Statthaftigkeit der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage im sozialgerichtlichen Verfahren nach einer
Teiländerung des Bewilligungsbescheids im Zugunstenverfahren; Anspruch auf Arbeitslosengeld II; Voraussetzungen eines Mehrbedarfs
nach § 21 Abs. 4 SGB II; Anforderungen an die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
Tatbestand
Der Kläger begehrt nach einem Antrag auf Überprüfung der vorhandenen Bewilligungsbescheide für die Zeit von 14.02.2012 bis
31.12.2013 höheres Arbeitslosengeld II (Alg II), insbesondere begehrt er die Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für behinderte
Menschen in einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 21 Abs. 4 SGB II.
Der 1954 geborene Kläger hat die Staatsangehörigkeit von Bosnien-Herzegowina. Nach einem amtsärztlichen Gutachten vom Sommer
2009 kann der Kläger täglich drei bis unter sechs Stunden täglich arbeiten. Der alleinstehende Kläger bezog ab 01.01.2005
Alg II vom Beklagten. Er war mit Unterbrechungen von 1981 bis 2002 in Deutschland beschäftigt und er verfügt über eine Niederlassungserlaubnis
nach § 9 Aufenthaltsgesetz, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt.
Von Oktober 2005 bis Ende 2006 war der Kläger als Ofen-/Kaminbauer erwerbstätig. Danach war der Kläger eine Zeit lang im Ausland,
anschließend bezog er bis Mitte 2009 Arbeitslosengeld nach
SGB III. Danach erhielt er vom Beklagten wieder Alg II.
Der Kläger bewohnte im strittigen Zeitraum eine Wohnung für monatlich 332,54 EUR, deren Kosten komplett als Bedarf anerkannt
wurden. Warmwasser wurde dezentral bereitet. Leistungen für die Unterkunft sind nach ausdrücklicher Erklärung des Klägers
im Klageverfahren S 11 AS 1219/13 nicht Streitgegenstand.
In der Zeit von 01.01.2012 bis 30.06.2012 erhielt der Kläger mit Bewilligungsbescheid vom 01.12.2011 Alg II von monatlich
706,54 EUR, in der Zeit von 01.07.2012 bis 31.12.2012 mit Bewilligungsbescheid vom 24.05.2012 monatlich 706,54 EUR, in der
Zeit von 01.01.2013 bis 30.06.2013 mit Bescheid vom 22.11.2012 monatlich 706,54 EUR, erhöht mit Änderungsbescheid vom 24.11.2012
auf monatlich 714,54 EUR und in der Zeit von 01.07.2013 bis 31.12.2013 mit Bescheid vom 29.05.2013 ebenfalls monatlich 714,54
EUR.
Der Kläger nahm bereits seit September 2009 an dem Projekt BINS50plus (Beschäftigungsinitiative Süd für über 50-Jährige) teil.
Er verpflichtete sich hierzu durch mehrere Eingliederungsvereinbarungen. Diese Maßnahme fand auch ab 14.02.2012 bis 13.02.2014
statt. Dies wurde in den Eingliederungsvereinbarungen vom 08.02.2012, 24.04.2013 und 23.10.2013 für jeweils sechs Monate vereinbart.
Für die Zeit von September 2012 bis April 2013 ist eine Eingliederungsvereinbarung nicht feststellbar. Die Eingliederungsvereinbarungen
enthalten jeweils eine Aufzählung aller Teilprojekte und der Projektpartner. Der Kläger verpflichtete sich zur Teilnahme "je
nach Eignung". Inhalt des vom Kläger gewählten Teilprojektes "Kurs finden 50plus" war der Besuch von drei verschiedenen Kursen
pro Semester an der Volkshochschule (VHS). Ein Kurs solle berufsorientierenden Inhalt haben, ein Kurs gesundheitsorientierenden
Inhalt und der dritte Kurs sei frei wählbar. Hinzu komme ein "Einzelcoaching" von der VHS mit Einzelterminen. Fahrkosten wurden
erstattet.
