Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung; Verweisbarkeit eines Maurers/Baufachwerkers im Rahmen des Mehrstufenschemas
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Der 1956 geborene Kläger, kroatischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in seinem Heimatland, hat nach seinen eigenen Angaben
im ehemaligen Jugoslawien von 1970 bis 1973 den Beruf des Fahrers erlernt. Er war dann dort von 1974 bis 1975 als Maurer-Fahrer
und von April 1977 bis Dezember 1991 als Fahrer tätig. In Deutschland war er von Juni 1992 bis März 1997 als Maurer/Baufachwerker
versicherungspflichtig beschäftigt. Nach seiner Ausreise aufgrund einer Aufforderung der Stadt B-Stadt war er von Mai 2002
bis Mai 2005 in Kroatien beschäftigt. Zuletzt war er im Zeitraum März 2003 bis Mai 2005 insgesamt 9 Arbeitstage als Hilfsarbeiter
tätig; im Übrigen war er arbeitsunfähig krank. Seit 13. Juli 2006 bezieht der Kläger Invalidenrente von der kroatischen Rentenversicherungsanstalt.
Der Kläger begehrte mit Antrag vom 16. Mai 2006 über den kroatischen Rentenversicherungsträger erstmals Rente wegen Erwerbsminderung
von der Beklagten. Diese zog diverse Befundberichte sowie ein Gutachten des Psychiaters Dr. P. bei, der beim Kläger eine Funktionsminderung
der Wirbelsäule bei Zustand nach Bandscheibenoperation LWK 4-LWK 5 und Wirbelsäulenbruch LWK 2 ohne Rückenmarkschädigung sowie
einen Zustand nach Meniskusoperation am rechten Knie (1988) feststellte. Klinisch fand sich beim Kläger keine klare radikuläre
Symptomatik, es gab keine motorischen und keine größeren sensorischen Ausfälle bei einer leichteren funktionalen Reduktion
des lumbalen Segments der Wirbelsäule. Dr. P. erklärte, der Kläger habe noch ein Leistungsvermögen von unter drei Stunden
im bisher ausgeübten Beruf als Bauarbeiter und von 3 bis unter 6 Stunden für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.
Nach Auswertung der medizinischen Unterlagen schloss sich der medizinische Dienst der Beklagten dieser Einschätzung in Bezug
auf die letzte berufliche Tätigkeit, nicht jedoch im Hinblick auf den allgemeinen Arbeitsmarkt an. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt
bestehe noch ein Leistungsvermögen von 6 Stunden und mehr für leichte Tätigkeiten zu ebener Erde. Zu vermeiden seien häufiges
Bücken, Zwangshaltungen und das Heben und Tragen von Lasten. Der Antrag wurde daraufhin mit Bescheid vom 14. Juni 2007 abgelehnt.
Nachdem der Kläger hiergegen Widerspruch erhoben hatte, holte die Beklagte eine Auskunft der Firma W. GmbH ein, bei der der
Kläger von Juni 1992 bis März 1997 beschäftigt war. Danach habe der Kläger Anlerntätigkeiten mit einer Anlerndauer von mehr
als einem Jahr bis zu zwei Jahren verrichtet. Es habe sich um fachlich begrenzte Arbeiten nach Anweisungen gehandelt, die
Teilleistungen und Spezialtätigkeiten des Berufsbilds eines Maurers entsprochen hätten. Der letzte fachliche Kenntnisstand
habe ca. dem Abschluss der baugewerblichen zweijährigen Stufenausbildung für die Berufsausbildung in der Bauwirtschaft entsprochen.
