Unfallversicherungsrecht
Vorliegen eines Wegeunfalls
Haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität
Anforderungen an den Beweismaßstab
Hinreichende Wahrscheinlichkeit
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (Wegeunfall) streitig.
Die 1962 geborene Klägerin war 2012 als kaufmännische Sachbearbeiterin bei der W. GmbH in F. tätig. Sie erlitt am 10.02.2012
als Pkw-Fahrerin auf dem Weg von ihrer Arbeitsstelle nach Hause auf der Landstraße von H. in Richtung H. einen Verkehrsunfall.
Bei diesem, von der Polizei aufgenommenen Unfall fuhr ein anderer Pkw von hinten auf. Die Klägerin suchte erstmals am 14.02.2012
den Durchgangsarzt Dr. S. auf. Dieser diagnostizierte im Durchgangsarztbericht vom 14.02.2012 bei der Klägerin eine Prellung
der Finger im Bereich D 4 und D 5 sowie einen Verdacht auf HWS-Distorsion.
Der Arbeitgeber zeigte den Unfall am 29.02.2012 als Arbeitsunfall bei der Beklagten an und führte in der Unfallanzeige u.a.
aus, dass die Klägerin, um in eine Einbuchtung auf der linken Straßenseite einbiegen zu können, auf Grund des Gegenverkehrs
habe anhalten müssen. Der nachfolgende Pkw habe die Situation nicht erkannt und sei ungebremst aufgefahren.
Auf Nachfrage der Beklagten schilderte die Klägerin am 13.03.2012 das Unfallereignis wie folgt: "Ich wollte links in der Parkbucht
kurz anhalten, blinkte links und hielt an wegen Gegenverkehr. Der Fahrer hinter mir fuhr auf mich auf." Auf weitere Nachfrage
der Beklagten erklärte die Klägerin, dass sie in der Parkbucht habe anhalten wollen, um eine auf ihrem Mobiltelefon eingegangene
Nachricht (SMS) zu lesen. Hierfür hätte sie das Auto nicht verlassen müssen und habe geplant, nach dem Lesen der SMS weiterzufahren.
Die Beklagte entschied mit Bescheid vom 16.03.2014, dass sie die weiteren Kosten der medizinischen Behandlung der Klägerin
aufgrund des Unfalles vom 10.02.2012 nicht mehr übernehme, "weil die Voraussetzungen des Arbeitsunfalles nicht erfüllt" seien.
Zum Unfallzeitpunkt sei das Handeln der Klägerin nicht mehr auf die Zurücklegung des unmittelbaren Weges von der Arbeit nach
Hause gerichtet gewesen. Vielmehr sei der Unfall geschehen, weil die Klägerin aus privaten Gründen, nämlich um eine Nachricht
auf dem Mobiltelefon zu lesen, zum Abbiegen angehalten habe. Daher habe zum Zeitpunkt des Unfalls kein Unfallversicherungsschutz
mehr bestanden.
Hiergegen erhob die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten Widerspruch und trug vor, dass hier ein dem grundsätzlich dem persönlichen
Bereich zuzuordnendes Telefonieren bzw. Lesen einer SMS der betrieblichen Sphäre zuzuordnen sei, weil die Klägerin davon ausgegangen
sei, dass es sich um eine betriebliche Nachricht oder eine solche im Zusammenhang mit ihrer Arbeit gehandelt habe. Sie habe
zudem zum Unfallzeitpunkt den direkten Weg von ihrer Arbeitsstelle nach Hause nicht verlassen, sondern habe auf diesem angehalten,
um in eine Parkbucht zu fahren. Sie sei aber zum Unfallzeitpunkt noch nicht abgebogen. Im Übrigen sei das Parken in einer
Parkbucht minimal und nicht zu berücksichtigen. Die finale Handlungstendenz der Klägerin sei darauf gerichtet gewesen, den
Weg unverzüglich fortzusetzen, allerdings ohne eine Ordnungswidrigkeit zu begehen, die vorgelegen hätte, wenn sie das Telefon
im fahrenden Kraftfahrzeug benutzt hätte.