Die Beklagtenakte enthält ein Faltblatt zur Beschreibung der Maßnahme. Danach enthält die Maßnahme ein dreitägiges "Profilpass-Gruppenseminar",
die Teilnahme an dem Kursprogramm der Volkshochschule über zwei Semester (Halbjahre) mit drei Kursen je Semester aus den Themen
Gesundheitsprävention, Persönlichkeitsentwicklung, gesellschaftliche Integration, Allgemeinbildung und berufliche/künstlerische/sprachliche
Entwicklung sowie individuelle Beratung und Coaching zweimal monatlich nach Vereinbarung. Die Beratung/das Coaching diene
der Kursberatung und Buchung der Kurse, dem authentischen Dialog, dem Training persönlicher Kompetenzen, dem Abbau von Vermittlungshindernissen
und Vermittlungsleistungen nach Bedarf.
Grundlagen und Ziele der Maßnahme waren laut Faltblatt Würdigung und Akzeptanz der Lebensleistung, Stärkung der Selbstverantwortung,
persönliche Aktivierung, individuelle Unterstützung und begleitende Beratung. Der persönliche Bedarf sollte ermittelt und
gefördert werden zum Beispiel mit folgenden Zielen: Gesundheitsfürsorge, Persönlichkeitsentwicklung, soziale Integration,
Unterstützung in wirtschaftlichen Krisensituationen, Integration in den Arbeitsmarkt, Unterstützung im Rentenantragsverfahren
etc.
Der Kläger besuchte in den knapp zwei Jahren folgende zwölf, teils nur eintägige Kurse: Kontakt und Grenzen, Arbeit im Künstleratelier,
Thai Chi für Anfänger, Bogenschießen, Furcht und Angst, Wut und Aggression, Malen und Zeichnen an Orten mit besonderer Energie,
Wertschätzung und Akzeptanz, Kontakt und Grenzen, Angst ist die Kraft, gnostische Evangelien und spielerische Monotypie (Bildermaltechnik
aus dem 17. Jahrhundert).
Am 20.06.2013 teilte der Kläger mit, dass er am 14.06.2013 aus einer Seminartätigkeit für die Volkshochschule (Möbel restaurieren,
eine Woche im Mai 2013) ein Honorar in Höhe von 272,- EUR erhalten hatte. Der Kläger gab an, zweimal 10,40 EUR an Fahrtkosten
für den ÖPNV und zweimal 5,- EUR an Telefonkosten gehabt zu haben. Nachweise hierzu existieren nicht. Am 25.07.2013 erzielte
der Kläger aus einem Seminar im April 2013 ein Honorar in Höhe von 204,- Euro. Am 27.11.2013 erhielt der Kläger von der Volkshochschule
ein Honorar in Höhe von 272,- EUR für die Seminarleitung eines Kurses zum Möbelrestaurieren, der an vier Tagen Ende Oktober
und Anfang November 2013 stattfand. Der Kläger machte wiederum monatlich 5,- EUR für Telefonkosten ohne Nachweis geltend.
Mit Änderungsbescheid vom 23.07.2013 wurde die Leistungsbewilligung für den Monat November 2013 auf 580,94 EUR (248,40 EUR
für den Regelbedarf) herabgesetzt. Der Kläger erhob dagegen Widerspruch. Das Einkommen aus selbständiger Tätigkeit sei nicht
auf den Bewilligungszeitraum verteilt worden und damit falsch angerechnet worden. Abhilfe erfolgte später mit Bescheid vom
09.09.2013.