Er sei nach der Lohngruppe V/VI entlohnt worden. Der Widerspruch wurde daraufhin mit bestandskräftig gewordenem Widerspruchsbescheid
vom 5. November 2007 zurückgewiesen. Der Kläger könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und in zumutbaren Verweisungstätigkeiten
als Montierer oder Sortierer in der Metall- und Elektroindustrie sowie als einfacher Pförtner in Objektschutzunternehmen mindestens
6 Stunden täglich Arbeiten verrichten.
Am 1. April 2008 begehrte der Kläger erneut über den kroatischen Versicherungsträger Rente wegen Erwerbsminderung von der
Beklagten. Die Beklagte zog neben zahlreichen Befundberichten ein Gutachten von Dr. P.-C. und I. D. vom 20. September 2008
bei. Die Sachverständigen stellten eine Funktionsminderung der Wirbelsäule bei Verschleißerscheinungen und bei Zustand nach
Bandscheibenoperation und Wirbelsäulenbruch (ohne Rückenmarkschädigung), nahezu Blindheit rechts und multiple somatische Beschwerden
fest. Der Kläger sei im bisherigen Beruf noch unter 3 Stunden täglich und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch 3 bis unter
6 Stunden täglich einsatzfähig. Der medizinische Dienst der Beklagten schloss sich auch dieser Leistungsbeurteilung nicht
an. Den im Vergleich zum Vorgutachten aufgetretenen weiteren Gesundheitsstörungen könne durch qualitative Leistungseinschränkungen
(Ausschluss von Arbeiten mit besonderen Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit und an das räumliche Sehen) Rechnung
getragen werden. Der Antrag wurde daraufhin mit angefochtenem Bescheid vom 3. August 2009 abgelehnt.
Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde nach Beiziehung weiterer Befundberichte mit Widerspruchsbescheid vom 13. Januar 2010
zurückgewiesen. Hierin ist ausgeführt, der Kläger sei als angelernter Arbeiter im oberen Bereich einzuordnen. Er könne jedoch
noch die sozial zumutbaren Verweisungstätigkeiten als Montierer oder Sortierer bzw. einfacher Pförtner verrichten.
Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Landshut (SG) erhoben und auf seine Rückenprobleme hingewiesen. In den Jahren 2004 und 2006 sei er an der Wirbelsäule
operiert worden. Er habe aber immer wieder Schmerzen. Im Januar 2010 sei ein erneuter Bandscheibenvorfall festgestellt worden.
Das SG zog diverse Befundberichte bei und holte - jeweils nach ambulanter Untersuchung - gemäß §
106 Sozialgerichtsgesetz -
SGG - ein neurologisches Gutachten von Dr. M. und ein internistisches Gutachten von Dr. L. ein.
Dr. M. hat in seinem Gutachten vom 26. November 2011 beim Kläger ein chronisches Wirbelsäulen-Schmerzsyndrom mit diskreter
L 5-Restsymptomatik links bei Zustand nach zweimaliger Bandscheibenoperation 2004 und 2006 sowie eine leichtgradige depressive
Störung festgestellt.
Der Kläger könne noch 8 Stunden täglich leichte Arbeiten unter arbeitsmarktüblichen Bedingungen ausführen. Nicht mehr zumutbar
seien Zwangshaltungen, häufiges Bücken, schweres Heben und vermehrte Stressbelastungen. Zusätzliche Arbeitspausen seien nicht
erforderlich. Die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt. Die Umstellungsfähigkeit sei nicht beeinträchtigt.
Dr. L. hat beim Kläger folgende Diagnosen gestellt:
1. Chronisches Wirbelsäulenschmerzsyndrom mit L 5-Restsymptomatik links bei Zustand nach zweimaliger Bandscheibenoperation
2004 und 2006
2. Leichtgradige depressive Störung
3. Bluthochdruck
4. Fragliche Hinweise auf Durchblutungsstörung des Herzens
5. Zuckerstoffwechselstörung
6. Sehstörung rechts.
Der Kläger sei noch in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen 8 Stunden täglich
mit den arbeitsüblichen Unterbrechungen zu verrichten. Zu vermeiden seien häufiges Bücken, dauernde Zwangshaltungen der Wirbelsäule,
schweres Tragen und Heben, häufiges Bücken, dauernde Zwangshaltungen der Wirbelsäule, vermehrte Stressbelastung, Anforderungen
an das räumliche Sehen sowie Akkord- und Nachtschichtarbeit. Die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt.