Auf Nachfrage der Beklagten teilte die Klägerin weiter mit, dass es sich bei dem Mobiltelefon um ihr privates gehandelt habe.
Sie habe damals aber über keine andere Telekommunikationsmöglichkeit verfügt, so dass die Telefonnummer auch beim Arbeitgeber
hinterlegt gewesen sei. Daher sei die Klägerin auch ohne weiteres davon ausgegangen, dass es sich bei "der SMS um einen Anruf
des Arbeitgebers gehandelt haben könnte" und sie habe dies überprüfen wollen. In diesem Zeitraum sei es auch üblich gewesen,
dass die Klägerin von ihrem Arbeitgeber über das Mobiltelefon kontaktiert worden sei.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 05.11.2014 als unbegründet zurück. Die Klägerin habe am 10.02.2012
auf dem Nachhauseweg eine SMS unbekannten Inhalts auf ihrem privaten Mobiltelefon erhalten und habe, um diese lesen zu können,
links in eine Parkbucht einbiegen wollen. Dies stelle eine deutliche Zäsur des versicherten Weges dar. Die Handlungstendenz
habe sich bereits durch das Anhalten vom Zurücklegen des Weges zum Lesen der SMS geändert. Der Weg unterscheide sich daher
sowohl nach seiner Zielrichtung als auch seiner Zweckbestimmung von dem zunächst zurückgelegten Arbeitsweg. Dass die SMS möglicherweise
berufliche Bezüge gehabt habe, sei nicht von Belang. Es handle sich um eine eigenwirtschaftliche Verhaltensweise, die nicht
versichert sei.
Hiergegen hat die Klägerin am 19.11.2014 Klage zum Sozialgericht (SG) Stuttgart erhoben und zur Begründung ihren bisherigen Vortrag wiederholt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 20.01.2016
hat die Klägerin auf Nachfrage erklärt, dass sie am Tag des Unfalles etwas früher aufgehört habe zu arbeiten, da sie an diesem
Tag einen privaten Termin gehabt habe. In dieser Zeit sei in der Firma der Jahresabschluss gemacht worden. Sie habe deshalb
gedacht, dass ihr Chef sie habe erreichen wollen. Sie habe die SMS nach dem Unfall nicht mehr lesen können, da es defekt gewesen
sei. Angaben von ihrem Arbeitgeber darüber, dass er sie habe erreichen wollen, lägen nicht vor. Das SG hat die Klage mit Urteil vom selben Tag abgewiesen mit der Begründung, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Feststellung
ihres Verkehrsunfalles vom 10.02.2012 als einen bei der Beklagten versicherten Wegeunfall. Nach den Feststellungen des Gerichts
habe die Klägerin die Fahrt allein aus eigenwirtschaftlichen Gründen unterbrechen wollen. Diese Handlungstendenz eigenwirtschaftlicher
Art habe sich unmittelbar in dem objektiv nach außen beobachteten Verhalten, dem Blinken und Abbremsen des Fahrzeugs, geäußert.
Das Lesen einer SMS sei rein eigenwirtschaftlich. Gründe, diese Handlung ausnahmsweise zu versichern, lägen nicht vor. Die
Klägerin habe angegeben, dass es sich um ein privates Mobiltelefon gehandelt habe. Den Inhalt der SMS habe sie nie zur Kenntnis
nehmen können und auch vom Arbeitgeber lägen keine Angaben vor, dass er sie habe erreichen wollen. Die bloße subjektive Vorstellung
der Klägerin, dass es sich möglicherweise um eine SMS ihres Arbeitgebers gehandelt habe könnte, sei für die Bejahung des Versicherungsschutzes
nicht ausreichend.
Gegen das ihr am 04.02.2016 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 29.02.2016 Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen,
dass sie ihr privates Mobiltelefon auch dienstlich genutzt habe. Sie habe angehalten und abbiegen wollen, da sie der Meinung
gewesen sei, es könnte sich um eine wichtige Mitteilung ihres Arbeitgebers handeln. Es handele sich daher um einen Wegeunfall.
