Kostentragung nach erledigter Untätigkeitsklage im sozialgerichtlichen Verfahren
Gründe:
I. Streitig ist ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung der außergerichtlichen Kosten nach Erledigterklärung der am 07.11.2007
erhobenen Untätigkeitsklage gegen die Beklagte.
Die Klägerin stürzte in ihrem Krankenpflegebetrieb am 08.12.2006 von einer Leiter. Im H-Arzt-Bericht vom 15.12.2006 wurde
als Röntgenergebnis u.a. eine muldenförmige Eindellung der Grundplatte links mitgeteilt. Mit Schreiben vom 02.01.2007 teilte
die Klägerin der Beklagten mit, dass ihr Gesundheitszustand so sei, dass ein längerer Krankenzustand zu erwarten sei. In dem
von der Beklagten angeforderten Krankheitsbericht (Zwischenbericht) der Orthopädischen Gemeinschaftspraxis Dr.S. u.a. wurde
als Diagnose eine traumatische LWK-Fraktur aufgeführt. Die Privatdozentin und Radiologin Dr.H. hatte der Gemeinschaftspraxis
Dr.S. nach Durchführung einer Kernspintomographie die Diagnose einer frischen Fraktur des ersten LW-Körpers mit Beteiligung
der Hinterkante übermittelt. Mit Schreiben vom 28.04.2007 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie bis auf Weiteres
arbeitsunfähig sei. Mit Schreiben vom 18.07.2007 unterrichtete die Beklagte die Klägerin dahingehend, dass nach Rücksprache
mit dem behandelnden Arzt erhebliche Bedenken bestünden, ob die Arbeitsunfähigkeit tatsächlich auf den Unfall zurückzuführen
sei und kündigte an, demnächst ein Zusammenhangsgutachten zu veranlassen. Am 06.08.2007 beauftragte die Beklagte den Chirurgen
Durchgangsarzt Dr.A. mit der Erstellung eines Gutachtens. Das Gutachten ging am 19.10.2007 bei der Beklagten ein, eine Gutachtensergänzung
erfolgte am 21.11.2007. Mit Bescheid vom 11.12.2007 gewährte die Beklagte Verletztengeld für die Zeit vom 05.01.2007 bis 08.03.2007.
Mit Bescheid vom 20.12.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.03.2008 verneinte die Beklagte einen Anspruch
auf Rente mit der Begründung, die Erwerbsfähigkeit sei durch die Folgen des Arbeitsunfalles nicht über die 26.Woche nach dem
Arbeitsunfall in rentenberechtigendem Grad gemindert.
Die Klägerin erhob am 07.11.2007 Untätigkeitsklage mit der Begründung, die Beklagte habe bis dahin ohne hinreichenden Grund
nicht entschieden. Mit Schreiben vom 28.01.2008 erklärte die Klägerin im Hinblick auf die ergangenen Bescheide die Hauptsache
für erledigt. Hinsichtlich der entstandenen außergerichtlichen Kosten beantragte sie, diese der Beklagten aufzuerlegen. Aus
der eigenen Begründung der Beklagten ergebe sich, dass diese bis zum 18.07.2007 mit der Beauftragung eines Gutachters zugewartet
habe. Nachdem die Beklagte erstmals mit dem Hausarztbericht vom 14.12.2006 Kenntnis von dem Unfallereignis Kenntnis genommen
habe, habe sie erst nach sieben Monaten einen Gutachter ausgewählt. Dies sei ohne zureichenden Grund geschehen, sodass die
Erhebung der Untätigkeitsklage begründet und somit die außergerichtlichen Kosten der Klägerin von der Beklagten zu erstatten
seien.
Die Beklagte erwiderte mit Schreiben vom 08.02.2008, dass sich die Notwendigkeit einer Begutachtung erst aus dem mit der Klägerin
am 03.07.2007 geführten Telefonat ergeben habe, aus dem hervorgegangen sei, dass sie ihrer beruflichen Tätigkeit nur erheblich
eingeschränkt nachkommen könne. Die Tatsache, dass sich die Gutachtenserstellung bis letztlich 28.11.2007 hingezogen habe,
habe die Beklagte nicht zu vertreten. Denn einerseits habe die Klägerin selbst die erforderliche Untersuchung verschoben,
andererseits habe die Beklagte zweimal bei dem Gutachter nachfragen müssen, bis dieser die im Gutachtensauftrag gestellten
Fragen vollständig beantwortet habe. Danach habe die Beklagte mit Verwaltungsakt vom 11.12.2007 das Verletztengeld festgestellt
und mit Bescheid vom 20.12.2007 über den Rentenanspruch der Klägerin zeitgerecht entschieden.
Die Klägerin bemerkte in ihrem Schriftsatz vom 12.03.2008 zu den Ausführungen der Beklagten, dass sich die Notwendigkeit einer
Begutachtung nicht erst aus dem am 03.07.2007 geführten Telefonat ergeben habe, dass bereits vorher bekannt gewesen sei, dass
die berufliche Tätigkeit durch den Arbeitsunfall deutlich eingeschränkt gewesen sei. Sie habe bereits mit Schreiben vom 02.01.2007
der Beklagten mitgeteilt, dass ein längerer Krankenstand zu erwarten sei.
Das Sozialgericht (SG) Nürnberg hat mit Beschluss vom 18.03.2008 entschieden, dass außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten seien. In den Gründen
hat es ausgeführt, nach Studium der Verwaltungsakte der Beklagten komme das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Beklagte keine
außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten habe. Der Beklagten sei keine verzögerte Bearbeitung des Falles vorzuwerfen.