Bereits mit Schreiben vom 14.08.2013 beantragte der Bevollmächtigte des Klägers die Überprüfung der Leistungszeiträume seit
01.01.2012. Der Mehrbedarf für die dezentrale Erzeugung von Warmwasser sei nicht berücksichtigt worden. Hierzu wurde eine
Vermieterbestätigung vorgelegt, das Warmwasser durch einen Durchlauferhitzer im Bad bzw. Boiler in der Küche mit Strom bereitet
wird. Außerdem werde der Mehrbedarf wegen Behinderung gemäß § 21 Abs. 4 SB II nicht gewährt. Vorgelegt wurde ein Bescheid
des Versorgungsamtes über einen GdB von 20 vom 03.08.2011; als Einzel-GdB wurden angesetzt 20 für Sehminderung links, 10 für
Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und 10 für die arterielle Verschlusskrankheit des rechten Beins sowie Teilverlust der
1. und 2. Zehe rechts. Der Kläger nehme seit geraumer Zeit an der Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit (BINS 50plus) teil.
Mit gesondertem Bescheid vom 04.09.2013 wurde der Mehrbedarf für Warmwasser zugesprochen und der Mehrbedarf nach § 21 Abs.
4 abgelehnt. Der Kläger nehme nicht an derartigen Maßnahmen bzw. Hilfen teil. Mit vier Änderungsbescheiden ebenfalls vom 04.09.2013
wurde das Arbeitslosengeld II für die vier Bewilligungszeiträume in jedem Monat um den Mehrbedarf Warmwasser (in 2012 monatlich
8,60 EUR, in 2013 monatlich 8,87 EUR) angehoben.
Mit weiterem Änderungsbescheid vom 09.09.2013 wurde das Einkommen von 272,- EUR aus der Berechnung genommen und für November
2013 ungekürzte Leistungen in Höhe von 723,33 EUR gewährt mit RB von 382,- EUR.
Der Kläger erhob Widerspruch gegen den gesonderten Bescheid vom 04.09.2013. Dem Kläger stehe der Mehrbedarf wegen Behinderung
zu. Die Maßnahme BINS50plus sei eine sonstige Hilfe zur Erlangung eines Arbeitsplatzes oder eine Leistung nach §
33 SGB IX.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.11.2013 wurde der Widerspruch gegen den gesonderten Bescheid vom 04.09.2013 zurückgewiesen.
Die Maßnahme BINS50plus sei keine Maßnahme nach § 21 Abs. 4 SGB II. Es handle sich nicht um eine zielgerichtete Maßnahme, um Nachteile eines behinderten Erwerbsfähigen bei der Eingliederung
in Arbeit auszugleichen. Es liege auch keine strukturierte und regelförmige Maßnahme vor. Es handle sich wohl um eine allgemeine
Lebenshilfe.
Mit Bescheid vom 27.06.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.07.2014 änderte der Beklagte die Bescheide vom 22.11.2012,
24.11.2012, 29.05.2014 und 04.09.2013 für die Monate Juni, Juli und November 2013 gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X und forderte eine Erstattung in Höhe von insgesamt 358,40 EUR. Dagegen erhob der Kläger die Klage S 11 AS 698/14. Das Einkommen sei falsch berechnet worden. Daraufhin erfolgte der Änderungsbescheid vom 05.09.2014. Die Aufhebung wurde
für Juni und November 2013 auf jeweils 37,60 EUR reduziert und die Einkommensanrechnung für Juli 2013 vollständig beseitigt.
Die Erstattung betrage nunmehr insgesamt 75,20 EUR. Diese Klage endete ohne Hauptsacheentscheidung. Im streitgegenständlichen
Berufungsverfahren hob der Beklagte den Bescheid vom 27.06.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.07.2014 und des
Änderungsbescheids vom 05.09.2014 auf.
Der Kläger erhob bereits am 05.12.2013 Klage zum Sozialgericht Augsburg gegen den Widerspruchsbescheid vom 15.11.2013. Die
Maßnahme BINS50plus sei eine von § 21 Abs. 4 SGB II erfasste Maßnahme. Es wurde auf das oben beschriebene Faltblatt verwiesen und auf eine vom Kläger vorgelegte Leistungsbeschreibung
der Maßnahme mehrerer südbayerischer Grundsicherungsträger anlässlich einer Ausschreibung, die sich an Maßnahmeträger richtete.