Das SG hat daraufhin die Klage mit Urteil vom 18. November 2011 unter Berufung auf die Gutachten Dr. M. und Dr. L. abgewiesen. Der
Kläger sei noch in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sowie in den zumutbaren Verweisungstätigkeiten als Montierer
oder Sortierer bzw. einfacher Pförtner mindestens 6 Stunden täglich Arbeiten zu verrichten.
Hiergegen hat der Kläger Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt und vorgetragen, seine Krankheiten würden
zwar erkannt, aber heruntergespielt. Er sei zweimal an der Wirbelsäule operiert worden, habe aber weiterhin Probleme. Er hoffe
auf eine neue gründliche Untersuchung.
Der Senat hat diverse Befundberichte und eine Arbeitgeberauskunft bei der Firma GT G. beigezogen sowie Dr. L. und Dr. M. unter
Übersendung berufskundlichen Materials zu Tätigkeiten als Pförtner, Warenaufmacher-Versand und Registrator um ergänzende Stellungnahme
gebeten. In ihren Stellungnahmen vom 17. Juni 2013 und 9. Dezember 2013 hat Dr. L. nach Auswertung der neuen medizinischen
Befunde erklärt, eine Verschlechterung habe sich nicht ergeben. Die sozialmedizinische Bewertung bleibe unverändert. Der Kläger
könne noch Tätigkeiten als Pförtner/Tagespförtner, Warenaufmacher-Versand und Registrator mindestens 6 Stunden täglich verrichten.
Weitere Gutachten seien nicht erforderlich. Zu demselben Ergebnis ist Dr. M. in seinen ergänzenden Stellungnahmen vom 11.
Juli 2013 und 25. November 2013 gelangt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 18. November 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 3. August 2009 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheids vom 13. Januar 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen Erwerbsminderung
entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Akten des SG und der Beklagten verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage gegen den angefochtenen Bescheid vom 3. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Januar
2010 zu Recht abgewiesen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht für den Senat fest, dass dem Kläger kein Anspruch auf
Rente wegen voller Erwerbsminderung (§
43 Abs.
2 SGB VI), teilweiser Erwerbsminderung (§
43 Abs.
1 SGB VI) bzw. teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§§
240 Abs.
1,
2; 43 Abs.
1 SGB VI) zusteht.
Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen gemäß §
240 Abs.
1 SGB VI auch Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind.
Berufsunfähig sind nach §
240 Abs.
2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig
und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als
sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist,
umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des
Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet
werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur beruflichen Rehabilitation
mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs
Stunden verrichten kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Ausgangspunkt für die Beurteilung des "vergleichbaren Versicherten" ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG der "bisherige Beruf". Dieser ergibt sich in der Regel aus der letzten, nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübten versicherungspflichtigen
Beschäftigung oder Tätigkeit, jedenfalls dann, wenn diese zugleich die qualitativ höchste ist (BSG - SozR 2200 § 1246 Nr. 53, 94, 130). Bei der Bestimmung des Hauptberufs sind nicht nur versicherungspflichtige Tätigkeiten in Deutschland zu berücksichtigen,
sondern auch solche, die in einem anderen EU-Staat zurückgelegt worden sind, soweit es sich hierbei um Versicherungszeiten
handelt, die gemäß Art. 45 EWG-VO 1408/71 bzw. nunmehr Art. 6 VO (EG) 883/2004 für die Erfüllung der Wartezeit zu berücksichtigen
sind (BSGE 64, 85).