Die Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) im Bereich der Wegeunfälle seien variantenreich und zum Teil widersprüchlich. Sie gehe zudem nach wie vor davon aus, dass
die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid auch über die Feststellung eines Arbeitsunfalles mit entschieden habe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 20. Januar 2016 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 16. März 2014 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2014 aufzuheben und den Unfall der Klägerin vom 10. Februar 2012 als
versicherten Wegeunfall festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf die Ausführungen in den angefochtenen Entscheidungen und führt weiter aus, dass man davon ausgehe, dass im
streitgegenständlichen Bescheid auch Feststellungen zum (Nicht-)Vorliegen eines Arbeitsunfalles getroffen worden seien. Dies
habe auch das SG in seiner angefochtenen Entscheidung so gesehen.
Im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 11.01.2017 hat die Klägerin angegeben, dass es sich bei dem Handy um ihr privates
Mobiltelefon handle und dass sie dieses auch privat nutze, d.h. sie werde auf diesem Telefon auch privat kontaktiert. Es sei
aber mit dem Arbeitgeber vereinbart gewesen, dass er sie auf dem privaten Mobiltelefon anrufen dürfe, und er habe sie hierauf
auch zuvor kontaktiert. Es sei daher naheliegend, dass der Arbeitgeber versucht habe, sie vor dem Unfall zu erreichen. Weiter
hat sie erklärt, dass sie keine Behandlungskosten gehabt habe, die nicht von der Krankenversicherung übernommen worden seien.
Der Beklagtenvertreter hat hierzu mitgeteilt, dass die Krankenversicherung auch bereits Erstattungsansprüche geltend gemacht
habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen
Verwaltungsakte der Beklagten Bezug sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Die Beklagte und die Klägerin haben mit Schreiben vom 25.08.2017 bzw. 07.09.2017 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung
ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Entscheidungsgründe
Die gemäß §
151 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§
143,
144 SGG statthafte Berufung, über die der Senat im Eiverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung nach §
124 Abs.
2 SGG entscheiden konnte, ist zulässig, aber nicht begründet.
Das angefochtene Urteil des SG Stuttgart vom 20.01.2016 und Bescheid der Beklagten vom 16.03.2014 sowie der Widerspruchsbescheid
vom 05.11.2014 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die
Feststellung, dass der streitbefangene Unfall vom 10.02.2012 ein Arbeitsunfall war.
Das klägerische Begehren auf Feststellung, dass das Ereignis vom 10.02.2012 ein Arbeitsunfall war, ist als kombinierte Anfechtungs-
und Feststellungsklage (§§
54 Abs.
1,
55 Abs.
1 Nr.
1 SGG) zulässig. Nachdem die Beklagte die weitere Übernahme der Heilbehandlungskosten schon deshalb abgelehnt hat, weil kein Arbeitsunfall
vorliege, wollte die Klägerin mit der Klage zunächst nur die Anerkennung des Arbeitsunfalls erreichen, um darauf aufbauend
später gegebenenfalls Leistungen beantragen zu können. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG kann der Versicherte in einer solchen Situation die Grundlagen der in Frage kommenden Leistungsansprüche vorab im Wege einer
isolierten Feststellungsklage klären lassen (BSG, Urteil vom 28.04.2004 - B 2 U 21/03 R - SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 5101 Nr. 2, Rn. 24; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, 12. Auflage 2017, § 55 Rn. 13 b mit Verweis auf die ständige Rspr. des BSG), da ein berechtigtes Interesse des Versicherten an dieser Feststellung besteht, weil es die Vorfrage für die Entscheidung
der Beklagten über die zu gewährenden Leistungen darstellt. Das betrifft nicht nur die in §
55 Abs.
1 Nr.
3 SGG ausdrücklich vorgesehene Feststellung des ursächlichen Zusammenhangs einer Gesundheitsstörung mit einem Arbeitsunfall oder
einer Berufskrankheit (BK), sondern auch die Feststellung des Eintritts des Versicherungsfalls in Fällen, in denen bereits
das Vorliegen eines Arbeitsunfalls oder einer BK vom Versicherungsträger bestritten wird (BSG, Urteil vom 27.07.1989 - 2 RU 54/88 - SozR 2200 § 551 Nr. 35). Eine solche Feststellungsklage hat die Klägerin hier erhoben und allein hierüber hat das SG auch entschieden.