Es sei nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte über die zu gewährenden Leistungen erst nach Auswertung des in Auftrag gegebenen
Gutachtens entscheide. Ebenso könne der Beklagten nicht der Vorwurf gemacht werden, sie habe das Gutachten erst unangemessen
spät in Auftrag gegeben.
Gegen diesen Beschluss hat die Klägerin beim SG Beschwerde eingelegt. Das SG hat die Beschwerde dem Bayer. Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 20.06.2008 beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Das SG habe zu Recht entschieden, dass außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten seien, da die Bearbeitung des Falles nicht verzögert
erfolgt sei.
II. Die Beschwerde ist zulässig.
Der durch das Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) und des Arbeitsgerichtsgesetzes (ArbGG) vom 26.03.2008 (Bundesgesetzblatt - BGBl - I, 444) verfügte Ausschluss der Beschwerde bei Kostengrundentscheidungen (§
172 Abs.3
SGG n.F.) berührt die Zulässigkeit der am 28.04.2008 erhobenen Beschwerde nicht. Denn das neue Recht ist erst auf Beschlüsse
anwendbar, die nach dem 31.03.2008 mit Inkrafttreten des Gesetzes am 01.04.2008 ergangen sind (Art.4 des Gesetzes vom 26.03.2008).
Die Beschwerde ist auch begründet.
Bei einer Erledigung der Untätigkeitsklage - wie hier durch den Erlass der Bescheide vom 11.12.2007 und 20.12.2007 nach Ablauf
der sechsmonatigen Sperrfrist des §
88 Abs.1 Satz 1
SGG und nachfolgender Erledigungserklärung des Klägers - ist nach §
193 Abs.1 Satz 3
SGG auf Antrag durch Beschluss über die Kosten zu entscheiden. Die Kosten fallen dann in der Regel dem Beklagten zur Last, wenn
er keinen hinreichenden Grund für die Untätigkeit hatte oder wenn der Kläger nach den ihm bekannten Umständen mit seiner Bescheidung
vor Klageerhebung rechnen durfte.
Die sechsmonatige Sperrfrist des §
88 Abs.1 Satz 1
SGG, die mit Eingang des H-Arzt-Berichtes vom 15.12.2006 bei der Beklagten am 21.12.2006 zu Laufen begann, war bei Erhebung der
Untätigkeitsklage am 07.11.2007 bereits abgelaufen. Die Untätigkeit der Beklagten lässt sich anhand der beigezogenen Verwaltungsakte
der Beklagten ohne Weiteres nachvollziehen. Der Senat sieht die Untätigkeit in der verspäteten Entscheidung über die Zahlung
von Verletztengeld sowie in der verspäteten Einholung eines Sachverständigengutachtens zu den Unfallfolgen der Beschwerdeführerin.
Nach Lage der Akten kann der folgende Sachverhalt nicht unberücksichtigt bleiben:
Die Röntgenpraxen A-Stadt/S. hatten in ihren Röntgenbefund vom 09.01.2007 eine frische Fraktur des 1.LWK mit Beteiligung der
Hinterkante diagnostiziert. Im Krankheitsbericht der Orthopädischen Gemeinschaftspraxis Dr.S. u.a. vom 18.01.2007 war die
Diagnose einer traumatischen LWK-Fraktur gestellt worden. Die Dauer der Arbeitsunfähigkeit war nach Aktenlage nicht absehbar.
Bei diesem Sachverhalt hätte sich die Beschwerdegegnerin im Hinblick auf die nicht unbedeutende Verletzung gedrängt fühlen
müssen, umgehend eine ärztliche Begutachtung bei der Beschwerdeführerin zu veranlassen. Die Überschreitung der Sperrfrist
um mehr als ein halbes Jahr hätte damit vermieden werden können. Ein hinreichender Grund für die erst am 06.08.2007 erfolgte
Anforderung eines Gutachtens liegt nicht vor. Die Notwendigkeit einer Begutachtung ergab sich - entgegen der Auffassung der
Beklagten - nicht erst aus dem mit der Klägerin geführten Telefonat am 23.07.2007, zumal die Klägerin die Beklagte bereits
mit Schreiben vom 02.01.2007 und nochmals am 28.04.2007 darauf hingewiesen hatte, dass ein längerer Krankenstand zu erwarten
sei.
Die Tätigkeit der Beklagten hat sich von Anfang Januar 2007 bis Anfang Juli 2007 im Wesentlichen darauf beschränkt, fortlaufend
Befundberichte von den behandelnden Ärzten einzuholen. Erst als der Beklagten im Juli 2007 nach einem Gespräch mit dem behandelnden
Arzt Dr.G. Bedenken kamen, ob die Arbeitsunfähigkeit auf den Unfall vom 08.12.2006 zurückzuführen sei, veranlasste sie umgehend
eine Zusammenhangsbegutachtung. Für die Frage der Untätigkeit kommt es daher auf die von der Beklagten nicht zu vertretende
verzögerte Erstellung des in Auftrag gegebenen Gutachtens nicht entscheidungserheblich an.
Nach alledem hat die Beschwerdegegnerin die Kosten der Untätigkeitsklage der Beschwerdeführerin sowie des Beschwerdeverfahrens
zu tragen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 Abs.1
SGG.
Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden, §
177 SGG.