Zuletzt war der Kläger in Kroatien von März 2003 bis Mai 2005 als Hilfsarbeiter beschäftigt. Diese Tätigkeit wird vom Senat
jedoch nicht als maßgeblicher Hauptberuf angesehen, da sie vom Kläger nicht mehr vollwertig ausgeübt worden ist. In diesem
Zeitraum war er insgesamt nur 9 Arbeitstage als Hilfsarbeiter tatsächlich tätig; im Übrigen war er arbeitsunfähig krank. Auch
die von Mai 2002 bis Februar 2003 verrichtete Tätigkeit ist nicht maßgeblich für die Bestimmung des Hauptberufs, da sie nicht
über ein Jahr und damit nur vorübergehend ausgeübt worden ist. Der Senat geht aufgrund der Ausführungen des Klägers in seinem
Schriftsatz vom 3. Februar 2014 auch insoweit nur von einer unqualifizierten Hilfstätigkeit aus. Dort hat der Kläger erklärt,
er hätte verwandtschaftliche Beziehungen haben müssen, um als qualifizierter Arbeiter bei irgendeiner Firma arbeiten zu können.
Die meisten Arbeiter bei den Privatfirmen würden als unqualifizierte Kräfte arbeiten, da der Lohn so niedriger sei, und so
sei es auch bei ihm gewesen.
Damit ist entscheidend für die Bestimmung des Hauptberufs des Klägers der Zeitraum Juni 1992 bis März 1997. Hier war er als
Maurer/Baufachwerker versicherungspflichtig beschäftigt.
Zur Feststellung des qualitativen Werts des bisherigen Berufs und damit auch zur Bestimmung der zumutbaren Verweisungstätigkeiten
hat das BSG ein Stufenschema zunächst für Arbeiter, dann auch für Angestellte ein Mehrstufenschema entwickelt (BSGE 55,45 = SozR 2200
§ 1246 Nr. 107; BSGE 57, 291 = SozR 2200 Nr. 126; SozR 3-2200 § 1246 Nr. 2, 41). Im Bereich der Arbeiter sind die Leitberufe des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion
(Meisters, auch des besonders hochqualifizierten Facharbeiters), des Facharbeiters, des angelernten und des ungelernten Arbeiters
zu unterscheiden. Die Gruppe der angelernten Arbeiter teilt sich in einen unteren Bereich (Anlerndauer mehr als drei Monate
bis zu einem Jahr) und in einen oberen Bereich (Anlerndauer mehr als ein Jahr bis zu zwei Jahren) auf.
Die insoweit steigenden Anforderungen stellen vor allem auf die Ausbildung ab. Es können aber auch andere Faktoren eine Rolle
spielen. Welcher Gruppe des Mehrstufenschemas eine bestimmte Tätigkeit zuzuordnen ist, richtet sich dabei nach der im Rahmen
einer Gesamtschau zu ermittelnden Qualität der verrichteten Arbeit. In diese Gesamtschau einzustellende Kriterien sind: Ausbildung,
tarifliche Einstufung, Dauer der Berufsausübung, Höhe der Entlohnung und Anforderungen des Berufes.
Nach der Auskunft des Arbeitgebers verrichtete der Kläger als Maurer/Baufachwerker fachlich begrenzte Arbeiten nach Anweisungen,
die Teilleistungen und auch Spezialtätigkeiten des Berufsbilds Maurer dargestellt haben. Sein Kenntnisstand hat dem eines
Arbeiters mit einer zweijährigen baugewerblichen Stufenausbildung entsprochen. Eine Entlohnung als Facharbeiter in Lohngruppe
IV war erst für die nächste tarifliche Lohnerhöhung geplant. Bei Beschäftigungsende hat er jedoch einen niedrigeren Lohn erhalten,
der bei Lohngruppe V/VI gelegen hat. Damit ist diese Tätigkeit nach dem Stufenschema des BSG als Anlerntätigkeit (oberer Bereich) einzuordnen. Für eine unfreiwillig aufgegebene, höherwertigere Tätigkeit als die des
Bauwerkers gibt es keine Anhaltspunkte. Die Tätigkeit als Fahrer kommt insoweit schon deshalb nicht in Betracht, weil sie
vom Kläger im Zusammenhang mit seinem Umzug in die Bundesrepublik Deutschland endgültig aufgegeben wurde.