Einschlägig ist für den Kläger das Teilprojekt 11 bis 14 "Kursfinden". Zielsetzung sei es, ältere Langzeitarbeitslose mit
Vorerfahrungen im handwerklich technischen Bereich beim Zugang zum Arbeitsmarkt zu aktivieren und damit ihre Beschäftigungsfähigkeit
und die Integrationschancen zu erhöhen. Es gehe um die Herstellung der individuellen Beschäftigungsfähigkeit zur beruflichen
und damit sozialen Eingliederung durch umfassende personale Unterstützung, Steuerung und Flankierung des Gesamtprozesses der
Teilnehmer sowie die Beendigung der Hilfebedürftigkeit durch Förderung der Beschäftigungsaufnahme und Aktivierung des Teilnehmers.
Auf die Seiten 28 und 29 des Auszugs aus der Leistungsbeschreibung wird hiermit verwiesen.
Das Sozialgericht veranlasste eine schriftliche Befragung der Projektleiterin der VHS A-Stadt als Zeugin. Die Zeugin berichtete,
dass die Maßnahme das Ziel gehabt habe, ältere Langzeitarbeitslose zu aktivieren, deren multiple Vermittlungshemmnisse zu
verringern oder zu beseitigen und damit die individuelle Beschäftigungsfähigkeit wiederherzustellen mit dem Ziel einer anschließenden
Integration in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse. Die Maßnahme habe sich an langzeitarbeitslose Männer
und Frauen über 50 gerichtet, die aufgrund multipler Vermittlungshemmnisse als besonders arbeitsmarktfern eingestuft worden
seien. Die Vermittlungshemmnisse würden sich auch auf gesundheitliche Einschränkungen beziehen. Ein nicht unerheblicher Teil
der Maßnahmeteilnehmer hätte einen anerkannten GdB von 50 oder mehr gehabt. Schwerbehinderte Menschen würden durch entsprechende
Angebote an Gesundheitskursen und das therapienahe Beratungsangebot gefördert.
Das Sozialgericht wies die Klage mit Urteil vom 12.02.2014 ab. Die Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 44 SGB X lägen nicht vor. Die erfolgten Bewilligungen seien rechtmäßig. Ein Mehrbedarf nach § 21 Abs. 4 SGB II sei neben dem Regelbedarf und dem Mehrbedarf wegen dezentraler Warmwasserbereitung nicht zu berücksichtigen.
Der Kläger sei bei einem GdB von 20 behindert im Sinn von § 21 Abs. 4 SGB II, §
2 SGB IX. Es handle sich aber nicht um eine Maßnahme nach § 21 Abs. 4 SGB II.
Eine Maßnahme der Eingliederungshilfe nach § 54 SGB XII liege nicht vor.
Eine Maßnahme nach §
33 SGB IX müsse schwerpunktmäßig das Ziel verfolgen, die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend
ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben
möglichst auf Dauer zu sichern (vgl. BSG, Urteil vom 06.04.2011, B 4 AS 3/10 R, Rn. 25). Daran fehle es hier. Die Maßnahme wende sich an alle Arbeitsuchenden, die eine bestimmte Altersgrenze erreicht
haben. Die Maßnahme sei lediglich auch für behinderte Menschen offen und aufgrund des vielfältigen Kursangebotes geeignet.
Die Teilnehmer könnten frei unter den Kursen wählen und damit Kurse, die nichts mit dem Ausgleich ihrer behinderungsbedingten
Nachteile zu tun hätten. Es fehle eine finale Zielrichtung der Maßnahme, behinderungsbedingte Nachteile zu beheben. Die Maßnahme
sei auch nicht wegen der Behinderung des Klägers erbracht worden, sondern wegen seines Alters. Es handle sich um eine Maßnahme
zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung nach §
45 SGB III.
Es handle sich auch nicht um eine sonstige Hilfe zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Erwerbsleben. Auch derartige Maßnahmen
müssten regelförmige Maßnahmen sein, welche einen organisatorischen Mindestrahmen und eine gewisse Maßnahmedauer voraussetzen
(BSG, Urteil vom 22.03.2010, B 4 AS 59/09 R). Die Maßnahme bestehe aus mehreren Modulen und dauere hier insgesamt 24 Monate. Innerhalb der einzelnen Module sei die
Teilnahme an verschiedenen Kursen noch an gewisse Vorgaben gebunden. Die Maßnahme sei deshalb regelförmig. Eine Gleichwertigkeit
sonstiger Hilfen mit Hilfen nach §
33 SGB IX (vgl. BSG, Urteil vom 06.04.2011, B 4 AS 3/10 R) bestehe nur, wenn auch die sonstigen Hilfen gerade dazu erbracht werden, um speziell behinderte Erwerbsfähige in den Arbeitsmarkt
wieder einzugliedern. Einen eigenständigen Anwendungsbereich der sonstigen Hilfen gebe es gleichwohl, weil damit Leistungen
von Behörden und Träger erfasst würden, die nicht zu den Rehabilitationsträgern nach §
6 SGB IX zählten. Eine derartige Ausrichtung, behinderungsbedingte Nachteile auszugleichen oder die Integration gerade behinderter
Menschen speziell zu fördern, liege hier nicht vor.
Bei der vorliegenden Maßnahme könne es sich auch deshalb nicht um eine sonstige Hilfe handeln, weil die Maßnahme theoretisch
von §
33 Abs.
3 Nr.
1 SGB IX als Leistung zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung erfasst werde und nur dessen Voraussetzungen nicht vorlägen.
Sonstige Fehler bei der Leistungsberechnung seien für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht zu erkennen. Der Mehrbedarf
wegen dezentraler Warmwasserversorgung werde gewährt.
Der Kläger hat am 07.03.2014 Berufung eingelegt.
Bei BINS50plus handle es sich um eine sonstige Hilfe zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben. In Abgrenzung
zu §
33 SGB IX seien damit die Leistungen zur Erlangung eines Arbeitsplatzes nach dem SGB II gemeint. Eine behindertenspezifische Ausrichtung sei entgegen der Ansicht des SG nicht notwendig, hier aber gleichwohl gegeben. Die behindertenspezifischen Nachteile bestünden unabhängig von der Art der
Maßnahme. Das Ziel der Maßnahme sei laut der Leistungsbeschreibung zwischen Beklagtem und Maßnahmeträger die Integration in
den Arbeitsmarkt. Bei "sonstigen Hilfen" nach § 21 Abs. 4 SGB II müsste nicht die Ausrichtung auf behinderte Menschen gleichwertig sein, nur Struktur, Umfang und Zielsetzung der Integration
in Arbeit. Sonst ergebe sich kein Anwendungsbereich der "sonstigen Hilfen"
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 12. Februar 2014 abzuändern und den Beklagten unter Abänderung der Bescheide vom
04.09.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.11.2013 zu verpflichten, unter Abänderung der Bescheide vom 01.12.2011,
24.05.2012, 22.11.2012 (geändert mit Bescheid vom 24.11.2012) und 29.05.2013 dem Kläger in der Zeit von 14.02.2012 bis 31.12.2013
höheres Arbeitslosengeld II zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf die Akten des Beklagten, die Akten des Sozialgerichts und die Akte des
Berufungsgerichts verwiesen.
Entscheidungsgründe
1.Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§
151 Sozialgerichtsgesetz SGG). Die Berufung ist jedoch unbegründet, weil das Sozialgericht die Klage zu Recht abgelehnt hat. Die ursprünglichen Bewilligungsbescheide
sind rechtmäßig, so dass der Kläger keinen Anspruch auf Rücknahme dieser Bescheide nach § 40 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 44 SGB X hat.
Streitgegenstand sind zunächst die vier Bescheide vom 04.09.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.11.2013, die
nach dem Überprüfungsantrag die Leistungsbewilligungen für die Monate Januar 2012 bis einschließlich Dezember 2013 neu festsetzten.
