Tatbestand:
Streitig ist ein Rentenanspruch des Klägers wegen Erwerbsminderung, insbesondere, ob hierfür die versicherungsrechtlichen
Voraussetzungen erfüllt sind.
Der 1947 in Kroatien geborene Kläger war in der Zeit von September 1968 bis Mai 1982 in Deutschland - zuletzt als Maschinenarbeiter-
versicherungspflichtig beschäftigt. Anschließend zahlte er noch bis August 1983 freiwillige Beiträge zur Beklagten ein. Nach
seiner Rückkehr in die Heimat legte er vom 01.03.1983 bis 30.06.1991, vom 01.07.1991 bis 01.10.1991, vom 02.02.1993 bis 22.08.1995
und vom 01.12.2003 bis 30.04.2006, insgesamt für 13 Jahre 6 Monate und 22 Tage, Versicherungszeiten nach kroatischem Recht
zurück.
Auf seinen Rentenantrag vom 04.08.2005 stellte der kroatische Versicherungsträger den Rentenanspruch aus der kroatischen Versicherung
ab 31.10.2005, mit Zahlungsbeginn ab 01.05.2006, fest. Entsprechend dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und
der Republik Kroatien über Soziale Sicherheit (deutsch-kroatisches SV) leitete der kroatische Versicherungsträger den Antrag
mit Formblatt HR-D 206, nebst Versicherungsverlauf und Rentenmitteilung sowie einer Bescheinigung über Zeiten der Arbeitslosigkeit,
der Beklagten zur Prüfung und Bescheidung zu.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 15.09.2006 lehnte die Beklagte die Rentengewährung im Wesentlichen mit der Begründung ab,
der Kläger habe in den fünf Jahren vor Rentenantragstellung nur ein Jahr und neun Kalendermonate mit Pflichtbeitragszeiten
belegt.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch begründete der Kläger unter Vorlage einer Bescheinigung über Zeiten der Arbeitslosigkeit,
die - wie bereits die vom kroatischen Versicherungsträger übersandte Bescheinigung - den Vermerk enthielt, dass er in den
bezeichneten Zeiträumen keine Ersatzleistungen (als Arbeitsloser) erhalten habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 07.12.2006 wies
die Widerspruchsstelle den Widerspruch im Wesentlichen mit der Begründung zurück, der Kläger habe statt der erforderlichen
36 nur 21 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt. Die kroatischen Arbeitslosigkeitszeiten seien nicht zu berücksichtigen, da während
dieser Zeit keine Leistungen gewährt worden seien. Dementsprechend seien die Zeiträume von November 1991 bis Januar 1993 und
von September 1995 bis November 2003 nicht mit sogenannten "Anwartschaftserhaltungszeiten" belegt.
Die hiergegen am 15.01.2007 zum Sozialgericht Landshut (SG LA) erhobene Klage begründete der Kläger damit, dass die Zeit der Arbeitslosmeldung in Kroatien durchaus eine Abkommenszeit
darstellen müsse.
Mit Schreiben vom 15.03.2007 hat das SG den Kläger darauf hingewiesen, dass das deutsch-kroatische SV die Berücksichtigung von Zeiten der Arbeitslosigkeit nur dann
vorsehe, wenn Arbeitslosengeld gewährt werde. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien damit letztmals bei Eintritt
eines Leistungsfalls im Juni 1996 erfüllt. Diesbezüglich trage der Kläger die Beweislast. Im Hinblick auf den Zeitpunkt der
Rentenantragstellung und die tatsächliche Berufsausübung nach 1996 habe die Klage demgemäß nur geringe Erfolgsaussicht.
Daraufhin hat der Kläger Kopien seiner Versicherungsunterlagen übersandt.
Das SG hat Erhebungen zum Umfang der Versicherungszeiten und zum Eintritt des Leistungsfalles vorgenommen. Unter Auswertung kroatischer
Befund- und Krankheitsberichte, in denen auch ein jahrelanger Kriegseinsatz des Klägers erwähnt wird, hat die von Amts wegen
beauftragte gerichtsärztliche Sachverständige, Dr. med. T., in ihrem Gutachten nach Aktenlage vom 04.09.2008 für die Zeit
ab 1995 folgende Gesundheitsstörungen festgestellt:
1. Abdominelle Beschwerden bei chronisch rezidivierender Magenschleimhautentzündung und funktionellen Darmstörungen.
2. Wirbelsäulenabhängige Beschwerden mit Lumboischialgie.
3. Darüber hinaus seien seit 2001 zusätzlich ein Zervikobrachialsyndrom und ein depressives Syndrom mit Verdacht auf "posttraumatische
Belastungsstörung" aktenkundig.
