alle Erinnerungen an seine Kindheit im Kinderheim verloren zu haben. Er habe nur von Erzählungen der Mutter berichtet, wonach
er geschrien und im Kinderheim Schäden erlitten habe. Weiter habe er geschildert, ihm sei gesagt worden, die Heimbetreuerinnen
und die Leiterin seien verständnisvoll gewesen. Somit ergeben sich auch nach den Ausführungen im Gutachten von Dr. S. vom
18. September 2012 keine hinreichenden Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Posttraumatischen Belastungsstörung.
Abschließend verweist der Senat darauf, dass einer Posttraumatischen Belastungsstörung definitionsgemäß ein oder mehrere belastende
Ereignisse von außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophalem Ausmaß (Trauma) vorangehen, hierfür als weder ein bloßer Heimaufenthalt
oder die frühkindliche Trennung der Mutter ausreichen. Der Kläger hat auch keinerlei traumatische Erlebnisse aus der Zeit
seines Aufenthaltes im Kinderheim geschildert, sich vielmehr nicht selbst daran erinnern können und auch die Ermittlungen
seitens des Beklagten haben nichts Richtungsweisendes ergeben. Die Angaben von P. T., der zur selben Zeit wie der Kläger im
selben Heim untergebracht war, belegen sogar das Gegenteil und entsprechen dem, was der Kläger über das Heim in Erfahrung
bringen konnte, nämlich dass man ihm verständnisvoll begegnet ist. Deswegen fehlt es zudem an jeglichem Anknüpfungspunkt für
die Entwicklung einer Posttraumatischen Belastungsstörung aufgrund des Heimaufenthaltes. Dieser war nur schlicht rechtswidrig.
Der Senat hat deswegen den auf die Feststellung einer Posttraumatischen Belastungsstörung gerichteten, hilfsweise gestellten
Beweisantrag des Klägers, mit dem er hierfür Unterlagen der Kinderklinik des Universitätsklinikums F. beigezogen haben wollte,
abgelehnt. Denn es kommt nur darauf an, ob die Gesundheitsstörung aktuell im Vollbeweis vorliegt. Dessen ungeachtet handelt
es sich um einen reinen Ausforschungsbeweis. Der Kläger meint der Formulierung in einem Brief seiner Mutter vom 15. Juli 1961
"er sei wieder draußen" zu entnehmen, es werde über einen Aufenthalt in dieser Klinik im Sommer 1961 berichtet. Der Kläger
kann jedoch weder die ihn damals behandelnden Ärzte noch die gestellten Diagnosen benennen, sondern mutmaßt diese, was keinen
ausreichenden Anknüpfungspunkt für weitere Ermittlungen bietet, zumal die Aufbewahrungsfrist für solche medizinischen Unterlagen,
beginnend mit dem Abschluss der Behandlung, zehn Jahre beträgt (§ 10 Abs. 3 der Berufsordnung der Landesärztekammer Baden-Württemberg,
zuletzt geändert durch Satzung vom 17. September 2014, ÄBW S. 501). Dementsprechend hat auch die Kinderklinik des Universitätsklinikums
F. auf Nachfrage seitens des Beklagten mitgeteilt, dass Unterlagen über eine Behandlung in dieser Zeit mittlerweile vernichtet
worden sind.
Die Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung ist von Dr. T. gestellt worden, nachdem der Kläger unspezifische Schmerzen,
chronische Ermüdungserscheinungen bei erheblichen Schlafstörungen und ausgeprägte depressive beziehungsweise psychotische
Stimmungslagen bei sich beklagt habe, was zu einer allgemeinen Leistungsschwäche, Konzentrationsschwierigkeiten und erheblicher
Antriebsstörung führe. Eine Depression ist jedoch nie von einer Fachärztin oder einem Facharzt für Psychiatrie diagnostiziert
worden, obwohl der Kläger unter anderem bei einer fünftägigen stationären Begutachtung im März 1988 für den Zeitraum von Dezember
1984 bis Anfang 1985 depressive Verstimmungszustände angegeben hatte. Der Senat ist daher überzeugt, dass beim Kläger entsprechend
den fachärztlichen Bewertungen keine rezidivierende depressive Störung vorliegt, sondern einzig eine Schizophrenie. Die vom
Kläger mehrfach beschriebenen Symptome sind bedingt durch diese Erkrankung.