Der weitere gesonderte Bescheid vom 04.09.2013, der sich zu den einzelnen Mehrbedarfen äußerte, hat neben den vorgenannten
Bescheiden keine eigenständige Bedeutung. Weil ausdrücklich nur höhere Leistungen für die Zeit ab dem Beginn der Maßnahme
BINS50plus (14.02.2012) geltend gemacht werden, ist nur die Zeit ab 14.02.2012 bis zum Ende der beim Überprüfungsantrag letzten
laufenden Bewilligung (31.12.2013) Streitgegenstand.
Statthafte Klageart ist die kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (Keller in Meyer-Ladewig,
SGG, 11 Auflage 2014, §
54 Rn. 20c). Die Verpflichtungsklage auf weitergehende Abänderung der ursprünglichen Bescheide vom 01.12.2011, 24.05.2012, 22.11.2012
(geändert mit Bescheid vom 24.11.2012) und 29.05.2013 (Dreifachklage nach Überprüfungsverfahren) ist erforderlich. Das Gericht
hat auch bei einer teilweisen Änderung der ursprünglichen Bescheide durch die Bescheide vom 04.09.2013 keinen Durchgriff auf
die ursprünglichen Bewilligungsbescheide.
Nicht mehr zu prüfen ist der Bescheid vom 27.06.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.07.2014 und des Änderungsbescheids
vom 05.09.2014, mit denen Einkommen des Klägers angerechnet wurde, weil diese Bescheide vom Beklagten aufgehoben wurden.
Nicht Streitgegenstand sind nach ausdrücklicher Erklärung des Klägers im sozialgerichtlichen Verfahren die Leistungen für
Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II. Dies ist auch nach der Neufassung des SGB II zum 01.01.2011 ein abtrennbarer Streitgegenstand (vgl. BSG, Urteil vom 04.06.2014, B 14 AS 42/13, dort Rn. 10).
2. Der Kläger erfüllt die Anspruchsvoraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Im strittigen Zeitraum hatte der Kläger das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht, war nach dem Gutachten mit der Fähigkeit, täglich drei bis unter sechs Stunden zu arbeiten, gemäß §
8 Abs. 1 SGB II erwerbsfähig sowie hilfebedürftig und hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Wegen der Niederlassungserlaubnis
nach § 9 Aufenthaltsgesetz bestand für den drittstaatsangehörigen Kläger Erwerbsfähigkeit nach § 8 Abs. 2 SGB II und kein Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II.
Leistungen für den Regelbedarf nach § 20 Abs. 2 SGB II als Alleinstehender (374,- EUR in 2012 und 382,- EUR in 2013) sowie für den Mehrbedarf wegen dezentraler Warmwassererzeugung
nach § 21 Abs. 7 SGB II (2,3 % des maßgeblichen Regelbedarfs; 8,60 EUR bzw. 8,79 EUR wurden bewilligt und erbracht. Eine höhere Leistung könnte der
Kläger nur beanspruchen, wenn ein Mehrbedarf nach § 21 Abs. 4 SGB II bestünde. Dies ist aber nicht der Fall. Die Maßnahme BINS50plus ist keine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben im Sinn von
§ 21 Abs. 4 SGB II.
a) Nach § 21 Abs. 4 Satz 1 SGB II erhalten erwerbsfähige behinderte Leistungsberechtigte, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach §
33 des
SGB IX sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SGB XII erbracht werden, Leistungen für einen Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 SGB II maßgebenden Regelbedarfs. Nach Satz 2 dieser Vorschrift kann der Mehrbedarf auch nach Beendigung der vorgenannten Maßnahmen
während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, gewährt werden.
b) Der Kläger hat nach dem Bescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales (ZBFS) vom 03.08.2011 einen Grad der Behinderung
(GdB) von 20 nach §
69 SGB IX. Damit gilt er nach §
2 Abs.
1 SGB IX als behindert. Der Kläger ist laut Gutachten auch erwerbsfähig i.S.v. § 8 Abs. 1 SGB II.
c) Eine Leistung nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 SGB XII (Schulbildung, schulische Ausbildung, sonstige Ausbildung) wurde nicht erbracht.
d) Es liegt auch keine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben nach §
33 SGB IX vor. Es fehlt an einem an einem behinderungsspezifischen Inhalt und an der notwendigen Regelförmigkeit der Maßnahme.