Zusammenfassend ließe sich aus den"abdominellen Beschwerden und dem Lendenwirbelsäulensyndrom" eine quantitative Beeinträchtigung
nicht ableiten. Für die Zeit vor 1997 seien keine psychopathologischen Befunde erwähnt. Eine "psychiatrische Vorstellung"
des Klägers sei erstmals im März 2001 erfolgt. Maßgebend hierfür seien ein ängstlich-depressives Syndrom und eine posttraumatische
Belastungsstörung gewesen. In den Folgejahren habe sich der Kläger regelmäßig in psychiatrischer Behandlung befunden, wobei
unter Therapie eine relative Stabilisierung erreicht habe werden können - bis zum Tode des Sohnes im Rahmen eines Verkehrsunfalls
im Jahr 2005.
Auf die mündliche Verhandlung vom 23.10.2008 hat die 11. Kammer des SG LA die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, nach dem Ergebnis der gerichtsärztlichen Begutachtung habe der
Kläger jedenfalls bis Dezember 1997 vollschichtig tätig sein können. Die Beschäftigung des Klägers in der Zeit von Dezember
2003 bis April 2006 spreche zudem gegen eine verminderte Erwerbsfähigkeit in dem Zeitraum, in dem die versicherungsrechtlichen
Voraussetzungen noch erfüllt gewesen seien. Nach Art.26 Abs.2 des deutsch-kroatischen SV stellten die Zeiten der Arbeitslosigkeit
ohne Leistungsbezug in Kroatien keine Verlängerungstatbestände dar.
Die gegen das am 31.03.2009 zugestellte Urteil am 17.06.2009 eingelegte Berufung hat der Kläger damit begründet, dass die
Zeiten der Arbeitslosigkeit in Kroatien anspruchsbegründend sein müssten. Zudem könnte man im Hinblick auf seine Beschäftigung
von Dezember 2003 bis April 2006 "ein Auge zudrücken und ihm die Rente wegen der noch fehlenden 8 Monate" nicht weiter versagen.
Auf Anfrage des Senats hat die Beklagte mitgeteilt, dass der Kläger ab 01.12.2012 Anspruch auf (Regelalters-)Rente habe. Das
erkennende Gericht hat den Kläger ferner mit Begleitschreiben zur Auskunft der Beklagten auf die Beweislage, insbesondere
auf den Beweiswert der tatsächlichen Arbeitsleistung, wodurch das Ergebnis der gerichtsärztlichen Begutachtung im SG-Verfahren bestätigt werde, hingewiesen. Mit Schriftsatz vom 15.05.2011 hat der Kläger erklärt, dass er seine Berufung nicht
zurücknehme.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des SG Landshut vom 23.10.2008 und des Bescheides der Beklagten vom 15.09.2006 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.12.2006 zu verurteilen, ihm ab August 2005 Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Gerichts- und Verwaltungsentscheidungen für zutreffend.
Im Übrigen wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Landessozialgerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§
143,
144,
151 Sozialgerichtsgesetz -
SGG -) ist auch im Übrigen zulässig, sachlich aber nicht begründet. Das Sozialgericht und die Beklagte haben zu Recht entschieden,
dass der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung habe, da die hierfür erforderlichen beitragsrechtlichen Voraussetzungen
des §
43 Abs.1 Nr.2 sowie des §
241 Abs.2 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch -
SGB VI - nicht erfüllt sind.
Der Nachweis, dass Erwerbsminderung spätestens im Juni 1996 eingetreten sei und daher die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen
der Ziffer 2 des §
43 Abs.1
SGB VI noch erfüllt seien, ist nicht erbracht.
Versicherte haben gemäß §
43 Abs.2 Satz 1 bzw. Abs.1 Satz 1
SGB VI bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie
1. voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind,
2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung
oder Tätigkeit haben und
3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter
den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert
sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen
des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Anspruch auf Rente wegen teilweiser
Erwerbsminderung haben - bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen - bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze auch Versicherte,
die
1. vor dem 01.01.1961 geboren und
2. berufsunfähig sind.
Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit
von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten
auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit vom Versicherten zu
beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der
Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit
zugemutet werden können (§
240 Abs.1 und 2
SGB VI).