Die Beklagte hat im angefochtenen Bescheid die Anerkennung des Unfalls vom 10.02.2012 als Arbeitsunfall abgelehnt. Auch wenn
sich die Bindungswirkung eines Verwaltungsakts i.S. des §
77 SGG grundsätzlich auf den Verfügungssatz beschränkt (BSG, Urteil vom 20.11.1996 - 3 RK 5/96 - BSGE 79, 261 = SozR 3-2500 § 33 Nr. 21), kann einem Satz der Begründung eines Verwaltungsakts nach dem jeweils anzuwendenden materiellen
Recht eine solche Bedeutung zukommen, dass er unter Berücksichtigung der Interessen der Beteiligten als selbstständige Feststellung
im Sinne eines (weiteren) Verfügungssatzes zu werten ist (BSG, Urteile vom 17.05.2011 - B 2 U 18/10 R - BSGE 108, 194 = SozR 4-2700 § 6 Nr. 2; vom 20.11.1996 - 3 RK 5/96 - BSGE 79, 261 = SozR 3-2500 § 33 Nr. 21; und vom 30.01.1990 - 11 RAr 47/88 - BSGE 66, 168, 173 = SozR 3-2400 § 7 Nr. 1). Vorliegend hat die Beklagte zwar im Verfügungssatz zunächst nur die weitere Übernahme der
Heilbehandlungskosten abgelehnt und nur zur Begründung ausgeführt, dass die Ablehnung erfolge, weil nach ihrer Auffassung
bereits kein Arbeitsunfall gegeben sei. Berücksichtigt man aber nun, dass die weiteren Ausführungen im Bescheid sich allesamt
nur darauf beziehen, warum im vorliegenden Verfahren kein Arbeitsunfall gegeben sei, und der Bescheid mit dem Satz schließt
"Deshalb besteht auch kein Anspruch auf Leistungen", so ist die Erklärung von einem objektiven Empfängerhorizont aus so zu
verstehen, dass die Beklagte im angefochtenen Bescheid auch eine anfechtbare Ablehnung der Anerkennung eines Arbeitsunfalles
getroffen hat.
Das hier streitige Ereignis vom 10.02.2012 stellt aber keinen Arbeitsunfall dar, so dass der Bescheid der Beklagten rechtmäßig
war und das SG die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen hat.
Versicherungsfälle sind gemäß §
7 Abs.
1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VII) Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle wiederum sind nach §
8 Abs.
1 Satz 1
SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§
2,
3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Dabei sind Unfälle nach §
8 Abs.
1 Satz 2
SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen.
Die Verrichtung des Versicherten unmittelbar vor dem fraglichen Unfallereignis muss den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten
Tätigkeit erfüllt haben. Nur dies begründet die Versichertenstellung in und seinen Versicherungsschutz aus der jeweiligen
Versicherung (BSG - Urteil vom 24.07.2012 - B 2 U 9/11 R - juris). Die versicherte Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, eine
Einwirkung, objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität). Diese Einwirkung wiederum muss den Gesundheitserstschaden
oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Zu den
in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Tätigkeiten zählt gemäß §
8 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der nach den §§
2,
3 oder 6
SGB VII versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Nach ständiger Rechtsprechung
müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende
Einwirkung und der Gesundheitserstschaden erwiesen sein. Dies bedeutet, dass der volle Beweis für das Vorliegen der genannten
Tatsachen erbracht werden muss (BSG, Urteil vom 30.04.1985 - 2 RU 43/84 - juris). Dagegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (BSG, Urteil vom 18.01.2011 - B 2 U 5/10 R - juris). Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ist dann anzunehmen, wenn bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte
des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang spricht, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn
er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (BSG vom 18.01.2011, a.a.O.). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich
gemacht werden, so geht dies nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt
Rechte ableitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen somit zu Lasten des jeweiligen Klägers (BSG, Urteil vom 27.06.1991 - 2 RU 31/90 - juris).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind die Voraussetzungen für die Feststellung des Ereignisses vom 10.02.2012 als
Arbeitsunfall nicht gegeben.