Nach §
33 Abs.
1 SGB IX werden zur Teilhabe am Arbeitsleben die erforderlichen Leistungen erbracht, um die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von
Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen
und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern. Die jeweilige Maßnahme muss final auf die in §
33 Abs.
1 SGB IX umschriebenen Ziele ausgerichtet sein (BSG, Urteil vom 06.04.2011, B 4 AS 3/10 R, Rn. 25). Es genügt dabei nicht jedwede Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben, sondern diese muss sich speziell auf den
Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile beziehen (ebenso LSG Hamburg, Urteil vom 22.10.2013, L 4 AS 60/12, LSG Saarland, Urteil vom 22.11.2013, L 9 AS 42/12; a. A. SG Braunschweig, Urteil vom 20.11.2012, S 49 AS 1145/11). Dies folgt aus dem Wortlaut von §
33 Abs.
1 SGB IX. Außerdem wäre die Aufzählung der Maßnahmegruppen in § 21 Abs. 4 SGB II überflüssig, wenn jede Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben den Mehrbedarf auslösen würde.
Zum anderen entspricht diese Auslegung Zweck und Umfang des Mehrbedarfs. Der Mehrbedarf wird anerkannt, um in pauschalierter
Form tatsächliche Aufwendungen, die durch die Teilnahme an den Maßnahmen entstehen, abzudecken (Knickrehm/Hahn in Eicher,
SGB II, 3. Auflage 2013, § 21 Rn. 44). Dabei ist der Mehrbedarf mit 35 % des einschlägigen Regelbedarfs (hier in 2012 monatlich 374,- EUR, das ergibt einen
Mehrbedarf von 130,90 EUR) im Vergleich zu anderen Mehrbedarfen relativ hoch angesetzt. Zugleich fehlt eine Beschränkung auf
schwerbehinderte oder diesen gleichgestellte Menschen nach §
2 Abs.
2 und
3 SGB IX. Wenn der Mehrbedarf in der vorgenannten Höhe typischerweise bestehen soll, dann ist die behinderungsspezifische Ausrichtung
der Maßnahme zu fordern. Umgekehrt sind allgemeine Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit typischerweise nicht geeignet, einen
Mehrbedarf nach § 21 Abs. 4 SGB II zu verursachen.
Das BSG hat in mehreren Urteilen den Mehrbedarf nach § 21 Abs. 4 SGB II nur für regelförmige Maßnahmen zugestanden (Urteil vom 06.04.2011, B 4 AS 3/10 R, zu regelmäßiger psychotherapeutischer Einzelbehandlung; Urteil vom 22.03.2010, B 4 AS 59/09 R, zu zweimaliger Vorsprache pro Monat beim Integrationsfachdienst; Urteil vom 15.12.2010, B 14 AS 44/09 R, zu ambulant betreutem Wohnen). Dies folge aus dem Wortlaut insbesondere von § 21 Abs. 4 Satz 2 SGB II und der Entstehungsgeschichte der Norm. Unerheblich sei dagegen, ob die Leistung im konkreten Einzelfall geeignet war, zusätzliche
Aufwendungen beim Kläger auszulösen (BSG, 22.03.2010, B 4 AS 59/09 R, Rn. 21 "organisatorischer Mindestrahmen").
Nach Auffassung des Berufungsgerichts muss eine regelförmige Maßnahme einen organisatorischen Rahmen haben, der zum einen
eine regelmäßige und nicht unerhebliche zeitliche Beanspruchung des Teilnehmers sicher stellt und eine Ausrichtung der Aktivitäten
der Teilnehmer auf die Teilhabe am Arbeitsleben. Daran fehlt es hier. Der Rahmen der Maßnahme ist bewusst sehr weit gefasst.