Darüber hinaus hat Dr. T. zwar angegeben, der Kläger leide an neurotischen Störungen wie einer mittelschweren Agoraphobie
und sozialen Phobien. Hingegen hat er diese Diagnosen bereits nicht mittels Diagnoseschlüssel spezifiziert und in Folge dessen
die Diagnosevoraussetzungen nicht näher begründet. Zudem sind zu keiner Zeit von einer Fachärztin oder einem Facharzt für
Psychiatrie solche Erkrankungen festgestellt worden, obwohl der Kläger unter anderem bei einer fünftägigen stationären Begutachtung
im März 1988 für den Zeitraum seines Aufenthaltes im Königreich Marokko im Jahr 1984 Angst- und Verfolgungsideen angegeben
hatte. Auch nach den Untersuchungen des Klägers durch Dr. S. am 23. und 30. März 2012 hat sich kein Anhalt für Phobien, Zwangsgedanken
oder Zwangshandlungen ergeben. Die vom Kläger neben Schlafstörungen mit Albträumen beschriebenen Konzentrationsstörungen,
Gedächtnisprobleme und Orientierungsstörungen sind von ihr im Untersuchungsgespräch nicht beobachtet worden. Die von der Mutter
des Klägers geschilderten Angstzustände hätten nach Einschätzung von Dr. S. vermutlich in direktem Zusammenhang mit psychotischem
Erleben gestanden. Somit haben die vom Kläger geschilderten und objektivierten Symptome wie Schlafstörungen mit Albträumen
und die Angst, verfolgt zu werden, Dr. S. nicht zur Diagnose einer Phobie veranlasst. Nach Überzeugung des Senats sind auch
diese Symptome Ausfluss der Schizophrenie.
Soweit der Kläger hilfsweise angeführt hat, er habe nach der Heimentlassung auf seine Mitmenschen einen stark beschädigten
Eindruck gemacht und hierfür zum einen sein Vetter J. H. und seine Stiefgroßmutter E. H. als Zeugen benannt worden sind und
zum anderen Fotos zur Inaugenscheinnahme übergeben worden sind, hat der Senat die hierdurch zu beweisende Tatsache als wahr
unterstellt. Dies deutet aber allenfalls auf ein Unglücklichsein des Klägers nach dem Heimaufenthalt hin, liefert jedoch noch
keinen Hinweis auf ein solches Ausmaß, bei welchem ein Krankheitswert anzunehmen wäre, insbesondere auf solche Gesundheitsschäden
auf psychiatrischem Fachgebiet wie sie der Kläger erlitten zu haben glaubt.
Die Schizophrenie, die demgegenüber einzig als Erkrankung auf psychiatrischem Fachgebiet nachgewiesen ist, steht nach den
überzeugenden Ausführungen von Prof. Dr. E. nicht mit Wahrscheinlichkeit im ursächlichen Zusammenhang mit dem Aufenthalt des
Klägers im Kinderheim vom 2. April 1955 bis längstens 20. November 1958. Bei dieser Gesundheitsstörung handelt es sich nach
den nachvollziehbaren Darlegungen des Sachverständigen um eine Gehirnerkrankung mit postulierten neurobiologischen Veränderungen
und nicht um eine Erkrankung, die durch eine Fehlverarbeitung von Ereignissen, einen psychodynamischen Prozess oder ein fehlerhaftes
Lernen ausgelöst wird. Epidemiologisch gilt es nach herrschender medizinisch- wissenschaftlicher Lehrmeinung zudem als widerlegt,
dass frühkindliche traumatische Erlebnisse zu einer Schizophrenie führen können. Somit hat durch den Kinderheimaufenthalt
bereits keine Einwirkung vorgelegen, die geeignet gewesen ist, zu einer Schizophrenie zu führen.
Der Senat hat schließlich den auf Beiziehung der Dienstakte seiner als Grund- und Hauptschullehrerin tätig gewesenen, mittlerweile
verstorbenen Mutter gerichteten, hilfsweise gestellten Beweisantrag des Klägers abgelehnt. Unabhängig davon, dass keine erforderliche
Einverständniserklärung nach §
4a Abs.
1 Bundesdatenschutzgesetz <BDSG> vorliegt und es außerordentlich fraglich ist, ob die Akte der nach den Angaben des Klägers 1978 dienstunfähig aus
dem Schuldienst ausgeschiedenen Mutter überhaupt noch aufbewahrt wird, kommt es für die Entscheidung nicht darauf an, ob diese
ihre eigene Hafterfahrung an ihm abgearbeitet hat. Denn maßgeblich für die Entschädigung ist nur der Heimaufenthalt des Klägers,
also etwa eine damit zusammenhängende Gewalteinwirkung oder die deswegen erfolgte Trennung von der Mutter als Ursache. Dessen
ungeachtet hat der Senat aufgrund des beigezogenen Gutachtens von Dr. S., das er im Wege des Urkundenbeweises verwertet hat,
keinen Zweifel daran, dass der Kläger Drogen konsumiert und seine Mutter ihm dies nicht bloß unterstellt hat. So gab er danach
selbst an, mit etwa zwanzig Jahren Haschisch geraucht und LSD, wenn auch wenig, konsumiert zu haben.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 SGG nicht vorliegen.