Nach §
241 SGB VI verlängert sich der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung bzw. der Berufsunfähigkeit (§
240 SGB VI), in dem Versicherte für einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte
Beschäftigung oder Tätigkeit haben müssen, u.a. um Ersatzzeiten. Nach Abs.2 des §
241 SGB VI sind Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vor Eintritt der Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit
für Versicherte nicht erforderlich, die vor dem 01.01.1984 die allgemeine Wartezeit erfüllt haben, wenn jeder Kalendermonat
vom 01.01.1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbsminderung oder der Berufsunfähigkeit mit Anwartschaftserhaltungszeiten
belegt ist. Nach dem zwischenstaatlichen Abkommen zwischen Deutschland und Kroatien steht eine Pflichtbeitragsleistung im
Herkunftsland einer entsprechenden Beitragsleistung in Deutschland gleich. Im Übrigen ist eine Gleichstellung von Zeiten (z.B.
Anrechnungs- bzw. Ersatzzeiten) durch das Sozialversicherungsabkommen nicht erfolgt.
Der Kläger erfüllt diese versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht. Denn eine ununterbrochene Belegung der Zeit ab 01.01.1984
liegt nicht vor und zur Überzeugung des Senats steht fest, dass er jedenfalls erst nach 1997 maßgebend in seiner Leistungsfähigkeit
beeinträchtigt war. Dies gilt sowohl für seinen zuletzt in Deutschland ausgeübten Beruf als auch für Tätigkeiten des allgemeinen
Arbeitsmarktes. Neben den vorliegenden kroatischen medizinischen Unterlagen und dem Gutachten der gerichtsärztlichen Sachverständigen
Dr. med. T. vom 04.09.2008 sprechen auch der Beweiswert der tatsächlichen Arbeitsleistung nach 2003 sowie der Zeitpunkt der
erstmaligen Rentenantragstellung gegen den Eintritt eines früheren Leistungsfalles.
Die gerichtsärztliche Sachverständige hat in ihrem Gutachten eine überzeugende zusammenfassende Wertung abgegeben. Hiernach
lässt sich die Annahme einer quantitativen Leistungseinschränkung bis zum Jahr 2005 nach den vorliegenden Befunden nicht rechtfertigen.
Erst nach dem Verkehrsunfall des Sohnes im Mai 2005, mit mehrmonatigem Koma und Tod des Sohnes im August 2005, ist mit an
Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von einer maßgeblichen Verschlechterung der psychischen Erkrankung des Klägers und
einer zeitlichen Leistungseinschränkung auszugehen.
Anhaltspunkte dafür, dass der Kriegseinsatz des Klägers bereits durchgehend zu einer quantitativen Leistungseinschränkung
geführt hätte, liegen nicht vor. Das "posttraumatische Belastungssyndrom" mit "Flash- back- Symptomatik" machte eine psychiatrische
Behandlung erst ab Ende der 90-er Jahre bzw. Anfang 2000 erforderlich. Dies bestätigen die kroatischen Befund- und Klinikberichte,
insbesondere des Allgemeinkrankenhauses "Dr. I. P." -S., Abteilung für Psychiatrie, vom 02.10.2006.Den erforderlichen Beweis
des rechtzeitigen Eintritts des Leistungsfalls (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Komm. zum
SGG, 9.A., §128 Rdnr.3b) erbringen also auch diese medizinischen Unterlagen nicht.
Die Zeiten der Arbeitslosigkeit in Kroatien sind vom Sozialgericht und der Beklagten zu Recht nicht als die Rentenanwartschaft
erhaltende bzw. die Anwartschaft begründende Zeiten gewertet worden. Auf die zutreffenden Ausführungen des erstinstanzlichen
Urteils wird insoweit Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe nach §
153 Abs.2
SGG abgesehen.
Die gesetzlichen Voraussetzungen sind im Übrigen sowohl für die Beklagte als auch für die Gerichte bindend. Dies würde selbst
dann gelten, wenn lediglich ein Monat zu ihrer Erfüllung fehlen würde. Dem Anliegen des Klägers in seiner Berufungsbegründung,
ihm wegen der fehlenden acht Monate nicht die Rente zu versagen, kann demzufolge nicht entsprochen werden. Die Bindung an
Recht und Gesetz der Verwaltung sowie der Gerichte ist ein verfassungsrechtlicher Grundsatz, von dem nicht abgewichen werden
kann (Art.20 Abs.3
Grundgesetz).Dem Kläger kann nur dringend anheim gestellt werden, rechtzeitig vor Vollendung des 65. Lebensjahres Regelaltersrente (§
235 SGB VI) zu beantragen.
Der Berufung war nach alledem der Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß §
160 Abs.2
SGG sind nicht gegeben.