Im Zentrum der Maßnahme steht die fast freie Wahl von Kursen an der VHS. Das dreitägige Eingangsseminar ist ebenso wie die
individuelle Beratung zweimal monatlich auf die Begleitung dieser Kurse ausgerichtet; ein eigenständiger berufsbezogener Inhalt
dieser Begleitmaßnahmen ist nicht ersichtlich. Die Teilnehmer "sollen" lediglich einen von drei Kursen pro Halbjahr mit berufsbezogenem
Inhalt wählen. Damit sind zwei Drittel der Maßnahme von vornherein nicht auf berufliche Inhalte orientiert. Der berufsbezogene
Kurs ist nicht zwingend erforderlich. Hinzu kommt, dass kein zeitlicher Mindestumfang der einzelnen Kurse festgelegt ist.
Damit kann die Berufsorientierung der Maßnahme durch einen eintägigen Kurs pro Halbjahr erfüllt werden. Dass die Kläger zwei
Jahre lang nicht einen einzigen berufsbezogenen Kurs belegte, mag seiner Arbeitsmarktferne geschuldet sein, ist jedoch ein
weiterer Beleg für die weichen Vorgaben der Maßnahme und damit dem Fehlen eines ausreichenden organisatorischen Rahmens der
Maßnahme für einen Mehrbedarf nach § 21 Abs. 4 SGB II.
Um einem Missverständnis vorzubeugen: Das Berufungsgericht hält die Maßnahme BINS50plus für sinnvoll und geeignet, um Leistungsberechtigte,
die vom Arbeitsmarkt ein erhebliches Stück entfernt sind, niedrigschwellig zu erreichen, zu aktivieren und in einem längeren
Verlauf Integrationschancen zu erhöhen. Es fehlt aber der notwendige organisatorische und berufsbezogene Rahmen, um einen
Mehrbedarf nach § 21 Abs. 4 SGB II zu begründen.
e) Es handelt sich bei BINS50plus auch nicht um eine "sonstige Hilfe zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben"
nach § 21 Abs. 4 SGB II.
Eine Auslegung, wonach sonstige Hilfen jedwede Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben umfassen, würde die Aufzählung der Maßnahmen
in § 21 Abs. 4 SGB II überflüssig machen. Derartige Hilfen müssen vielmehr eine gewisse Gleichwertigkeit mit den anderen Maßnahmen nach § 21 Abs. 4 SGB II haben. Auch sonstige Hilfen müssen berufsbezogen sein und das Arbeitsleben betreffen und es muss sich um regelförmige Maßnahmen
handeln (BSG, 15.12.2010, B 14 AS 44/09 R, Rn. 15). Es muss sich ferner um Hilfen handeln, die final auf die Ziele des §
33 Abs.
1 SGB IX ausgerichtet sind (BSG, 06.04. 2011, B 4 AS 3/10 R, Rn. 25), also den Ausgleich behinderungsspezifischer Nachteile.
Wie oben dargelegt, fehlt es an der Ausrichtung der Maßnahme auf den Ausgleich behinderungsspezifischer Nachteile und der
erforderlichen Regelförmigkeit der Maßnahme. Es ist weder eine regelmäßige und nicht unerhebliche zeitliche Beanspruchung
des Teilnehmers gewährleistet noch die erforderliche Ausrichtung der Aktivitäten des Teilnehmers auf die Teilhabe am Arbeitsleben.
Wie das Sozialgericht zutreffend ausführt, kann BINS50plus auch deswegen nicht als sonstige Hilfe im Sinn von § 21 Abs. 4 SGB II betrachtet werden, weil die Maßnahme als Leistung zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung nach §
33 Abs.
3 Nr.
1 SGB IX eingestuft werden könnte und nur dessen Voraussetzungen mangels behindertenspezifischer Ausrichtung nicht erfüllt sind.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
4. Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Die strittige Maßnahme wird von zahlreichen Leistungsempfängern
in Anspruch genommen.