Festsetzung eines Ordnungsgeldes im sozialgerichtlichen Verfahren nach wiederholter Fristversäumnis eines medizinischen Sachverständigen
Gründe:
I. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Auferlegung weiteren Ordnungsgeldes.
Das Sozialgericht Nürnberg (SG) ernannte den Beschwerdeführer auf Antrag der Klägerin gemäß §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) am 03.08.2007 zum Sachverständigen. Es beauftragte ihn, ein Gutachten zum verbliebenen Leistungsvermögen der Klägerin zu
erstatten. Nachdem der Beschwerdeführer auf Mahnungen vom 04.12.2007 nicht reagierte, setzte das SG ihm im Schreiben vom 31.01.2008 eine Frist zur Abgabe des Gutachtens bis spätestens 15.02.2008. Gleichzeitig kündigte es
an, es werde gegen ihn Ordnungsgeld verhängen, falls die Frist fruchtlos verstreiche. Mit Schreiben vom 25.02.2008 setzte
das SG eine weitere Nachfrist bis 06.03.2008, nachdem der Sachverständige telefonisch um Fristverlängerung gebeten hatte. Das Gutachten
ging bis zum 06.03.2008 nicht ein. Mit Beschluss vom 19.03.2008 legte das SG dem Beschwerdeführer Ordnungsgeld in Höhe von 500,00 Euro auf. Darin wies das SG auf die gesetzliche Pflicht eines approbierten Arztes zur Gutachtenserstattung hin. Gleichzeitig setzte es dem Beschwerdeführer
Frist zur Abgabe des Gutachtens bis spätestens 10.04.2008 und kündigte an, es werde bei weiterer Säumnis Ordnungsgeld in Höhe
von 1.000,00 Euro festsetzen. Der Ordnungsgeldbeschluss wurde dem Beschwerdeführer mit Postzustellungsurkunde vom 25.03.2008
zugestellt.
Das Gutachten ging nicht ein. Mit Beschluss vom 30.05.2008 legte das SG dem Beschwerdeführer ein weiteres Ordnungsgeld in Höhe von 1.000,00 Euro auf. Zur Begründung führte es aus, der Beschwerdeführer
habe den Gutachtensauftrag über neun Monate nicht erledigt und auf den Ordnungsgeldbeschluss vom 19.03.2008 nicht reagiert.
Vor diesem Hintergrund sei die Verhängung eines weiteren Ordnungsgeldes, diesmal in Höhe von 1.000,00 Euro, notwendig, um
fühlbar zur umgehenden Erstattung des Gutachtens anzuhalten. Der Ordnungsgeldbeschluss wurde dem Beschwerdeführer am 03.06.2008
zugestellt.
Dagegen legte der Beschwerdeführer mit beim SG am 25.06.2008 eingegangenen Schreiben Beschwerde ein. Es gehe um die Begutachtung einer Person, die ihm nicht persönlich
als Patientin bekannt sei und um deren Begutachtung er sich keinesfalls bemüht habe. Darüber hinaus ersticke er in Gutachtensaufträgen
und ähnlichen Angelegenheiten. Der Fall der Klägerin sei besonders kompliziert, das übersandte Aktenmaterial umfangreich.
Das neuerlich gegen ihn verhängte Ordnungsgeld halte er für unverhältnismäßig und beantrage, den Ordnungsgeldbeschluss aufzuheben.
Das Gutachten werde er bis spätestens 15.07.2008 fertiggestellt haben. Mit Schreiben vom 02.08.2008 erklärte der Beschwerdeführer,
er halte die ständigen Drohungen mit immensen Forderungen von Ordnungsgeld nicht mehr aus, könne die neuerlich gesetzte Frist
zum 29.08.2008 nicht einhalten und bitte, vom Gutachtensauftrag entbunden zu werden. Letzterer Bitte entsprach das SG im Schreiben vom 12.08.2008. Es legte darüber hinaus die Beschwerde dem Bayer. Landessozialgericht zur Entscheidung vor.
II. Die Beschwerde ist zulässig (§§
172 Abs.
1,
173 SGG), aber nicht begründet.
Nach §
118 SGG i. V. m. §
411 Abs.
1 und
2 Zivilprozessordnung (
ZPO) kann gegen den Sachverständigen nach Fristsetzung und fruchtlosem Ablauf einer Nachfrist ein zuvor angedrohtes Ordnungsgeld
verhängt werden, wenn der Sachverständige seiner Verpflichtung zur Erstattung des Gutachtens bis dahin nicht nachgekommen
ist. Gemäß §
411 Abs.
2 Satz 3
ZPO kann im Falle wiederholter Fristversäumnis das Ordnungsgeld in gleicher Weise noch einmal festgesetzt werden.