Für den Senat steht zweifelsfrei fest, dass der Kläger die Tätigkeit als Maurer/Baufachwerker aufgrund der damit verbundenen
mittelschweren und schweren Arbeiten nicht mehr verrichten kann.
Allerdings besteht ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht bereits dann, wenn
der bisherige Beruf nicht mehr ausgeübt werden kann. Berufsunfähigkeit liegt erst dann vor, wenn der Versicherte eine zumutbare
Tätigkeit nicht mehr 6 Stunden täglich ausüben kann. Die dem Versicherten grundsätzlich konkret zu benennende Verweisungstätigkeit
muss objektiv zumutbar seien, also den Kräften und Fähigkeiten des Versicherten entsprechen. Er darf weder gesundheitlich
noch wissens- und könnensmäßig überfordert werden (so bereits BSGE 9, 254, 257), wobei durchaus eine Verweisung auf berufsfremde Tätigkeiten zulässig ist. Verweisungstätigkeiten müssen auch subjektiv
(sozial) zumutbar sein. Dem Versicherten ist nicht jeder beruflicher Abstieg sozial zumutbar, da die Rente wegen teilweiser
Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht nur den wirtschaftlichen Schaden im Sinne einer Lohnersatzfunktion abwenden,
sondern auch immaterielle Nachteile ausgleichen will (BSG SozR 2200§ 1246 Nr. 124).
Ausgehend von der Einstufung des bisherigen Berufs dürfen Versicherte nur auf die jeweils nächstniedrigere Gruppe verwiesen
werden, da nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts insoweit dem Versicherten ein beruflicher Abstieg zugemutet
werden kann (KassKomm-Niesel,
SGB VI, §
240 Rn. 93 ff. m.w.N.) ... Dabei bedarf es bei der Gruppe der angelernten Arbeiter im oberen Bereich bzw. Angestellten mit einer
Ausbildung bis zu 2 Jahren, die innerhalb ihrer Gruppe dem oberen Bereich (also Anlern- bzw. Ausbildungszeit von mehr als
12 Monaten bis zu 2 Jahren) angehören, der konkreten Benennung mindestens einer in Betracht kommenden Verweisungstätigkeit
durch den Rentenversicherungsträger (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 45).
Daraus ergibt sich, dass der Kläger als oberer Angelernter sozial zumutbar auf Tätigkeiten derselben Stufe sowie auf solche
Tätigkeiten verweisen lassen, die durch Qualitätsmerkmale wie etwa das Erfordernis einer Einweisung und Einarbeitung oder
die Notwendigkeit beruflicher oder betrieblicher Vorkenntnisse auszeichnen.
Der Senat ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem SG und dem Bayerischen Landessozialgericht davon überzeugt, dass der Kläger noch mindestens 6 Stunden täglich Tätigkeiten als
Warenaufmacher oder Pförtner verrichten kann.
Nach der vom Senat in das Verfahren eingebrachten berufskundlichen Stellungnahme des Landesarbeitsamtes Hessen vom 11. Juni
2012 handelt es sich bei der Tätigkeit als Warenaufmacher - Versand/Kommissionierer um körperlich leichte Arbeiten in geschlossenen
Räumen, überwiegend sitzend mit gelegentlichem Gehen. Ein Wechsel zwischen Sitzen und Stehen ist meist möglich. Die Funktionstätigkeit
beider Arme und Hände sollte gegeben sein. Tätigkeiten als Pförtner sind nach der Stellungnahme vom 15. Januar 2013 meist
körperliche Arbeiten in geschlossenen, temperierten Räumen, die überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und Gehen verrichtet
werden. Besondere Anforderungen an das Seh- und Hörvermögen werden hier nicht gestellt. Die Tätigkeiten sind auch nicht mit
ständigen nervlichen Belastungen bzw. dauernden Zeitdruck wie beispielsweise Akkordarbeit verbunden. Ganz sind Stresssituationen
nicht zu vermeiden. Je nach Arbeitsort kann Schichtdienst vorkommen. Bei diesen Tätigkeiten sind im allgemeinen Einarbeitungs-
bzw. Einweisungszeiten von maximal 3 Monaten Dauer erforderlich. Sie stehen im Bundesgebiet in nennenswertem Umfang auch Betriebsfremden
zur Verfügung.