Auf Grund des Ergebnisses des Verfahrens, insbesondere auf Grund der Angaben der Klägerin im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren,
stellt der Senat folgenden Sachverhalt fest: Die Klägerin war am Unfalltag mit ihrem Pkw von ihrer Arbeitsstelle in H. in
Richtung ihrer Wohnung unterwegs. Auf ihrem privaten Handy ging eine SMS ein, deren Absender ihr in diesem Moment unbekannt
war. Um die Nachricht lesen zu können, wollte sie links in eine Parkbucht einbiegen. Sie bremste hierfür ab und setzte den
Blinker. Aufgrund des Gegenverkehrs musste sie anhalten. Ein von hinten anfahrender Pkw konnte nicht mehr bremsen und fuhr
auf den Pkw der Klägerin auf. Hierbei erlitt sie zumindest eine Prellung an den Fingern. Ferner wurde im Durchgangsarztbericht
vom 14.02.2012 der Verdacht auf eine HWS-Distorsion diagnostiziert.
Die Klägerin erlitt damit zwar am 10.02.2012 durch das Auffahren des nachfolgenden Pkw eine zeitlich begrenzte, von außen
auf den Körper einwirkende Einwirkung auf ihren Körper und damit einen Unfall. Hierbei handelte es sich aber nicht um einen
Arbeitsunfall i.S.d. §
8 Abs.
1 S. 1
SGB VII. Denn die konkrete Verrichtung der Klägerin im Zeitpunkt des Unfalls - das vollständige Abbremsen des Pkw, um abzubiegen
- stand nicht unter Versicherungsschutz. Die Klägerin hatte zum Zeitpunkt des Unfalls den unmittelbare Weg zwischen Arbeitsstätte
und Wohnung i.S.d. §
8 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII verlassen. Der unmittelbare Weg liegt nur vor, wenn ein innerer Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der
Zurücklegung des Weges besteht. Dieser innere Zusammenhang setzt voraus, dass die Zurücklegung des Weges wesentlich dazu zu
dienen bestimmt ist, den Ort der Tätigkeit oder nach Beendigung der Tätigkeit die eigene Wohnung oder einen anderen Endpunkt
des Weges von dem Ort der Tätigkeit zu erreichen (BSG, Urteil vom 09.12.2003 - B 2 U 23/03 R - zitiert nach Juris).