Die in dieser Vorschrift aufgeführten Voraussetzungen sind im Falle des Beschwerdeführers erfüllt. Fest steht, dass der Beschwerdeführer
bereits die ihm vom SG gesetzte Frist zum 15.02.2008 und die Nachfrist bis 06.03.2008 verstreichen ließ, ohne das Gutachten zu erstatten. Auf den
ihm am 25.03.2008 zugestellten Ordnungsgeldbeschluss, in dem ihm eine weitere Nachfrist zur Abgabe des Gutachtens bis 10.04.2008
gesetzt worden und im Falle des fruchtlosen Verstreichens der Frist Ordnungsgeld in Höhe von 1.000,00 Euro angedroht worden
war, zeigte der Beschwerdeführer keine Reaktion. Entschuldigungsgründe brachte er vor Ablauf der Frist und vor Einlegen der
Beschwerde gegen den zweiten Ordnungsgeldbeschluss vom 30.05.2008 nicht vor. Hierzu hätte sich der Beschwerdeführer allein
deswegen gedrängt sehen müssen, weil er vom SG im Ordnungsgeldbeschluss vom 19.03.2008 bereits über seine gesetzlich verankerte Pflicht, als approbierter Arzt ein Gutachten
erstatten zu müssen, informiert worden war.
Sein Vorbringen, er kenne die Klägerin nicht und habe sich nicht um deren Begutachtung bemüht, stellt keine hinreichende Entschuldigung
dar. Zum einen hätte es dem Beschwerdeführer offengestanden, unverzüglich nach Erhalt des Gutachtensauftrags derartige Gründe
vorzutragen und um seine Entbindung von dem Gutachtensauftrag nachzusuchen (§
408 Abs.
1 Satz 2
ZPO). Zum anderen ist er als approbierter Arzt gemäß §
407 Abs.
1 ZPO verpflichtet, der Ernennung zum Sachverständigen durch das Gericht Folge zu leisten. Im Übrigen ist das Gericht gemäß §
109 SGG verpflichtet, einen von der Klägerseite benannten Arzt zum Sachverständigen zu ernennen und mit der Gutachtenserstattung
zu betrauen. Es hätte dem Beschwerdeführer oblegen, Gründe vorzutragen, die für seine Entbindung von dem Gutachtensauftrag
ausgereicht hätten. Hingegen genügt es nicht, wenn der Beschwerdeführer einen Gutachtensauftrag, wie im Schreiben vom 02.08.2008
geschehen, nach fast einem Jahr zurückgeben will. In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass die Gerichte gehalten sind,
den Beteiligten in angemessener Zeit Rechtsschutz zu gewähren. Dies folgt letztlich aus Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK). Danach haben Gesetzgeber und Gerichte in geeigneter Weise sicherzustellen, den Beteiligten Rechtsschutz innerhalb angemessener
Zeit zukommen zu lassen. Im Falle einer überlangen Verfahrensdauer kann der betroffene Staat zu Schadensersatzzahlungen nach
Art. 41 EMRK verpflichtet werden (vgl. Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 08.06.2006; Az.: 5529/01 m. w. N.).
Der Justizgewährungsanspruch des Einzelnen verpflichtet die Gerichte, alle gesetzlichen Maßnahmen zu ergreifen, um Rechtsschutz
zu gewähren. Die Gerichte sind damit auch gehalten, gegebenenfalls gesetzliche Zwangsmaßnahmen, hier aus §
411 Abs.
2 ZPO, zu ergreifen.
In Anbetracht der hartnäckigen Missachtung der Pflichten eines gerichtlichen Sachverständigen begegnet die Festsetzung eines
Ordnungsgeldes an der Obergrenze des von Art. 6 Abs. 1 Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch vorgegebenen Rahmens keinen Bedenken. Bei der Höhe der Zumessung hat das Gericht die Umstände, die für oder gegen den Beschwerdeführer
sprechen, gegeneinander abzuwägen. Dabei ist auf das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art des Verstoßes und dessen verschuldete
Auswirkung sowie die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers sowie auf sein Verhalten nach dem
Ordnungsverstoß abzustellen. Persönliche und wirtschaftliche Gründe, die die Auferlegung des Ordnungsgeldes in der vorgegebenen
Höhe unzumutbar erscheinen ließen, wurden vom Beschwerdeführer nicht vorgebracht und sind auch aus seiner beruflichen Stellung
als niedergelassener Arzt nicht erkennbar. Die wiederholte Pflichtverletzung und das Ignorieren einer zweiten Nachfristsetzung
mit Ordnungsgeldandrohung nach rechtskräftiger Entscheidung über ein vorangegangenes Ordnungsgeld lassen es angemessen erscheinen,
dem Beschwerdeführer ein Ordnungsgeld in Höhe von 1.000,00 Euro aufzuerlegen.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 30.05.2008 war deshalb zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf analoger Anwendung des §
197 a SGG i. V. m. §
154 Abs.
1 und
2 Verwaltungsgerichtsordnung. Danach sind dem im Beschwerdeverfahren unterlegenen Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, da er nicht
zum kostenprivilegierten Personenkreis des §
183 SGG gehört.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
177 SGG).