Festsetzung von Ordnungsgeld wegen unentschuldigten Nichterscheinens im sozialgerichtlichen Verfahren; Herabsetzung bei Fehlinformation
durch den Prozessbevollmächtigten
Gründe:
I. Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen das ihr auferlegte Ordnungsgeld. Im Hauptsacheverfahren zum Aktenzeichen S 6 R 643/08 begehrt die Beschwerdeführerin höhere Rente. Sie ist der Meinung, sie sei in unzulässiger Weise als Spätaussiedlerin von
einer verfassungswidrigen Rentenkürzung betroffen.
Das Sozialgericht Bayreuth (SG) lud die Beschwerdeführerin zur Erörterung des Sach- und Streitverhältnisses auf den 05.11.2008. Hierzu ordnete es das persönliche
Erscheinen der durch einen Bevollmächtigten vertretenen Beschwerdeführerin an. Auch ihr Bevollmächtigter wurde geladen.
Am 20.10.2008 erklärte der Bevollmächtigte der Beschwerdeführerin, er sei mit schriftlicher Entscheidung einverstanden. Am
04.11.2008 teilte er mit, er selbst werde an der Verhandlung nicht teilnehmen und beantrage, die Anordnung des persönlichen
Erscheinens der Beschwerdeführerin aufzuheben. Der Kammervorsitzende teilte dem Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin noch
am selben Tag telefonisch mit, es werde weder der Termin noch das persönliche Erscheinen der Klägerin aufgehoben. Den Inhalt
des Telefongesprächs hielt er in einem Aktenvermerk fest.
Im Erörterungstermin vom 05.11.2008 erschien für die Beschwerdeführerin niemand, wohl aber der Bevollmächtigte der Beklagten.
Der Kammervorsitzende setzte gegen die Beschwerdeführerin Ordnungsgeld in Höhe von 250,00 EUR fest. Sie sei unentschuldigt
nicht erschienen. Ihr persönliches Erscheinen sei notwendig, um ihr die Sach- und Rechtslage sowie die Aussichtslosigkeit
der Klage vor dem Hintergrund der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darzulegen. Der mit Rechtsmittelbelehrung
versehene Beschluss wurde dem Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin mit Empfangsbestätigung vom 07.11.2008 zugestellt.
Dagegen legte die Beschwerdeführerin am 19.11.2008 Beschwerde ein. Sie erklärte, ihr Bevollmächtigter habe ihr mitgeteilt,
sie brauche nicht zu erscheinen. Auf den Hinweis des Senats, der Vorsitzende habe ihrem Bevollmächtigten telefonisch mitgeteilt,
dass es bei dem Termin bleibe, antwortete die Beschwerdeführerin nicht. Das SG legte die Beschwerde dem Bayerischen Landessozialgericht zur Entscheidung vor.
Die Beschwerdeführerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 05.11.2008 aufzuheben.
II. Die statthafte und zulässige Beschwerde (§§
172,
173 Sozialgerichtsgesetz -
SGG -) ist insoweit begründet, als das Ordnungsgeld von 250,00 EUR auf 100,00 EUR herabzusetzen ist. Im Übrigen war die Beschwerde
zurückzuweisen.
Gemäß §§
111,
202 SGG i.V.m. §
141 Zivilprozessordnung (
ZPO) kann das persönliche Erscheinen eines Beteiligten zur mündlichen Verhandlung angeordnet werden und derjenige, der der Anordnung
nicht Folge leistet, mit Ordnungsgeld wie ein im Vernehmungstermin nicht erschienener Zeuge belegt werden. Ob der Vorsitzende
eine Anordnung nach §
111 SGG treffen will, steht in seinem Ermessen. Hält er zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung vor der gesamten Kammer eine
Erörterung des Streitverhältnisses für notwendig, so kann er hierzu das persönliche Erscheinen eines Beteiligten anordnen.