Wie das BSG seit seiner Entscheidung vom 09.12.2003 (a.a.O.) in ständiger Rechtsprechung betont, ist maßgebend für die Beurteilung, ob
eine konkrete Verrichtung noch der Fortbewegung auf das ursprüngliche Ziel hin (hier Wohnung der Klägerin) dient, die Handlungstendenz
des Versicherten. Der Versicherungsschutz auf einem Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstelle wird danach unterbrochen, sobald
der Versicherte seine Absicht - sich auf dem versicherten Weg (vielleicht auch nur vorläufig) nicht weiter fortbewegen zu
wollen - nach außen sichtbar (objektiv) dokumentiert (vgl. Schur/Spellbrink, Unfallversicherungsschutz auf dem Weg von und
nach der Arbeitsstelle, SGb 2014, 589 ff (590)). Dabei dauert die Unterbrechung bis zu dem Zeitpunkt an, bis zu dem der Versicherte wiederum nach außen dokumentiert,
dass er sich wieder in Richtung seines ursprünglichen Ziels bewegen will und er den öffentlichen Straßenraum wieder erreicht
hat (BSG, Urteil vom 02.12.2008 - B 2 U 17/07 R - juris; Schur/Spellbrink, a.a.O.). Danach steht es dem Versicherten frei, sich im öffentlichen Verkehrsraum beliebig zu
bewegen, wenn die Fortbewegung nach seiner Handlungstendenz der Zurücklegung des Weges von oder zum Ort der Tätigkeit zu dienen
bestimmt ist. Bei der Benutzung eines Fahrzeugs wird diese eigenwirtschaftliche Handlungstendenz nicht erst mit dem Verlassen
des öffentlichen Verkehrsraumes zu Fuß ersichtlich. Sie prägt das Verhalten des Versicherten bereits während der Fahrt, sobald
er z.B. mit dem Ziel des Besuchs eines Geschäftes sein Fahrzeug abbremst, den Blinker setzt, das Fahrzeug parkt oder verlässt,
also dokumentiert, dass er sich vorläufig auf dem versicherten Weg nicht weiter fortbewegen will (BSG, Urteil vom 09.12.2003 - B 2 U 23/03 R -). Genau dies hat die Klägerin hier getan, da sie beabsichtigte, die Straße zu verlassen, um auf einer links vom Fahrbahnrand
befindlichen Parkbucht anzuhalten und eine SMS zu lesen. Dies hat sie auch bereits nach außen dokumentiert, indem sie abbremste
und den Blinker gesetzt hat.
Es handelte sich auch nicht um eine lediglich geringfügige, unbeachtliche Unterbrechung des Heimwegs. Nach der Rechtsprechung
des BSG ist eine Unterbrechung als geringfügig zu bezeichnen, wenn sie auf einer Verrichtung beruht, die bei natürlicher Betrachtungsweise
zeitlich und räumlich noch als Teil des Wegs nach oder von dem Ort der Tätigkeit in seiner Gesamtheit anzusehen ist (BSG, Urteil vom 17.02.2009 - B 2 U 26/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 32 Rn. 15). Das ist der Fall, wenn sie nicht zu einer erheblichen Zäsur in der Fortbewegung in Richtung
des ursprünglich aufgenommenen Ziels führt, weil sie ohne nennenswerte zeitliche Verzögerung "im Vorbeigehen" oder "ganz nebenher"
erledigt werden kann (BSG, Urteile vom 09.12.2003, a.a.O., Rn. 7 und vom 12.4.2005 - B 2 U 11/04 R - BSGE 94, 262 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 14, Rn. 12). Die Klägerin handelte hier mit dem Ziel, über die Gegenfahrbahn hinweg eine Parkbucht
anzusteuern, um dort eine SMS zu lesen. Die Gesamtheit dieses geplanten Handelns kann nicht mehr als geringfügig angesehen
werden, weil sie eben gerade nicht "nur nebenbei" erledigt werden kann. Vielmehr setzt der subjektive Wunsch, eine SMS zu
lesen, eine neue objektive Handlungssequenz in Gang, die sich deutlich von dem bloßen "nach Hause fahren" abgrenzen lässt.
Insoweit entspricht das Fahrmanöver dem vom BSG entschiedenen Fall, nachdem der Richtungswechsel mit einem Pkw auf einem grundsätzlich versicherten Heimweg nicht geringfügig
ist, weil sich dieser sowohl nach der Zielrichtung als auch der Zweckbestimmung von dem zunächst zurückgelegten Heimweg unterscheidet
(BSG, Urteil vom 04.07.2013 - B 2 U 3/13 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 50, Rn. 16). Im vorliegenden Fall steht seinerseits bereits das Abbremsen des Pkw in einem unmittelbaren
und untrennbaren Zusammenhang mit diesem Abbiegevorgang. Indem der Pkw angehalten wird, ist das Geschehen schließlich nach
außen hin erkennbar in Gang gesetzt.