Der Kläger ist in der Lage, mit seinem von Dr. L. und Dr. M. festgestellten Leistungsvermögen Tätigkeiten als Warenaufmacher
oder Pförtner zu verrichten.
Dr. L. bestätigte dem Kläger einen guten Ernährungs- und Allgemeinzustand. Haut und äußere Schleimhäute waren gut durchblutet.
Ödeme oder generalisierte Lymphknotenschwellungen waren nicht festzustellen.
Bei der Untersuchung des Bewegungsapparates stellte die erfahrene Gerichtssachverständige beim Kläger ein angedeutet links
hinkendes, steifes Gangbild fest. Der Kläger trug allerdings normales Schuhwerk mit Einlagen und benutzte keine Gehhilfen.
Die Bewegungsabläufe beim Be- und Entkleiden, Lagern und Umlagern gingen unter Schonung der Wirbelsäule vonstatten. Beim Kläger
imponierte ein Beckenschiefstand nach links bei lotrechtem Aufbau der Wirbelsäule. Es ergaben sich Druck- und Klopfschmerzen
über der gesamten Wirbelsäule. Die paravertebrale Muskulatur war im lumbalen Bereich verspannt und druckschmerzhaft links
stärker als rechts, jedoch gut ausgebildet. Die Funktion der Halswirbelsäule war nur endgradig schmerzhaft eingeschränkt,
die der Lendenwirbelsäule war von Dr. L. nicht prüfbar, da die Bewegungen nur angedeutet durchgeführt wurden.
An den oberen Extremitäten zeigte sich eine normale Handbeschwielung bei beidseits seitengleich gut ausgebildeter Muskulatur.
Die grobe Kraft war in beiden Händen ohne Befund. Die Beweglichkeit des linken Schultergelenks und beider Ellbogen- und Handgelenke
war frei. Der rechte Arm konnte vom Kläger schmerzfrei nur bis 70°, mit Schmerzen bis 140° angehoben werden. Den Nackengriff
konnte er links problemlos, rechts gerade noch durchführen. Schürzengriff, Faustschluss und Pinzettengriff waren beidseits
problemlos möglich.
An den unteren Extremitäten zeigte sich eine deutlich verschmächtigte Muskulatur am linken Bein, das um ca. 1 cm verkürzt
ist. Ödeme oder Varikosis liegen beim Kläger nicht vor. Die Gelenke waren insgesamt nicht deformiert, geschwollen oder instabil.
Hüft-, Knie- und Sprunggelenke waren frei beweglich.
Bei der Untersuchung von Thorax und Lungen ergab sich ein symmetrischer und seitengleich belüfteter Thorax mit normal atemverschieblichen
Lungengrenzen. Das Atemgeräusch war vesikulär ohne Nebengeräusche. Röntgenologisch zeigten sich diskrete Hinweise auf ein
Lungenemphysem als Folge des jahrelangen Nikotinabusus. Die Herztöne waren rein und regelmäßig ohne vitientypisches Geräusch.
Echocardiographisch zeigte sich eine normale Herzfunktion ohne Nachweis einer Verdickung der Herzmuskulatur. Ein Belastungs-EKG
wurde vom Kläger aufgrund Schmerzen im linken Oberschenkel vorzeitig abgebrochen. Eine Durchblutungsstörung des Herzens ist
nach den Ausführungen von Dr. L. aufgrund fraglicher Veränderungen im EKG nicht auszuschließen, aber unwahrscheinlich, da
vom Kläger keine Herzbeschwerden berichtet wurden.
Hieraus hat Dr. L. überzeugend abgeleitet, dass diese Gesundheitsstörungen zu qualitativen Leistungseinschränkungen, nicht
jedoch zu einer Minderung des quantitativen Leistungsvermögens für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts führen.