Dass die Anordnung des persönlichen Erscheinens der Beschwerdeführerin für notwendig gehalten worden war, lässt sich aus der
Begründung des Ordnungsgeldbeschlusses ersehen. Anders als der enger gefasste §
141 ZPO ist im sozialgerichtlichen Verfahren im Rahmen der Aufklärung auch die bloße Erörterung der Sach- und Streitsache in Anwesenheit
der Beteiligten zulässig. Insoweit sieht der Senat keine ermessensfehlerhafte Anordnung des persönlichen Erscheinens der Beschwerdeführerin.
Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich um die Erörterung einer so schwierigen Rechtsfrage handelt wie der hier im Streit
stehenden Rentenkürzung, wenngleich die Mitwirkung der Beschwerdeführerin nicht zur Aufklärung des Sachverhalts notwendig
war.
Die Voraussetzungen zur Verhängung eines Ordnungsgeldes gemäß §
111 SGG i.V.m. §
141 Abs.3
ZPO, der auf die Vorschriften der Zeugenvernehmung verweist, liegen vor, da die Beschwerdeführerin im Termin zur Erörterung des
Sach- und Streitverhältnisses am 05.11.2008 nicht erschienen war. Nach §
380 ZPO sind einem ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der nicht erscheint, die durch sein Ausbleiben verursachten Kosten sowie ein Ordnungsgeld
aufzuerlegen. Die Festsetzung von Ordnungsgeld hat zu unterbleiben bzw. kann nachträglich aufgehoben werden, wenn der Beteiligte
sein Ausbleiben genügend entschuldigen kann. Entschuldigt er sein Fernbleiben rechzeitig, das heißt so rechtzeitig, dass der
Termin aufgehoben und die übrigen Beteiligten hiervon noch unterrichtet werden können, so hat die Festsetzung von Ordnungsmitteln
zu unterbleiben. Erfolgt die Entschuldigung nicht rechtzeitig, so entfällt die Festsetzung eines Ordnungsmittels nur dann,
wenn glaubhaft gemacht wird, dass den Betroffenen an der Verspätung der Entschuldigung kein Verschulden trifft und die Entschuldigung
nachvollziehbar ist. Letzteres ist dann der Fall, wenn unter Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalles das Ausbleiben
nicht als pflichtwidrig erscheint. Grundsätzlich ist eine Entschuldigung nicht genügend, die darauf beruht, dass der Prozessbevollmächtigte
den Beteiligten abbestellt. Denn allein das Gericht kann die Ladung wirksam aufheben. Hat der Beteiligte vom Gericht keine
Mitteilung von der beantragten Terminsaufhebung erhalten, so muss er sich zumindest durch Rückfrage beim Gericht versichern
(Baumbach/Lauterbach, Albers/Hartmann,
ZPO, 67. Auflage, §
381 Rdnr.6). Eine derartige Rückversicherung hat die Beschwerdeführerin unterlassen. Insofern ist von einer nachträglichen hinreichenden
Entschuldigung nicht auszugehen.
Der Senat berücksichtigt jedoch das Verhalten der Beschwerdeführerin, das offensichtlich auf einer Fehlinformation durch ihren
Bevollmächtigten beruht. Er sieht insoweit eine geringere Schuld, weil das Nichterscheinen auf einer Fehlinformation und nicht
auf einer willentlichen Nichtachtung der Bürgerpflicht, auf Ladung bei Gericht zu erscheinen, beruht. Insofern sah sich der
Senat veranlasst, das gegen die Beschwerdeführerin festgesetzte Ordnungsgeld von 250,00 EUR auf 100,00 EUR herabzusetzen.
Im Übrigen war jedoch die Beschwerde zurückzuweisen.
Einen Anspruch auf Erstattung ihrer außergerichtlichen Kosten im Beschwerdeverfahren, etwa gegenüber der Staatskasse, hat
die Beschwerdeführerin nicht, weil erst ihr Verhalten nach Erlass des Ordnungsgeldbeschlusses, nämlich das sofortige Eingeständnis
ihrer Verfehlung, zu Herabsetzung des Ordnungsgeldes führte.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
177 SGG).