Das Anhalten in einer Parkbucht, um eine auf dem privaten Mobilfunktelefon eingegangene SMS zu lesen, ist grundsätzlich als
eigenwirtschaftliche und unversicherte Tätigkeit einzustufen. Hier war die Nutzung des Mobiltelefons auch nicht ausnahmsweise
durch eine objektive, auf die versicherte Tätigkeit bezogene Notwendigkeit veranlasst, sodass die Unterbrechung des Arbeitswegs
aus diesem Grund als Teil der versicherten Tätigkeit anzusehen wäre. Es handelte sich um das private Mobiltelefon der Klägerin.
Zu keinem anderen Ergebnis führt der - im Übrigen auch erst im Laufe des Verfahrens näher konkretisierte - Vortrag der Klägerin,
sie habe nachschauen wollen, ob es sich um eine SMS ihres Arbeitgebers gehandelt habe. Allein die subjektive Vorstellung der
Klägerin, es habe sich möglicherweise um eine dienstliche SMS gehandelt, ist für die Bejahung des Versicherungsschutzes nicht
ausreichend. Die Klägerin konnte aber nicht nachweisen, dass aus dem versicherten Arbeitsbereich resultierende Gründe für
das Lesen der SMS vorgelegen haben. Das Mobiltelefon hat nach ihren Angaben bei dem Unfall einen Defekt erlitten, so dass
die Klägerin den Inhalt und den Absender der SMS nicht mehr zur Kenntnis nehmen konnte. In der mündlichen Verhandlung beim
SG hat sie angegeben, dass auch keine Angaben ihres Arbeitgebers dazu vorlägen, dass er sie habe kontaktieren wollen. Umgekehrt
hat sie im Erörterungstermin beim LSG angegeben, dass das Mobiltelefon auch für private Kontakte genutzt worden sei. Es ist
damit überhaupt kein objektives Indiz vorhanden, das den behaupteten Bezug zu der versicherten Tätigkeit belegt, der Nachweis
kann also nicht geführt werden. Nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast geht die Nichterweislichkeit zu Lasten des Beteiligten,
der aus diesem Sachverhalt Rechte ableitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen somit zu Lasten der jeweiligen Klägers
(BSG, Urteil vom 27.06.1991 - 2 RU 31/90 - juris). Weitere Ermittlungen waren nicht geboten. Nachdem der Arbeitgeber in der Unfallanzeige nicht erwähnt hatte, dass
er die Klägerin auf ihrem privaten Mobiltelefon hat erreichen wollen und die Klägerin zwar die Möglichkeit gesehen hat, dass
ihr Arbeitgeber sie habe kontaktieren wollen, aber auch zu keinem Zeitpunkt behauptet und erst recht nicht belegen konnte,
dass der sie tatsächlich kontaktiert hat, sah der Senat sich nicht veranlasst, hier weiter zu ermitteln. Denn die Gerichte
sind nicht zu Ermittlungen "ins Blaue hinein" oder zur Erhebung von Ausforschungsbeweisen verpflichtet (BSGE 78, 207,213 = BSG SozR 3-2600 § 43 Nr. 13), zumal selbst die Klägerin die Befragung des Arbeitgebers nicht angeregt hat.
Schließlich kann die Klägerin auch nicht zu ihren Gunsten geltend machen, dass sie sich verkehrsgerecht verhielt. Nach § 23 Abs. 1a Satz 1 Straßenverkehrsordnung darf, wer ein Fahrzeug führt, ein Mobil- oder Autotelefon nicht benutzen, wenn hierfür das Mobiltelefon oder der Hörer des
Autotelefons aufgenommen oder gehalten werden muss. Dass diese Vorschrift unter dem Blickwinkel des §
8 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII dazu führt, dass Versicherte zur Nutzung des privaten Mobiltelefons den unmittelbaren Arbeitsweg verlassen müssen, muss nicht
durch eine einschränkende Anwendung der unfallversicherungsrechtlichen Grundsätze korrigiert werden.
Im Ergebnis verbleibt es damit dabei, dass es sich bei dem Verkehrsvorgang zum Zeitpunkt des Unfalls um eine eigenwirtschaftliche
und damit um eine unversicherte Tätigkeit der Klägerin handelte.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.