Dasselbe gilt nach den nachvollziehbaren Ausführungen von Dr. M., der sich der Senat anschließt, auch in neurologischer Hinsicht.
Bei der neurologischen Untersuchung waren die Hirnnerven regelgerecht. Bei der Prüfung der Motorik zeigte sich eine allenfalls
endgradige Fußheberschwäche links. Paresen liegen beim Kläger nicht vor. Die Muskeldehnungsreflexe waren - abgesehen von einem
ASR-Verlust links - seitengleich produzierbar. Das Zeichen nach Babinski war negativ, das Zeichen nach Laségue bei 75° positiv.
Stand und Gang waren sicher, der Zehengang beidseits nicht eingeschränkt und der Fersengang links nur leicht eingeschränkt.
Die vom Kläger angegebenen Gefühlsstörungen am gesamten linken Bein können organisch nicht erklärt werden und waren im Rahmen
einer Verdeutlichungstendenz zu sehen.
In psychischer Hinsicht lag beim Kläger eine leichtgradige depressive Störung vor. Weder aus dem psychopathologischen Befund
noch aus der Anamnese konnte der erfahrene Gerichtssachverständige Dr. M. Hinweise auf eine tiefergehende depressive Erkrankung
ableiten. Dr. M. hat auch darauf hingewiesen, dass der Kläger in seiner Alltagsgestaltung aktiv, durchaus freud- und erlebnisfähig
ist. Der Kläger wird bereits seit vielen Jahren mit Fevarin behandelt. Stationäre Behandlungen oder ein Wechsel der Medikation
waren bislang nicht erforderlich.
Sowohl Dr. L. als auch Dr. M. haben verdeutlicht, dass sich aus den vom Senat beigezogenen Befundberichten keine Verschlechterung
in der gesundheitlichen Situation des Klägers ergibt. Die neuen Befunde sind nahezu identisch mit den bereits bei der Begutachtung
vorliegenden. Dr. M. hat darauf verwiesen, dass sich im Vergleich zu der im Rahmen der Begutachtung durchgeführten elektromyographischen
Untersuchung sogar eine Besserung ergeben hat. Zu einer weiteren Begutachtung, die auch von beiden Sachverständigen nicht
für erforderlich erachtet wurde, fühlt sich der Senat damit nicht gedrängt.
Die von den beiden Sachverständigen nachvollziehbar festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen, die oben im Sachverhalt
wiedergegeben sind, stehen Tätigkeiten als Warenaufmacher oder Pförtner mindestens 6 Stunden täglich nicht entgegen. Insbesondere
fallen hier keine schweren Hebe- und Tragebelastungen oder Zwangshaltungen der Wirbelsäule an. Es werden auch keine besonderen
Anforderungen an das räumliche Sehen gestellt. Dass der Kläger nicht über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt,
ist unerheblich. Hierauf kann sich ein Versicherter zur Begründung eines Anspruchs auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit
nicht berufen (BSG, Urteil vom 15. Mai 1991, Az. 5 RJ 92/89, in [...]).
Diese Tätigkeiten sind dem Kläger auch sozial zumutbar, da sie eine maximal dreimonatige Einarbeitungszeit voraussetzen. Es
gibt auch hinreichend Stellen für diese Tätigkeiten im Bundesgebiet.
Damit scheidet ein Anspruch des Klägers auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß §
240 Abs.
1,
2 SGB VI aus. Aufgrund des dargestellten Leistungsvermögens des Klägers kommt erst recht nicht die Gewährung einer Rente wegen voller
bzw. teilweiser Erwerbsminderung gemäß §
43 Abs.
1,
2 SGB VI in Betracht.
Die Berufung war damit vollumfänglich zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung (§
193 SGG) berücksichtigt den Umstand, dass der Kläger auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.
Gründe, die Revision zuzulassen (§
160 Abs.
2 SGG), liegen nicht vor.